Urteil des OLG Hamm vom 09.02.1999

OLG Hamm (freie wahl, antragsteller, klageverfahren, zpo, beschwerde, kläger, unterhaltsklage, vater, höhe, wahl)

Oberlandesgericht Hamm, 2 WF 17/99
Datum:
09.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Familiensenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 WF 17/99
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 104 F 289/98
Tenor:
wird die Beschwerde des Antragstellers vom 08.12.1998 gegen den
Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 03.11.1998 zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
Die gem. § 127 ZPO zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Das
Amtsgericht hat dem Antragsteller zu Recht Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte
Klage verweigert.
2
Allerdings hält die Begründung des angefochtenen Beschlusses einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand. Der angefochtene Beschluß verweist den Antragsteller zur
Durchsetzung seines Unterhaltsanspruchs auf das vereinfachte Verfahren nach § 645 f.
ZPO, weil der Gesetzgeber dieses zur schnellen Titulierung von Ansprüchen auf
Zahlung von Kindesunterhalt, die einen einfachen Hintergrund haben, geschaffen hätte.
Dem hält die Beschwerde entgegen, daß sich die Frage der einfachen Fallgestaltung in
der Regel nicht vorher beurteilen lasse.
3
Richtigerweise kommt es auf diesen Streitpunkt nicht an. Das vereinfachte Verfahren ist
vielmehr generell für alle Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder vorgesehen.
Soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, das vereinfachte Verfahren und das
normale Klageverfahren seien gleichwertig, so daß der Kläger die freie Wahl zwischen
den Verfahrensarten hätte, kann dem für die Frage der Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe nicht beigepflichtet werden. Es entspricht allgemeiner Auffassung,
daß ein Kläger, der um Prozeßkostenhilfe nachsucht, sich derjenigen Form der
Durchsetzung des Anspruchs bedienen muß, die - sofern sie rechtlich gleichwertig ist -
die geringsten Kosten verursacht. Dies ist in aller Regel das vereinfachte Verfahren, in
dem lediglich eine Anwaltsgebühr entsteht oder, wenn die Hilfe der Rechtsantragsstelle
des Amtsgerichts in Anspruch genommen wird, überhaupt keine. Das Verfahren ist auch
dem normalen Klageverfahren gleichwertig, häufig sogar überlegen. Im vereinfachten
Verfahren wird wesentlich schneller ein vollwertiger Titel erlangt. Zwar besteht im
normalen Klageverfahren die Möglichkeit der Beantragung einer einstweiligen
Anordnung nach § 644 ZPO, doch ist diese wegen der fehlenden Bestandskraft einem
Festsetzungsbeschluß im vereinfachten Verfahren nicht gleichwertig. Darüber hinaus ist
die Beweislage für den Unterhaltsberechtigten im vereinfachten Verfahren eindeutig
günstiger als im Klageverfahren. Sofern der Unterhaltspflichtige keine zulässigen
4
Einwendungen i.S.d. § 648 ZPO erhebt, ist die zügige Titulierung von bis zu 150 % des
Regelbetrags ohne Nachweis des Einkommens des Unterhaltspflichtigen möglich. Im
Falle der Erhebung zulässiger Einwendungen erhält der Unterhaltsberechtigte genaue
Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Pflichtigen, ohne zuvor eine
Auskunftsklage erhoben zu haben. Hiernach ist grundsätzlich Kindesunterhalt im
vereinfachten Verfahren geltend zu machen. Prozeßkostenhilfe für eine normale
Unterhaltsklage kann grundsätzlich nicht bewilligt werden.
Dies gilt indessen nicht uneingeschränkt, wie der vorliegende Fall beweist. Der
Antragsteller lebt bei seinem Vater und will seine wiederverheiratete Mutter auf Zahlung
von Unterhalt in Anspruch nehmen. Diese erzielt neben der Betreuung von Kindern aus
der zweiten Ehe Arbeitseinkommen in Höhe von rund 1.300,00 DM. Sie lehnt unter
Berufung auf Leistungsunfähigkeit Unterhaltsleistungen für den Antragsteller ab. Bei
dieser Fallgestaltung bietet das vereinfachte Verfahren keinerlei Vorteile gegenüber
einer regulären Unterhaltsklage. Mit der Erhebung von Einwendungen ist zwingend zu
rechnen. In der Sache geht es lediglich um Rechtsfragen, insbesondere die Höhe des
Selbstbehalts der Antragsgegnerin und die Frage, inwieweit in diesem Zusammenhang
die Sicherung ihres Selbstbehalts durch Unterhaltsleistungen des zweiten Ehemannes
einbezogen werden muß. Bei dieser Sachlage ist das vereinfachte Verfahren weder
billiger noch schneller noch aus Beweisgründen günstiger für den Antragsteller. Die
Wahl der Klage im normalen Verfahren ist mithin auch im Rahmen der beantragten
Prozeßkostenhilfe nicht zu beanstanden.
5
Wenn der Senat gleichwohl Prozeßkostenhilfe verweigert, liegt dies an der fehlenden
Kostenarmut des Antragstellers. Der Vater des Antragstellers ist diesem gegenüber
gem. § 1601 f. BGB vorschußpflichtig. Im Rahmen seiner Unterhaltspflicht hat er die
Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, sofern dies bei seinen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen zumutbar erscheint. Das ist der Fall. Er ist Eigentümer eines
Mehrfamilienhauses und verdient ohne Berücksichtigung von Weihnachts- bzw.
Urlaubsgeld netto 2.600,00 DM. Seine zweite Ehefrau verdient ebenfalls. Seine letzte
Steuererstattung belief sich allein auf 8.509,00 DM. In Anbetracht dessen erscheint es
zumutbar, daß er die Kosten des Rechtsstreits des Kindes vorschießt.
6