Urteil des OLG Hamm vom 30.07.2009

OLG Hamm (bezeichnung, durchführung, eintragung, abmahnung, werbung, vertragsstrafe, kunde, irreführung, begriff, höhe)

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 76/09
Datum:
30.07.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 76/09
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 13 O 205/08
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.02.2009 verkündete Urteil
der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts
Bochum un-ter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels
teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner
4.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszins-satz der Europäischen Zentralbank seit dem 29.07.2008 zu
zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
In einer Zeitungswerbung vom 28.09.2007 warb die Beklagte zu 1. u.a. mit den Worten
"Unsere Leistungen: ... TÜV + AU ...".
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Die Klägerin mahnte daraufhin die Beklagten mit Schreiben vom 08.10.2007 ab. Die
Verwendung der Bezeichnung "TÜV" sei wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, weil
das Monopol des TÜV für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO bereits im Jahre
1989 gefallen sei. Mithin könne die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO auch nicht
mehr ausschließlicht mit "TÜV" umschrieben werden.
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Die Beklagten gaben unter dem 16.10.2007 die geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung ab, und zwar mit folgendem Inhalt:
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1.
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es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd
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die Durchführung einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO ausschließlich als
"TÜV" zu bezeichnen,
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oder
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die vorgenannte Bezeichnung isoliert - ohne Hinweis auf die Hauptuntersuchung -
zu verwenden, sofern die beworbene Leistung nicht von einem Prüfingenieur eines
TÜV erbracht wird,
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2.
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für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1. aufgeführte/n
Verpflichtung/en an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe in Höhe von
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4.000,00 € (viertausend)
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zu zahlen.
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Die Klägerin nahm diese Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 22.10.2007 an.
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Die Klägerin hält diese versprochene Vertragsstrafe für verfallen.
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Unstreitig hieß es in den Online-Versionen der Gelben Seiten vom 15. und 21.05.2008
über die Beklagte zu 1. unter der Rubrik "Stichworte":
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"Audi, VW, Nutzfahrzeuge, Gebrauchtwagen, Reifen, Reparaturen, Unfallschäden, TÜV,
ASU, Automobile".
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Ferner mahnte die Klägerin die Beklagten erneut ab und forderte nunmehr eine erhöhte
Vertragsstrafe von 6.000,00 € als Strafbewehrung.
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Die Beklagten veranlassten eine Änderung der Online-Version der Gelben Seiten. Unter
dem 30.07.2008 fand sich unter Rubrik "Stichworte" nicht mehr der Hinweis "TÜV".
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Die Klägerin hat die ihres Erachtens zu bejahende Verwirkung der Vertragsstrafe damit
begründet, dass die Beklagten die Eintragung des Stichwortes "TÜV" in den Gelben
Seiten veranlasst hätten.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 4.000,00 € an den Kläger zu
zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 29.07.2008,
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2.
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere 208,65 € an den Kläger
zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 11.07.2008.-
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten haben vorgetragen: Ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung liege
nicht vor, weil sämtliche Fahrzeugprüfungen allein und ausschließlich von Ingenieuren
des TÜV in Räumen der Beklagten zu vereinbarten Zeiten vorgenommen würden. Die
Eintragung im Telefonbuch "Gelbe Seiten" sei nach Vorgaben des Sutter-Verlages
erfolgt.
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Das Landgericht hat durch Urteil vom 18.02.2009 die Klage als unbegründet
abgewiesen. Die bloße Verwendung der Bezeichnung "TÜV" falle nicht unter die erste
Alternative der Unterwerfungserklärung, sondern unter die zweite. Insoweit liege aber
kein Verstoß vor, weil die beworbenen Leistungen unstreitig von einem Prüfingenieur
des TÜV erbracht worden seien.
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Wegen des Inhaltes des Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 54 d.A. verwiesen.
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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
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Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Klägerin der
Ansicht, dass die Beklagten mit den Online-Seiten der Gelben Seiten aus Mai 2008
gegen die erste Alternative der Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen hätten.
Sie hätten mit ihrer Werbung ersichtlich die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO
angeboten und ausschließlich als "TÜV" bezeichnet. Dies ergebe bereits der eindeutige
Wortlaut der Unterlassungsverpflichtungserklärung. Aber auch eine Auslegung führe zu
diesem Ergebnis, wenn man die vorausgegangene Werbung der Beklagten in der WAZ
vom 28.09.2007 in den Blick nehme. Die Hauptuntersuchung habe nicht mit TÜV
bezeichnet werden dürfen, weil der TÜV nicht die Hauptuntersuchung sei, sondern nur
eine von mehreren Überwachungsorganisationen, die die Hauptuntersuchung
durchführen dürften.
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Zu Unrecht habe das Landgericht gemeint, in den gerügten Online-Seiten der Gelben
Seiten sei das Stichwort "TÜV" ausschließlich neben anderen Stichworten verwendet
worden, ohne dass erläuternd auf die Hauptuntersuchung hingewiesen worden sei, so
dass die beanstandete Eintragung angesichts der beiden Alternativen in der
Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht unter die erste Alternative fallen könne.
Dem stehe aber entgegen, dass die beiden Alternativen nicht als Gegensatzpaar zu
verstehen seien. Nach der ersten Alternative habe "TÜV" nicht als ausschließliches
Synonym für die Hauptuntersuchung verwendet werden dürfen. Die zweite Alternative
erfasse den Fall, dass mit der Bezeichnung "TÜV" geworben werde und die
Hauptuntersuchung doch nicht durch Prüfingenieure des TÜV erfolge. Der Begriff
"isoliert" entspreche dem in der Unterlassungsverpflichtungserklärung verwendeten
Begriff "ausschließlich", so dass hier keine tragfähige Differenzierung vorgenommen
werden könne.
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Die Klägerin beantragt,
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in Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlussanträgen der
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Klägerin erster Instanz zu erkennen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages sind die Beklagten
der Ansicht, nach der Unterlassungsverpflichtungserklärung sei ihnen nur untersagt, die
Bezeichnung "TÜV" isoliert - ohne Hinweis auf die Hauptuntersuchung - zu verwenden,
sofern die beworbene Leistung nicht von einem Prüfingenieur des TÜV erbracht werde.
Unstreitig sei aber, dass lediglich TÜV-Ingenieure zu regelmäßig vereinbarten Zeiten in
den Räumen der Beklagten zu 1. Fahrzeugprüfungen gem. § 29 StVZO durchführten.
Eventuelle Unklarheiten der Unterlassungsverpflichtungserklärung gingen zu Lasten der
Klägerin.
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Wegen des Inhaltes der Parteiverträge im Einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich der Vertragsstrafe begründet. Das Landgericht
hat zu Unrecht einen Fall fehlender Verwirkung angenommen. Anspruchsgrundlage für
das Zahlungsbegehren der Klägerin sind §§ 339 Satz 2; 421 BGB i.V.m. der von der
Klägerin angenommenen Unterwerfungserklärung der Beklagten vom 16.10.2007. Dass
insoweit eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung vorliegt, wird auch von den
Beklagten nicht in Abrede gestellt. Auch die Klägerin geht nicht davon aus, dass die
gerügten Online-Seiten der Gelben Seiten gegen die zweite Alternative der
Unterwerfungserklärung verstoßen. Nach dieser zweiten Alternative darf die Beklagte zu
1. nicht die Bezeichnung "TÜV" isoliert - ohne Hinweis auf die Hauptuntersuchung -
verwenden, sofern die beworbene Leistung nicht von einem Prüfingenieur des TÜV
erbracht wird. Eine solche Irreführung über den Leistungserbringer im Hinblick auf die
Hauptuntersuchung scheidet hier unzweifelhaft aus. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt
dafür, dass die Beklagte zu 1., wenn sie die Leistungen des TÜV bewirbt, diese nicht
auch tatsächlich durch Prüfingenieure des TÜV erbringen lässt. Insofern ist unstreitig,
dass die Beklagte zu 1. die Hauptuntersuchung ausschließlich durch Prüfingenieure
des TÜV Nord durchführen lässt. Dies geht zudem auch aus der von Beklagten
vorgelegten Bescheinigungen des TÜV Nord vom 13.11.2008 hervor.
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Die Vertragsstrafe ist hier aber deshalb durch die Beklagten verwirkt, weil der Eintrag in
den Online-Seiten der Gelben Seiten gegen die erste Alternative der
Unterwerfungserklärung verstößt. Nach dieser ersten Alternative ist es den Beklagten
untersagt, die Durchführung einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO ausschließlich
als TÜV zu bezeichnen.
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Geht man vom Wortlaut dieser ersten Alternative der Unterlassungserklärung aus, liegt
der Verstoß auf der Hand. Denn in den beanstandeten Online-Seiten der Gelben Seiten
heißt es bei der Aufzählung der Leistungen, die die Beklagten unter der Rubrik
"Stichworte" erbringen, für die Durchführung der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO
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nur "TÜV". Dieser Eintrag lässt sich nur so verstehen, dass damit die Durchführung
eben dieser Hauptuntersuchung beworben werden sollte. Genau dies sollten die
Beklagten aber nicht mehr tun dürfen.
Diese Werbung in den Online-Seiten unterscheidet sich auch nicht von der Werbung der
Beklagten zu 1. vom 28.09.2007, die die Klägerin zum Anlass der Abmahnung
genommen und die dann zu der Unterwerfungserklärung der Beklagten geführt hat. Hier
wie dort erscheint die Bezeichnung "TÜV" in einer Reihe mit den sonstigen Angeboten
der Beklagten, um damit die Durchführung der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO zu
bewerben.
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Das Ergebnis ist auch nicht anders, wenn man die erste Alternative der
Unterwerfungserklärung nach Sinn und Zweck auslegt. Auszugehen ist von der
Abmahnung der Klägerin vom 08.09.2007. In diesem Schreiben wird auf die Anzeige
der Beklagten vom 28.09.2007 Bezug genommen. Es wird ferner unmissverständlich
herausgestellt, dass die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO nicht ohne nähere
Erläuterung schlechthin als "TÜV" bezeichnet werden soll, wie es aber immer noch
üblich ist. Insofern ist auch deutlich, was mit dem Begriff "ausschließlich" in der
vorformulierten Unterwerfungserklärung gemeint ist. Die Abmahnung weist zur
Begründung der geforderten Unterlassungserklärung nämlich ausdrücklich darauf hin,
dass es das mit dieser Ausdrucksweise suggerierte Monopol des TÜV für die
Durchführung der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO nicht mehr gibt.
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Die Unterwerfungserklärung hätte sicher klarer formuliert werden können. So hätte die
konkrete Verletzungshandlung zum Verbotsgegenstand gemacht werden können. Auch
hätte man eine präzisere Diktion finden können, um die Frage erst gar nicht aufkommen
zu lassen, in welchem Verhältnis das Wort "ausschließlich" in der ersten Alternative zu
dem Begriff "isoliert" in der zweiten Alternative stehen sollte. Trotzdem musste den
Beklagten aber aufgrund der Abmahnung und der Formulierung der ersten Alternative
klar sein, dass sie nicht mehr allein mit dem Schlagwort "TÜV" für die Durchführung der
Hauptuntersuchung bei ihren Kunden werben durften, dass dies jedenfalls nicht mehr so
geschehen durfte, wie in der abgemahnten Anzeige.
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Der Kunde kann aber die Bezeichnung "TÜV" in den beanstandeten Online-Seiten der
Gelben Seiten nur so verstehen, dass die Beklagte zu 1. für ihn die Hauptuntersuchung
nach § 29 StVZO durchführen lassen will. Genauso war es in der Werbung der
Beklagten vom 28.09.2007, auf die die Unterwerfungserklärung zurückzuführen ist. Die
Online-Seiten aus Mai 2008 verstoßen damit objektiv gegen die erste Alternative der
Vertragsstrafenvereinbarung. Mag auch grundsätzlich die Unklarheitenregelung
zugunsten der Beklagten wirken, weil die Klägerin die geforderte
Unterwerfungserklärung vorformuliert hat, so hilft dies den Beklagten vorliegend doch
nicht weiter. Denn dass sie jedenfalls die Werbung, die Grundlage der Abmahnung war,
so nicht mehr weiterführen durften, lag auch für die Beklagten auf der Hand.
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Die Beklagten sind auch für den Verstoß im Übrigen verantwortlich. Denn es geht nur
um den Online-Eintrag in den Gelben Seiten, den die Beklagten jederzeit ändern
konnten, wie auch die nachträglich Änderung zeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass diese
Eintragung gegen ihren Willen und ohne Abänderungsmöglichkeit binnen kürzester
Frist erfolgt ist, so dass die Beklagten zumindest bei der erforderlichen umgehenden
Überprüfung der Eintragung in den Online-Seiten der Gelben Seiten diesen Verstoß
hätten bemerken und abändern können.
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Dagegen stehen der Klägerin die geltend gemachten Abmahnkosten nicht zu. Insoweit
stützt sich die Klägerin auf die Abmahnung vom 09.06.2008 (Anlage K13), mit der sie
die Eintragung in den Online-Seiten der Gelben Seiten als erneuten Verstoß gerügt hat.
Wie in der mündlichen Verhandlung auch von dem Klägervertreter klargestellt worden
ist, stützt sich die Klägerin insoweit auf einen eigenständigen gesetzlichen
Unterlassungsanspruch, der durch den erneuten Verstoß wieder aufgelebt sei. Einen
solchen Wettbewerbsverstoß, der einen Erstattungsanspruch für die Abmahnkosten
nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründen könnte, vermag der Senat aber nicht zu
sehen. Insoweit käme allenfalls eine Irreführung nach § 5 UWG in Betracht. Der Kunde
versteht sicher unter "TÜV" die Hauptuntersuchung, die von Prüfingenieurgen des TÜV
durchgeführt wird. Insofern wird er aber nicht getäuscht, als die Hauptuntersuchung bei
den Beklagten tatsächlich von TÜV-Mitarbeitern durchgeführt wird.
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Die Klägerin sieht dagegen die Irreführung darin, dass dem Kunden suggeriert werde,
die Hauptuntersuchung könne nur vom TÜV durchgeführt werden. Das erscheint schon
im Ansatz als fraglich, weil der TÜV nach wie vor bei den angesprochenen
Verkehrskreisen gewissermaßen synonym für die Durchführung der Hauptuntersuchung
steht. Wenn man aber insoweit mit der Klägerin davon ausgeht, dass der Kunde nach
wie vor irrig ein Monopol des TÜV für die Hauptuntersuchung annimmt, so ist diese
Irreführung jedenfalls nicht relevant für die Vergabeentscheidung des Kunden. Im Falle
der Beklagten geht der Kunde davon aus, dass ein TÜV-Mitarbeiter kommt und die
Hauptuntersuchung durchführt. Dies ist aber bei den Beklagten, wie dargelegt,
tatsächlich auch der Fall. Dass sich der Kunde wegen der irrigen Annahme, nur der
TÜV könne die Hauptuntersuchung durchführen, für die Beklagten entscheidet und
gegen einen Mitbewerber der Beklagten zu 1., der etwa mit der DEKRA
zusammenarbeitet, vermag der Senat nicht zu sehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
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Die Zulassung der Revision war nicht angezeigt, weil es sich vorliegend um die
Auslegung einer Vertragsstrafenvereinbarung im Einzelfall handelt, bei der sich keine
Auslegungsprobleme allgemeiner Bedeutung stellten.
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