Urteil des OLG Hamm vom 26.03.2010

OLG Hamm (treu und glauben, vvg, kläger, umwandlung, zpo, versicherer, angebot, tarif, zusatzversicherung, höhe)

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 230/09
Datum:
26.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 230/09
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 4 O 219/08
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. November 2009
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe (§ 540 ZPO):
1
A.
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Der Kläger schloss im Jahre 2000 bei dem beklagten Versicherungsverein eine
Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
sowie Unfallversicherung und Absicherung gegen das Todesfallrisiko ab. Er begehrt
nunmehr die Umwandlung der Versicherung in eine pfändungsgeschützte
Lebensversicherung unter Fortführung der bisherigen Risikoeinschlüsse. Der Beklagte
unterbreitete dem Kläger sukzessive drei Angebote zur Umwandlung, welche dieser
jedoch mit der Begründung nicht annahm, dass diese den gesetzlichen
Voraussetzungen seines Umwandlungsanspruchs nicht entsprächen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, den zwischen den Parteien bestehenden (Lebens-
)Versicherungsvertrag Nr. ######## mit Unfall/Todesfall- sowie
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung vom 13.06.2000 in eine
Rentenversicherung mit Unfall/Todesfall- sowie Berufsunfähigkeits-
Zusatzversicherung zum 31.05.2008, hilfsweise zum 31.05.2009 (zum Schluss der
laufenden Versicherungsperiode) technisch auf Basis des bisherigen
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Versicherungsvertrages vom 13.06.2000 so umzugestalten, dass dabei
ordnungsgemäß die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik und die
Voraussetzungen des § 851c ZPO / § 167 VVG n.F. berücksichtigt werden und
dem Kläger die Berechnungsgrundlagen der neu durchzuführenden
Prämienkalkulation ordnungsgemäß per eingeschrie-benem Brief mitzuteilen;
2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der oben genannten
Berechnung gemäß Klageantrag Ziffer 1 unter Berücksichtigung der anerkannten
Regeln der Versicherungsmathematik, des § 851c ZPO / § 167 VVG n.F. sowie der
neu durchzuführenden Prämienkalkulation an Eides statt zu versichern,
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3. festzustellen, dass im Fall einer von dem Beklagten (oder vom Gericht)
festgestellten Berufsunfähigkeit des Klägers (mit Ausnahme der Berufsunfähigkeit,
die Klagegegenstand im Verfahren I-4 O 36/09 LG Bochum ist) der Beklagte
verpflichtet ist, dem Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente zumindest bis zum
31.05.2026 zu zahlen, und zwar in Höhe der der Berufsunfähigkeit
zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen des Beklagten,
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4. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Schriftsatz vom 31.03.2008
außergerichtliches Anwaltshonorar in Höhe von 752,68 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2008 zu zahlen.
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Das Landgericht hat die Klage als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet
abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe gegen den Versicherer keinen Anspruch
auf eine bestimmte, seinen Vorstellungen entsprechende Umwandlung der
Versicherung. Der Versicherer sei nicht daran gehindert, bei der Umwandlung aktuelle
Tarife, die den Anforderungen des § 851 c ZPO entsprächen, zugrundezulegen. Wegen
der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird
auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, wobei er nunmehr
beantragt:
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1. den Beklagten zu verurteilen, den zwischen den Parteien bestehenden (Lebens-
)Versicherungsvertrag Nr. ######### mit Unfall/Todesfall- sowie
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung vom 13.06.2000 in eine
Rentenversicherung mit Unfall/Todesfall- sowie Berufsunfähigkeits-
Zusatzversicherung zum 31.05.2008, hilfsweise zum 31.05.2009 (zum Schluss der
laufenden Versicherungsperiode) auf Basis des bisherigen Versicherungsvertrages
vom 13.06.2000 so umzugestalten, dass dabei ordnungsgemäß die anerkannten
Regeln der Versicherungsmathematik und die Voraussetzungen des § 851c ZPO /
§ 167 VVG n.F. berücksichtigt werden und dem Kläger die
Berechnungsgrundlagen der neu durchzuführenden Prämienkalkulation
ordnungsgemäß per eingeschriebenem Brief mitzuteilen,
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2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der oben genannten
Berechnung gemäß Klageantrag Ziffer 1 unter Berücksichtigung der anerkannten
Regeln der Versicherungsmathematik, des § 851c ZPO / § 167 VVG n.F. sowie der
neu durchzuführenden Prämienkalkulation an Eides statt zu versichern.
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3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für den Schriftsatz vom 31.03.2008
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außergerichtliches Anwaltshonorar in Höhe von 752,68 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2008 zu zahlen.
Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Wegen des Berufungsvorbringens
der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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B.
15
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
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Dem Kläger steht ein im Urteilswege zuzusprechender Anspruch auf die begehrte
Vertragsumwandlung nicht zu, da der gesetzliche Umwandlungsanspruch bereits durch
das zuerst vom Beklagten ausgesprochene Umwandlungsangebot erfüllt ist.
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I. 1.
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Der vom Kläger formulierte Klageantrag ist bereits inhaltlich zu weit gefasst.
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Der Rechtsanspruch aus §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG n.F. ist darauf gerichtet, die
Umwandlung des bestehenden Versicherungsvertrages mit Wirkung zum Ende des
Versicherungsjahres (31.05.2008) in eine Versicherung zu verlangen, die den
Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht. Mit einem schlicht dieses Begehren
wiedergebenden Klageantrag und Urteilsausspruch wären alle rechtlichen Aspekte des
gesetzlichen Umwandlungsanspruchs ausreichend erfasst. Sämtliche weiteren
Spezifizierungen des Klagebegehrens sind hingegen nach den gesetzlichen
Regelungen nicht geschuldet und können auch nicht im Rahmen einer Leistungsklage
von dem Beklagten verlangt werden.
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Insbesondere kann nicht verlangt werden:
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die Umwandlung der Unfallversicherung;
die Umwandlung "auf Basis des bisherigen Versicherungsvertrages";
die Umwandlung "so, dass dabei ordnungsgemäß die anerkannten Regeln der
Versicherungsmathematik berücksichtigt werden";
"dem Kläger die Berechnungsgrundlagen der neu durchzuführenden
Prämienkalkulation ordnungsgemäß per eingeschriebenen Brief mitzuteilen"
(denn ein Anspruch auf Modellrechnung, § 154 VVG n.F., besteht nur bei einem
Neuabschluss, nicht aber bei einer Umstellung nach § 173 VVG a.F.);
die eidesstattliche Versicherung (Antrag zu 2.).
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23
2.
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Der tatsächlich bestehende Umwandlungsanspruch aus §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG
n.F. ist durch das erste Umstellungsangebot des Beklagten erfüllt. Dabei geht der Senat
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davon aus, dass der Rechtsanspruch aus §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG n.F. nicht auf die
Umstellung als solche (im Sinne eines einseitig auszuübenden Gestaltungsrechts)
gerichtet ist, sondern darauf, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer ein
Vertragsangebot auf Umstellung macht, welches dieser sodann annehmen kann.
Nur Letzteres (schuldrechtlicher Anspruch auf ein Angebot zur Vertragsumstellung) stellt
ein in sich schlüssiges Modell für den Fall dar, dass der Versicherer - wie auch in dem
hier vorliegenden Fall - dem Versicherungsnehmer verschiedene Tarifmodelle alternativ
zur Auswahl stellt. Würde man hingegen von der rechtsgestaltenden Wirkung eines
Umwandlungsverlangens ausgehen, bliebe im Falle mehrerer bestehender
Umwandlungsmöglichkeiten offen, welche der bestehenden Möglichkeiten tatsächlich
Gestalt angenommen habe.
Zur Erfüllung des Anspruchs aus §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG n.F. ist somit lediglich
erforderlich, dass wenigstens eines der von dem Beklagten unterbreiteten Angebote die
Voraussetzungen einer Umwandlung in eine pfändungsfreie Rentenversicherung erfüllt.
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Nach Auffassung des Klägers wäre dies hinsichtlich keines der Angebote der Fall:
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Bei Angebot Nr. 1 sei der angebotene Versicherungsbeginn in der BUZ der
1.4.2008 gewesen, die BUZ also für die davor liegende Zeit rückwirkend entfallen.
Bei Angebot Nr. 2 (Anlage K6a) wäre die BUZ vollständig entfallen, obwohl § 851c
Abs. 1 Nr. 1 ZPO deren Einbeziehung ausdrücklich vorsehe.
Bei Angebot Nr. 3 (Bl. 32 ff.) fehle die Fortführung des Todesfallrisikos, dessen
Einbeziehung jedoch ebenfalls § 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO ausdrücklich vorsehe.
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Den Bedenken des Klägers kann der Senat jedoch lediglich hinsichtlich der Angebote
Nr. 2 und Nr. 3 folgen, nicht jedoch hinsichtlich des Angebotes Nr. 1. Das Angebot Nr. 1
besagt offensichtlich, dass die BUZ bis zum 31.3.2008 zum alten Tarif läuft und ab dem
1.4.2008 auf den neuen Tarif umgestellt wird. Dies entspricht auch der klarstellenden
Erläuterung, die der Beklagte bereits in seinem Schriftsatz vom 22.09.2009 gegeben
und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bekräftigt hat. Somit ist
der vom Kläger geäußerten Sorge, die Vertragsumstellung könnte sich auf den beim
Landgericht Bochum (I-4 O 36/09) anhängigen Rechtsstreit über einen bereits
eingetretenen BUZ-Versicherungsfall rückwirkend nachteilig auswirken, der Boden
entzogen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch keine Verpflichtung des
Versicherers, die Umstellung des Vertrages im Wege einer "Eins-zu-Eins"-Umsetzung
anzubieten. Der Versicherer ist zwar angehalten, über einen den Pfändungsschutz
gewährleistenden Versicherungstarif zu verfügen (Looschelders/ Pohlmann/Krause,
VVG, § 67 Rn. 11). Er ist jedoch nicht gezwungen, dem Versicherungsnehmer bei der
Umwandlung einen Tarif anzubieten, welcher mit seinen bislang bestehenden
Konditionen direkt vergleichbar ist, sondern kann bei der Umwandlung einen aktuellen
bzw. neu eingeführten Tarif zugrunde legen. Dies bedeutet, dass die Umwandlung zur
Erlangung des Pfändungsschutzes wirtschaftlich - mit Einschränkungen - einem
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Neuabschluss nahekommt, da durchaus ein anderer Rechnungszins zur Anwendung
gelangen kann und dieser nicht - wie etwa bei der Prämienfreistellung - unverändert
bleiben muss (Looschelders/Pohlmann/Krause a.a.O.). Eine Grenze für den Versicherer
setzt nur das Verbot des Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB); innerhalb
dieser Grenze darf der Versicherer jedoch frei entscheiden, welchen Tarif er anbietet
(Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brambach, VVG, § 167 Rn. 12).
Die Freiheit des Versicherers bei der Festlegung der Versicherungsbedingungen des
neuen Tarifs sowie bei der Neufestsetzung der Rechnungszinsen rührt insbesondere
daher, dass es sich bei dem Umstellungsbegehren nach §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG
n.F. um ein an sich versicherungsfremdes Anliegen des Pfändungs- und
Insolvenzschutzes allein im Gestaltungsinteresse des Versicherungsnehmers handelt,
mit dem dahinter stehenden Ziel der Sicherung der Sozialkassen. Wirtschaftlich
entspricht das, was dem Versicherungsnehmer als Umstellungsoption gesetzlich
zugestanden wird, einer völligen Neuausrichtung des Vertrages. Es ist keine
Rechtfertigung dafür ersichtlich, dies dem Versicherer zu denselben Rechnungszinsen
des vorangegangenen Vertrages aufzuzwingen.
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Der Umwandlungsanspruch nach §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG n.F. will im Unterschied
zum gewöhnlichen Vertragsabschluss nur sicherstellen, dass der bereits angesparte
Kapitalstock (Deckungskapital und Überschussguthaben) ungeschmälert auf das neue
Vertragsverhältnis übertragen wird und nicht etwa auf den Rückkaufwert zurückfällt, wie
es bei einer Vertragsumstellung außerhalb der §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG n.F. in Kauf
zu nehmen wäre.
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Bezüglich der konkreten Ausgestaltung des neuen Versicherungsvertrages hat der
Gesetzgeber dem Versicherer hingegen keine Vorgaben gemacht. Insbesondere findet
sich bei den Vorschriften der §§ 173 VVG a.F. / 167 VVG n.F. kein Gesetzesbezug auf
die "Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation", wie dies jedoch die §§ 174 Abs. 2
VVG a.F., 165 Abs. 2 VVG n.F. für die Prämienfreistellung vorsehen. Die Unterschiede
in der Gesetzesfassung lassen den Umkehrschluss zu, dass der Versicherer im
Rahmen seiner nach §§ 173 VVG a.F., 167 VVG n.F. abzugebenden
Umstellungsofferten gerade nicht auf die bisherigen "Rechnungsgrundlagen der
Prämienkalkulation" Rücksicht nehmen muss.
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3.
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Soweit sich die Berufungsbegründung hinsichtlich der Rechtsfolgen des Umstellungs-
anspruchs mit Kommentarstellen zu § 313 BGB behilft, sind diese nicht zielführend,
da ein Fall des § 313 BGB nicht vorliegt, sondern ein Fall der §§ 173 VVG a.F., 167
VVG n.F., welcher anderen Rechtsgrundsätzen unterliegt.
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Auch ist entgegen der Auffassung der Berufung nicht Beweis darüber zu erheben,
ob etwa mit dem Angebot des Beklagten Nr. 1 die Grenzen von Treu und Glauben
(§ 242 BGB) überschritten wären. Die Grenzen von Treu und Glauben sind nämlich
nicht schon dann überschritten, wenn die heutigen Bedingungen hinter den
seinerzeitigen zurückbleiben, sondern erst dann, wenn das zur Umstellung angebotene
Tarifwerk grob unwirtschaftlich, insbesondere für Neuabschlüsse gar nicht marktfähig
wäre und somit nur dazu diente, eventuelle Zwangslagen der Umstellungswilligen
auszunutzen. Dergleichen hat der Kläger aber nicht substanziiert behauptet. Seine
diesbezüglichen Ausführungen, es sei für eine fünfjährige Rente von 598,78 EUR für die
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Dauer von 31 Jahren ein Beitrag von 394,77 EUR zu leisten (Bl. 73), sind anhand des
vorliegenden Umstellungsangebotes - wie in der mündlichen Verhandlung eingehend
erörtert nicht nachzuvollziehen. Dass die BUZ für die Zukunft einem neuen Tarifwerk
folgt und eine ergebnisabhängige Erhöhung des Versicherungsschutzes ohne erneute
Risikoprüfung nicht mehr zulässt, verstößt für sich genommen noch nicht gegen Treu
und Glauben.
Eine Abweichung des Umstellungsangebotes des Beklagten von dem sich aus §§ 173
VVG a.F. / 167 VVG n.F. ergebenden Rechtsanspruch liegt allein darin, dass die
Umstellung (lediglich) zum Ende der Versicherungsperiode verlangt werden könnte
(31.5.2008), während der Beklagte die Umstellung bereits zum 1.4.2008 anbot. Diese
Abweichung kommt dem Kläger aber mutmaßlich (im Sinne einer überobligatorischen
Erfüllung) entgegen; jedenfalls hat der Kläger sie nicht moniert.
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4.
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Anwaltskosten sind vom Beklagten nicht zu erstatten, weil diese bereits beim Kläger
angefallen waren, bevor ein Verzug des Beklagten mit dem Angebot einer
Vertragsumstellung vorlag.
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II.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
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