Urteil des OLG Hamm vom 09.07.2008

OLG Hamm: identifizierung, fahrverbot, höchstgeschwindigkeit, vergleich, geschwindigkeitsüberschreitung, gefährdung, verkehrssicherheit, beweisantrag, spiegel, toleranz

Oberlandesgericht Hamm, 4 Ss OWi 224/08
Datum:
09.07.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ss OWi 224/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Bocholt, 3 OWi 99 Js 886/07 (139/07)
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als
unbegründet verworfen.
Gründe:
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I.
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Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit außer Orts um – nach Abzug der Toleranz –
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47 km/h eine Geldbuße in Höhe von 100,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat
festgesetzt.
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Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil unter Verwerfung
der Rechtsbeschwerde im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Zu
beanstanden sei, dass das Amtsgericht sich bei der Begründung der Verhängung des
Fahrverbots nicht auch mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob nicht allein deshalb
von der Verhängung des Fahrverbots – bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten
Geldbuße – abgesehen werden konnte, weil bei diesem Betroffenen der mit dem
Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf diese Weise erreicht
werden könne.
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Der Verteidiger hat darauf nicht erwidert.
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II.
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Das Rechtsmittel ist zulässig, bleibt jedoch ohne Erfolg.
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Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit dazu wie folgt Stellung genommen:
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"Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung vermögen die von dem Amtsgericht
getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Verurteilung wegen fahrlässiger
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener
Ortschaften zu tragen. Soweit der Betroffene mit der Verfahrensrüge geltend macht,
die von ihm gestellten Beweisanträge seien zu Unrecht abgelehnt worden, vermag
diese der Rechtsbeschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Betroffene
hat seine Fahrereigenschaft bestritten. Das Amtsgericht hat aufgrund eines
Vergleichs mit den bei der Verkehrsüberwachung gefertigten Lichtbildern, auf die im
Urteil ordnungsgemäß Bezug genommen worden ist, den Betroffenen als Fahrer
festgestellt. Die in Bezug genommenen Lichtbilder ####### sind entgegen des
Rechtsbeschwerdevorbringens von guter Qualität und ermöglichen die
Identifizierung des Fahrers zweifelsfrei. Der Umstand, dass der Fahrer auf dem Foto
eine Sonnenbrille trägt und der Haaransatz teilweise durch den Spiegel verdeckt ist,
vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Ob das Lichtbild die Feststellung
zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, hat allein der
Tatrichter zu entscheiden. Es kann daher mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich
nicht beanstandet werden, der Betroffene sei – entgegen der Überzeugung des
Tatrichters – nicht mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch. Die
Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht
grundsätzlich untersagt. Überprüfbar für das Rechtsbeschwerdegericht ist lediglich
die Frage, ob das Belegfoto, wenn es wie hier prozessordnungsgemäß in Bezug
genommen worden ist, überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu
ermöglichen (zu vgl. BGH NZV 96, 157). Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das
Amtsgericht habe unter Verletzung von § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, § 244 Abs. 3 S. 2
StPO die Anträge auf Vernehmung der Zeugin sowie auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu Unrecht abgelehnt, ist dem nicht zu folgen. Zwar
darf grundsätzlich ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, durch den die
Identitätsfeststellung aufgrund eines Radarfotos entkräftet werden soll, nicht
abgelehnt werden (zu vgl. OLG Oldenburg
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NZV 1995, 84; BayObLG NZV 1997, 452). Im Gegensatz zu den vorgenannten
Entscheidungen befand sich jedoch der von dem Betroffenen als Fahrer genannte
Zeuge im Gerichtssaal. Dem Gericht war es somit möglich, durch einen Vergleich
den Zeugen S als Fahrer auszuschließen. Das Gericht hat hiervon – wie sich aus
den Urteilsfeststellungen ergibt – Gebrauch gemacht und ist zu der Überzeugung
gelangt, den Betroffenen anhand des Lichtbildes eindeutig als Fahrer identifizieren
und die Zeugen S, S und T eindeutig aus-
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schließen zu können. Daher ist die Ablehnung der Beweisanträge zu Recht gem. §
77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG erfolgt."
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Dem schließt sich der Senat an.
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Auch der Rechtsfolgenausspruch hält letztlich einer rechtlichen Überprüfung Stand.
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Zwar hat das Amtsgericht, worauf die Generalstaatsanwaltschaft grundsätzlich zu Recht
hinweist, die Möglichkeit, von der Verhängung des Fahrverbots gegen eine Erhöhung
der Geldbuße absehen zu können, nicht ausdrücklich erörtert (vgl. dazu BGH NJW
1992, 446). Ausführungen dazu sind jedoch bei einem derart gravierenden Verstoß wie
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hier, der die Annahme vorsätzlicher Begehung nahegelegt hätte, ausnahmsweise
entbehrlich (vgl. OLG Hamm NZV 2002, 140 m. w. N.). Die Höhe der
Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Bundesstraße und die damit verbundene
erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit machen deutlich, dass eine
– auch erhöhte – Geldbuße allein nicht ausreicht, vielmehr nur durch die Verhängung
eines Fahrverbots der erforderliche Besinnungs- und Erziehungseffekt erreicht werden
kann. Sonstige Gründe, die der Verhängung des Fahrverbots entgegenstehen könnten,
lassen sich weder dem angefochtenen Urteil noch der Rechtsbeschwerdebegründung
entnehmen.
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Gegen die Höhe der verhängten Geldbuße ist nichts zu erinnern.
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Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs.
1 StPO als unbegründet zu verwerfen.
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