Urteil des OLG Hamm vom 07.10.2004

OLG Hamm: schöffengericht, befangenheit, fahrzeug, blutalkoholkonzentration, strafanzeige, wagen, rüge, unfall, ausnahme, trunkenheit

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss 345/04
Datum:
07.10.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss 345/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Hagen, 61 Ls 614 Js 318/03 (54/03)
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden
Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung
und Ent-scheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere
Abteilung des
Amtsgerichts Hagen zurückverwiesen.
G r ü n d e:
1
I.
2
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Hagen hat den Angeklagten, der in der
Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, in dem
angefochtenen Urteil wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall (§ 243 Abs.
1 Nr. 1 StGB) in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c
Abs. 1 Nr. 1 StGB) tateinheitlich begangen mit vorsätzlichem Fahren ohne
Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§
142 StGB), jeweils tateinheitlich begangen mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§
316 StGB) und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Weiterhin hat es nach § 64 StGB die
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, und dabei in
Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge bestimmt, dass zunächst ein Jahr und sechs
Monate der Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Schließlich hat das Schöffengericht die
Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren keine
Fahrerlaubnis zu erteilen (§ 69 a StGB) .
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Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die formelle und
die allgemeine Sachrüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das
angefochtene Urteil auf die Sachrüge hin aufzuheben.
4
II.
5
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache – zumindest vorläufig – Erfolg. Sie
führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den
dazugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
6
1.
7
Die formelle Rüge des Angeklagten, mit der ein Verstoß gegen §§ 24 Abs. 2, 338 Nr. 3
StPO geltend gemacht wird, hat allerdings keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig im Sinne
von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, ist jedoch in der Sache unbegründet.
8
a) Der formellen Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde.
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Der Angeklagte hat in der dann ausgesetzten Hauptverhandlung vom 16. Dezember
2003 vor Vernehmung des Revisionsführers zu seinen persönlichen Verhältnissen
einen Ablehnungsantrag gegen den erkennenden Richter gestellt, der mit erheblichen
persönlichen Spannungen zwischen dem abgelehnten Richter und dem Verteidiger, der
durch Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Juli 2003 zum Pflichtverteidiger bestellt
wurde, begründet worden ist. Die behaupteten Spannungen wurden insbesondere aus
einem Beschluss des Schöffengerichts unter dem abgelehnten Richter als Vorsitzenden
in einem früheren, gegen einen anderen Angeklagten gerichteten Verfahren hergeleitet.
In diesem Verfahren hatte der abgelehnte Richter in der Hauptverhandlung am 20. Mai
2003 den Verteidiger des Revisionsführers nach einer Auseinandersetzung über einen
Protokollierungsantrag durch den Wachtmeister aus dem Sitzungssaal führen lassen
und anschließend einen Beschluss des Gerichts verkündet, mit dem gegen ihn eine
Ordnungshaft von einem Tag verhängt wurde. Sodann hatte er ihn in die Ordnungshaft
abführen lassen. Dieser Beschluss ist später vom erkennenden Senat auf die
Beschwerde des Verteidigers des Angeklagten aufgehoben worden (Beschluss vom 6.
Juni 2003, 2 Ws 122/03, StraFo 2003, 244= wistra 2003, 358 = NZV 2003, 491 = StV
2004, 69 mit Anmerkung Leuze StV 2004, 101). Das Ablehnungsgesuch des
Angeklagten vom 16. Dezember 2003 hat das Amtsgericht Hagen als unbegründet
zurückgewiesen . Der Angeklagte hat es in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 2004
nicht wiederholt.
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b) Bei diesem Verfahrensgang ist die Rüge der Verletzung der §§ 24 Abs. 1, 338 Nr. 3
StPO unbegründet. Die Rüge der Verletzung der §§ 24 Abs. 1, 338 Nr. 3 StPO ist nur
dann begründet, wenn ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen wurde. Dabei hat
das Revisionsgericht diese Frage gem. § 28 Abs. 2 StPO nach Beschwerdegrundsätzen
zu behandeln, also eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob das verworfene
Ablehnungsgesuch zulässig und begründet war (BGH StV 1988, 417; Meyer-Goßner,
StPO, 47. Aufl., § 338 Rn. 28 mit weiteren Nachweisen).
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Das Ablehnungsgesuch war zwar zulässig, da (gravierende) Spannungen zwischen
Richter und dem Verteidiger des Angeklagten grundsätzlich die Besorgnis der
Befangenheit begründen können (vgl. u.a. BGH StV 1993, 339; StV 1995, 396 f., Senat
in StraFo 2002, 355 und OLG Braunschweig StraFo 1997, 76). Es ist auch nicht
ersichtlich, dass der Angeklagte mit seinem Ablehnungsgesuch "offensichtlich nur"
verfahrensfremde Zwecke verfolgt (§ 26 a Nr. StPO), da eine glaubhaft gemachte
erhebliche Auseinandersetzung zwischen dem Vorsitzenden und dem Verteidiger
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geschildert und vorgetragen worden ist.
Das Ablehnungsgesuch war indes unbegründet und ist vom Amtsgericht Hagen zu
Recht zurückgewiesen worden. Die Besorgnis der Befangenheit ist gerechtfertigt, wenn
der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu
der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung
einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen
kann (vgl. u.a. BGH NStZ 1988, 510; OLG Hamm StraFo 2002, 355 f, jeweils mit
weiteren Nachweisen). Die Besorgnis der Befangenheit hat der Angeklagte hier im
Wesentlichen mit den Spannungen zwischen seinem Verteidiger und dem Vorsitzenden
Richter, die ihren Ausgang in einem anderen Verfahren, an dem der Angeklagte nicht
beteiligt war, begründet. Da der Angeklagte aus solchen Spannungen nicht ohne
weiteres darauf schließen kann, dass der Vorsitzende eine eventuelle Abneigung gegen
den Verteidiger auf ihn und seine Sache überträgt, begründen sie in der Regel keine
Besorgnis der Befangenheit (vgl. u.a. BVerfG NJW 1996, 2022). In dem Zusammenhang
weist der Senat zunächst darauf hin, dass als Indiz für Normalität in der Beziehung des
Richters zum Angeklagten trotz Spannungen zwischen dem Richter und dem
Verteidiger in der obergerichtlichen Rechtsprechung gewertet worden ist, wenn der
später abgelehnte Richter einen Anwalt trotz bestehender Kontroversen als
Pflichtverteidiger bestellt hat (OLG Braunschweig StraFo 1997, 77). Das ist vorliegend
der Fall.
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Im übrigen werden von dem dargelegten Grundsatz in der obergerichtlichen
Rechtsprechung zwar Ausnahmen gemacht. Einer dieser Ausnahmetatbestände ist
vorliegend jedoch nicht gegeben.
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Eine Ausnahme wird zunächst dann gemacht, wenn eine - im Hinblick auf den Anlass
unangemessen feindselige und unsachliche - Reaktion des abgelehnten Richters
Anhaltspunkte für ein Ausstrahlen der Spannungen auf seine Einstellung zu der nun
verhandelten Sache bietet (vgl. BGH StV 1993, 339;- BGH StV 1986, 281 f.; LG
Frankfurt StV 1990, 258), z.B. durch ungerechtfertigte Entscheidungen im Prozess (BGH
StV 1995, 396 f. [Verweigerung der Akteneinsicht] oder durch die Ankündigung, für
bestimmte Vorträge "taub" zu sein (BGH StV 1993, 339). Soweit die Revision in dem
Zusammenhang vorträgt, der abgelehnte Richter würde persönliche und telefonische
Absprachen mit dem Verteidiger des Angeklagten ablehnen und diesen auch nicht
grüßen, so stellt das behauptete Verhalten zwar möglicherweise eine Unhöflichkeit dar,
lässt jedoch den Schluss auf eine nicht sachgerechte Behandlung des Verfahrens noch
nicht zu. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass z.B. auch drastische
Unmutsäußerungen des Vorsitzenden gegenüber dem Verteidiger für sich nicht die
Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 200/201; BGHR
StPO § 24 Abs. 2 Vorsitzender Nr. 1). Der weitere Vortrag der Revision, der abgelehnte
Richter treffe trotz ausdrücklicher Bitte mit dem Verteidiger des Revisionsführers keine
Terminabsprachen, was der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens nicht
zuträglich sei, lässt nicht erkennen, zu welchem Zeitpunkt eine Terminabsprache aus
welchem Grund erforderlich gewesen wäre und weshalb ihre Verweigerung im
konkreten Verfahren aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis einer
nicht sachgerechten Durchführung des Prozesses begründen könnte. Der Vortrag ist zu
pauschal, als dass sich aus ihm Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit des
abgelehnten Richters ergeben könnten.
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Gleiches gilt für die Behauptung, der Revisionsführer habe in einem anderen Verfahren
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am eigenen Leibe erlebt, wie sich die persönliche Abneigung in einem unsachlichen
Umgang mit Verteidigungsrechten geäußert habe. Auch dieses Vorbringen lässt
jegliche Substantiierung vermissen. Aus denselben Gründen ist auch der Vortrag der
Revision unbeachtlich, der abgelehnte Richter habe seine Abneigung offen während
der Hauptverhandlung zur Schau getragen.
Eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz, dass Spannungen zwischen dem
Verteidiger und dem Richter die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem
Angeklagte grundsätzlich nicht begründen, wird von der Rechtsprechung bei ganz
außergewöhnlichen Animositäten angenommen (OLG Braunschweig StraFo 1997, 76;
OLG Düsseldorf wistra 1991, 78; OLG Hamm NJW 1951, 731 mit weiteren Nachweisen
zur älteren Rechtsprechung und Literatur; vgl. auch LG Frankfurt StV 1990, 258). Ein
Indiz für eine solche besonders erbitterte Auseinandersetzung wird in der
obergerichtlichen Rechtsprechung darin gesehen, dass die Kontroverse zu
gegenseitigen Strafanzeigen sowie zu Dienstaufsichtsbeschwerden und
standesrechtlichen Verfahren geführt hat (OLG Hamm NJW 1951, 731). Insoweit trägt
die Revision vor, aufgrund von Strafanzeigen u.a. des Verteidigers des Angeklagten
seien Ermittlungsverfahren gegen den abgelehnten Richter wegen Rechtsbeugung und
Freiheitsberaubung eingeleitet worden. Außerdem seien Dienstaufsichtsbeschwerden
anhängig. In der Rechtsprechung ist insoweit jedoch anerkannt, dass, wobei allerdings
die Besonderheiten des Einzelfalls zu beachten sind, allein die Strafanzeige eines
Verfahrensbeteiligten gegen einen Richter in der Regel nicht zur Besorgnis der
Befangenheit führt, da es sonst den Beteiligten möglich wäre, sich nach Belieben jedem
Richter zu entziehen (BVerfG NJW 1996, 2022; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Juli 2004
- 3 Ss 245/04). Im Rahmen der Einzelfallbetrachtung sind insbesondere auch die
Erfolgsaussichten der Strafanzeige zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., zu einer
willkürlichen Anzeige). Die Ermittlungsverfahren gegen den abgelehnten Richter sind,
wie sich aus dem von der Revision mitgeteilten Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom
22. Januar 2004 ergibt, mittlerweile eingestellt, das Dienstaufsichtsverfahren ruht.
Insofern ist auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu
erkennen, dass sich Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden des Verteidigers
gegen den abgelehnten Richter auf dessen Unparteilichkeit gegenüber dem
Angeklagten auswirken.
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Der abgelehnte Richter seinerseits hat zudem keine Maßnahmen gegen den Verteidiger
des Revisionsführers ergriffen, insbesondere keine Strafanzeige gestellt und kein
Verfahren bei der Anwaltskammer eingeleitet. Selbst solche Maßnahmen würden im
Übrigen nicht in jedem Fall zur Besorgnis einer Befangenheit führen: So forderte das
OLG Braunschweig (vgl. StraFo 1997, 76) als weiteres Indiz, dass sich eine
Strafanzeige auf das nun zu entscheidende Verfahren z.B. in der Weise ausgewirkt
haben müsse, dass der Verteidiger wegen ihr sein Mandat niederlegte. Das OLG
Düsseldorf (vgl. wistra 1991, 78 f.) hat ein zumindest zu Recht bei der Anwaltskammer
eingeleitetes Verfahren ebenfalls nicht als Indiz für eine Befangenheit ausreichen
lassen.
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Auch der Vortrag der Revision, es müsse erst recht ein Indiz für ein erhebliches
Zerwürfnis zwischen Richter und Verteidiger darstellen, wenn dieser nicht die gesetzlich
vorgesehenen Verfahren nutze, um gegen den Verteidiger vorzugehen, sondern quasi
im Wege der "Selbstjustiz" diesen verhaften lasse, begründet die Besorgnis der
Befangenheit gegenüber dem Angeklagten dieses Verfahrens nicht. Insoweit verkennt
die Revision, dass es einen Unterschied macht, ob der Richter in einem laufenden
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Verfahren eine rechtliche Entscheidung trifft, oder ob er den Verteidiger auch über
dieses Verfahren hinaus verfolgt. Denn nur das zuletzt genannte Verhalten bildet einen
Anhaltspunkt dafür, dass die Spannungen persönlicher Art sind. Persönliche
Animositäten können eher einen Ablehnungsgrund begründen als rechtliche
Uneinigkeiten (OLG Braunschweig StraFo 1997, 76). Hinsichtlich der von einem Richter
vertretenen Rechtsauffassung ist dagegen in der obergerichtlichen Rechtsprechung
anerkannt, dass der Angeklagte davon ausgehen kann und muss, dass sich dieser nicht
durch frühere Entscheidungen für künftige Entscheidungen festgelegt hat. Dies gilt
sogar für frühere Entscheidungen in demselben Verfahren und daher erst recht dann,
wenn der Richter in einem anderen Verfahren eine bestimmte Rechtsauffassung
vertreten hat (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Burhoff, Handbuch für die
strafrechtliche Hauptverhandlung, 4. Aufl., 2003, Rn. 34 a; zudem BGH, Beschluss vom
9. Januar 1996, 5 StR 533/95; OLG Düsseldorf VRS 82, 455 f.).
Der Beschluss, durch den gegen den Verteidiger des Revisionsführers ein
Ordnungsmittel angeordnet wurde, stellt eine rechtliche Entscheidung des
Schöffengerichts unter Vorsitz des abgelehnten Richters in einem anderen Verfahren
gegen einen anderen Angeklagten dar. Diese Entscheidung ist zwar vom Senat in
seinem Beschluss vom 6. Juni 2003 aufgehoben worden. Insoweit kann und muss der
Revisionsführer jedoch nach den dargestellten Grundsätzen davon ausgehen, dass sich
der abgelehnte Richter nicht für zukünftige Entscheidungen und Verfahren festgelegt
hat, solange keine weiteren Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit vorliegen.
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Ein weitere Ausnahme von dem o.a. Grundsatz wird in der Rechtsprechung u.a. dann
angenommen und die Befangenheit des Richters erscheint ausnahmsweise dann
möglich, wenn der Streit zwischen Richter und Verteidiger außerhalb der Justizkreise
bekannt geworden ist (OLG Düsseldorf wistra 1991, 78; OLG Hamm NJW 1951, 731).
Zwar führt die Revision insoweit aus, dass mehrere regionale und überregionale
Tageszeitungen sowie die Fachpresse über den Vorfall berichtet haben, sie schweigt
jedoch dazu, auf wessen Veranlassung diese Veröffentlichungen beruhen. Dazu wäre
jedoch Vortrag erforderlich gewesen, denn nur, wenn der abgelehnte Richter (zumindest
auch) die Ursache für diese Veröffentlichungen gesetzt hat, könnte möglicherweise die
Besorgnis der Befangenheit begründet sein. Hat hingegen nur der Verteidiger für die
entsprechenden Veröffentlichungen gesorgt, ist das nicht ausreichend. Denn durch eine
von einem Verfahrensbeteiligten ausgehende öffentliche Berichterstattung kann diesem
ebenso wenig wie durch von ihm gestellte Strafanzeigen die Möglichkeit eingeräumt
werden, sich nach Belieben jedem Richter zu entziehen.
21
II.
22
Das angefochtene Urteil war jedoch auf die Sachrüge hin aufzuheben.
23
1.
24
Das Amtsgericht hat im angefochtenen Urteil folgende Feststellungen getroffen:
25
Zu dem festgestellten Diebstahl nach § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB schildert das Urteil
zunächst, dass der Angeklagte eine heftige Auseinandersetzung mit seiner Freundin
hatte und enthält sodann die folgenden Feststellungen:
26
"Im angetrunkenen Zustand suchte er anschließend in den frühen Morgenstunden
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des 11. Februar 2003 den Parkplatz am Evangelischen Krankenhaus in I auf und
entwendete dort den Personenkraftwagen der Marke VW Jetta mit dem amtlichen
Kennzeichen ##-##, indem er dieses Kraftfahrzeug der Zeugin S durch so
genanntes "Schlossstechen" gewaltsam öffnete und das Lenkradschloss gewaltsam
entfernte. Danach fuhr er mit dem Personenkraftwagen von I nach F über öffentliche
Straßen, obwohl er über keine Fahrerlaubnis verfügte, die ihn berechtigte als Führer
eines Personenkraftwagens am Straßenverkehr teilzunehmen und obwohl er infolge
des zuvor genossenen Alkohols nicht sicher in der Lage war, ein Fahrzeug sicher im
Straßenverkehr zu führen ...".
Hinsichtlich des Alkoholkonsums hat das Schöffengericht festgestellt, dass der
Angeklagte am 10. Februar 2003 nach 22.00 Uhr oder 23.00 Uhr eine Flasche Wodka,
zwei kleine Fläschchen Jägermeister und zwei Flaschen Bier gekauft und anschließend
getrunken habe. "In den frühen Morgenstunden" des nächsten Tages habe er dann den
Wagen entwendet und sei nach F gefahren. Zur Begründung dafür, dass dem
Angeklagten bekannt gewesen sei, dass er infolge des genossenen Alkohols nicht in
der Lage gewesen sei, ein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen, hat das
Schöffengericht auf die zuvor festgestellten fünf vorangegangenen Verurteilungen
wegen Trunkenheit im Straßenverkehr verwiesen. Zu diesen teilt das angefochtene
Urteil jeweils nur das Datum der Verurteilung mit.
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Für den weiteren Verlauf der Tat hat das Schöffengericht festgestellt:
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"Nachdem er nunmehr die Nacht schlafend in dem von ihm entwendeten
Kraftfahrzeug verbracht hatte, setzte der Angeklagte nach erneutem Alkoholgenuss
im weiteren Verlaufe des 11. Februar 2003 seine Fahrt über öffentliche Straßen in
diesem Personenkraftwagen fort und erreichte schließlich gegen 17.40 Uhr die
Kreuzung S-Straße/L-Straße".
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An dieser Kreuzung in I sei es zu einem Unfall gekommen, bei dem der Angeklagte eine
Blutalkoholkonzentration von zwischen 1,63 und 2,03 Promille aufgewiesen habe. Im
Rahmen der Beweiswürdigung folgt das Schöffengericht ferner den Aussagen der
Zeugen I2, G und Q, die angegeben haben, dass der Angeklagte nach dem Unfall keine
erheblichen alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt habe.
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Weiterhin gibt das Urteil das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen wie folgt
wieder:
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"Der psychiatrische Sachverständige Leitender Medizinaldirektor a.D. Dr. med. M
hat in seinem mündlichen Gutachten zunächst ausgeführt, dass der Angeklagte ihm
gegenüber den festgestellten Tathergang mit der Einschränkung eingeräumt habe,
eine Erinnerungslücke von dem Zeitpunkt des Trinkens der Flasche Wodka, der 2
Fläschchen Jägermeister und der 2 Flaschen Pils bis zum Zeitpunkt des
Wiederaufwachens im Fahrzeug zu haben und sodann einen zweiten "Filmriss"
nach dem erneuten Genuss von Alkohol bis zum Zeitpunkt des Unfalls gehabt zu
haben. Diese Angaben zum Tathergang habe der Angeklagten ihm gegenüber nach
erfolgter Belehrung durch ihn über sein Recht zu schweigen und auch einzelne
Fragen nicht zu beantworten und nach dem Hinweis, dass für ihn als gerichtlich
bestellten Sachverständigen die ärztliche Schweigepflicht nicht gälte, gemacht.
Weiterhin hat der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar in seinem
Gutachten ausgeführt, dass der Angeklagte an einer Persönlichkeitsstörung in Form
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einer haltlosen Persönlichkeit sowie an einer Polytoxikomanie mit dem
Schwergewicht auf chronischem Alkoholmissbrauch leide. Zusammen mit dem
aktuellen Genuss von einer Flasche Wodka, zwei kleinen Fläschchen Jägermeister
und zwei Flaschen Bier zum Zeitpunkt des Einbruchsdiebstahles in den
Personenkraftwagen hätten diese Erkrankungen die Folge, dass zum Zeitpunkt
dieser Tat seine Steuerungsfähigkeit bereits erheblich herabgesetzt war, während
seine Einsichtsfähigkeit erhalten blieb. Für den Zeitpunkt der Begehung der
vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs sowie für den Zeitpunkt der
nachfolgenden Tat des unerlaubten Entfernens vom Unfallort errechnete sich
aufgrund des bekannten Ergebnisses der Blutanalyse eine maximale
Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,03 Promille. Diese aktuelle
Beeinträchtigung durch den vorangegangenen Genuss von Alkohol führe unter
Berücksichtigung der haltlosen Persönlichkeit des Angeklagten und seiner
Polytoxikomanie für diese beiden Taten dazu, dass zumindest nicht
ausgeschlossen werden könne. dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
auch bei der Begehung dieser Taten erheblich herabgesetzt war, während sich eine
erhebliche Herabsetzung seiner Einsichtsfähigkeit auch insoweit ausschließen
lasse. Eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei für sämtliche
Taten auszuschließen.".
Im Rahmen der Erwägungen zur Rechtsfolgenfestsetzung hat das Schöffengericht
ausgeführt:
34
"Aufgrund des nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens des Leitenden
Landesmedizinaldirektors a.D. Dr. med. M, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie,
dem sich das Gericht in vollem Umfang anschließt, war es weiterhin erforderlich,
den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen und in Umkehrung der
Vollstreckungsreihenfolge anzuordnen, dass zunächst 1 Jahr und 6 Monate der
Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind, da hierdurch gewährleistet ist, dass die
Gesamtvollstreckung mit Vollstreckung der Maßnahme abschließt.".
35
Das angeführte Gutachten wird im Rahmen der Feststellungen unter anderem wie folgt
wiedergegeben:
36
"Um einen Erfolg einer derartigen Maßnahme nicht von vornherein auszuschließen,
sei es aus ärztlicher Sicht unumgänglich, dass die Zeit der Vollstreckung der
Maßnahme am Ende der Gesamtvollstreckung liege."
37
2.
38
Die getroffenen Feststellungen und Ausführungen sind lückenhaft (§ 267 StPO).
39
a) Hinsichtlich der Verurteilung wegen eines Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB
sind die getroffenen Feststellungen allerdings - insoweit entgegen der Auffassung der
Generalstaatsanwaltschaft - noch ausreichend, um die erforderliche Zueignungsabsicht
des Angeklagten, die seine Tat von einer bloßen Gebrauchsanmaßung nach § 248 b
StGB abgrenzt, entnehmen zu können. Eine Gebrauchsanmaßung nach § 248 b StGB
liegt vor, wenn der Täter bezüglich des Tatobjekts zur Zeit der Wegnahme mit
Rückführungswillen handelt. Rückführungswille erfordert, dass der Täter bei der
Wegnahme plant, den Wagen nach Gebrauch so abzustellen. dass der Eigentümer in
der Lage ist, seine ursprüngliche Verfügungsgewalt ohne besondere Mühe wieder
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auszuüben (BGH NStZ 1996, 38; NJW 1987, 266). Ausdrückliche Feststellungen zur
subjektiven Tatseite hat das Schöffengericht zwar nicht getroffen, aus den getroffenen
objektiven Feststellungen kann jedoch noch mit der erforderlichen Sicherheit
geschlossen werden, dass der Angeklagte ohne Rückführungswillen gehandelt hat.
Dazu teilt das angefochtene Urteil mit, dass der Angeklagte mit dem Wagen, nachdem
er ihn entwendet hatte, zunächst von I aus nach F und dann zurück nach I gefahren ist.
Die obergerichtliche Rechtsprechung fordert nur eine eingehende(re)
Auseinandersetzung mit der inneren Tatseite, wenn es Indizien für einen
Rückführungswillen gibt, insbesondere der Täter das Fahrzeug in der Nähe desjenigen
Ortes wieder abgestellt hat, an dem er es weggenommen hat (BGH, a.a.O.). Äußere
Umstände, die in diese Richtung deuten, hat das Schöffengericht indes nicht festgestellt.
Allein, dass der Angeklagte von F aus wieder nach I gefahren ist, lässt nicht den
Schluss darauf zu, dass er den Wagen in der Nähe des Tatorts wieder abstellen wollte,
zumal sich aus den mitgeteilten bisher neun Vorverurteilungen des Angeklagten wegen
Diebstahls darauf schließen lässt, dass dieser fremdes Eigentum nicht achtet.
Die hinsichtlich des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB getroffenen Feststellungen
sind jedoch insofern lückenhaft sein, als das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass
der Angeklagte zum Zeitpunkt der Diebstahlstat (vermindert) schuldfähig gewesen ist.
Das Schöffengericht beruft sich dazu im Wesentlichen auf das gerichtspsychologische
Gutachten des Dr. M, wonach zur Zeit des Diebstahls weder die Einsichts- noch die
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten i.S.v. § 20 StGB aufgrund einer krankhaften
seelischen Störung ausgeschlossen war. Stützt ein Tatrichter seinen Schuldspruch auf
ein Sachverständigengutachten, so muss das Urteil in einer verständlichen, in sich
geschlossenen Darstellung so viele Anknüpfungstatsachen, Befundtatsachen und vom
Sachverständigen gezogene Schlussfolgerungen mitteilen, dass das Revisionsgericht
die Schlüssigkeit des Gutachtens, also seine Übereinstimmung mit den Erkenntnissen
der Wissenschaft, prüfen kann (vgl. u.a. BGH NStZ 1993, 95). Darauf hat auch der Senat
schon wiederholt hingewiesen (vgl.. OLG Hamm StV 2002, 404 f.; zuletzt Senat in 2 Ss
OWi 470/04, http://www.burhoff.de). Das gilt vor allem, wenn - wie vorliegend -
gleichzeitig Persönlichkeitsstörungen und Alkoholgenuss vorliegen. Dann müssen die
Feststellungen insoweit das Zusammenspiel dieser Defizite genau auf die einzelnen
Tatzeiten bezogen darstellen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 30. April 1999, 3 Ss 385/99).
41
Das Schöffengericht hat vorliegend schon nicht festgestellt, von welchem
Blutalkoholgehalt der Sachverständige für den Zeitpunkt des Diebstahls ausgegangen
ist. Es teilt diesbezüglich an Anknüpfungstatsachen zwar grob die Menge der vom
Angeklagten zu sich genommenen alkoholhaltigen Getränke mit, es fehlen aber
Angaben dazu, über welchen Zeitraum der Angeklagte diese zu sich genommen hat.
Insofern geben die Feststellungen nur an, dass der Beginn der Alkoholaufnahme
jedenfalls nach 22.00 Uhr lag. Außerdem fehlt die Mitteilung des Zeitraums, der
zwischen dem Ende des Trinkens und dem Diebstahl lag, hinsichtlich der Zeit der Tat ist
nur festgestellt, dass diese ,,in den frühen Morgenstunden" gelegen hat. Auch Angaben
zum Körpergewicht des Angeklagten wurden nicht gemacht. Damit stellt das Urteil das
Gutachten nicht so dar, dass dem Revisionsgericht eine Schlüssigkeitskontrolle
ermöglicht würde. Dazu bestand aber Anlass, da ein Ausschluss der Schuldunfähigkeit
nicht auf der Hand liegt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Angeklagte ein
Körpergewicht von 90 kg hat, sich die Alkoholaufnahme über einen Zeitraum von zwei
Stunden hinzog und bis zur Tat drei weitere Stunden verstrichen, errechnet sich zur
Tatzeit noch eine maximale BAK von 3,45 Promille. Dies würde zur Annahme von § 20
StGB führen.
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b) Auch die zu der vorsätzlichen Verkehrsgefährdung gem. § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB
getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Fahrt von F nach I sind lückenhaft. Sie tragen
- worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist - die Verurteilung wegen
einer vorsätzlichen Tat nicht. In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, worauf auch
der Senat schon immer wieder hingewiesen hat (vgl. zuletzt Urteil vom 21. Juli 2004, 2
Ss 178/04 mit weiteren Nachweisen), dass allein eine hohe Blutalkoholkonzentration
den Vorsatz hinsichtlich der eigenen Fahrunsicherheit in der Regel nicht begründen
kann. Zwar liegt bei einer die Grenze absoluter Fahrunsicherheit weit übersteigenden
Alkoholisierung nahe, dass der Täter seine Unfähigkeit, das Fahrzeug sicher zu führen,
zumindest für möglich hält und in Kauf nimmt. Auf der anderen Seite nimmt die Kritik-
und Erkenntnisfähigkeit mit fortschreitender Trunkenheit ab, sodass kein Erfahrungssatz
existiert, nachdem derjenige, der erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen hat,
seine Fahrunsicherheit erkennt. Daher muss das Urteil neben der BAK auch weitere
objektive Umstände feststellen, die auf einen entsprechenden Vorsatz schließen lassen
(Senat, a.a.O.; zudem OLG Hamm Verkehrsrecht aktuell 2004, 102; NZV 2003, 47 f.,
jeweils mit weiteren Nachweisen zur übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung).
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Allein eine hohe Blutalkoholkonzentration genügt nicht, um eine vorsätzliche
Begehungsweise einer Straßenverkehrsgefährdung oder einer Trunkenheitsfahrt zu
begründen. Vielmehr müssen weitere Indizien und Umstände festgestellt werden. Das
ist vorliegend nicht ausreichend geschehen. Kann der Schluss auf Vorsatz nicht allein
auf die hohe Blutalkoholkonzentration gestützt werden, so bedarf es für eine
Verurteilung wegen Vorsatzes der Feststellungen zu Trinkanlass, Trinkverlauf,
Fahrtanlass, dem Zusammenhang von Trinkverhalten und Fahrbereitschaft, Fahrtverlauf
und Nachtatverhalten, aus denen sich möglicherweise Schlüsse darauf ergeben, dass
der Angeklagte seine Fahrunsicherheit erkannt hat (OLG Celle NZV 1998, 123; OLG
Koblenz NZV 1993, 444). Das Schöffengericht hat bezüglich der Fahrt des Angeklagten
von F nach I weder festgestellt, wie viel Alkohol der Angeklagte zu welchem Zeitpunkt
vor Beginn erneut zu sich genommen hat, noch wann er die Fahrt angetreten hat, wie
lange diese gedauert hat und ob es dabei - vor dem Unfall - zu alkoholbedingten
Ausfallerscheinungen gekommen ist, die der Angeklagte hätte wahrnehmen müssen.
Auch hinsichtlich des Nachtatverhaltens hat das Gericht nur festgestellt, dass der
Angeklagte keinen erheblich alkoholisierten Eindruck gemacht habe.
44
Soweit das Schöffengericht auf die einschlägigen Vorbelastungen des Angeklagten
verwiesen hat, ist das zwar grundsätzlich zulässig und möglich, da aus derartigen
Vorbelastungen auf eine Sensibilisierung des Angeklagten für das Fahren unter
Alkoholeinfluss geschlossen werden kann, so dass sie ein Indiz für ein vorsätzliches
Verhalten sein können. Damit der Angeklagte jedoch von der Warnwirkung der
Vorbelastungen erreicht wird, müssen die Sachverhalte, die den Vorstrafen zugrunde
lagen, mit dem aktuell zu verhandelnden Fall ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit
aufweisen (vgl. die o.a. angeführte Rechtsprechung des OLG Hamm und zudem OLG
Hamm DAR 2002, 134). Deshalb ist die Feststellung der den damaligen Verurteilungen
zugrunde liegenden Sachverhalte erforderlich (OLG Celle NZV 1998, 123; OLG Koblenz
NZV 1993, 444 f.). Insbesondere sind die Höhe der damaligen BAK, das Trinkverhalten
und die Trinkmenge mitzuteilen (OLG Hamm NZV 2003, 47 f.). Das Urteil enthält jedoch
lediglich Angaben zum Zeitpunkt der jeweiligen Vorverurteilungen. Eine Feststellung
der diesen zugrunde liegenden Tatumstände ist nicht erfolgt. Diese wäre jedoch
vorliegend insbesondere auch deswegen erforderlich gewesen, weil der Anlass für das
Trinken und möglicherweise auch für die Fahrt der vorangegangene Streit des
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Angeklagten mit seiner Freundin war. Insofern drängt sich die Möglichkeit auf, dass der
Angeklagte sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand und deshalb
möglicherweise von der Warnwirkung der vorangegangenen Verurteilungen, wenn
diesen nicht Taten unter ähnlichen Umständen zugrunde lagen, nicht erreicht wurde.
4.
46
Aus den vorstehend dargelegten Gründen sind die Feststellungen hinsichtlich der sich
an den Unfall anschließenden vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) ebenfalls
lückenhaft. Entsprechendes gilt für die Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom
Unfallort (§ 142 StGB) und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG).
47
5.
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Dahinstehen kann, ob die im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs erfolgte Umkehrung
der Vollstreckungsreihenfolge gem. § 67 Abs. 2 StGB zutreffend oder ebenfalls
rechtsfehlerhaft ist. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass eine solche Anordnung, da
sie von der Grundentscheidung des Gesetzgebers abweicht, den Täter im Interesse des
Vollzugsziels schon frühzeitig von seinem Hang zu befreien, das Urteil eine
überzeugende, am Einzelfall orientierte Begründung enthalten muss (vgl. BGH NStZ-
RR 1998, 70). Diese muss, da sich die Vorwegvollstreckung der Strafe als zusätzliches
Strafübel auswirken kann, erkennen lassen, inwiefern sich der Tatrichter vom
Rehabilitationsinteresse hat leiten lassen (BGH NStZ-RR 1999, 44). Bei einem
teilweisen Vorwegvollzug genügt es, wenn dargelegt wird, dass bei sofortigem Beginn
der Maßregel deren Erfolgsaussichten entscheidend gemindert würden (BGH,
Beschluss vom 29. September 1998). Im Rahmen der Erwägungen zur
Rechtsfolgenfestsetzung hat das Schöffengericht die teilweise Umkehrung der
Vollstreckungsreihenfolge lediglich damit begründet, dass dadurch die Maßnahme am
Ende der Gesamtvollstreckung liege. Ergänzt wird diese Begründung durch die
Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen, dem sich das Amtsgericht
angeschlossen hat. Es erscheint fraglich, ob diese Begründung den von der
Rechtsprechung gestellten Anforderungen gerecht wird oder ob sie zu knapp ist. Die
Frage bedurfte indes keiner abschließenden Beurteilung, da das angefochtene Urteil
schon aus anderen Gründen aufzuheben war.
49
IV.
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Nach allem war, da das angefochtene Urteil auf den festgestellten Rechtsfehlern beruht,
die tatrichterliche Entscheidung aufzuheben. Der Senat hat davon abgesehen, die
getroffenen Feststellungen zur objektiven Seite aufrechtzuerhalten, was grundsätzlich
möglich gewesen wäre (vgl. BayObLG DAR 1987, 316 bei Bär; BGH MDR 1990, 95 bei
Holtz), da die Feststellungen zu subjektiven Seite eng mit denen zur objektiven
verbunden sind und weitere objektive Feststellungen getroffen werden müssen. Daher
erschien es sachgerecht, das angefochtene Urteil aus Gründen der Klarheit insgesamt
aufzuheben.
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