Urteil des OLG Hamm vom 26.04.2005

OLG Hamm: dingliches recht, stadt, gebühr, beurkundung, anweisung, vollzug, genehmigung, urkunde, verfügung, präsident

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 15 W 487/04
26.04.2005
Oberlandesgericht Hamm
15. Zivilsenat
Beschluss
15 W 487/04
Landgericht Münster, 5 T 487/04
Die Sache wird gem. §§ 156 Abs. 4 S. 4 KostO, 28 Abs. 2 FGG dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligte zu 1) beurkundete am 07.08.2003 zu UR-Nr. 00/2003 die Erklärung der
Beteiligten zu 2), durch die sie an dem im Grundbuch von B eingetragenen Grundstück
zugunsten der Sparkasse M eine Buchgrundschuld zum Kapitalbetrag von 139.000,00
Euro nebst 18 % Zinsen und einer einmaligen Nebenleistung von 5 % mit einer dinglichen
Zwangsvollstreckungsunterwerfung im Sinne des § 800 ZPO bestellten. Der Rang der
Grundschuld ist in der Urkunde in der Weise bestimmt, daß diese im Rang vor der in Abt. II
Nr. 1 des Grundbuchs für die Stadt B eingetragenen Auflassungsvormerkung aufgrund
einer noch einzuholenden Rangrücktrittserklärung der Berechtigten eingetragen werden
soll. Die Beteiligte zu 1) hat mit Schreiben vom 07.08.2003 die Stadt B unter Hinweis auf
die erfolgte Grundschuldbestellung um die Erteilung der Rangrücktrittserklärung gebeten.
Die Stadt B hat eine entsprechende Erklärung in der Urkunde vom 12.08.2003 abgegeben
und diese der Notarin übersandt. Die Beteiligte zu 1) hat sodann am 18.08.2003 die
Eintragung der Grundschuld bei dem Grundbuchamt beantragt.
Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) für ihre Tätigkeit eine notarielle
Kostenberechnung erteilt, die sie im Laufe des vorliegenden Verfahrens unter dem
07.09.2004 neu gefaßt hat, um Bedenken gegen deren formelle Ordnungsgemäßheit
Rechnung zu tragen. In dieser Kostenberechnung hat die Beteiligte zu 1) neben einer
Gebühr für die Beurkundung der Grundschuldbestellung eine Betreuungsgebühr gem. §
147 Abs. 2 KostO für die Einholung der Rangrücktrittserklärung in Höhe der Hälfte der
vollen Gebühr mit einem Betrag von 45,00 Euro nebst anteiliger Mehrwertsteuer angesetzt.
Der Präsident des Landgerichts hat aus Anlaß einer Geschäftsprüfung die
Kostenberechnung im Hinblick auf den Ansatz der Betreuungsgebühr für die Einholung der
Rangrücktrittserklärung beanstandet, weil es sich um ein gebührenfreies Nebengeschäft
(§§ 35, 147 Abs. 3 KostO) handele. Er hat die Beteiligte zu 1), die der Beanstandung nicht
abhelfen will, mit Verfügung vom 22.03.2004 gem. § 156 Abs. 6 S. 1 KostO angewiesen,
die Kostenberechnung dem Landgericht zur Entscheidung vorzulegen. Unter Bezugnahme
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auf diese Anweisung hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 04.05.2004 den Vorgang
dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beteiligte zu 1) ist der Anweisungsbeschwerde aus eigenem Recht entgegengetreten.
Sie hat insbesondere den Standpunkt vertreten, die Einholung einer
Rangrücktrittserklärung könne nur dann als gebührenfreies Nebengeschäft behandelt
werden, wenn dem Notar ein Auftrag auch für die Beurkundung der eingeholten Erklärung
oder für den Entwurf einer zu beglaubigenden Erklärung erteilt worden sei. Daran fehle es
jedoch, wenn die anderweitige notarielle Tätigkeit sich – wie hier - auf die Beurkundung der
Erklärung des Eigentümers beschränke.
Der Präsident des Landgerichts hat zu der Anweisungsbeschwerde mit Verfügung vom
05.08.2004, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, Stellung genommen. Das Landgericht
hat die angefochtene Kostenberechnung in der Weise abgeändert, daß es den Ansatz der
Gebühr gem. § 147 Abs. 2 KostO nebst anteiliger Mehrwertsteuer aufgehoben und den
Kostenbetrag unter Zusammenstellung der unbeanstandeten Positionen anderweitig auf
341,35 Euro festgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht die weitere Beschwerde
zugelassen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die
sie mit einem bei dem Oberlandesgericht am 14.12.2004 eingegangenen Schriftsatz vom
selben Tage eingelegt hat.
II.
Die weitere Beschwerde ist nach § 156 Abs. 2 KostO infolge Zulassung durch das
Landgericht statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten
zu 1) folgt daraus, daß das Landgericht die genannte Kostenberechnung zu ihrem Nachteil
abgeändert hat.
In der Sache hält der Senat das Rechtsmittel für unbegründet, weil die Entscheidung des
Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 S. 4 KostO). Einer
die weitere Beschwerde abschließend zurückweisenden Entscheidung des Senats steht
jedoch der auf weitere Beschwerde ergangene Beschluß des 20. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt vom 04.03.1998 – 20 W 18/98 - (abgedruckt u.a. in FGPrax
1998, 115 = JurBüro 1998, 376) entgegen; denn auf der Grundlage der vom
Oberlandesgericht Frankfurt vertretenen Rechtsauffassung müßte der Senat die
angefochtene Kostenberechnung durch Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung
und Zurückweisung der Erstbeschwerde wiederherstellen.
1)
Nach Auffassung des Senats ist hier folgende rechtliche Beurteilung geboten:
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 156 Abs. 6
S. 1 KostO zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen, die die Beteiligte zu 1) auf
Anweisung ihres Dienstvorgesetzten erhoben hat. Der Gegenstand der Beanstandung der
Kostenberechnung, auf den sich die Anweisung des Präsidenten des Landgerichts bezieht,
bestimmt und begrenzt zugleich den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, das hier
somit ausschließlich der Überprüfung des Ansatzes der Betreuungsgebühr gem. § 147
Abs. 2 KostO dient. Die Kostenberechnung in ihrer Neufassung vom 07.09.2004 entspricht
in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 154 Abs. 2 KostO und kann damit
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Gegenstand einer sachlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren nach § 156 KostO
sein.
In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts nach Auffassung des Senats
rechtlicher Nachprüfung stand. Die Erhebung einer Betreuungsgebühr für die Einholung
der Rangrücktrittserklärung scheidet nach den §§ 147 Abs. 3, 35 KostO aus, weil es sich
um ein gebührenfreies Nebengeschäft der Beurkundung der Grundschuldbestellung durch
die Beteiligten zu 2) handelt.
Als Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO werden nach gefestigter Rechtsprechung
solche Tätigkeiten qualifiziert, die mit einem Hauptgeschäft so eng zusammenhängen, daß
sie nicht als selbständiges Geschäft in Erscheinung treten, sowie im Verhältnis zum
Hauptgeschäft als minder wichtig erscheinen und vorgenommen werden, um das
Hauptgeschäft vorzubereiten oder den Vollzug des bereits vorgenommenen
Hauptgeschäfts zu fördern und den mit diesem beabsichtigten Erfolg herbeizuführen
(BayObLG DNotZ 1985, 101, 102; Senat FGPrax 2002, 40, 41; Rohs/Wedewer, § 147,
KostO, 3. Aufl. (März 2005), Rdnr. 26 m.w.N.). Als Hauptgeschäft in diesem Sinne ist hier
die Beurkundung der Grundschuldbestellung der Beteiligten zu 2) anzusehen. Denn die
Einholung der Rangrücktrittserklärung dient der Entstehung der Grundschuld durch eine
Eintragung im Grundbuch, die der erfolgten Rangbestimmung entspricht. Die ranggerechte
Eintragung der Grundschuld war nur durch eine gleichzeitige Rangänderung (§ 880 Abs. 2
BGB) in Ansehung der bereits eingetragenen Auflassungsvormerkung möglich.
Der Bewertung der Einholung der Rangrücktrittserklärung als Nebengeschäft der
Grundschuldbestellung steht nicht entgegen, daß die Grundschuld als solche wirksam
auch an rangbereiter Stelle hätte bestellt werden können. Maßgebend ist vielmehr allein,
daß die Grundschuld mit dem Rang vor der Auflassungsvormerkung bestellt werden sollte,
um der Gläubigerin die gewünschte Sicherung zu geben. In diesem Sinne diente die
Tätigkeit der Beteiligten zu 1) dem dinglichen Vollzug des Geschäfts, nämlich der
Herstellung der ranggerechten Eintragung der Grundschuld. In damit vergleichbarer Weise
hat der Senat die Einholung von Löschungsbewilligungen von Gläubigern, deren Recht im
Zuge der lastenfreien Veräußerung eines Grundstücks gelöscht werden sollen, als
Vollzugstätigkeit im Sinne des § 146 Abs. 1 KostO qualifiziert (JurBüro 1988, 1052; OLGR
2002, 146 = ZNotP 2003, 39).
Für die Behandlung der Einholung der Bewilligung eines Dritten als Nebengeschäft reicht
es nach Auffassung des Senats bereits aus, daß der Notar eine Beurkundungs- oder
Entwurfstätigkeit für den Grundstückseigentümer vornimmt, der ein dingliches Recht
bestellen will – wie hier – oder in anderen Fällen ein Recht zur Löschung bringen will
(ebenso der früher für das Sachgebiet zuständige 14. Zivilsenat des OLG Hamm JurBüro
1959, 525, 526; JurBüro 1965, 305, 306; LG Osnabrück NdsRpfl. 2003, 323 f.;
Rohs/Wedewer, a.a.O., § 147 Rdnr. 26 a, 27). Nicht erforderlich ist demgegenüber, daß
dem Notar zusätzlich auch ein Auftrag zur Beurkundung oder Entwurfsfertigung im Hinblick
auf die Erklärung des Dritten erteilt wird. Der gegenteiligen Auffassung des OLG Frankfurt
(a.a.O.; ebenso Assenmacher/Mathias, KostO 15. Aufl., Stichwort "Betreuungsgebühr",
Anm. 4.2.2; Bengel/Tiedtke in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 15. Aufl., §
147, Rdnr. 79) vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Richtig ist zwar, daß die Erklärung des Dritten, dessen Bewilligung den Vollzug des
Hauptgeschäfts ermöglicht, regelmäßig auf einem eigenständigen Rechtsverhältnis
zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer beruht, dessen Erklärung der Notar
beurkundet hat. So ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß der
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Rangrücktrittserklärung der Stadt B eine entsprechende schuldrechtliche Verpflichtung
zugrunde liegt, ohne daß dieser Gesichtspunkt näherer tatsächlicher Aufklärung bedarf. Um
solche eigenständigen Rechtsverhältnisse handelt es sich jedoch in allen Fällen, in denen
der rechtliche Erfolg eines Rechtsgeschäfts von der Zustimmung eines Dritten abhängt.
Gleichwohl wird in ähnlichen Fallkonstellationen die Anwendbarkeit des § 35 KostO bejaht
(BayObLG Rpfleger 1980, 122: Einholung der Genehmigung der Landeszentralbank;
BayObLG JurBüro 1980, 751: Einholung einer Genehmigung des Nachlaßgerichts). Diese
Überlegung zeigt, daß in dem vorliegenden Zusammenhang nicht die Verschiedenartigkeit
der materiell-rechtlichen Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten maßgebend sein
kann. Vielmehr muß die Bewertung der tatsächlich durchgeführten notariellen Tätigkeit in
den Vordergrund gestellt werden: Dient diese lediglich der Verwirklichung des rechtlichen
Erfolgs eines beurkundeten Rechtsgeschäfts und bleibt sie ihrem Umfang nach neben dem
Hauptgeschäft ohne selbständiges Gewicht, handelt es sich um ein Nebengeschäft im
Sinne des § 35 KostO.
Im vorliegenden Fall hat sich die Tätigkeit der Beteiligten zu 1) darauf beschränkt, daß sie
die Stadt B in einem einfachen Schreiben vom 07.08.2003 von der erfolgten
Grundschuldbestellung mit der Bitte unterrichtet hat, eine Rangrücktrittserklärung im
Hinblick auf die Auflassungsvormerkung zu erteilen. Die Stadt B hat diese Erklärung
wenige Tage später abgegeben und der Beteiligten zu 1) übersandt. Die Bewertung der
Tätigkeit eines Notars kann eine andere sein, wenn sie etwa im Hinblick auf nähere
Verhandlungen mit dem Dritten über dessen Bereitschaft zur Abgabe der erforderlichen
Erklärung einen meßbar größeren Umfang annimmt. Darum geht es jedoch hier nicht.
Eine andere Beurteilung ist nach Auffassung des Senats auch nicht unter dem
Gesichtspunkt geboten, daß der Notar zur Übernahme einer Betreuungstätigkeit der hier in
Rede stehenden Art nicht verpflichtet ist. Es handelt sich hier um eine sonstige
Betreuungstätigkeit des Notars im Sinne des § 24 Abs. 1 BNotO. Im Gegensatz zu § 15
Abs. 1 S. 1 BNotO sieht das Gesetz eine Verpflichtung des Notars zu einer weiteren
Betreuungstätigkeit nicht vor. Die Beteiligte zu 1) hätte also die Beteiligten zu 2) darauf
verweisen können, sich selbst bei der Stadt B um die Erteilung der Ranrücktrittserklärung
zu bemühen. Daraus kann jedoch nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, die
Annahme eines Nebengeschäftes sei bereits dann ausgeschlossen, wenn es sich um eine
Amtstätigkeit handele, die der Notar nicht bereits von Amts wegen vornehmen müsse (Klein
MittRhNotK 1984, 113, 114; DNotZ 1987, 185, 186). Der Senat hat diese Auffassung
bereits abgelehnt (FGPrax 2002, 40, 41) und hält daran weiter fest. § 35 KostO als
kostenrechtliche Vorschrift stellt lediglich auf das Verhältnis einer tatsächlich
durchgeführten Tätigkeit des Notars zu einem Hauptgeschäft ab, unterscheidet jedoch nicht
danach, ob der Notar dienstrechtlich zur Übernahme dieser Tätigkeit verpflichtet war oder
nicht. Die Schlußfolgerung, jede Tätigkeit des Notars, zu der dieser dienstrechtlich nicht
zwingend verpflichtet sei, müsse eine gesonderte Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO
begründen, führt eine Betrachtungsweise in das Kostenrecht ein, die der Gebühr im
Ergebnis den Charakter einer privatrechtlichen Dienstleistungsvergütung gibt. Diese
Betrachtung widerspricht dem Berufsbild des Notars als Träger eines staatlichen Amtes, zu
dessen Aufgaben gem. § 24 Abs. 1 BNotO auch die Betreuung der Beteiligten auf dem
Gebiet vorsorgender Rechtspflege gehört. Damit wäre es unvereinbar, einem Notar
unabhängig vom Gesamtzusammenhang seiner Tätigkeit nur deshalb für eine
Einzelverrichtung eine Gebühr (Vergütung) zuzubilligen, weil er sie ohne zwingende
dienstrechtliche Verpflichtung wahrgenommen hat, obwohl sie allgemein zum
Aufgabenbereich seines Amtes gehört.
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2)
In dem von ihm beabsichtigten Sinn kann der Senat nicht entscheiden, ohne im Sinne des
§ 28 Abs. 2 FGG von der eingangs genannten Entscheidung des OLG Frankfurt
abzuweichen. Dieser Entscheidung liegt ein mit der vorliegenden Sache weitgehend
deckungsgleicher Sachverhalt zugrunde. Auf der Grundlage der bereits dargestellten
Rechtsauffassung des OLG Frankfurt wäre der Ansatz der Betreuungsgebühr gem. § 147
Abs. 2 KostO zu Recht erfolgt, so daß der Senat unter Aufhebung der Entscheidung des
Landgerichts die auf Anweisung erhobene erste Beschwerde der Beteiligten zu 1)
zurückweisen müßte.