Urteil des OLG Hamm vom 09.08.2006

OLG Hamm: wiedereinsetzung in den vorigen stand, absolute verjährungsfrist, baustelle, einstellung des verfahrens, eigenes verschulden, juristische person, bauherr, zustellung, geschäftsführer

Oberlandesgericht Hamm, 1 Ss OWi 417/06
Datum:
09.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
1. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ss OWi 417/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 95 OWi 208 Js 918/03 (7404/03)
Tenor:
1.
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
Der Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 18. Januar 2006 und
der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts sind damit
gegenstandslos.
2.
Auf die Rechtsbeschwerde wird das Verfahren gemäß §§ 79 Abs. 3
OWiG i.V.m. § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, soweit der Betroffene wegen
eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 BaustellV (Baustelle X4
zu einer Geldbuße von 500,- € verurteilt worden ist.
3.
Das Verfahren wird gemäß § 47 Abs. 2 OWiG mit Zustimmung der
Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen
eingestellt, soweit der Betroffene wegen eines weiteren fahrlässigen
Verstoßes gegen
§ 2 Abs. 2 BaustellV (hier: Baustelle X7 zu einer Geldbuße von 250,- €
verurteilt worden ist.
4.
Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde
zurückgewiesen, weil es nicht geboten ist, die Rechtsbeschwerde zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des
rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 4 Satz 3 OWiG).
5.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Betroffenen auferlegt, soweit
der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen wurde. Im
übrigen trägt sie die Staatskasse. Insoweit wird jedoch davon
abgesehen, auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen der
Staatskasse aufzuerlegen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Amtsgericht hat den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 6. Juli 2005 wegen
"drei fahrlässiger Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 2 Abs. 2, 3, 7 Abs. 1 BaustellV, 25
Abs. 2 ArbSchG, § 20 OWiG" zu einer Geldbuße von 1.000,- € verurteilt.
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Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene Geschäftsführer der I
GmbH mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 7.000,- €. Am 28.09.2001 sei
festgestellt worden, dass die Fa. X GmbH als verantwortliche Bauherrin für die Baustelle
X5 und 19 in L die nach § 2 Abs. 2 BaustellV vorgeschriebene Vorankündigung vor
Errichtung der Baustelle dem Staatlichen Amt für Arbeitsschutz nicht mitgeteilt habe.
Bereits am 10. August 2001 sei außerdem festgestellt worden, dass die Firma des
Betroffenen mit dem Bauvorhaben X3 in C schon Anfang August 2001 durch Abriss des
Altgebäudes mit anschließendem Aushub der Baugrube begonnen habe, ohne die auch
in diesem Fall erforderliche Vorankündigung nach § 2 Abs. 2 BaustellV einzureichen.
Dies sei erst nach einer erneuten Aufforderung unter dem 28. August 2001 geschehen.
Weiterhin habe der Betroffene als Geschäftsführer der GmbH auch nicht dafür gesorgt,
dass vor Einrichtung der Baustelle X3 der nach § 2 Abs. 3 BaustellV erforderliche
Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt worden sei. Dieser habe auch bei einer
Baustellenrevision am 28. Februar 2002 noch nicht vorgelegen. Beide Baumaßnahmen
hätten einen erheblichen Umfang, weil in der X2 Eigentumswohnungen und im
Bauvorhaben X6 ein zweigeschossiges Wohnhaus mit acht Eigentumswohnungen plus
Tiefgarage erstellt worden seien. Im Hinblick auf den Verstoß gegen § 2 Abs. 2
BaustellV (Objekt X4 hat das Gericht auf eine Geldbuße von 500,- € erkannt und wegen
der Verstöße gegen § 2 Abs. 2 und Abs. 3 BaustellV bezüglich des Objekts X6
Geldbußen von jeweils 250,- € festgesetzt.
4
Der Betroffene hat diese Entscheidung mit Schreiben vom 7. Juli 2005 zunächst ohne
Begründung mit der "Berufung" angefochten und das Rechtsmittel nach Zustellung des
Urteils am 26. September 2005 erst mit weiterem Schreiben vom
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26. Oktober 2005, eingegangen beim Amtsgericht Dortmund am 27. Oktober 2005
begründet. Dazu hat er - im Wesentlichen - ausgeführt, dass er als Geschäftsführer der
GmbH ein Wohnungsbauunternehmen betreibe und in dieser Funktion nicht
Normadressat der Baustellenverordnung sei. Für die bei der Überwachung und Planung
des Baugeschehens zu beachtenden Gesetze seien die jeweils auf der Baustelle
tätigen Arbeitgeber/Unternehmer verantwortlich. Er selbst könne die
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Arbeitsrechtsschutzvorschriften der Baustellenverordnung weder inhaltlich verstehen
noch dem Gesetz Folge leisten "mangels entsprechender Kenntnis und mangels
entsprechender Umsetzungsmöglichkeiten." Ein Gesetz, das für den
Gesetzesadressaten nicht durchführbar sei, dürfe nicht Grundlage einer Sanktion sein.
Das Amtsgericht hat das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel als Rechtsbeschwerde
angesehen und diese mit Beschluss vom 18. Januar 2006 als unzulässig verworfen,
weil die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils
begründet worden sei.
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Gegen diesen, ihm am 7. März 2006 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellten Beschluss
hat der Betroffene mit Schreiben seines Verteidigers vom 8. März 2006 "sofortige
Beschwerde" eingelegt und darüber hinaus mit näheren Ausführungen beantragt, ihm
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur
Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.
8
II.
9
1.
10
Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist begründet.
11
Der Betroffene hat gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil des Amtsgerichts
Dortmund vom 6. Juli 2005 mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. Juli 2005 ein als
"Berufung" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Zwar ist gegen die Entscheidung des
Amtsgerichts nur die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe der §§ 79, 80 OWiG gegeben,
jedoch ist die fehlerhafte Bezeichnung des Rechtsmittels unschädlich (§ 300 StPO), so
dass das Schreiben vom 7. Juli 2005 als Rechtsbeschwerde bzw. als Antrag auf
Zulassung der Rechtsbeschwerde auszulegen ist. Nach Zustellung der Urteilsgründe an
den Betroffenen am 26. September 2005 begann die einmonatige Begründungsfrist (§§
79 Abs.3 OWiG iVm 345 Abs.1 StPO ), die somit am 26. Oktober 2005 ablief. Die erst
am 27. Oktober 2005 bei dem Amtsgericht Dortmund eingegangene Begründungsschrift
erweist sich damit als verspätet. Das Amtsgericht hat deshalb zu Recht die
Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel
nicht rechtzeitig begründet worden ist.
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Gleichwohl war nunmehr dem Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu entsprechen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u.a. wie folgt
Stellung genommen:
13
"Zwar enthält das Schreiben des Verteidigers vom 08.03.2006 keine Ausführungen
dazu, wann das Hindernis zur Vornahme der verspätet erfolgten Prozesshandlung
entfallen ist, auch fehlt es an einer ausdrücklichen Glaubhaftmachung von
nachvollziehbaren Gründen dafür, warum den Betroffenen - nach der Auffassung
des Verteidigers - an der Fristversäumung keine Schuld trifft. Allerdings ergibt sich
aus diesem Schriftsatz zwanglos, dass die Versäumung der Frist zur Begründung
der Rechtsbeschwerde auf einem Verteidigerverschulden, nämlich auf einer
fehlerhaften Fristberechnung
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beruht. Der Betroffene muss sich jedoch das Verschulden seines Verteidigers nicht
15
als eigenes Verschulden zurechnen lassen (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48.
Auflg., § 44 RN 18 m.w.N.). Weiterhin ergibt sich zwanglos, dass der Betroffene von
der Fristversäumung erstmals durch die am 07.03.2006 erfolgte Zustellung des
Verwerfungsbeschlusses Kenntnis erhalten hat, so dass mit dem Schriftsatz vom
08.03.2006 die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO gewahrt ist.
Der Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 18.01.2006 erweist sich daher,
ebenso wie der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, als
gegenstandslos."
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Diesen Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen
Entscheidung.
17
2.
18
Soweit der Betroffene wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 BaustellV
(Bauvorhaben X4 zu einer Geldbuße von 1.000,- € verurteilt wurde, hat die dagegen
gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der
19
- dem Gesamtvorbringen des Betroffenen noch zu entnehmenden - Sachrüge Erfolg.
Das Rechtsmittel führt bezüglich dieses Verstoßes zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Einstellung des Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung.
20
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u.a. Folgendes ausgeführt:
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"Die Erhebung der Sachrüge führt von Amts wegen zu einer Überprüfung auf
Verfahrenshindernisse.
22
Hinsichtlich der beiden Verstöße gegen § 2 Abs. 2 BaustellV (nicht rechtzeitige
Vorankündigung der Baustellen) liegt das Verfahrenshindernis der Verjährung
gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG vor:
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§ 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG sieht für eine vorsätzliche oder fahrlässige
Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld bis zu 5.000,00 EUR vor. Bei fahrlässiger
Begehungsweise beträgt die "einfache" Verjährungsfrist somit gemäß § 31 Abs. 2
Nr. 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 OWiG ein Jahr und die absolute Verjährungsfrist gemäß §
33 Abs. 3 Satz 2 OWiG zwei Jahre.
24
Vorliegend entstand(en) die Handlungspflicht(en), deren Nichterfüllung
bußgeldbewehrt ist, spätestens im ... September 2001.
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Entscheidend für den Beginn der Verjährung ist allerdings die Beendigung der
Tat(en). Die Beendigung tritt bei fahrlässigen Unterlassungsdelikten - wie hier -
spätestens zu dem Zeitpunkt ein, in dem die Handlungspflicht entfallen ist (zu vgl.
Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 31 RN 13).
26
Von der Errichtung der Baustelle X 15 und 19 erlangte die
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zuständige Behörde ausweislich der Urteilsgründe auch ohne die vorgeschriebene
Vorankündigung spätestens am 28.09.2001 Kenntnis, mit der Folge, dass auch
insoweit die Handlungspflicht des Betroffenen entfiel. Für diese Tat trat daher im
28
September 2003 die absolute Verjährung ein.
§ 32 Abs. 2 OWiG steht dem Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht entgegen, da
für diese Taten die Verjährung bereits eingetreten war, bevor am 11.06.2004
wegen dieser Vorwürfe erstmals ein Urteil ergangen ist."
29
Auch diesen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft tritt der Senat bei. Das
Bußgeldverfahren war deshalb wegen des Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 BaustellV
(Baustelle X4 gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 260 Abs. 3 StPO einzustellen.
30
3.
31
Diese (oben unter 2. genannten) Erwägungen treffen auch zu, soweit dem Betroffenen
vorgeworfen wird, die erforderliche Vorankündigung gemäß § 2 Abs. 2 BaustellV
bezüglich der Baustelle X6 erst verspätet, nämlich am 28. August 2001, erstattet zu
haben, obwohl mit dem Bauvorhaben bereits Anfang August 2001 begonnen worden
war. An diesem Tag (28. August 2001) endete die Handlungspflicht des Betroffenen und
die absolute Verjährungsfrist des §§ 33 Abs.3 S.2 OWiG wurde in Lauf gesetzt. Damit
war auch diese Tat spätestens im August 2003 verjährt, also ebenfalls vor der ersten
tatrichterlichen Entscheidung in dieser Sache.
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Da der Betroffene wegen dieser Ordnungswidrigkeit aber nur zu einer Geldbuße von
250,- € verurteilt worden ist, bedarf die Rechtsbeschwerde in diesem Fall gemäß § 80
Abs. 1 OWiG der Zulassung. Wegen des Verfahrenshindernisses der – wie hier - bereits
vor dem erstinstanzlichen Urteil eingetretenen Verfolgungsverjährung ist die Zulassung
nicht gegeben (zu vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 80 Rn 23). Zu dieser Frage bedarf es
auch ersichtlich in dem vorliegenden Verfahren keines klärenden Wortes. Da - wie
nachfolgend unter 4. noch näher auszuführen ist - auch wegen der Frage des
Normadressaten der Baustellenverordnung eine Zulassung der Rechtsbeschwerde
nicht in Betracht kommt, hat der Senat mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft
das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, soweit es den Vorwurf eines
Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 BaustellV (Baustelle X6) betrifft. Bei dieser
Verfahrensweise wird vermieden, dass die in diesen beiden Fällen verjährten
Ordnungswidrigkeiten nach § 2 Abs.2 BaustellV aufgrund ihrer unterschiedlichen
rechtlichen Anfechtbarkeit eine Ungleichbehandlung erfahren.
33
4.
34
Soweit das Amtsgericht den Betroffenen schließlich wegen eines – in diesem Fall nicht
verjährten - fahrlässigen Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 BaustellV zu einer Geldbuße von
250,- € verurteilt hat (Baustelle X6), weil er den erforderlichen Sicherheits- und
Gesundheitsschutzplan nicht erstellt hat, bedarf die Rechtsbeschwerde ebenfalls der
Zulassung. Gemäß § 80 Abs. 1 OWiG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn es
geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung
des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
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Zur Fortbildung des Rechts - nur diese Alternative kann hier in Betracht kommen – ist
die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn es gilt, bei der Auslegung von Rechtssätzen
und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen
und zu festigen. Mit der Zulassung soll das Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit
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erhalten, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte
richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen. Erforderlich ist in diesem Fall, dass
die in Rede stehende Rechtsfrage von praktischer Bedeutung, entscheidungserheblich
und klärungsbedürftig, d.h. noch offen, zweifelhaft oder bestritten ist (BGHSt 24, S.
15,21; OLG Düsseldorf, VRS 85, S. 373, 374).
Das ist hier nicht der Fall. Zwar ist bislang - soweit ersichtlich - eine obergerichtliche
Entscheidung zu der Frage der Verantwortlichkeit des Bauherrn nach den Vorschriften
der - verfassungsrechtlich offensichtlich unbedenklichen - Baustellenverordnung nicht
ergangen. Der vorliegende Fall gibt aber gleichwohl keine Veranlassung, Leitsätze für
die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts (oder des
Verfahrensrechts) aufzustellen, denn die gesetzliche Regelung ist eindeutig und bedarf -
jedenfalls im vorliegenden Fall - keiner weiteren Erläuterungen.
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Der Senat weist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin:
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Die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 19 ArbSchG erlassene
Baustellenverordnung stellt einen besonderen Teil des Arbeitsschutzrechtes dar. Sie
beruht auf den von der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 118a EWG-
Vertrag erlassenen speziellen Richtlinien zum betrieblichen Arbeitsschutz auf
Baustellen. Damit soll den besonderen Gefahrensituationen auf größeren Baustellen
begegnet werden, die einem besonders hohen Unfall- und Gesundheitssrisiko
ausgesetzt sind (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2002, S. 91). Gemäß § 2 Abs. 3 i.V.m. § 4
BaustellV ist der Bauherr verpflichtet, bei der Durchführung von Bauvorhaben, die eine
bestimmte Größenordnung überschreiten, einen Sicherheits- und
Gesundheitsschutzplan (sogenannter "SiGePlan") zu erstellen. Durch die Vorschrift des
§ 2 BaustellV werden dem Bauherrn damit erstmals originäre Verpflichtungen des
Arbeitsschutzrechts auferlegt (Kollmer, Arbeitsschutzgesetz, § 2 BaustellV Rdnr. 1). Er
ist somit dafür verantwortlich, dass die Belange der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes bereits in der Planungsphase einbezogen sind und während der
Baumaßnahme koordiniert werden. Die von den jeweiligen auf der Baustelle tätigen
Unternehmern/Arbeitgebern zu beachtenden Bestimmungen des Arbeitsschutzes
bleiben davon unberührt und stehen neben den sich aus der Baustellenverordnung
ergebenden Pflichten des Bauherrn.
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Der Begriff des Bauherrn im Rahmen der Baustellenverordnung ist dabei im Sinne des
jeweils geltenden Bauordnungsrechtes zu sehen (Heinen/Uhlig/Steinborn,
Arbeitsstätten, 3. Aufl.,Teil II 1.1.1. Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen 512.5.4.1
Rn. 21). Bauherr im ordnungsrechtlichen Sinne ist diejenige natürliche oder juristische
Person, für deren Rechnung, auf deren Veranlassung und in deren Verantwortung eine
Baumaßnahme vorbereitet und durchgeführt wird. Es ist in der Regel derjenige, der eine
Baugenehmigung beantragt und erhalten hat. Diese Person ergibt sich schließlich auch
aus dem Bauantrag, denn sie hat diesen neben dem Entwurfsverfasser zu
unterschreiben (Moelle/Rabeneck/Schalk, BauO NRW, § 57 Rdnr. 3;
Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, 3. Aufl., § 15 Rn.5). Der Bauherr ist
somit der Gesamtverantwortliche für das Vorhaben und kann damit nahezu unbegrenzt
als Adressat öffentlich-rechtlicher Maßnahmen herangezogen werden. Er ist
insbesondere auch verantwortlich für die Einhaltung des formellen und materiellen
Baurechts, der Erbringung von Anträgen, Anzeigen und Nachweisen, der Sicherheit der
Baustelle und Abwicklung der Baumaßnahme sowie der Bestellung geeigneter
Personen (Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, Kapitel 11, II Rdnr. 3 u. 4).
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Besitzt ein Bauherr nicht die nach der Baustellenverordnung erforderliche Sachkunde,
so muss er zur Vorbereitung, Überwachung und Ausführung eines
genehmigungsbedürftigen Vorhabens weitere Personen mit besonderen Kenntnissen
bestellen. Diese Möglichkeit wird ihm durch § 4 BaustellV ausdrücklich eingeräumt. In
diesem Fall ist aber ausdrücklich klarzustellen, dass ausschließlich dieser Dritte die
Verantwortung trägt (Kollmer, aaO § 4 BaustellenV Rn.1; Finkelnburg/Ortloff,
Öffentliches Baurecht, 5. Aufl. Bd,2 S. 123).
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Unter Berücksichtigung dieser (eindeutigen) gesetzlichen Regelung, die das
Amtsgericht zutreffend gewertet hat, bedurfte es nicht der Zulassung der
Rechtsbeschwerde.
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5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs.1 OWiG i.V.m. § 473 Abs.1, 467 Abs.1, 3
Nr.2 und Abs. 4 StPO.
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