Urteil des OLG Hamm vom 14.03.2017

OLG Hamm (mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, verfügung von todes wegen, letztwillige verfügung, persönlichkeit, lebensversicherung, zustand, gutachten, familie, störung, sicherheit)

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 7/79
Datum:
14.11.1979
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 7/79
Vorinstanz:
Landgericht Detmold, 2 O 31/77
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. November 1978
verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.858,20 DM (i. W.:
Viertausendachthundertachtundfünfzig 20/100 Deutsche Mark) nebst 4
% Zinsen seit dem 1. Oktober 1975 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Betrages von 4.858,20 DM in
Anspruch. Sie hat diesen Betrag am 24. April 1974 an die Beklagte als
Bezugsberechtigte einer von ihrem am 21. März 1974 verstorbenen Vater ...*** aus
gezahlt. Mit Schreiben vom 14. März 1974 an die Geschäftsstelle ... der Klägerin hatte ...
die Bezugsberechtigung seiner Tochter widerrufen und als neue Bezugsberechtigte
seine Nichte ... eingesetzt. Dieses am 19. März 1974 bei der Geschäftsstelle ...
eingegangene Schreiben war erst nach der Auszahlung der Versicherungssumme an
die Zentrale der Beklagten in Hamburg gelangt. Die Beklagte hat die
Versicherungssumme inzwischen auch an Frau ... aus gezahlt.
2
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen mit der Begründung,
die Änderung der Bezugsberechtigung sei nach §105 Abs. 2 BGB unwirksam, weil der
Vater der Beklagten sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Abfassung
und Absendung des Schreibens vom 14. März 1974 in einem Zustand der
vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Auf dieses Urteil wird
Bezug genommen.
3
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihr Vorbringen
der ersten Instanz und führt weiter aus: Zu Unrecht habe das Landgericht ausgeführt, es
könne festgestellt werden, daß ... das Schreiben vom 14. März 1974 in einem Zustand
der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit verfaßt habe. Das Gutachten des
4
Sachverständigen Prof. ... berücksichtige nicht genügend verschiedene Umstände, aus
denen sich ergebe, daß ... am 14. März 1974 genau gewußt habe, was und warum er
das tue. Im übrigen ergebe sich aus dem Gutachten, daß der Sachverständige sich
letztlich nicht völlig sicher sei.
Die Klägerin beantragt,
5
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie
4.858,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1975 zu zahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
7
die Berufung zurückzuweisen.
8
Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und führt weiter aus: Tatsächlich sei ihr
Vater am 14. März 1974 nicht zurechnungsfähig gewesen. Er sei psychisch krank
gewesen und habe unter Depressionen gelitten; in den 3 Wochen zwischen der letzten
Krankenhausentlassung (1. März 1974) und seinem Tode (21. März 1974) habe er
ständig unter dem Einfluß starker Beruhigungs- und Schlafmittel gestanden. - Im übrigen
habe sie (die Beklagte) das Geld damals ausgegeben und sei nicht mehr bereichert.
9
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den in der mündlichen
Verhandlung vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und der Akte 4 IV 250/74 AG
Gummersbach, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
10
In der Berufungsinstanz ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeuginnen
... und .... Die Zeuginnen sind im Termin am 14. November 1979 in Gegenwart des
Sachverständigen Professor ... vernommen worden. Der Sachverständige hat
anschließend seine in der ersten Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten vom 13.
Dezember 1977 und 27. Juli 1978 erläutert und ergänzt.
11
Die Zeuginnen haben ausgesagt:
12
Zeugin Sauer: "Als mein Mann Anfang März 1974 aus dem Krankenhaus kam, hat die
Ärztin mir gesagt, es stände sehr schlecht, man könne nichts mehr für ihn tun. Man hatte
ihm wohl auch gesagt, daß er wegen Leberzirrhose nicht mehr lange zu leben habe. Die
3 Wochen bis zu seinem Tode hat er laufend Tabletten genommen, meist
Schlaftabletten. Er stand eigentlich ständig unter Tabletteneinfluß. Vor dem
Krankenhausaufenthalt hat er auch schon immer viele Tabletten genommen, aber im
März 1974 war es dann besonders schlimm. Ich habe hier heute einen großen Beutel
voll Arzneimittel mitgebracht, die mein Mann in seinen letzten Lebensjahren bis in die
letzte Zeit genommen hat, die lege ich dem Sachverständigen vor. Früher habe ich mit
meinem Mann geschimpft, weil er so viel einnahm, da gab es häufig Streit darum. Er
wurde dann wütend, auch handgreiflich. Das war aber früher, nicht mehr in den letzten 3
Wochen. In diesen letzten 3 Wochen lag er meist im Bett und schlief, auch tagsüber. Am
Leben der Familie nahm er eigentlich gar nicht mehr teil. Mal stand er morgens zum
Frühstück auf, meistens nicht. Er lag fast nur noch im Bett und schlief oder weinte. Er
weinte viel in dieser Zeit. Aufgestanden ist er wohl einige Male, um zum Arzt zu gehen.
Geistig wirr war er wohl nur selten, da erinnere ich mich nur noch daran, daß er einmal
zu meiner Tochter gesagt hat, er wolle ihr zur Hochzeit ein Zimmer einrichten, aber
seine Eltern seien dagegen; dabei sind seine Eltern schon lange tot. Das war, nachdem
13
er wußte, daß meine Tochter (die Beklagte) ein Kind bekam. Das hat er wohl erfahren,
als er im Krankenhaus war. Darüber hat er sich sehr aufgeregt. In den 3 Wochen vor
seinem Tod hat er auch eine andere Wohnung für sich angemietet, ist aber dort nicht
eingezogen. Er sagte, er wolle seine Ruhe haben. Er redete mal so und mal so.
Mein Mann hatte mehrere Testamente zu Hause und beim Amtsgericht liegen, die hatte
er mehrfach geändert, das war aber vor dem letzten Krankenhausaufenthalt. Es galt
dann aber das notarielle gemeinschaftliche Testament von 1950. In den 3 Wochen vor
seinem Tod hat er keine neuen Testamente gemacht. Er hat aber an der
Lebensversicherung geändert, daß die seine Nichte bekam und nicht seine Tochter.
Das habe ich gesehen. Ich habe ihn darauf angesprochen. Er sagte, das bleibe nicht
so."
14
Zeugin ...: "Ich meine, daß ich meinen Bruder etwa 1 Jahr vor seinem Tode zuletzt
gesehen habe. Wir haben aber mehrfach telefoniert. Zuletzt habe ich mit ihm telefoniert,
als er im Krankenhaus lag. Er wollte, daß ich bald zu ihm kommen sollte, wir müßten
uns mal aussprechen. Ich konnte aber nicht hinfahren, weil ich selber krank war. Kurz
vor seinem Tode bekam ich dann seinen Brief vom 14. März 1974. Ich nehme an, daß er
über das alles, was er mir da geschrieben hat, mit mir sprechen wollte. Der Brief trägt
handschriftlich die Unterschrift: "Letzter Gruß" und darunter .... Am linken Rand steht
handschriftlich: "Bausparkasse Darmstadt hat Nachricht von mir erhalten.""
15
Der Sachverständige ... hat sein Gutachten wie folgt erstattet:
16
"In den früheren medizinischen Befunden und auch in der Beweisaufnahme finden
sich viele objektive Befunde über Jahre hinweg dafür, daß es sich bei ... um eine
abnorme Persönlichkeit gehandelt hat. Es handelt sich um einen schwierigen Mann,
der stark querulatorisch und stets unzufrieden mit sich und der Umwelt war. Er war ein
stark ausgeprägter Hypochonder, voller Mißtrauen, dabei selbst eine schwache
Persönlichkeit. Seine abnorme Persönlichkeit machte ihm das Zusammenleben mit
der Umwelt, auch mit seiner Familie sehr schwierig. Schon 1969 hat er sich
ausgesprochen unfreundlich über seine Familie geäußert. Ich meine, daß man nicht
so weit gehen kann, wegen dieser abnormen Persönlichkeitsstruktur
Geschäftsunfähigkeit nach §104 Ziff. 2 BGB zu bejahen. Es gibt so starke Abnormität,
daß §104 Ziff. 2 BGB angenommen werden muß. Das geht mir in diesem Fall aber zu
weit, da gibt es bedeutend schwerere Fälle. Ich meine aber, daß hier für die 3 Wochen
vor dem Tode durchaus ein Zustand nach §105 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Herr ...
hat nach den Zeugenaussagen einen starken Arzneimittelmißbrauch getrieben. Bei
den von Frau ... vorgelegten Tablettenpackungen handelt es sich um die
verschiedensten Arzneimittel, in erster Linie um Schlafmittel (vor allem Valium in
mittlerer Dosis), Entspannungsmittel, Mittel gegen Depressionen, auch Barbiturate.
Nach den Zeugenaussagen hat Herr Sauer so viel von diesen Mitteln genommen,
daß man von einem Mißbrauch sprechen muß. Die von allen Zeugen geschilderten
Verhaltensweisen lassen sich durch diesen Mißbrauch erklären. Es entspricht der
medizinischen Erfahrung, daß bei solchem Arzneimittelmißbrauch von der Leber her
toxatische Einflüsse auf die Gehirntätigkeit ausgehen. Hier kam vieles zusammen, die
Vergiftung traf auf eine abnorme Persönlichkeit, die zudem unter Leber- und
Zuckerkrankheit litt. Natürlich kann der Grad der Beeinflussung der Geistestätigkeit
durch den Arzneimittelmißbrauch von Tag zu Tag unterschiedlich gewesen sein. Ich
halte es für ganz überwiegend wahrscheinlich, daß Herr ... bei Niederschrift seines
17
Schreibens an die Versicherung am 14. März 1974 nicht geschäftsfähig war. Ich
meine aber, daß man das nicht als bewiesen ansehen kann, da fehlt mir noch etwas.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann ich einen Zustand nach §105
Abs. 2 BGB nicht bejahen, nur mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit. Ich habe
letztlich keine ernsten Zweifel, aber es fehlt die letzte Sicherheit. Es tut mir leid, aber
ich kann mich da nicht mehr festlegen. Der Brief vom 14. März 1974 an die Zeugin ...
spricht zweifellos gegen eine Bewußtseinsbeeinflussung an diesem Tage, dieser
Brief zeigt jedenfalls formale Klarkeit. Aber das ist kein Beweis für volle
Zurechnungsfähigkeit, da kann eine paranoide Persönlichkeit dahinterstehen, ein
krankhafter Verfolgungswahn."
Entscheidungsgründe
18
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
19
I.
20
Die Klage auf Rückzahlung von 4.858,20 DM hat Erfolg. Die Beklagte hat diesen ihr am
24. April 1974 von der Klägerin ausgezahlten Betrag ohne Rechtsgrund erhalten (§812
BGB). Sie war nicht mehr Bezugsberechtigte der Lebensversicherung. Denn ihr am 21.
März 1974 verstorbener Vater hatte als Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung
noch vor seinem Tode geändert (§166 V) und an ihrer Stelle seine Nichte ... als
Bezugsberechtigte eingesetzt.
21
1)
22
Die mit Schreiben des Versicherungsnehmers vom 14. März 1974 erfolgte Änderung der
Bezugsberechtigung war wirksam:
23
a)
24
Entgegen der von der Beklagten in erster Instanz geäußerten Ansicht handelte es sich
bei dem Schreiben des Versicherungsnehmers an die Klägerin vom 14. März 1974 nicht
um eine letztwillige Verfügung, die möglicherweise wegen Vorstoßes gegen das
gemeinschaftliche Testament vom 21. November 1950 unwirksam wäre (§2271 Abs. 1
Satz 2 BGB). Es handelte sich vielmehr nach dem Wortlaut eindeutig um eine durch
Erklärung unter Lebenden erfolgte Änderung der Bezugsberechtigten einer
Lebensversicherung. Daran ändert auch der letzte Satz: "Das gilt für meinen Todesfall"
nichts. Hiermit hat der Versicherungsnehmer nur etwas Selbstverständliches zum
Ausdruck gebracht, nämlich die Tatsache, daß aus der Bezugsberechtigung erst im
Todesfall ein Anspruch des Berechtigten entsteht. Daß er die Bezugsberechtigung
durch eine Verfügung von Todes wegen ändern wollte, was nach §332 BGB möglich
wäre (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 1 zu §15 ALB), ist nicht ersichtlich; dagegen spricht
die Absendung des Schreibens an die Beklagte.
25
b)
26
Es läßt sich nicht feststellen, daß die Änderung der Bezugsberechtigung nach §105
Abs. 2 BGB nichtig ist, weil sich Helmut Sauer am 14. März 1974, als er an die Klägerin
27
schrieb, in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden
hat.
Der Senat hat hierzu weiteren Beweis erhoben. Der Sachverständige Professor ... hat
nach der in seiner Gegenwart erfolgten Vernehmung der Zeuginnen ... und ... seine in
erster Instanz erstatteten Gutachten erläutert und ergänzt. Er ist dabei verblieben, daß es
ganz überwiegend wahrscheinlich sei, daß ... im Zeitpunkt der Abfassung der
Änderungsverfügung vom 14. März 1974 unter einer Störung der Geistestätigkeit litt. Er
hat aber erläuternd hinzugefügt, daß er das nicht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit sagen könne. Er habe zwar keine ernsten Zweifel, die Sachlage sei
aber auch nicht so, daß jeder vernünftige Zweifel schweigen müsse. Hiernach läßt sich
nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß die Änderung der
Bezugsberechtigung nach §105 Abs. 2 BGB nichtig ist. Es ist nämlich nicht
auszuschließen, daß am 14. März 1974 der Grad der Arzneimittelvergiftung nicht so
stark war, daß ... geschäftsunfähig war. Gegen eine Geschäftsunfähigkeit in diesem
Zeitpunkt spricht das erst in der Berufungsinstanz vorgelegte Schreiben an seine
Schwester ... vom gleichen Tage, in dem die Gründe für die Änderung der
Bezugsberechtigung in einer verständlichen Weise dargelegt werden. Auch daraus, daß
der Versicherungsnehmer - wie die Beklagte einräumt, auf Vorhalt seiner Ehefrau erklärt
hat, das mit der Änderung der Bezugsberechtigung bleibe nicht so, ergibt sich, daß er
durchaus wußte, was er getan hatte. Beides ist sicher kein Beweis für eine
Geschäftsfähigkeit des Versicherungsnehmers. Wie der Sachverständige ...
überzeugend dargelegt hat, ist es durchaus möglich, daß das offenbar schon längere
Zeit bestehende Zerwürfnis zwischen ... und seiner Familie seinen Grund in einem
krankhaften Verfolgungswahn hatte, der seiner Art nach sogar unter §104 Ziff. 2 BGB
fallen könnte. Das läßt sich aber nicht sicher feststellen. Es läßt sich nicht ausschließen,
daß das Verhalten des Versicherungsnehmers seiner Familie und insbesondere seiner
Tochter - der Beklagten - gegenüber seine Wurzel nicht in einer geistigen Erkrankung,
sondern allein in seiner abnormen, von starkem Mißtrauen gegen seine Umwelt
geprägten Persönlichkeit hatte. Nach Ansicht des Sachverständigen kann nicht
festgestellt werden, daß die abnorme Persönlichkeitsstruktur des
Versicherungsnehmers (schon) als Krankheit anzusehen ist.
28
Es spricht viel dafür, daß ... sich in den 3 Wochen zwischen der letzten
Krankenhausentlassung und seinem Tod infolge Arzneimittelmißbrauchs ständig in
einem Zustand der Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Mit dem erforderlichen
Maß von Sicherheit feststellen läßt sich das aber aus den dargelegten Gründen nicht.
Das geht zu Lasten der für eine Nichtigkeit der Änderungsverfügung beweispflichtigen
Beklagten (Palandt-Heinrichs, 38 Aufl. Anm. 6 zu §104 und Anm. 4 zu §105 BGB).
29
c)
30
Die Änderungsverfügung vom 14. März 1974 ist auch wirksam geworden. Allerdings
hätte ein Zugang bei der Klägerin erst nach dem Tode des Versicherungsnehmers zum
Wirksamwerden nicht ausgereicht. Insoweit vermag der Senat dem LG Freiburg (Vers. R
52/256) nicht zu folgen, das nach §130 Abs. 2 BGB zu einem anderen Ergebnis kommt.
Denn §130 Abs. 2 BGB ist hier nicht anwendbar. Der (bisherige) Bezugsberechtigte
erwirbt mit dem Tode des Versicherungsnehmers ein unentziehbares Recht auf die
Versicherungssumme, das nicht nachträglich durch Zugang einer Änderungsverfügung
entfallen kann (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 2 A zu §15 ALB); so wohl auch Ehrenzweig:
"Deutsches/österreichisches Versicherungsvertragsrecht", 1952, S. 408 Anm. 8 a.E.;
31
offengelassen in Goll-Gilbert: "Handbuch der Lebensversicherung", VI. Aufl., S. 84. Die
Änderungsverfügung ist der Klägerin aber noch vor dem Tode von ... nämlich am 19.
März 1974 zugegangen. Es ist an diesem Tage bei der Geschäftsstelle Remscheid
eingegangen und damit in den Machtbereich der Klägerin gekommen. Dem
Wirksamwerden steht nicht entgegen, daß nach §2 Ziff. 1 der AUB der Klägerin
(übereinstimmend mit §14 Ziff. 3 ALB) alle Erklärungen und Anzeigen der Gesellschaft
gegenüber von dieser nur dann als rechtswirksam anerkannt zu werden brauchen, wenn
sie dem Vorstand schriftlich zugegangen sind. Diese Bestimmung dient allein dem
Schutz des Versicherers und überläßt es ihm, ob er sich darauf berufen will (BGH in
VersR. 67/795). Im vorliegenden Fall hätte sich die Klägerin der neuen
Bezugsberechtigten ... gegenüber darauf berufen können, daß die Änderung der
Bezugsberechtigung nicht wirksam geworden sei, weil die Änderungsverfügung ihrem
Vorstand nicht vor dem Tode des Versicherungsnehmers zugegangen war. Hätte sie
sich hierauf berufen, so wäre der Widerruf der Bezugsberechtigung der Beklagten nicht
wirksam geworden. Sie hat sich hierauf aber nicht berufen.
Dazu war sie der Beklagten als der bisherigen Bezugsberechtigten gegenüber auch
nicht verpflichtet. Der widerruflich Bezugsberechtigte hat vor dem Tode des
Versicherungsnehmers nur eine schwache Anwartschaft (Prölß-Martin, Anm. 2 A zu §15
ALB), er steht in keinerlei Vertragsverhältnis zum Versicherer. Selbst wenn man ihm
eine "vertragsähnliche" Stellung zubilligen würde, so könnte hieraus ebensowenig eine
Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem bisherigen Bezugsberechtigten
abgeleitet werden, sich dem neuen Bezugsberechtigten gegenüber auf §14 Ziff. 3 ALB
zu berufen, wie der Versicherer gegenüber dem neuen Bezugsberechtigten auch nicht
verpflichtet sein kann, sich ihm gegenüber auf diese Bestimmung nicht zu berufen.
32
2)
33
Die Beklagte ist demnach gemäß §812 BGB verpflichtet, an die Klägerin die erhaltenen
4.858,20 DM zurückzuzahlen.
34
a)
35
Dem steht nicht §814 BGB entgegen. Die Klägerin hat im Zeitpunkt der Auszahlung an
die Beklagte nicht gewußt, daß sie zur Leistung nicht verpflichtet war, Zwar war das
Schreiben des Versicherungsnehmers vom 14. März 1974 durch den Eingang bei der
Geschäftsstelle Remscheid in ihren Machtbereich gelangt und damit zugegangen
(Palandt-Heinrichs, 38 Aufl., Anm. 2 a zu §130 BGB). Das bedeutet aber nicht, daß die
Klägerin dieses Schreiben auch kannte. Unstreitig hatte die für die Auszahlung der
Versicherungssumme zuständige Abteilung von der Änderung der Bezugsberechtigung
bis zur Auszahlung des Geldes an die Beklagte nichts erfahren. Hiernach wußte die
Klägerin im Zeitpunkt der Zahlung nicht, daß sie zur Leistung nicht verpflichtet war. Es
mag sein, daß sie das hätte wissen können und wissen müssen. Das reicht jedoch für
eine Anwendung von §814 BGB nicht aus (Palandt-Thomas, Anm. 2 a zu §814 BGB).
36
b)
37
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung
berufen (§818 Abs. 3 BGB). Sie hat die 4.858,20 DM nicht für außergewöhnliche Dinge
verwendet. Sie hat von dem Gelde kurz vor oder nach ihrer Hochzeit (8. Mai 1974) einen
gebrauchten Volkswagen, eine Waschmaschine und einen Kühlschrank gekauft, sich
38
Gardinen angeschafft und Kosten der Hochzeit bezahlt. Sie hat bei ihrer Anhörung vor
dem Senat am 6. Juni 1979 eingeräumt, daß sie und ihr inzwischen verstorbener
Ehemann, die damals beide gut verdienten, alle diese Anschaffungen auch ohne das
von der Lebensversicherung ausgezahlte Geld getätigt hätten, und zwar aus dem
laufenden Einkommen und dem Ersparten.
3)
39
Die geltend gemachten Zinsen sind nach §§284, 286, 288 BGB begründet. Unstreitig
hatte die Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung zum 30. September 1975 gemahnt.
40
II.
41
Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich, weil nach dem Ermessen des Senats die
Revisionssumme unzweifelhaft nicht erreicht wird.
42
Der Wert der Beschwer für die Beklagte beträgt 4.858,20 DM.
43
*** unterhaltenen Lebensversicherung
44