Urteil des OLG Hamm vom 14.08.2000

OLG Hamm: miteigentumsanteil, klinik, bindungswirkung, haus, unterbringung, genehmigungsverfahren, behandlung, verkehrswert, anhörung, grundbuch

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 59/00
Datum:
14.08.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 59/00
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 3 T 288/97
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
G r ü n d e :
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I.
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Die Betroffene war seit 1982 verheiratet mit Herrn P; aus der Ehe sind zwei Kinder
hervorgegangen. Die Eheleuten erwarben aufgrund notariellen Kaufvertrages vom
29.04.1983 zu je ½ Miteigentumsanteil die Grundstücke G1 Flur X, Flurstück X
(Grundbuch von H Blatt ##, bebaut mit einem 1937 errichteten Siedlungshaus) sowie
das benachbarte Grundstück Flurstück X (Grundbuch von H Blatt ##, unbebaut) zum
Kaufpreis von 230.000,00 DM. Zur Finanzierung gewährte die C a.G. den Eheleuten
zwei Darlehen über jeweils 110.000,00 DM, die durch eine Gesamthypothek über
110.000,00 DM an den beiden oben genannten Grundstücken sowie eine weitere
Hypothek über 110.000,00 DM an dem Grundstück der Schwiegereltern der Betroffenen
gesichert wurden. Die Ehe der Betroffenen wurde im Jahre 1991 geschieden. Im Jahr
1992 schlossen die Ehegatten vor dem Oberlandesgericht einen Vergleich, in dem die
Betroffene u.a. die Bedienung der Zinslast aus dem Hypothekendarlehen in Höhe von
(damals) 1.260,00 DM monatlich, Herr P die Zahlung der Lebensversicherungsprämien
übernahm.
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In den folgenden Jahren wurde bei der Betroffenen eine paranoid-halluzinatorische
Psychose mit teilweise depressiver Symptomatik festgestellt. Nachdem die Betroffene
Im Jahre 1995 zweimal auf der Grundlage des PsychKG in der Q-Klinik in I geschlossen
untergebracht worden war, bestellte das Amtsgericht durch Beschluß vom 22.01.1996
Frau Q aus F als Betreuerin für die Betroffene mit den Aufgabenkreisen
Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über
eine Unterbringung sowie Vermögenssorge. Durch weiteren Beschluß vom 13.05.1996
ordnete das Amtsgericht für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge abschließend
einen Einwilligungsvorbehalt an.
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In der Folgezeit mußte die Betroffene wiederholt wegen akuter Dekompensationen ihrer
psychischen Erkrankung stationär unter den Bedingungen einer geschlossenen
Unterbringung behandelt werden; die dafür erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen
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Genehmigungen wurden erteilt. Die gesundheitliche Situation der Betroffenen hat sich
in den letzten Jahren deutlich stabilisiert, nachdem sie sich im Abstand von jeweils zwei
Wochen im N-Hospital in I2 ein Depotneuroleptikum verabreichen läßt. Das Amtsgericht
hat durch Beschluß vom 14.09.1999 die bestehende Betreuung einschließlich des
Einwilligungsvorbehalts verlängert und anstelle von Frau Q Frau T aus H zur Betreuerin
bestellt. Zwischenzeitlich überprüft das Amtsgericht Hagen, das die Betreuungssache
nach einem Wohnsitzwechsel der Betroffenen übernommen hat, die weitere Fortdauer
der Betreuung.
Im Bereich der Vermögenssorge hat die Betreuerin Q dem Vormundschaftsgericht
erstmals am 18.01.1996 darüber berichtet, das Einkommen der Betroffenen reiche nicht
aus, um ihre laufenden Verbindlichkeiten (darunter die Zinsen für die
Hypothekendarlehen) sowie ihren notwendigen Lebensunterhalt zu decken. Die
bisherigen Einnahmen der Betroffenen aus Honorartätigkeiten in ihrem erlernten Beruf
als Gymnastiklehrerin und Motopädin seien infolge ihrer Erkrankung weitgehend
entfallen. Sie beabsichtige deshalb, das Haus der Betroffenen zu verkaufen. Die
Betroffene sei damit indessen nicht einverstanden, weil sie unter allen Umständen das
Haus behalten wolle. Mit weiterem Schreiben vom 16.05.1996 hat die Betreuerin
beantragt, den Verkauf des Hauses der Betroffenen vormundschaftsgerichtlich zu
genehmigen, um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden, nachdem
zwischenzeitlich die Sparkasse H einen Vollstreckungsbescheid wegen einer
Forderung über 18.333,68 DM gegen die Betroffene erwirkt habe.
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Das Amtsgericht hat daraufhin ein Gutachten des Sachverständigen H3 vom 20.06.1996
eingeholt, in dem der Verkehrswert der beiden genannten Grundstücke mit 290.000,00
DM ermittelt worden ist. In der Folgezeit hat die Betreuerin Q dem
Vormundschaftsgericht wiederholt über die sich verschlechternden finanziellen
Verhältnisse der Betroffenen berichtet. U.a. wurden im Laufe des Jahres 1996 sowie
Anfang 1997 im Wege der Zwangsvollstreckung mehrere Sicherungshypotheken auf
dem Miteigentumsanteil der Betroffenen eingetragen. Durch notariellen Vertrag vom
16.12.1996 (UR-Nr. ###/1996 Notar E in F) verkaufte die Betreuerin Q namens der
Betroffenen deren ½ Miteigentumsanteil an den beiden genannten Grundstücken an die
Eheleute H2 und P, die Schwiegereltern der Betroffenen. Als Kaufpreis wurde ein
Betrag von 145.000,00 DM vereinbart, der in Höhe von 110.000,00 DM durch befreiende
Schuldübernahme der persönlichen und dinglichen Verbindlichkeit der Betroffenen
gegenüber der C a.G. sowie in Höhe von 35.000,00 DM durch Zahlung auf ein
Notaranderkonto zur Ablösung der weiteren Verbindlichkeiten erbracht werden sollte.
Die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts hat die Betroffene zur Frage der
Genehmigung dieses Vertrages am 23.01.1997 in der Q-Klinik in I persönlich angehört.
Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk vom selben Tage Bezug
genommen. Durch Beschluß vom 05.02.1997 hat die Rechtspflegerin die Erklärungen
der Betreuerin Q in der notariellen Urkunde vom 16.12.1996 vormundschaftsgerichtlich
genehmigt. Nach Erhalt einer Ausfertigung des Beschlusses hat die Betreuerin Q mit
Schreiben vom 09.02.1997 diesen den Eheleuten P mitgeteilt. Dieses Schreiben nebst
einer beglaubigten Abschrift des Beschlusses vom 05.02.1997 ist den Eheleuten P am
11.02.1997 förmlich zugestellt worden. Die Umschreibung des Eigentums an dem
Miteigentumsanteil in den beiden Grundbüchern ist am 07.04.1997 erfolgt.
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Gegen den Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 05.02.1997 hat die Betroffene
mit einem bei dem Amtsgericht am 21.02.1997 eingegangenen Schreiben "Einspruch"
eingelegt. Das Amtsgericht hat diese Eingabe zunächst als Erinnerung im Sinne des §
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11 Abs. 2 RPflG a.F. behandelt, der die Rechtspflegerin und der Richter des
Amtsgerichts mit Verfügungen vom 24. bzw. 25.02.1997 nicht abgeholfen haben. Das
Landgericht hat durch Beschluß vom 14.05.1997 das nunmehr als Beschwerde
geltende Rechtsmittel zurückgewiesen. In den Gründen der Entscheidung hat die
Kammer ausgeführt, die Beschwerde der Betroffenen sei zulässig, bleibe jedoch
sachlich ohne Erfolg, weil das Amtsgericht auch unter Berücksichtigung der von ihr
erhobenen Einwendungen die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu Recht
erteilt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluß
des Landgerichts Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen, die sie
mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 07.02.2000 bei dem
Oberlandesgericht eingelegt hat.
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II.
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Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG an sich statthaft
sowie formgerecht eingelegt. Gleichwohl ist das Rechtsmittel unzulässig, weil es nach
den Sonderbestimmungen der §§ 55 Abs. 1, 62 FGG ausgeschlossen ist. Nach § 55
Abs. 1 FGG, der bei einer Betreuung entsprechend anzuwenden ist (§ 69 e S. 1 FGG),
kann eine Verfügung, durch welche die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft erteilt
wird, vom Vormundschaftsgericht insoweit nicht mehr geändert werden, als die
Genehmigung einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist. Ist die Genehmigung für
das Vormundschaftsgericht nicht mehr abänderbar, kann auch das Beschwerdegericht
sie nicht mehr ändern (§ 62 FGG). Eine gegen die Genehmigung gleichwohl eingelegte
Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (vgl. Keidel/Engelhardt, FG, 14. Aufl., § 62
Rdnr. 2 m.w.N.). Die Unabänderlichkeit der durch den angefochtenen Beschluß der
Rechtspflegerin vom 05.02.1997 erteilten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung ist
hier am 11.02.1997 eingetreten. Nach den §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1829 Abs. 1 S. 2 BGB
wird die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dem Geschäftsgegner gegenüber
wirksam, wenn sie ihm durch den Betreuer mitgeteilt wird. Ausweislich des zu den
Grundakten geführten Nachweises hat die Betreuerin Q den Eheleuten P jeweils eine
beglaubigte Abschrift des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts am 11.02.1997
förmlich zustellen lassen.
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Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung der Gerichte der freiwilligen
Gerichtsbarkeit haben die Verfahrensvorschriften der §§ 55, 62 FGG nur in den
folgenden Ausnahmefällen außer Anwendung zu bleiben (vgl. grundlegend BayObLGZ
1989, 242 ff. = FamRZ 1989, 1113 ff.; FamRZ 1997, 1426; OLG Celle FamRZ 1997, 899;
Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 55, Rdnr. 14, 17):
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1. Das der Erteilung der Genehmigung vorausgehende Verfahren erfüllt nicht die
Mindestanforderungen, die an ein rechtsstaatliches Verfahren gestellt werden
müssen. Dies kann gegeben sein, wenn das rechtliche Gehör des Betroffenen
verletzt worden ist und das Genehmigungsverfahren darüber hinaus an schweren
Fehlern leidet.
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2. Der Betreuer macht von der erteilten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung
durch Mitteilung an den Geschäftsgegner arglistig Gebrauch, um dem Betroffenen
das Beschwerderecht abzuschneiden.
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Beide Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.
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Das Vormundschaftsgericht hat über den Antrag der Betreuerin auf Genehmigung ihrer
rechtsgeschäftlichen Erklärungen in dem notariellen Vertrag vom 16.12.1996 mit der
gebotenen Sorgfalt im Hinblick auf die Wahrung der Interessen der Betroffenen
entschieden. Es hat, um die Angemessenheit der Gegenleistung zu überprüfen,
zunächst das Gutachten eines Sachverständigen zum Verkehrswert des Objekts
eingeholt, dessen Ergebnis (290.000,00 DM) die Betroffene im Rahmen ihrer Anhörung
nie bezweifelt hat. Auch die weitere Beschwerde, die nunmehr die Richtigkeit der
Verkehrswertermittlung in Zweifel zieht, trägt nicht vor, in welchen Punkten das
erstattete Gutachten unrichtig sein soll. Die Betreuerin hat in mehreren Berichten, zuletzt
am 14.01.1997, dargestellt, daß das gegenwärtige Einkommen der Betroffenen nicht
ausreiche, um ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Das Vormundschaftsgericht hat nicht
nur die schriftlichen Eingaben der Betroffenen in dem Genehmigungsverfahren
berücksichtigt. Vielmehr hat, wie der darüber aufgenommene Vermerk vom 23.01.1997
ergibt, die Rechtspflegerin die Betroffene in der Q-Klinik in I, in der sie sich damals zur
Behandlung befand, ausführlich persönlich zu dem Genehmigungsantrag angehört. Den
sich aus den Berichten der Betreuerin ergebenden Fakten ist die Betroffene weder
damals noch heute im Rahmen der Begründung ihrer weiteren Beschwerde
entgegengetreten. In dem hier vorliegenden Zusammenhang hat der Senat nicht
darüber zu entscheiden, ob der Vorwurf der weiteren Beschwerde zutrifft, das
Vormundschaftsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) verletzt im
Hinblick darauf, ob und wie lange eine zu befürchtende Zwangsversteigerung des
Objekts durch Kontaktaufnahme mit den Gläubigern, einer Schuldnerberatungsstelle
oder anderen Personen bei unveränderter Einkommensunterdeckung noch hätte
hinausgeschoben werden können. Jedenfalls wird die Beurteilung, daß es sich hier um
ein rechtsstaatlichen Anforderungen genügendes Verfahren gehandelt hat, nicht von der
Frage berührt, ob eine weitergehende Amtsermittlungspflicht bestanden hat. Diese ist
ohnehin auf dem Boden der sachlichen Kriterien bei der Ermessensausübung durch das
Vormundschaftsgericht zu beurteilen, die jedoch im Rahmen der Prüfung der
Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht der Nachprüfung durch den Senat unterliegt.
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Eine arglistige Herbeiführung der Wirksamkeit der vormundschaftsgerichtlichen
Genehmigung durch die Betreuerin mit dem Ziel, der Betroffenen die Möglichkeit der
Beschwerde abzuschneiden, wird von der weiteren Beschwerde nicht geltend gemacht
und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Betreuerin hat zwar unmittelbar nach Erhalt der
Ausfertigung der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts diese in der geschilderten
Weise den Eheleuten P im Sinne des § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB mitgeteilt. Allen Berichten
der Betreuerin ist indessen ihre Überzeugung zu entnehmen, daß sie im Hinblick auf die
Einkommensunterdeckung den Verkauf der Immobilie als im Interesse der Betroffenen
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dringend für geboten hielt. Wenn die Betreuerin aus dieser Überzeugung, die inhaltlich
mit der sachlichen Interessenabwägung des Vormundschaftsgerichts und später des
Landgerichts übereinstimmt, nach Erhalt der Genehmigung konsequent gehandelt hat,
kann darin allein ein ausreichender Anhaltspunkt für ein arglistiges, die Interessen der
Betroffenen gezielt verletzendes Verhalten nicht gesehen werden (BayObLG FamRZ
1997, 1426, 1427).
Die weitere Beschwerde ist auch nicht im Hinblick auf den Beschluß des ersten Senats
des BVerfG vom 18.01.2000 (1 BvR 321/96, u.a. veröffentlicht in NJW 2000, 1709 ff.) als
zulässig anzusehen. Dabei berücksichtigt der Senat die Bindungswirkung, die von
dieser Entscheidung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG ausgeht. In diesem Zusammenhang
geht der Senat von der Rechtsprechung des BVerfG aus, daß die Bindungswirkung
seiner Entscheidungen sich auch auf die tragenden Entscheidungsgründe erstreckt
(BVerfGE 40, 88, 93; Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31, Rdnr. 71 ff.). Auf Einzelheiten
der Reichweite dieser Bindungswirkung kommt es hier aus den nachstehenden
Gründen nicht an. Das BVerfG hat in seiner genannten Entscheidung § 62 FGG nicht für
nichtig erklärt (§ 95 Abs. 3 S. 2 BVerfGG). Die Vorschrift ist daher vorbehaltlich einer
gesetzlichen Neuregelung weiterhin geltendes Recht. Das BVerfG hat sich vielmehr in
Ziff. 1 des Beschlußtenors darauf beschränkt, diese gesetzliche Bestimmung insoweit
als mit Art. 19 Abs. 4 GG für unvereinbar zu erklären, als sie den in ihren Rechten
Betroffenen jede Möglichkeit verwehrt, die Entscheidung des Rechtspflegers, durch die
die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts erteilt wird, der
Prüfung durch den Richter zu unterziehen. Die Gründe der Entscheidung ergeben, daß
nach Auffassung des BVerfG der durch § 62 FGG im Falle der Wirksamkeit der
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bewirkte faktische Rechtswegausschluß
gegen die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG verstößt. Von einer
Nichtigerklärung der Vorschrift hat das BVerfG abgesehen, weil dem Gesetzgeber
verschiedene Möglichkeiten zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit offen stünden.
Beispielhaft hat das BVerfG die Möglichkeit erwähnt, gegen die vom Rechtspfleger
erteilte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung den Beschwerderechtszug zu
eröffnen. Als Alternative hat das BVerfG die Möglichkeit erörtert, daß der Rechtspfleger
in Anlehnung an die im Erbscheinsverfahren anerkannte Verfahrensweise einen
Vorbescheid erläßt, der dem Betroffenen eine Überprüfung der angekündigten
Genehmigung "durch den Richter" vor ihrem Wirksamwerden ermöglicht. Insgesamt
wird deutlich, daß das BVerfG von Verfassungs wegen nur die Möglichkeit einer
richterlichen Überprüfung der Entscheidung des Rechtspflegers, nicht aber einen
bestimmten Beschwerderechtszug gewährleistet sehen will.
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Für die hier zu treffende Entscheidung kann der Senat offenlassen, welche
Konsequenzen aus der Entscheidung des BVerfG für die Behandlung von Altfällen zu
ziehen sind, in denen eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung wirksam
geworden ist, ohne daß dem Betroffenen durch den Erlaß eines Vorbescheides die
Möglichkeit gegeben worden ist, die Entscheidung des Rechtspflegers zur Nachprüfung
durch den Richter zu stellen. Das BVerfG hat dazu nicht ausdrücklich Stellung
genommen. Der Umstand, daß das BVerfG die von ihm entschiedene Sache unter
Aufhebung der Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts und des
Oberlandesgerichts an das Amtsgericht zurückverwiesen hat, deutet allerdings darauf
hin, daß das BVerfG als Konsequenz des mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbarenden
faktischen Rechtswegausschlusses lediglich eine sachliche Überprüfung der
Entscheidung des Rechtspflegers durch den Richter des Amtsgerichts für geboten
gehalten hat, also ein Verfahren, das sachlich der Rechtspflegererinnerung gem. § 11
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Abs. 2 RPflG n.F. entspricht.
Für den vorliegenden Fall ist entscheidend, daß die Betroffene nach dem tatsächlichen
Verfahrensablauf in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt worden ist. Es
ist ihr eine richterliche Überprüfung der Entscheidung der Rechtspflegerin nicht verwehrt
worden. Vielmehr hat das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen ausdrücklich für
zulässig erachtet, ist sodann in eine sachliche Beurteilung der Voraussetzungen für die
Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung eingetreten und hat sich in
diesem Zusammenhang mit den von der Betroffenen erhobenen Einwendungen
ausführlich auseinandergesetzt. Der Betroffenen ist deshalb tatsächlich eine sachliche
Überprüfung der Entscheidung der Rechtspflegerin zuteil geworden, und zwar nicht
lediglich durch den Richter des Amtsgerichts, sondern durch die Beschwerdekammer
des Landgerichts als Kollegialgericht. Das BVerfG hat in seiner genannten
Entscheidung nur eine Verfahrensweise verfassungsrechtlich beanstandet, die den
Betroffenen faktisch von jeder Rechtsschutzmöglichkeit ausschließt. Für die
Feststellung, ob die Betroffene hier in ihrem Verfahrensgrundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG
verletzt worden ist, kommt es deshalb ausschließlich darauf an, wie die
verfahrensrechtlichen Vorschriften ihr gegenüber tatsächlich gehandhabt worden sind.
Unerheblich muß deshalb bleiben, daß das Landgericht bei korrekter Anwendung des §
62 FGG im Rahmen der bisherigen Entwicklung der dazu ergangenen Rechtsprechung
bereits die erste Beschwerde der Betroffenen als unzulässig hätte verwerfen müssen.
Da das BVerfG - wie bereits ausgeführt - einen bestimmten Beschwerderechtszug nicht
als verfassungsrechtliche Mindestanforderung an das Verfahren vorgegeben hat, bleibt
es nach durchgeführter richterlichen Überprüfung der Entscheidung der Rechtspflegerin
bei der Anwendung des § 62 FGG: Das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde bleibt
der Betroffenen verschlossen.
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Eine Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gem. § 131 Abs. 3
KostO nicht veranlaßt.
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