Urteil des OLG Hamm vom 27.03.2003

OLG Hamm: fahrrad, herkunft, bereicherungsabsicht, kaufpreis, hehlerei, vermögensvorteil, zeitwert, gestaltung, auflage, jugendgericht

Oberlandesgericht Hamm, 1 Ss 213/03
Datum:
27.03.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ss 213/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Lünen, 17 Ds 130 Js 739/02 – 108/02Hw –
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird bezüglich der Angeklagten B und C mit
den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des
Amtsgerichts
- Jugendgericht - Lünen zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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Das Amtsgericht Lünen hat in der Hauptverhandlung vom 19. Dezember 2002 die
frühere Mitangeklagte X freigesprochen, die Angeklagten C und B wegen
gemeinschaftlicher Hehlerei verwarnt und ihnen darüber hinaus die Auflage erteilt, eine
Geldbuße an eine gemeinnützige Vereinigung zu zahlen. Zum Tathergang hat das
Amtsgericht festgestellt, dass die Angeklagte C, der in der Vergangenheit mehrfach
Fahrräder entwendet worden seien, dringend ein Fahrrad gebraucht habe. In einem
Gespräch mit dem Mitangeklagten B, das von der früheren Mitangeklagten X vermittelt
worden sei, habe sie auf entsprechende Frage des Angeklagten B erklärt, dass sie auch
mit der Beschaffung eines gestohlenen Fahrrades einverstanden sei. Einige Wochen
später habe der Angeklagte B der Angeklagten C sodann ein Fahrrad für 80,00 € zum
Kauf angeboten. Dabei handelte es sich um das am 04. März 2002 entwendete Fahrrad
Fabrikat Herkules der Geschädigten B2. Die Angeklagte C erwarb das Fahrrad von dem
Angeklagten B und bezahlte den von ihm geforderten Preis. Sie wusste dabei, dass es
sich um Diebesgut handele. Der Angeklagte B hat sich dahingehend eingelassen, er
habe der Angeklagten C dieses Fahrrad nicht verkauft. Er habe die Mitangeklagte C nur
kurz gekannt. Außerdem würde er auch gestohlene Sachen nicht veräußern, da er sonst
mit einer erheblichen Bestrafung zu rechnen habe.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Revision des
Angeklagten B, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Angeklagte C hat
das Urteil nicht angefochten.
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Das Rechtsmittel hat einen – zumindest vorläufigen – Erfolg und führt in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
einschließlich der getroffenen Feststellungen sowie zur Zurückverweisung an das
Amtsgericht.
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Der Angeklagte B hat danach – folgt man den getroffenen Feststellungen – in objektiver
Hinsicht ein von einem unbekannten Dritten gestohlenes Fahrrad an die Mitangeklagte
C verkauft. Diese ist dabei von einem vorausgegangenen Dieb-
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stahl des Fahrrades ausgegangen, ohne indes - wovon nach den Feststellungen
auszugehen ist - genaues über dessen Herkunft zu wissen.
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Bezüglich des Angeklagten B fehlt es aber in der angefochtenen Entscheidung an
Feststellungen darüber, ob dieser in dem Bewusstsein gehandelt hat, dass das Fahrrad
zuvor durch eine rechtswidrige Tat (Diebstahl) erlangt worden war (vgl. BGH MDR/H 80,
629). Allein der Umstand, dass er sich bereit erklärt hat, u. U. – auch – ein gestohlenes
Fahrrad zu beschaffen, begründet noch nicht zwingend, dass ihm auch die Herkunft
dieses konkreten Fahrrades als Diebstahlsbeute bekannt war oder dieser Umstand von
ihm zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Der bisherigen Einlassung der
Mitangeklagten C ist auch nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls welche
Erklärungen der Angeklagte B ihr gegenüber zur Herkunft des Fahrrades abgegeben
hat. Ohne weitere Feststellungen zum objek-
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tiven Wert des Fahrrades ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beteiligten
aufgrund des Kaufpreises von 80 € mit Diebesgut gerechnet haben.
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Weiterhin erfordert es die subjektive Tatseite des Hehlereitatbestandes, dass der Täter
in Bereicherungsabsicht gehandelt haben muss. Danach muss es die Absicht des
Täters sein, auf eine günstigere Gestaltung seiner Vermögenslage oder die eines
Dritten hinzuwirken. Das ist nicht der Fall, wenn nach seiner Vorstellung gleichwertige
Güter ausgetauscht werden oder eine entsprechende Sache auch auf legalem Wege zu
einem vergleichbaren Preis hätte erworben werden können (vgl. BGH MDR/D 67, 369).
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bleibt offen, ob der Angeklagte B durch die
Weitergabe des Fahrrades beabsichtigt hat, sich oder der Mitangeklagten C einen
Vermögensvorteil zu verschaffen. Auch inso-
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weit lassen sich aus dem Kaufpreis von 80 € ohne weiteres keine Rückschlüsse ziehen,
da es an Feststellungen zum Zeitwert des Fahrrades fehlt und deshalb offen bleibt, ob
dieser Kaufpreis dem objektiven Wert des Rades entsprach bzw. ob die Angeklagte C
ein gleichwertiges Fahrrad auch auf legalem Weg zum gleichen Preis hätte erwerben
können.
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Auf die Revision des Angeklagten B war das angefochtene Urteil daher aufzu-
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heben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amts-
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gericht zurückzuverweisen.
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Nach § 357 StPO erstreckt sich die Aufhebung und Zurückverweisung auch auf
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die Verurteilung der Angeklagten C, obwohl diese selbst keine Revision eingelegt hat,
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da der zuletzt erörterte Rechtsfehler (mangelnde Feststellung der Bereicherungsabsicht)
auch der wegen derselben prozessualen Tat ergangenen Verurteilung der Angeklagten
C die Grundlage entzieht.
Wenn die aufgezeigten Mängel behoben sind und von daher die Voraussetzungen einer
Hehlerei gegeben sein sollten, wird das Amtsgericht bei weiter ungeklärter Herkunft des
Fahrrades zu prüfen haben, ob eine wahlweise Verurteilung des Angeklagten B auch
wegen Diebstahls in Betracht kommt.
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