Urteil des OLG Hamm vom 14.02.2008

OLG Hamm: geständnis, beschränkung, höchstgeschwindigkeit, wiedergabe, pauschal, form, toleranz, sport, kennzeichen, datum

Oberlandesgericht Hamm, 5 Ss OWi 42/08
Datum:
14.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
5. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 Ss OWi 42/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 56 OWi 91 Js 2497/07 - 707/07
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen
aufgehoben Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das
Amtsgericht Essen zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen durch Urteil vom 22. November 2007
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer
Geldbuße von 600,- € verurteilt. Das Amtsgericht hat dazu u.a. folgende Feststellungen
getroffen:
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"Der Betroffene befuhr am 20.7.2007 gegen 00.44 Uhr mit einem VW Multivan
Sport mit dem amtlichen Kennzeichen #### auf der Bundesautobahn 52 in F in
Fahrtrichtung C mit einer Geschwindigkeit von (abzüglich Toleranz) 132 km/h. Dort
liegt in der Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei
80 km/h.
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Der Betroffene hat die Tat eingeräumt. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat der
Betroffene gegen § 41 Abs. 2 StVO verstoßen, da er die durch Schilder auf 80 km/h
beschränkte zulässige Höchstgeschwindigkeit um
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52 km/h überschritten hat. Der Betroffene handelte auch zumindest fahrlässig und
hat damit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO,
24 StVG erfüllt."
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, welche
auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist.
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II.
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Das statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat auch - einen
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zumindest vorläufigen - Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ausgeführt:
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"Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch sonst
zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet
worden. Allerdings ist die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den
Rechtsfolgenausspruch unwirksam. Voraussetzung für eine wirksame
Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist, dass das
angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht. Die Beschränkung ist daher nicht
möglich, wenn das Urteil keine Gründe enthält oder wenn die Feststellungen zur
Tat, sei es auch nur zur inneren Tatseite, so knapp, unvollständig, unklar oder
widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der
Rechtsfolgenentscheidung bilden (OLG Hamm, Beschluss vom 09.12.1997 - 3 Ss
OWi 1374/97-; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 318 Rdnr. 16 m.w.N.; Göhler,
OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdnr. 9). Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den
Rechtsfolgenausspruch wäre dementsprechend nur wirksam, sofern die in dem
angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Betroffenen
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit tragen
und hinreichende Feststellungen für die durch das Rechtsbeschwerdegericht zu
treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen worden wären (OLG
Hamm, Beschluss vom 13.08.2001 - 2 Ss OWi 725/2001 -). Dies ist vorliegend
bereits deshalb nicht der Fall, weil die Feststellungen zu einem
Geschwindigkeitsverstoß - auch bei einem Geständnis des Betroffenen - neben
dem berücksichtigten Toleranzwert auch Angaben zur verwandten Messmethode
enthalten müssen (OLG Hamm, Beschlüsse vom 27.11.2007 - 1 Ss OWi
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756/07 -, vom 09.02.2004 - 2 Ss OWi 35/04 - und vom 13.08.2001 - 2 Ss OWi
725/2001 -). Da das angefochtene Urteil insoweit weder Angaben zur verwandten
Messmethode noch zur Höhe des in Abzug gebrachten Toleranzwertes enthält,
kann es bereits aus diesen Gründen keinen Bestand haben.
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Abgesehen davon hält auch der Rechtsfolgenausspruch einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand.
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Zum einen hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen
zu den Einkommensverhältnissen des Betroffenen und damit zu einem
wesentlichen Gesichtspunkt seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
getroffen. Auch wenn an die Urteilsgründe im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine
hohen Anforderungen zu stellen sind, sind Ausführungen zu den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nur bei geringfügigen Geldbußen
entbehrlich. Da grundsätzlich gem. § 17 Abs. 3 S. 2
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1. Halbsatz OWiG auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der
Entscheidung mit in Betracht zu ziehen sind, ermöglicht das angefochtene Urteil
eine Prüfung, inwieweit die verhängte Geldbuße von 600,00 EUR unter diesem
Gesichtspunkt angemessen ist, nicht. Im Übrigen verhält sich das angefochtene
Urteil dadurch, dass es keine Feststellungen dazu enthält, inwieweit der Betroffene
zuvor straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war, zu einer weiteren für
die Bemessung der Geldbuße maßgeblichen Frage nicht."
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Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend:
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Zwar kann auch eine geständige Einlassung eines Betroffenen zur Grundlage der
Feststellungen eines Geschwindigkeitsverstoßes gemacht werden. Abgesehen davon,
dass aber auch dann mitzuteilen ist, ob und in welcher Höhe ein Toleranzabzug
vorgenommen wurde, muss der Tatrichter in diesem Fall von der Richtigkeit eines
solchen Geständnisses überzeugt sein, d.h. es muss ein uneingeschränktes
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und glaubhaftes Geständnis vorliegen (vgl. BGH NJW 1993, 3081, 3084; OLG Hamm,
Beschluss vom 27. November 2007 - 1 Ss OWi 756/07 -; OLG Bamberg, NStZ-RR 2007,
321). Ein glaubhaftes Geständnis des Betroffenen setzt voraus, dass der Betroffene eine
bestimmte (Mindest-)Geschwindigkeit nicht nur tatsächlich eingeräumt hat, sondern
zusätzlich nach den konkreten Umständen auch einräumen konnte, gerade die
vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein. Den vorliegenden
Urteilsgründen kann aber mangels einer - wenigstens zusammenfassenden -
Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen insbesondere nicht entnommen werden, ob
sein Geständnis möglicherweise auf sicherer Kenntnis bzw. zuverlässiger Schätzung
beruht und deshalb dem Geständnis erhöhte Überzeugungskraft beigemessen werden
durfte. In dem Urteil ist nur pauschal mitgeteilt, dass der Betroffene den Verkehrsverstoß
eingeräumt hat.
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Bei einer erneuten Bemessung der Geldbuße wird zudem zu beachten sein, dass bei
einer fahrlässigen Begehungsweise gemäß § 17 Abs. 2 OWIG eine höhere Geldbuße
als 500,- € nicht in Betracht kommt.
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