Urteil des OLG Hamm vom 18.10.2007

OLG Hamm: widerklage, gesetzlicher vertreter, rechtliches gehör, einrede des nichterfüllten vertrages, parteifähigkeit, treu und glauben, krankenanstalt, medikamentöse behandlung, neues vorbringen

Oberlandesgericht Hamm, 28 U 49/07
Datum:
18.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
28. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 U 49/07
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 530/06
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 01.02.2007 verkündete Urteil
der 15. Zi-vilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Honorarzahlung.
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Der Kläger ist Rechtsanwalt in P. Er hatte die Beklagte in einem Berufungsverfahren vor
dem Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen 3 U 162/05; Beiakte) vertreten. Dem lag
folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Beklagte ist die Nichte der am 13.12.1999 verstorbenen I3. Diese befand sich in der
Zeit vom 26.10.1999 bis zu ihrem Tod am 13.12.1999 in einem geriatrischen
Rehabilitationszentrum, das von dem T-Hospital in N betrieben wurde. Unter dem
30.11.1999 und 20.12.1999 wurden I3 insgesamt 26.652,80 DM (= 12.604,78 €) für die
Unterbringung in einem Zwei-Bett-Zimmer in Rechnung gestellt. Nach dem Tode der
Patientin verlangte das T-Hospital den entsprechenden Betrag von der Beklagten. Ihr
wurde deshalb am 10.11.2001 ein Mahnbescheid zugestellt. Hiergegen legte die
Beklagte Widerspruch ein und machte nach der Abgabe in das streitige Verfahren vor
dem Landgericht Münster (Aktenzeichen 15 O 5/02) u.a. geltend, dass sie nicht die Erbin
ihrer verstorbenen Tante geworden sei. Im Übrigen erhob sie die Einrede der
Verjährung. In prozessualer Hinsicht vertrat sie die Auffassung, dass die klagende
Partei des Rechtsstreits nicht wirksam bezeichnet worden sei und im Übrigen dem
Krankenhaus als solchem ohnehin keine zivilprozessuale Parteifähigkeit zukomme.
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Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits verlangte die Beklagte dann im Wege der
Widerklage von dem T-Hospital die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes,
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dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt sein, jedoch einen Betrag in Höhe
von 5.000,00 € nicht unterschreiten sollte. Sie beanstandete die Dokumentation der
Behandlung durch die Krankenunterlagen und behauptete, I3 sei im T-Hospital
fehlerhaft behandelt worden. Die schwerkranke Patientin hätte von vornherein gar nicht
aufgenommen werden dürfen, da dort die sachlichen und persönlichen
Voraussetzungen für eine fachgerechte medizinische Betreuung gar nicht vorhanden
gewesen seien. Der sehr bedrohliche Zustand sei der Leitung des Hospitals im
Einzelnen bekannt gewesen. Im Übrigen habe es das Krankenhaus zu verantworten,
dass während des Aufenthalts von I3 eine notwendige medikamentöse Behandlung
wegen schwerer Herzinsuffizienz unterblieben sei. Der Patientin sei statt dessen das
Kortisonpräparat Decortin verabreicht worden, was zu einer zusätzlichen
Wassereinlagerung geführt habe. Sodann habe man eine starke Entwässerung mit
Aquafort 10 mg begonnen, ohne die notwendige, das Herz unterstützende Medikation
vorzunehmen. Spätestens am 20.11.1999 wäre es angezeigt gewesen, I3 in ein
Krankenhaus zu verlegen. So aber habe sie während des Aufenthalts in dem
geriatrischen Rehabilitationszentrum aufgrund der dortigen Fehlbehandlung erhebliche
Schmerzen erleiden müssen, für die an sich ein Schmerzensgeld in Höhe von
20.000,00 € angemessen wäre. Jedoch werde aus Kostengründen lediglich ein
Teilbetrag in Höhe von 5.000,00 € geltend gemacht. Der entsprechende Anspruch sei
an die Beklagte abgetreten worden.
Seitens des T-Hospitals wurde der Prozess im Wesentlichen von dem Verwaltungsleiter
C3 gestaltet. Er hatte die grundlegende Vollmacht für die von dort beauftragten
Rechtsanwälte M pp. in N unterzeichnet. C3 wurde auch im Rubrum jeweils als
gesetzlicher Vertreter des Krankenhauses bezeichnet.
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Durch Teil-Urteil des Landgerichts Münster vom 07.07.2005 wurde die Beklagte – unter
Klageabweisung im Übrigen - zur Zahlung von 12.604,78 € nebst Zinsen an das T-
Hospital in N verurteilt. Zur Begründung hieß es, dass das T-Hospital als Krankenhaus
mit eigenem Buchungs- und Bilanzierungskreis berechtigt sei, die Forderung im
eigenen Namen geltend zu machen. Die Beklagte sei insofern auch passivlegitimiert.
Ihre Erbenstellung ergebe sich aus einem notariellen Erbvertrag vom 27.12.1976, der
sich in den beigezogenen Nachlassakten des Amtsgerichts Ibbenbüren befinde. Die von
der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch, da mit Zustellung
des Mahnbescheids am 10.11.2001 eine rechtzeitige Unterbrechung gem. § 209 II Nr. 1
BGB (a.F.) eingetreten sei. Eine Entscheidung über den im Wege der Widerklage
geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch solle dem weiteren Verfahren
vorbehalten bleiben.
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Die Beklagte wandte sich mit der Berufung gegen das Teilurteil vom 07.07.2005 an das
Oberlandesgericht Hamm (Bl. 425-482 der Beiakte). Durch einen Beschluss vom
19.04.2006 wurde der Streitwert zunächst auf 12.604,00 € festgesetzt. Mit einer
Verfügung vom 03.05.2006 wies der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die
Parteien darauf hin, dass der Erlass des Teilurteils unzulässig gewesen sein dürfte, da
gem. § 538 II Nr. 7 ZPO die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen
bestehe. Der mit der Klage geltend gemachte Honoraranspruch sei nämlich dann nicht
gegeben, wenn die Behandlung für die Patientin aufgrund der von der Beklagten
behaupteten ärztlichen Fehler ohne Interesse gewesen sei. Ferner wurde dem T-
Hospital aufgegeben, die Originalkrankenunterlagen zu den Akten zu reichen und unter
Vorlage geeigneter Belege näher zu seiner Parteifähigkeit und dem Verhältnis zu der
Krankenanstalt S vorzutragen. Eine mündliche Verhandlung vor dem Senat wurde auf
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den 21.06.2006 anberaumt. Unter dem 19.05.2006 wurde die Berufungserwiderung des
T-Hospitals verfasst. Danach wies der Berichterstatter des 3. Zivilsenats darauf hin,
dass die Auflage zur Frage der Parteifähigkeit des Krankenhauses nicht hinreichend
erfüllt worden seien. Daraufhin reichte das Hospital mit Schriftsatz vom 07.06.2006 eine
Urkunde des Notars C4 in S2 vom 18.09.2000 zu den Akten. Demnach wurde das T-
Hospital von der vormaligen Trägerin, der Katholischen Kirchengemeinde B in N, an die
Krankenanstalt S, genannt N-Spital, veräußert.
Einige Tage vor dem anberaumten Senatstermin beauftragte die Beklagte, die bislang
von anderen Bevollmächtigten vertreten worden war, den Kläger mit der Wahrnehmung
ihrer Interessen in dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm. Er
bestellte sich mit Schriftsatz vom 19.06.2006 und nahm mit weiterem Schriftsatz vom
20.06.2006 zur Sache Stellung. Diesen hatten zu wesentlichen Teilen die Beklagte und
ihr Ehemann selbst verfasst. Darin bezog man sich auf die Anträge der
Berufungsbegründung und beantragte im Übrigen, die Kosten des Berufungsverfahrens
dem Verwaltungsleiter C3, hilfsweise der Gegnerin, aufzuerlegen. Ferner wurde
beanstandet, dass das T-Hospital entgegen der Auflage des Senats keine
Originalkrankenunterlagen zu den Akten gereicht habe. Folge hiervon sei, dass der
Beweis einer Falsch- bzw. Nichtbehandlung von I3 als geführt anzusehen sei. Zudem
überreichte man eine Bestätigung des Bischöflichen Generalvikariats N2, wonach die
Stiftung N-Spital in S2 Trägerin und Betreiberin des T-Hospitals in N sei.
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Am 21.06.2006 kam es zu dem Termin vor dem 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
Hamm. Hieran nahmen u.a. der Kläger, die Beklagte und deren Ehemann L2 sowie
Rechtsanwalt L für die Gegenseite teil. Der Senat schlug vor, Klage und Widerklage mit
den jeweiligen Kostenfolgen zurückzunehmen. Die Verhandlung wurde insgesamt
zweimal unterbrochen. Der Kläger, die Beklagte und deren Ehemann berieten die
Angelegenheit. Eine einvernehmliche Regelung kam nicht zustande. Der Senat wies
darauf hin, dass es beabsichtigt sei, die Widerklage mit in die zweite Instanz zu ziehen.
Die Beklagte lehnte dies vehement ab. Der Kläger bat daraufhin zu Protokoll
"gegebenenfalls" um die Bewilligung einer Schriftsatzfrist von zwei Wochen (Bl. 15-17
GA). Ausdrückliche Anträge zu der Widerklage wurden von den Rechtsanwälten nicht
gestellt. Am Ende der Verhandlung wurde das am 07.07.2005 verkündete Teilurteil des
Landgerichts Münster abgeändert: Klage und Widerklage wurden als unzulässig
abgewiesen. Die Kosten wurden zu 72% der Krankenanstalt S und zu 28% der
Beklagten auferlegt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Zur Begründung seiner
Entscheidung in der Hauptsache führte der Senat aus, dass dem T-Hospital in N als
Kläger und Widerbeklagtem die Parteifähigkeit i.S.d. § 50 I ZPO fehle.
Rechtspersönlichkeit besitze allein dessen Träger. Dieser habe jedoch den Mangel der
Parteifähigkeit des Krankenhauses nicht durch die Ermächtigung zur Geltendmachung
der Rechte im eigenen Namen beseitigen können, da es dafür keine prozessuale
Rechtsgrundlage gebe. Eine Auslegung des Rubrums dahingehend, dass hier die
Krankenanstalt S als Klägerin anzusehen gewesen sei, komme nicht in Betracht. Das
Krankenhaus habe auf Anfrage des Senates eindeutig klargestellt, dass es selbst und
gerade nicht sein Träger Klagepartei sein solle. Das Heraufziehen der noch in der
ersten Instanz anhängigen Widerklage sei zulässig gewesen. Dies folge aus
prozessökonomischen Gründen dann, wenn der Erlass eines Teilurteils zwar
unzulässig gewesen, der Rechtsstreit aber nunmehr insgesamt entscheidungsreif sei.
Bei der Kostenentscheidung sei zu berücksichtigen, dass die Veranlassung der
unzulässigen Klage der Krankenanstalt S als Trägerin des T-Hospitals zuzurechnen sei.
Hingegen hafte der Verwaltungsleiter C3 nicht persönlich, weil er den Rechtsstreit nicht
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aus eigenem Interesse, sondern zur Durchsetzung des allenfalls dem
Krankenhausträger zustehenden Honoraranspruchs initiiert habe. Dementsprechend
habe ja auch der Krankenhausträger eine "Ermächtigung" erteilt. Die Kosten der
unzulässigen Widerklage müsse allerdings die Beklagte tragen. Es hätte ihr oblegen,
die Parteifähigkeit des von ihr in Anspruch genommenen Widerbeklagten selbst zu
prüfen, zumal sie bereits in der erstinstanzlichen Klageerwiderung die Unzulässigkeit
der Klage beanstandet hatte. Eine Schriftsatzfrist sei der Beklagten nicht mehr
einzuräumen gewesen, da bei einem unstreitigen Sachverhalt die maßgeblichen
Rechtsfragen bereits im Senatstermin eingehend erörtert worden seien und die Beklagte
ausgiebig Gelegenheit zur Darlegung ihres eigenen Standpunktes erhalten habe (Bl.
18-25 GA).
Im Übrigen wurde der Streitwert für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom
21.06.2006 auf 17.604,78 € festgesetzt. Auf dieser Grundlage stellte der Kläger am
22.06.2006 eine Kostenrechnung über 2.085,68 €.
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Mit Schriftsatz vom 20.07.2006 erhob der Kläger namens der Beklagten eine
Gehörsrüge nach § 321a ZPO gegen das Urteil vom 21.06.2006 (Bl. 26-32 GA).
Beanstandet wurde, dass der Senat erst im Verhandlungstermin seine Absicht zu
erkennen gegeben habe, die Widerklage an sich zu ziehen und darüber zu entscheiden.
Bei Einräumung ausreichenden rechtlichen Gehörs hätte man noch umfassender zu den
maßgeblichen Rechtsfragen Stellung nehmen können. Insbesondere hafte der
tatsächliche Veranlasser von Klage und Widerklage, der Verwaltungsleiter C3, als
Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB sowie aus §§ 823 I, 823 II BGB i.V.m.
263 StGB, 826 BGB gegenüber der Beklagten auf Schadensersatz (Bl. 26-32 GA). Die
Gehörsrüge wurde durch Senatsbeschluss vom 07.08.2006 zurückgewiesen. Zu Lasten
der Beklagten wurden Kosten in Höhe von 346,80 € in Rechnung gestellt.
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Am 07.08.2006 übersandte der Kläger der Beklagten eine Ablichtung seiner
Kostenrechnung vom 22.06.2006 in Höhe von 2.085,68 € und mahnte mit Schreiben
vom 21.08.2006 die Ausgleichung an. Unter dem 04.09.2006 setzte der Kläger der
Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 11.09.2006.
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Durch Kostenfestsetzungsbeschluss I des Landgerichts Münster vom 23.10.2006 wurde
ein Erstattungsanspruch des T-Hospitals N gegen die Beklagte in Höhe von 1.472,03 €
und durch Kostenfestsetzungsbeschluss II vom selben Tag ein Erstattungsanspruch der
Beklagten gegen die Krankenanstalt S in Höhe von 2.862,23 € festgesetzt. Die
Beschlüsse wurden jeweils dem Kläger zugestellt. Mit Telefax vom 30.10.2006 forderte
ihn die Beklagte zur Übersendung der Unterlagen auf. Am Folgetag schickte der Kläger
eine Ablichtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses I und merkte im Übrigen an, dass
er das vorangegangene Telefax der Beklagten als Kündigung des ihm erteilten Mandats
werte. Mit Schreiben vom 01.11.2006 forderte der Kläger die Krankenanstalt
barmherziger Schwestern zur Zahlung von 2.862,23 € auf sein Kanzleikonto auf. Die
Gegenseite antwortete mit Anwaltsschreiben vom 14.11.2006. Darin bat sie "angesichts
der besonderen Umstände" um Mitteilung der Kontoverbindung der Beklagten, damit die
Zahlung direkt dorthin erfolgen könne. Anderenfalls werde eine Hinterlegung erfolgen.
Mit seinen Schreiben vom 17.11.2006 und vom 05.12.2006 wies der Kläger die
Beklagte darauf hin, dass er die vollstreckbare Ausfertigung des
Kostenfestsetzungsbeschlusses II nur gegen Ausgleich sämtlicher bei ihm angefallener
Kosten aushändigen werde.
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Im weiteren Verlauf wurde auf eine sofortige Beschwerde der Beklagten der
Kostenfestsetzungsbeschluss I des Landgerichts Münster vom 23.10.2006 durch
Beschluss des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28.12.2006
abgeändert und das Kostenfestsetzungsgesuch der damals gegnerischen
Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte M pp. in N, zurückgewiesen. Das
Festsetzungsgesuch sei bereits unzulässig, da die Klägerin nicht parteifähig sei und
eine Anwendung der Grundsätze zur fingierten Parteifähigkeit ausscheide.
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Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung seiner
Gebühren in Höhe von 2.085,68 € sowie nicht anrechenbarer Anwaltskosten in Höhe
von 124,65 € verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, von der Beklagten auch mit der
Wahrnehmung ihrer Interessen hinsichtlich der Widerklage beauftragt worden zu sein.
Er hat behauptet, während zweimaliger Unterbrechungen des Senatstermins am
21.06.2006 seien zwischen den Parteien ausführlich diejenigen Gesichtspunkte erörtert
worden, die sich aus der Einbeziehung der Widerklage in das Berufungsverfahren
ergeben. Insbesondere sei erörtert worden, ob die Beklagte nunmehr Forderungen
gegen den Verwaltungsleiter C3 erheben und die Widerklage entsprechend umstellen
könne. Auch sei vorgeschlagen worden, die Widerklage zurückzunehmen. Dies habe
die Beklagte jedoch ausdrücklich abgelehnt. Im Verlauf der Verhandlung habe der
Kläger zu den rechtlichen Problemen der Widerklage ausführlich und profund Stellung
genommen.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, den Kläger nicht mit der Wahrnehmung ihrer
Interessen hinsichtlich der Widerklage beauftragt zu haben. Der Senat habe die Frage
des Hochziehens der Widerklage nur kursorisch erörtert. In den kurzen
Verhandlungspausen seien lediglich der Vergleichsvorschlag des Senats und die
Kostenfragen besprochen worden. Sinngemäß habe auch der Kläger selbst – sowohl
am Rande der Verhandlung vom 21.06.2006 als auch in einem Telefonat am
07.08.2006 - gegenüber ihrem Ehemann erklärt, dass er in dem Berufungsverfahren nur
"im Rahmen des Teilurteils des Landgerichts Münster" tätig geworden sei.
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Im Übrigen hat die Beklagte dem Kläger anwaltliche Pflichtverletzungen zur Last gelegt
und insofern die Aufrechnung mit eigenen Schadensersatzforderungen erklärt. Sie hat
gemeint, der Kläger habe eine Verhandlung über die Widerklage nicht ernsthaft und
konsequent abgelehnt. Die beantragte Schriftsatzfrist sei ein insofern untaugliches Mittel
gewesen. Statt dessen hätte der Kläger zu Protokoll erklären müssen, dass die Beklagte
jede Verhandlung über die vom Senat beabsichtigte Einbeziehung der Widerklage
ablehne. So hätte er eine "Quasi-Versäumnislage" herbeiführen müssen. Nach seinen
eigenen Prämissen hätte der Senat dann aber kein Versäumnisurteil erlassen können,
da sich auf der Gegenseite nur die Scheinpartei "T-Hospital" befunden habe. Im Übrigen
sei die Widerklage entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts damals noch gar
nicht entscheidungsreif gewesen. Insofern hätte der Kläger verdeutlichen müssen, dass
der Verwaltungsleiter C3 verantwortlich für die Erhebung der Widerklage gegen die
falsche Partei gewesen sei. Seine Haftung ergebe sich aus seinem durchgehenden
Auftreten als angeblicher gesetzlicher Vertreter der Scheinpartei "T-Hospital". Die von
ihm unterschriebene Prozessvollmacht sei auf den 04.05.2000 rückdatiert worden.
Durch das gebotene "Offenhalten" der Widerklage und Nichtverhandeln hätte die
Beklagte die Gelegenheit bekommen, ihren Vortrag zur wahren Partei weiter zu
vertiefen und die Widerklage gegen den Verwaltungsleiter C3 umstellen zu können. Sie
wäre gemäß §§ 179, 823 I, 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB auch materiell-rechtlich
erfolgreich gewesen, weil durch das Fehlen der Krankenunterlagen sich die Beweislast
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zu Gunsten der Beklagten umgekehrt hätte. Durch das pflichtwidrige Verhalten des
Klägers sei ihr insgesamt ein Schaden in Höhe von 7.931,92 € entstanden. Dieser setze
sich zusammen aus den Gerichtskosten und den Rechtsanwaltsgebühren sowie der
Schmerzensgeldforderung in Höhe von 5.000,00 €, die der Beklagten wegen der
Abweisung der Widerklage entgangen sei (Wegen der Einzelheiten der Berechnung
wird auf die Seiten 10/11 der erstinstanzlichen Klageerwiderung verwiesen; Bl. 53/54
GA). Weiterhin habe der Kläger seine Pflichten dadurch verletzt, dass er nach der
Beendigung des Mandates versucht habe, den für die Beklagte titulierten
Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 2.862,23 € nebst Zinsen aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss II des Landgerichts Münster vom 23.10.2006 für sich
einzuziehen, und sodann eine Herausgabe des Titels verweigert habe. Dies verstoße
gegen § 43a V BRAO und § 4 I 1 BORA und habe zu einer akuten
Vermögensgefährdung der Beklagten geführt.
Das Landgericht hat die Akten 15 O 5/02 Landgericht Münster (= 3 U 162/05
Oberlandesgericht Hamm) beigezogen und sodann die Beklagte verurteilt, an den
Kläger 2.085,68 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von
124,65 € (unter Klageabweisung wegen des darauf entfallenden Zinsanspruchs) zu
zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte den Kläger im Verlauf des
Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Hamm durch die gemeinsame
Erörterung des von dem 3. Zivilsenat am 21.06.2006 erteilten Hinweises konkludent
auch mit der Wahrnehmung ihrer Interessen hinsichtlich der Widerklage beauftragt
habe. Ausgehend davon sei die Berechnung des Honorars in Höhe von 2.085,68 € nicht
zu beanstanden. Dem stehe kein Anspruch der Beklagten wegen Schlechterfüllung des
Anwaltsvertrages entgegen. Das Oberlandesgericht habe unabhängig von den
Einwendungen der Parteien den seinerzeit noch in erster Instanz anhängigen
Rechtsstreit über die Widerklage an sich ziehen und zusammen mit der Berufung
hinsichtlich der Klage entscheiden können. Durch die Abweisung der Widerklage sei
der Beklagten auch kein Schaden entstanden. Ein materiell-rechtlicher
Schadensersatzanspruch mit der Begründung, dass sie von dem Klageveranlasser über
dessen Parteifähigkeit getäuscht worden sei, habe ihr nicht zugestanden. Auch mit der
Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss
II vom 23.10.2006 habe der Kläger keine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, da
ihm die grundlegende Forderung gegen die Beklagte zugestanden habe. Wegen der
weiteren Einzelheiten einschließlich der in erster Instanz von den Parteien gestellten
Anträge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen
Urteils Bezug genommen (Bl. 131-138 GA).
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Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts.
Zur Begründung hält sie ihre erstinstanzlichen Behauptungen und Rechtsansichten
aufrecht und macht im Wesentlichen Folgendes geltend:
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I.
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Der Kläger habe anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht
keinen – insbesondere auch keinen konkludenten - Auftrag zur Widerklage erhalten. Die
entsprechende Würdigung des Landgerichts stehe im Widerspruch zu der Feststellung,
dass die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Senat in der mündlichen
Verhandlung am 21.06.2006 ausdrücklich erklärt habe, eine Entscheidung über die
erstinstanzliche Widerklage abzulehnen. Das zeitweise resignierte Schweigen durfte
nicht als Auftrag zur Widerklage und Einverständnis mit der Verhandlung zum
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"Heraufziehen" der Widerklage verstanden werden. Im Übrigen habe das Landgericht
zwei entscheidungserhebliche Beweisangebote zum Nichtzustandekommen eines
Zusatzvertrages zur Widerklage übergangen. Die Beklagte habe behauptet, der Kläger
selbst habe – sowohl am Rande der Verhandlung vom 21.06.2006 als auch in einem
Telefonat am 07.08.2006 - gegenüber ihrem Ehemann erklärt, dass er in dem
Berufungsverfahren nur "im Rahmen des Teilurteils des Landgerichts Münster" tätig
geworden und nicht auch mit der Widerklage beauftragt worden sei. Insofern hätte der
Ehemann der Beklagten als Zeuge vernommen werden müssen.
II.
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Zu Unrecht habe das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen
Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags abgelehnt. Der Kläger wäre verpflichtet
gewesen, dem Bestreben des 3. Zivilsenats, die noch erstinstanzlich anhängige
Widerklage hochzuziehen, von vornherein effizient entgegenzutreten. Der für die
Widerklage grundlegende Sachverhalt sei damals nicht entscheidungsreif gewesen,
denn insofern hätte die Haftung des Verwaltungsleiters C3 als Vertreter ohne
Vertretungsmacht geprüft werden müssen. Die hierzu vertretene Rechtsauffassung der
Beklagten werde durch den Kostenbeschluss des 23. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 28.12.2006 bestätigt. Das erstinstanzliche Gericht
hingegen habe den umfangreichen und substantiierten Vortrag der Beklagten zu diesem
Komplex nicht zur Kenntnis genommen. Dabei hätte das Regressgericht selbständig
darüber befinden müssen, wie im Hinblick auf die Widerklage richtigerweise hätte
entschieden werden müssen. Tatsächlich wäre der Kläger verpflichtet gewesen, nach
dem Original der von dem Verwaltungsleiter unterschriebenen Prozessvollmacht zu
fragen, um auf diese Weise zu klären, dass der Rechtsstreit von C3 unter dem Namen
der Scheinpartei "T-Hospital" geführt worden sei. Dies hätte dessen
Eigenverantwortlichkeit auch für die Kosten der Widerklage evident werden lassen.
24
III.
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Im Ergebnis seien dem Honoraranspruch des Klägers für das Berufungsverfahren, der
sich angesichts eines Streitwerts (nur) für die Klage von 12.604,00 € auf insgesamt
1.825,89 € belaufe, Schadensersatzpositionen der Beklagten in Höhe von insgesamt
6.459,89 € entgegenzuhalten. Diese setzen sich zusammen aus der Kostenlast von
1.459,89 € sowie dem entgangenen Schmerzensgeld von 5.000,00 €.
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IV.
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Im Übrigen habe das Landgericht zu Unrecht ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers
gem. § 273 II BGB an der vollstreckbaren Ausfertigung des
Kostenfestsetzungsbeschlusses II des Landgerichts Münster vom 23.10.2006
angenommen und sei nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten gem. §
242 BGB eingegangen. Der Kläger habe diesen Titel, der allein der Beklagten zustehe,
erst nach Beendigung des Mandates erhalten und dann sogar versucht, daraus eine
Zahlung der Gegenseite auf seine angebliche Honorarforderung zu erwirken. Dies alles
sei ohne Wissen und Vollmacht der Beklagten erfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung des Rechtsanwalts
I aus I2 vom 29.05.2007 (Bl. 193 ff. GA) Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Münster vom 01.02.2007 abzuändern
und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und wiederholt bzw. vertieft sein
erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere behauptet der Kläger, gegenüber dem
Ehemann der Beklagten lediglich erklärt zu haben, dass er ursprünglich nur im Rahmen
des Teilurteils des Landgerichts Münster tätig geworden sei. Er habe dabei aber auch
immer wieder ergänzt, dass er auf die Erweiterung des Streitstoffs durch das
Hochziehen der Widerklage keinen Einfluss gehabt habe. Im Übrigen sei er selbst es
gewesen, der die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass von dem Generalvikariat N2
als der zuständigen Aufsichtsbehörde eine Auskunft darüber eingeholt werden könne,
ob es sich bei dem T-Hospital um eine rechtsfähige Stiftung handele oder nicht. Ferner
ist der Kläger der Ansicht, dass keine Partei Einfluss auf das Hochziehen der
Widerklage durch das Oberlandesgericht gehabt habe. Die Einbeziehung des
Verwaltungsleiters C3 in den Rechtsstreit sei nicht möglich gewesen. Insofern verkenne
die Beklagte, dass der Vertrag über den Verkauf des T-Hospitals überhaupt keine
Bedeutung für die Parteistellung und die Parteifähigkeit im Vorprozess gehabt habe.
Schließlich verweist der Kläger noch darauf, dass die Krankenanstalt S mittlerweile die
von ihr zu erstattenden Kosten nebst Zinsen unmittelbar an die Beklagte gezahlt habe.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss II des Landgerichts Münster vom 23.10.2006 sei
daher als Titel wertlos und werde der beglaubigten Abschrift der Berufungserwiderung
als Anlage beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung der
Rechtsanwälte Dr. C pp. in P vom 07.06.2007 (Bl. 211 ff. GA) Bezug genommen.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird zudem vollumfänglich auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Der Senat hat die Parteien angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Berichterstattertermin zu der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2007 Bezug
genommen.
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Die Akten 15 O 5/02 Landgericht Münster (= 3 U 162/05 Oberlandesgericht Hamm) sind
beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
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A. Zahlungsanspruch
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Die Honorarforderung des Klägers gegen die Beklagte für die Wahrnehmung von deren
Interessen in dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm ergibt sich
dem Grunde nach aus §§ 675 I, 611 BGB i.V.m. RVG (n.F.).
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I. Berechnung des Klägers
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Ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 17.604,78 € berechnet der Kläger seine
Kosten wie folgt:
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1,6 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV RVG 969,60 €
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1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV RVG 727,20 €
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PT-Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
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Fahrtkosten 204 km gem. Nr. 7004 VV RVG 61,20 €
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Abwesenheitsgeld bis zu vier Stunden gem. NR. 7005 VV RVG 20,00 € Insgesamt
1.798,00 €
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16% Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG 287,68 €
Insgesamt 2.085,68 €
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Die Berechnung ist nach den einzelnen Positionen und auch mathematisch nicht zu
beanstanden.
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II. Anwaltsvertrag
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Der Kläger ist für die Beklagte auf vertraglicher Grundlage gem. §§ 675 I, 611 BGB
anwaltlich tätig geworden. Dabei durfte er seinen Gebührenanspruch auch nach einem
Streitwert in Höhe von 17.604,78 € berechnen. Sein Mandat bezog sich nämlich nicht
allein auf die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts Münster vom 07.07.2005 –
und damit die Verteidigung gegen die Klageforderung des Krankenhauses. Vielmehr
umfasste es auch die Interessenvertretung der Beklagten im Hinblick auf die von dem
Oberlandesgericht Hamm erst am 21.06.2006 in das Berufungsverfahren hochgezogene
Widerklage.
53
1.
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Welchen konkreten Inhalt und Umfang das vom Anwalt übernommene Mandat besaß,
insbesondere ob es einen umfangreicheren oder einen eingeschränkteren Gegenstand
als die erteilte Vollmacht hatte, ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.
Für die Fälle einer nachträglichen Änderung des Auftrags oder der später erfolgten
Weisungen, die den ursprünglichen Umfang des Mandats beeinflussen, ist anerkannt,
dass derjenige die Beweislast trägt, der sich auf solche späteren Veränderungen beruft
(BGH NJW 2006, 3496, 3497; Fahrendorf in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung
des Rechtsanwalts, 7. Auflage, Rdz. 399; Zugehör-Sieg, Handbuch der Anwaltshaftung,
Rdz. 105). Übertragen auf den Vergütungsrechtsstreit führt diese Beweislastverteilung
dazu, dass der Rechtsanwalt, dem zunächst ein beschränktes Mandat erteilt worden ist,
die Mandatserweiterung beweisen muss, sofern er daraus Vergütungsansprüche
herleiten will, die über den Rahmen des zunächst beschränkten Mandats hinausgehen
(Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Auflage, Rdz. 46).
55
2.
56
Vor diesem Hintergrund ist hier schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts davon
auszugehen, dass das Mandat des Klägers infolge des Hinweises des Senats sich auch
auf die Wahrnehmung der Interessen der Beklagten hinsichtlich der hochgezogenen
Widerklage erstrecken sollte. Der entsprechenden Würdigung des Landgerichts in der
erstinstanzlichen Entscheidung ist zuzustimmen. Bei einer Betrachtung vom
objektivierten Empfängerhorizont des Klägers aus war das Verhalten der Beklagten
gem. §§ 133, 157 BGB so zu verstehen, dass sie seine anwaltliche Vertretung auch im
Hinblick auf die Problematik der Widerklage wünschte.
57
a)
58
Unstreitig ist es am 21.06.2006 zu zweimaligen Verhandlungspausen gekommen, in
denen sich der Kläger und die Beklagte besprochen haben. Dabei war hinsichtlich der
gegnerischen Klage ein Erfolg des eigenen Rechtsmittels absehbar. Dies ergab sich
aus dem unmissverständlichen Hinweis, dass diese mangels Rechts- und
Parteifähigkeit des T-Hospitals auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen werden
würde. Beratungsbedarf bestand mithin allein zu der Frage, ob der Vergleichsvorschlag
des Senats angenommen werden sollte, der die Rücknahme der Widerklage mit
umfasste, oder wie ansonsten weiter vorgegangen werden könnte. Auch dies war aber
nur im Hinblick auf das Schicksal der Widerklage, deren Hochziehen der Senat
beabsichtigte, interessant.
59
b)
60
Ein konkludentes Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Anwaltsvertrags auch
hinsichtlich der Widerklage hat der Kläger – ebenfalls konkludent – allerspätestens
dann angenommen, als er im Verlauf der fortgesetzten Verhandlung vor dem Senat eine
Schriftsatzfrist beantragte.
61
3.
62
Demgegenüber kann aus dem unstreitigen Umstand, dass die Beklagte selbst ein
Hinaufziehen der Widerklage energisch verhindern und eine Verhandlung zu der
Widerklage ablehnen wollte, nicht darauf geschlossen werden, dass sie den Kläger
nicht auch konkludent mit der Wahrnehmung ihrer Interessen hinsichtlich der
Widerklage beauftragt hat. Gerade weil der Senat gegen den Willen der Beklagten
handeln wollte, benötigte sie insofern die anwaltliche Unterstützung des Klägers. Sie
allein hätte in dem Anwaltsrechtsstreit vor dem Oberlandesgericht keine wirksamen
Prozesshandlungen, insbesondere nicht die von ihr erstrebte Umstellung der
Widerklage gegen den Verwaltungsleiter C3, vornehmen können. So verdeutlichen
gerade auch die von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Vorwürfe
gegen den Kläger, dass dieser doch auch im Hinblick auf die Widerklage tätig werden
sollte. Sie meint, der Kläger hätte zu Protokoll erklären müssen, dass die Beklagte jede
Verhandlung über die vom Senat beabsichtigte Einbeziehung der Widerklage ablehne.
Zudem hätte er verdeutlichen müssen, dass der Verwaltungsleiter C3 verantwortlich für
die Erhebung der Widerklage gegen die falsche Partei gewesen sei. Durch das
gebotene "Offenhalten" der Widerklage und Nichtverhandeln hätte die Beklagte die
Gelegenheit bekommen, ihren Vortrag zur wahren Partei weiter zu vertiefen und die
Widerklage gegen den Verwaltungsleiter C3 umstellen zu können. Derartige Vorwürfe
(vermeintlicher) anwaltlicher Pflichtverletzungen können gegen den Kläger
sinnvollerweise jedoch nur dann erhoben werden, wenn er überhaupt auch im Hinblick
63
auf die Widerklage mandatiert worden war.
4.
64
Schließlich ergibt sich der Umfang des Mandats auch aus der Gehörsrüge, die der
Kläger namens der Beklagten unter dem 20.07.2006 erhoben hat. Beanstandet wurde
darin, dass der Senat erst im Verhandlungstermin seine Absicht zu erkennen gegeben
habe, die Widerklage an sich zu ziehen und darüber zu entscheiden. Bei Einräumung
ausreichenden rechtlichen Gehörs hätte man noch umfassender zu den maßgeblichen
Rechtsfragen - insbesondere der Haftung des Verwaltungsleiters C3 - Stellung nehmen
können. Spätestens mit diesem Schriftsatz des Klägers wird deutlich, dass er das
Verfahren für die Beklagte auch hinsichtlich der Widerklage betreiben sollte, und zwar
auch schon im vorangegangenen Termin am 21.06.2006. Der Vorwurf der Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör geht ja gerade zurück auf die Verweigerung der
Schriftsatzfrist, die im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch den
Kläger beantragt worden war.
65
5.
66
Zu Unrecht beanstandet die Berufung, dass das Landgericht von der Beklagten
angebotene Beweisantritte nicht berücksichtigt habe.
67
a)
68
Dieser Vorwurf bezieht sich auf die Behauptung, der Kläger selbst habe – sowohl am
Rande der Verhandlung vom 21.06.2006 als auch in einem Telefonat am 07.08.2006 -
gegenüber dem Ehemann der Beklagten erklärt, dass er in dem Berufungsverfahren nur
"im Rahmen des Teilurteils des Landgerichts Münster" tätig geworden und nicht auch
mit der Widerklage beauftragt worden sei. Insofern hätte – so meint die Beklagte - ihr
Ehemann als Zeuge vernommen werden müssen. Dagegen behauptet der Kläger,
gegenüber L2 lediglich erklärt zu haben, dass er ursprünglich nur im Rahmen des
Teilurteils des Landgerichts Münster tätig geworden sei.
69
b)
70
Tatsächlich kam es auf das Beweisangebot der Beklagten nicht an, da bereits aus ihrem
eigenen Vortrag bzw. den sonstigen unstreitigen Umständen das konkludente
Zustandekommen eines Prozessmandats hinsichtlich der Widerklage hergeleitet
werden konnte. Welche Einschätzung der Kläger selbst dazu später abgegeben haben
mag, ist für die rechtliche Einordnung der Ereignisse am Sitzungstag hier sogar ohne
Belang. Zwar kann ein nachträgliches Verhalten indiziell für die Auslegung einer
früheren Erklärung von Bedeutung sein (vgl. auch Palandt-Heinrichs, Bürgerliches
Gesetzbuch, 66. Auflage, § 133 Rdz. 17). Dem kommt jedoch vorliegend deshalb keine
Bedeutung zu, weil es nicht um die bloße Beurteilung einer Einschätzung geht, sondern
um ein objektiviertes Verhalten. Hier lagen konkret entfaltete Tätigkeiten des Beklagten
vor, die eine vertragliche Grundlage voraussetzten. Dass er ursprünglich nur im Rahmen
des Teilurteils des Landgerichts Münster tätig wurde, ergab sich bereits aus dem
chronologischen prozessualen Ablauf. Dass es dabei nicht verblieben ist, lässt sich
allerspätestens aus der Erhebung der Gehörsrüge für die Beklagte erkennen.
71
III. Gegenrechte der Beklagten
72
Dem vollumfänglich berechtigten Gebührenanspruch des Klägers kann die Beklagte
keine eigenen Rechte entgegenhalten. Sie kann weder das Erlöschen der Forderung
gem. § 389 BGB durch die streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung mit einem
Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 675, 611 BGB wegen anwaltlicher
Pflichtverletzung herbeiführen noch eigene Rechte gem. § 242 BGB bezüglich des
Honorars als Kostenschaden geltend machen. Wenn der Mandant von seinem
Rechtsanwalt auf Ausgleich der offenen Gebührenforderung für eine Angelegenheit in
Anspruch genommen wird, kann dem der Mandant seinerseits einen
Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung entgegenhalten, so dass sich die
Geltendmachung des Honorars aus Treu und Glauben unter dem Aspekt verbietet, dass
ein schutzwürdiges Interesse fehlt, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald
zurückzugewähren wäre – "dolo facit qui petit quod statim redditurus est
(Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Rdz. 915, 1260, 1487 unter Hinweis auf BGH NJW 2004,
1043; allgemein dazu Palandt-Heinrichs, § 242 Rdz. 52).
73
Dem Kläger ist nämlich keine Pflichtverletzung zum Nachteil der Beklagten unterlaufen.
74
1.
75
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt kraft
des Anwaltsvertrages verpflichtet, innerhalb der Grenzen des (auch beschränkten)
Mandats (vgl. BGH NJW 2002, 1147 ff.; BGH NJW 1997, 2168, 2169) die Interessen
seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen (BGH NJW-
RR 2000, 791 ff.; BGH NJW 1998, 900, 901; BGH NJW 1988, 1079, 1080; BGH NJW
1988, 486, 487). Er hat zunächst zu klären, welches Ziel der Auftraggeber in seiner
Rechtsangelegenheit verfolgt. Der Anwalt muss dann den ihm vorgetragenen und ggf.
durch Nachfragen weiter aufzuklärenden Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist,
den von dem Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Dem Auftraggeber hat der
Anwalt danach diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen
können. Dabei muss er den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche
voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Auftraggeber den
sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über die möglichen rechtlichen und
wirtschaftlichen Risiken aufzuklären, damit der Auftraggeber eine sachgerechte
Entscheidung treffen kann. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt,
muss der Anwalt darlegen und mit seinen Auftraggebern erörtern (BGH NJW 1998, 900;
BGH NJW 1995, 449 ff.; BGH NJW 1994, 1211, 1212; BGH NJW 1993, 1320).
76
2.
77
Vor diesem Hintergrund erhebt die Beklagte mehrere Vorwürfe gegen den Kläger, die
letztlich aber allesamt unbegründet sind.
78
a) Verhinderung einer Entscheidung über die hochgezogene Widerklage
79
Die Beklagte legt dem Kläger zunächst zur Last, er hätte das Hochziehen der
Widerklage in die Berufungsinstanz vermeiden müssen. Dieser Vorwurf ist unberechtigt.
Dem Beklagten stand kein zulässiges prozessuales Mittel zur Verfügung, um das
Hochziehen der Widerklage gegen den Willen des 3. Zivilsenats verhindern zu können.
80
aa)
81
Zwar trifft den Rechtsanwalt im Prozess die Verpflichtung, den Versuch zu
unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Auffassung
richtig ist. Fehler des Gerichts muss er erforderlichenfalls zu verhindern suchen (BGH
NJW 1994, 1211, 1213; BGH NJW-RR 1990, 1241, 1242). Der mit der Prozessführung
betraute Rechtsanwalt ist seinem Mandanten gegenüber verpflichtet, dafür einzutreten,
dass die zugunsten des Mandanten sprechenden tatsächlichen wie auch rechtlichen
Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des
Gerichts berücksichtigt werden. Zwar weist das Gesetz die Entscheidung und damit die
rechtliche Beurteilung des Streitfalles dem Gericht zu. Dieses trägt für sein Urteil die
volle Verantwortung. Es widerspräche jedoch der rechtlichen und tatsächlichen Stellung
der Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, würde man ihre Aufgabe
allein in der Beibringung des Tatsachenmaterials sehen. Die Möglichkeit, auf die
rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen, entspricht im Verhältnis zum
Mandanten die Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen (BGH NJW 1996, 2648, 2650).
Daraus folgt die auch von der Rechtsprechung anerkannte Verpflichtung des
Rechtsanwalts, stets den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen,
dass und warum die Auffassung seiner Partei richtig ist, wobei er konkret erkennbare
Fehler des Gerichts erforderlichenfalls zu verhindern suchen muss (BGH NJW 2006,
3494, 3495; Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Rdz. 414 f; vgl. auch § 1 III BORA).
82
bb)
83
Dem steht im vorliegenden Fall aber schon entgegen, dass es kein Fehler des Gerichts
war, die noch in erster Instanz anhängige Widerklage in das Berufungsverfahren zu
ziehen. Die hierfür maßgeblichen prozessualen Voraussetzungen waren erfüllt. Insofern
kann zunächst auf die zutreffenden Erwägungen in dem Urteil des 3. Zivilsenats vom
21.06.2006 verwiesen werden (dort Seite 6 und 7). Das angerufene Rechtsmittelgericht
kann grundsätzlich nicht über einen noch bei dem Untergericht anhängigen Streitteil
mitentscheiden, jedoch werden Ausnahmen (sog. "Heraufziehen" des "Rests" von
Klage oder Widerklage) zugelassen, wenn der Erlass des Teilurteils unzulässig war und
eine Entscheidung durch das Berufungsgericht sachdienlich erscheint, weil der
Sachverhalt geklärt ist (BGH NJW 2001, 79;
Parteien mit der Entscheidung durch das Berufungsgericht einverstanden sind (Zöller-
Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Auflage, § 301 Rdz. 12, 13 mwN). Letzteres war
vorliegend zwar ersichtlich nicht der Fall. Allerdings lag mit der Entscheidung des
Landgerichts Münster vom 07.07.2005 ein unzulässiges Teilurteil vor. Dies ergibt sich
aus §§ 538 II Nr. 7, 301 ZPO. Die erforderliche Teilbarkeit der betroffenen
Streitgegenstände i.S.d. § 301 ZPO fehlt, wenn eine einheitliche Entscheidung geboten
ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Teilurteil nur dann
ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten
prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander
widersprechender Entscheidungen – auch infolge einer abweichenden Beurteilung
durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist (BGH NJW 2001, 79; BGH NJW
1999, 1718, 1719; BGH NJW 1999, 1035; BGH NJW 1997, 453, 455). Insofern aber
konnte im Ausgangsprozess nicht allein über die Forderung des Krankenhauses
entschieden werden, ohne den Schmerzensgeldanspruch der Beklagten mit zu
berücksichtigen. Zwar gilt für den Arztvertrag das Dienstvertragsrecht, so dass an sich
keine Gewährleistungsrechte gegeben sind. Jedoch können Behandlungsfehler der
Honorarforderung im Zusammenhang mit § 628 I BGB, im Wege des Einwands aus §
242 BGB oder mit der Einrede des nichterfüllten Vertrages entgegengehalten werden
84
(OLG Zweibrücken MedR 2002, 201;
2001, 1148, 1152, 1153; Laufs/Uhlenbrock, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage, 39
Rdz. 23).
Ausgehend hiervon lag ein Ausnahmefall vor, in dem das Heraufziehen der Widerklage
in die Berufungsinstanz für zulässig gehalten wird. Soweit der 3. Zivilsenat als weitere
Voraussetzung aus Gründen der Prozessökonomie ferner darauf abstellte, dass der
hochgezogene Gegenstand entscheidungsreif sein muss, so war auch diese
Anforderung erfüllt. Die Entscheidungsreife der Widerklage ergab sich schon allein aus
deren Unzulässigkeit wegen der fehlenden Parteifähigkeit des T-Hospitals als
Widerbeklagtem. Nähere Einzelheiten zu den konkreten Umständen der Behandlung
von I3 mussten in diesem Zusammenhang nicht geprüft werden. Soweit die Beklagte
demgegenüber darauf abstellen will, dass die Widerklage wegen der Haftung des
Verwaltungsleiters C3 als Vertreter ohne Vertretungsmacht noch nicht entscheidungsreif
gewesen sei, kann dieses Argument deshalb nicht greifen, weil es sich dabei um einen
anderen Streitgegenstand als denjenigen der hochgezogenen Widerklage handelte.
Letztere betraf den Vorwurf, I3 sei falsch behandelt worden. Hingegen hätte man für ein
Vorgehen gegen den Verwaltungsleiter C3 sowohl auf einen anderen
Lebenssachverhalt abstellen als auch einen anderen Antrag – zumal gegen eine andere
Partei - formulieren müssen. Es wäre dann um das angebliche Vortäuschen von
Vertretungsmacht durch den Verwaltungsleiter (ggf. auch in Verbindung mit dem
vermeintlichen Fehlen von Unterlagen) gegangen.
85
cc)
86
Nachdem der Kläger den 3. Zivilsenat nicht von Fehlern abhalten musste, da dessen
Vorgehen sachgerecht war, stellte die tatsächlich erfolgte Beantragung einer
Schriftsatzfrist zu Protokoll eine prozessuale zutreffende Reaktion auf die Entwicklung in
dem Verhandlungstermin am 21.06.2006 dar. Dementsprechend erwies sich nach der
Verweigerung einer Schriftsatzfrist auch die spätere Gehörsrüge gegen das der
Revision nicht zugängliche Urteil vom 21.06.2006 als vertretbar.
87
dd)
88
Wenn aber das prozessuale Verhalten des Klägers letztlich sogar richtig war, bliebe für
den Vorwurf einer anwaltlichen Pflichtverletzung nur noch dann Raum, wenn nach dem
Gebot des sichersten Weges noch andere Maßnahmen in Betracht gekommen wären
und ggf. flankierend hätten ergriffen werden müssen, um Schaden der Mandanten zu
verhindern (sog. Schadensverhütungspflicht, vgl. Rinsche / Fahrendorf / Terbille, Rdz.
590 ff.) .
89
(1)
90
Gerade deswegen, weil bei der Besorgung von Rechtsangelegenheiten häufig
unübersehbare Risiken gegeben sind, verlangt die Rechtsprechung vom Anwalt, dass
er bei der Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten den sichersten Weg wählt,
um den erstrebten Erfolg zu erreichen. Er muss sein Verhalten so einrichten, dass er
Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem
Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermeidet. Er hat, wenn mehrere
Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und
gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu
91
erreichen, denjenigen zu wählen, auf dem dieser am sichersten zu erreichen ist (BGH
NJW 1988, 3013, 3015; BGH NJW 1988, 1079, 1080; BGH NJW 1988, 486, 487;
Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Rdz. 535 ff.).
(2)
92
Andere gleichfalls sachgerechte Alternativen neben dem Antrag auf Bewilligung einer
Schriftsatzfrist sind allerdings nicht ersichtlich.
93
Insbesondere hätte es keinen erkennbaren Vorteil bringen können, auf eine
Protokollierung zu drängen, dass die Beklagte jede Verhandlung über die vom Senat
beabsichtigte Einbeziehung der Widerklage ablehne. Insofern ist auch zu bedenken,
dass die von der Beklagten in der Senatsverhandlung erklärte vehemente Ablehnung
unstreitig ist, so dass dem formalen Akt einer Protokollierung (im Sinne einer
Beweisfunktion) keine selbständige Bedeutung zukam. Die von der Beklagten so
bezeichnete "Quasi-Versäumnislage" hätte ihr in dieser spezifischen Fallkonstellation
nicht weitergeholfen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der 3. Zivilsenat ohne
entsprechende Anträge der damaligen Prozessparteien (- die im Übrigen tatsächlich
auch gar nicht gestellt worden sind, eine "Quasi-Versäumnislage" im Sinne der von der
Beklagten gewählten Terminologie lag also aufgrund des Verhaltens des Klägers
durchaus vor -) nicht über die Widerklage hätte entscheiden dürfen. Ein Hochziehen der
Widerklage setzt jedoch Anträge oder ein Verhandeln der Parteien nicht voraus. Zudem
ging es vorliegend allein um die Parteifähigkeit der damaligen Klägerin und
Widerbeklagten, und damit um eine Frage, die nicht der Dispositionsmaxime der
Parteien unterliegt. Vielmehr handelt es sich dabei gem. §§ 50, 56 I ZPO um eine durch
das Gericht stets von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung. Ein wie auch
immer gearteter Antrag des Klägers oder eine Prozesserklärung der Beklagten hätten
mithin richtigerweise diese Entscheidung nicht verhindern können.
94
b) Vorgehen gegenüber dem Verwaltungsleiter C3
95
Weiterhin meint die Beklagte, der Kläger hätte verdeutlichen müssen, dass der
Verwaltungsleiter C3 verantwortlich für die Erhebung der Widerklage gegen die falsche
Partei gewesen sei. Seine Haftung ergebe sich aus seinem durchgehenden Auftreten
als angeblicher gesetzlicher Vertreter der Scheinpartei "T-Hospital". Die von ihm
unterschriebene Prozessvollmacht sei auf den 04.05.2000 rückdatiert worden. Durch
das gebotene "Offenhalten" der Widerklage und Nichtverhandeln hätte die Beklagte die
Gelegenheit bekommen, ihren Vortrag zur wahren Partei weiter zu vertiefen und die
Widerklage gegen den Verwaltungsleiter C3 umstellen können. Sie wäre gemäß §§
179, 823 I, 823 II i.V.m. § 263 StGB auch materiell-rechtlich erfolgreich gewesen, weil
durch das Fehlen der Krankenunterlagen (nicht erfüllte Auflage des 3. Zivilsenats) sich
die Beweislast zu Gunsten der Beklagten umgekehrt hätte.
96
Auch dieser Vorwurf ist unberechtigt.
97
aa)
98
Selbst wenn man einmal – entgegen der Auffassung des Senates - unterstellen wollte,
dass das Vorbringen der Beklagten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zuträfe, so
läge auch dann keine Pflichtverletzung des Klägers vor. Er hätte mit dem Antrag auf
Schriftsatzfrist in der mündlichen Verhandlung das eigentlich korrekte prozessuale Mittel
99
gewählt, um die von der Beklagten angesprochenen Möglichkeiten offen zu halten.
Dass der Senat dem nicht gefolgt ist, kann letztlich nicht dem Kläger angelastet werden.
Insofern ist bei der Bewertung seiner Sachbearbeitung zu berücksichtigen, dass er erst
wenige Tage vor dem Senatstermin überhaupt von der Beklagten mandatiert worden
war. Bis dahin füllten die Akten bereits mehr als 500 Seiten. Dabei waren die
vorstehend dargestellten Rechtsansichten der Beklagten in zahlreichen sehr
ausführlichen früheren Schriftsätzen, die ihre vormaligen Anwälte zu den Akten gereicht
hatten, bis zu dem Senatstermin vom 21.06.2006 ohnehin schon so hinreichend deutlich
zum Ausdruck gekommen waren, dass sich eine gerichtliche Entscheidung mit ihnen
auseinandersetzen konnte und musste. Das Problem für die Beklagte lag nicht darin,
dass der Kläger ihre Auffassungen etwa nicht hinreichend verdeutlicht hätte, sondern
darin, dass der 3. Zivilsenat seinerseits eine abweichende Meinung vertrat. Dies aber ist
das allgemeine Risiko jeder Prozesspartei und stand vorliegend nicht in einem
Zusammenhang mit Fehlern des Klägers. Eine andere Betrachtung würde zu einer
Verschiebung der Haftung führen, die das Bundesverfassungsgericht für unzulässig
erklärt hat (BVerfG NJW 2002, 2937 f.).
bb)
100
Zudem wäre eine Umstellung der Widerklage auf den Verwaltungsleiter C3 im Verlauf
des Berufungsverfahrens auch gar nicht mehr zulässig gewesen.
101
(1)
102
Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich insoweit um eine isolierte
Drittwiderklage gehandelt hätte. Dabei kann dahinstehen, ob eine isolierte Widerklage
gegen einen zuvor an dem konkreten Prozessrechtsverhältnis noch gar nicht beteiligten
Dritten überhaupt zulässig ist. Vorliegend fehlte es jedenfalls an der erforderlichen
Sachdienlichkeit der im Wege der Drittwiderklage beabsichtigten Anträge (§§ 533 i.V.m.
33, 263 I ZPO). Sachdienlichkeit ist in der Regel nicht gegeben, wenn mit dem neuen
Anspruch ein völlig neuer Streitstoff eingeführt wird (Zöller-Greger, § 263 Rdz. 13). Dies
aber wäre hier der Fall gewesen. Für die Entscheidung über die Hauptsache genügte
die rechtliche Würdigung, dass das T-Hospital nicht parteifähig ist. Eine Klärung, wer zu
verantworten hat, dass es gleichwohl im Rechtsstreit als Kläger aufgetreten war, musste
nicht erfolgen. Die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen einer persönlichen Haftung
des Verwaltungsleiters C3 stellen mithin einen völlig neuen Streitstoff dar. Das gilt erst
recht für die Frage, inwieweit er in Höhe von 5.000,00 € für das eigentliche
Hauptbegehren der Widerklage haften sollte. Hier wollte die Beklagte u.a. Ansprüche
aus §§ 823 I, 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB, 826 BGB klären lassen, was nicht nur
zusätzlichen Klärungsbedarf in objektiver Hinsicht, sondern auch umfangreiche
Prüfungen zu der subjektiven Komponente der Vorwürfe erfordert hätte. Bei dem vom 3.
Zivilsenat hochgezogenen Gegenstand der Widerklage hingegen wäre es nicht um
einen Betrug des Verwaltungsleiters, sondern allenfalls um eine fahrlässige
Körperverletzung der behandelnden Ärzte gegangen.
103
(2)
104
Aus denselben Gründen waren auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine
erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage gem. § 533 ZPO nicht erfüllt. Sie
ist nur dann möglich, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich
hält und die Widerklage auf Tatsachen gestützt werden kann, die bei der Verhandlung
105
und Entscheidung ohnehin berücksichtigt werden müssen. Dass eine Einwilligung in
die Änderung der Widerklage von der Gegenseite verweigert worden wäre, darf mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterstellt werden. Im Übrigen war aber das
Vorgehen gegen den Verwaltungsleiter C3 auch nicht sachdienlich und bedurfte des
neuen Vortrags zu Tatsachen, die sonst nicht Gegenstand des Verfahrens waren (s.o.).
cc)
106
Letztlich wäre ein Vorgehen gegen den Verwaltungsleiter C3 auch unbegründet
gewesen. Insofern kann zunächst wiederum auf das Urteil des 3. Zivilsenats vom
21.06.2006 Bezug genommen werden. Die Verantwortung dafür, dass eine unzulässige
Widerklage gegen ein nicht parteifähiges Gebilde erhoben wurde, liegt allein auf der
Beklagtenseite. Sie wurde nicht durch Dritte getäuscht, sondern unterlag selbst einem
Rechtsirrtum. Es stellt in jedem Rechtsstreit die ureigenste Aufgabe des
Anspruchsstellers bzw. seines rechtlichen Beraters dar, vor der gerichtlichen
Geltendmachung die richtige Person seines Anspruchsgegners herauszufinden.
Insofern mag der Beklagten durchaus zugebilligt werden, dass neben der Würdigung
des 3. Zivilsenats zur Kostenhaftung der Widerklägerin auch die gegenteilige
Auffassung, wonach sämtliche Kosten der Gegenseite aufzuerlegen gewesen wären,
jedenfalls nicht schlechterdings unvertretbar erscheint. Auch insofern waren allerdings
sämtliche maßgeblichen Umstände schriftsätzlich im Verlauf des Verfahrens nachhaltig
vorgetragen und erläutert worden. Wenn der 3. Zivilsenat dem nicht folgt, ist dies nicht
auf eine anwaltliche Pflichtverletzung zurückzuführen.
107
c) Verweigerte Herausgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses II
108
Weiterhin legte die Beklagte dem Kläger zur Last, dass er den
Kostenfestsetzungsbeschluss II des Landgerichts Münster vom 23.10.2006 nicht an sie
herausgegeben habe. Dieser Titel betraf den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten
gegen die Krankenanstalt S. Der Kläger berief sich demgegenüber auf ein
Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 I BGB, solange die Beklagte seine Honorarforderung
nicht beglichen habe.
109
aa)
110
In tatsächlicher Hinsicht hat sich dieses Problem zwischenzeitlich dadurch erledigt,
dass die Krankenanstalt S mittlerweile die von ihr zu erstattenden Kosten nebst Zinsen
unmittelbar an die Beklagte gezahlt hat. Der Kostenfestsetzungsbeschluss II des
Landgerichts Münster vom 23.10.2006 wurde daher von dem Kläger der beglaubigten
Abschrift der Berufungserwiderung als Anlage beigefügt.
111
bb)
112
In rechtlicher Hinsicht kann die Beklagte dem Verhalten des Klägers nicht unter Hinweis
auf § 242 BGB entgegentreten. Ein konkreter durch die zeitweise Vorenthaltung des
Kostenfestsetzungsbeschlusses II verursachter Schaden, der dem Anspruch des
Klägers entgegenhalten werden könnte, wird nicht beziffert. Dass hierdurch gar eine
"akute Vermögensgefährdung" der Beklagten begründet worden sein könnte, wird nicht
näher substantiiert und ist auch anderweitig nicht ersichtlich (zu den Voraussetzungen
einer anwaltlichen Pflichtverletzung durch Vereitelung eines
Kostenerstattungsanspruchs des Mandanten vgl. BGH NJW 2004, 2817).
113
B. Zinsanspruch
114
Der von dem Kläger geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 280 II, 286 BGB.
115
C. Vorgerichtliche Anwaltskosten
116
Weiterhin macht der Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 124,65 € geltend. Dabei
handelt es sich um den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr für die
Zahlungsaufforderung vom 04.09.2006. Der Betrag ist rechnerisch nicht zu
beanstanden. Er kann von dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes
gem. § 280 I BGB gegenüber der Klägerin geltend gemacht werden. Die
Schadensersatzpflicht erstreckt sich auch auf die durch die Zuziehung eines
Rechtsanwalts entstehenden Kosten, da seine Beauftragung dem adäquaten
Kausalverlauf entspricht und im Allgemeinen nicht gegen § 254 BGB verstößt (BGHZ
30, 156; Palandt-Heinrichs, § 286 Rdz. 47). Die Ersatzpflicht besteht auch dann, wenn
sich der Anwalt selbst vertritt (BAG ZIP 1995, 502). Sie setzt allerdings voraus, dass die
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich war (OLG Karlsruhe NJW-RR 1990,
929). Entscheidend ist jeweils, ob die Selbstbeauftragung aus der Sicht des
Geschädigten zur Schadensbeseitigung erforderlich war (BGH NJW 2004, 2448; BGH
VersR 2007, 505). Davon ist hier auszugehen, da der für den Vergütungsanspruch
grundlegende Sachverhalt zumindest komplex war.
117
D. Schriftsatzfrist
118
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom
18.10.2007 beantragt hat, ihm einen Schriftsatznachlass im Hinblick auf den Schriftsatz
des Klägers vom 16.10.2007 zu gewähren, war dem nicht zu folgen. Schützenswerte
Interessen der Beklagten unter Berücksichtigung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör
gem. Art. 103 I GG sind hierdurch nicht beeinträchtigt. Der Schriftsatz des Klägers vom
16.10.2007 enthält weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht neues Vorbringen,
auf das der Senat seine Entscheidung gestützt hat.
119
E. Prozessuale Nebenentscheidungen
120
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
121
F. Antrag der Beklagten auf Zulassung der Revision
122
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der
Grundlage weitgehend vertretener und anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung
und Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt so weder grundsätzliche Bedeutung,
noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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