Urteil des OLG Hamm vom 18.12.1991

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Oberlandesgericht Hamm, 20 U 187/91
Datum:
18.12.1991
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 187/91
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 1 O 267/90
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. April 1991 verkündete
Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Regreß wegen zweier regulierter
Haftpflichtschäden in Anspruch. Unstreitig war die Beklagte mit den Zahlungen von
Folgeprämien im Rückstand. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob das
Mahnschreiben der Klägerin vom 7.9.1989 den Anforderungen des §39 VVG entspricht
und ob die Beklagte dieses qualifizierte Mahnschreiben und ein weiteres einfaches
Mahnschreiben vom 5.10.1989 überhaupt erhalten hat.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. Dagegen richtet
sich die Berufung der Beklagten.
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Die Berufung ist begründet.
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1.
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Allerdings entspricht das Mahnschreiben vom 7.9.1989 entgegen der Auffassung der
Berufung den Anforderungen des §39 VVG. Die qualifizierte Mahnung muß eine
unmißverständliche und umfassende Belehrung enthalten, die sich auf die dem
Versicherungsnehmer drohenden Säumnisfolgen erstrecken und gleichzeitig Hinweise
auf die rechtlichen Möglichkeiten enthalten muß, wie der Versicherungsnehmer den
Säumnisfolgen begegnen kann, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten (st.Rspr.,
BGH VersR 88, 484 = VVGE §39 VVG Nr. 5). Hier weist das Schreiben der Klägerin
vom 7.9.1989 die Beklagte darauf hin, daß sie auch nach Ablauf der gesetzten Frist von
zwei Wochen bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles sich durch nachträgliche
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zwei Wochen bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles sich durch nachträgliche
Zahlung Versicherungsschutz für eben diesen Versicherungsfall sichern kann und daß
sie weiter nach Ablauf der Frist von zwei Wochen durch Zahlung dem Versicherer,
solange diese seine Kündigung nicht ausgesprochen hat, das Kündigungsrecht nehmen
kann und schließlich selbst die Wirkung einer bereits ausgesprochenen Kündigung
wieder beseitigen kann, sofern sie die Zahlung vor Eintritt eines Versicherungsfalles
und innerhalb eines Monats nach Kündigung oder nach Ablauf einer mit der Kündigung
verbundenen Zahlungsfrist nachholt. Weiterhin hat die Klägerin die zu zahlenden
Beiträge im einzelnen näher aufgeschlüsselt und deutlich gemacht, daß auch bei
Zahlung eines Beitrages der Versicherungsschutz zu diesem Vertrag erhalten bleibt.
Ferner hat die Klägerin auch darauf hingewiesen, daß sich der Versicherungsnehmer
sowohl bei Versicherungsablauf als auch bei Eintritt des Versicherungsfalles mit der
Zahlung in Verzug befunden haben muß. Entgegen der Auffassung der Berufung ist
nicht erforderlich, daß der Begriff Verzug näher dahingehend erläutert sein muß, daß
Verzug nur bei verschuldetem Zahlungsrückstand eintritt, nicht dagegen, wenn der
Zahlungsrückstand aus vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Gründen
eingetreten ist. Es reicht - entsprechend dem Gesetzeswortlaut des §39 VVG - die
Verwendung des Begriffes "Verzug" aus.
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2.
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Die Klägerin hat aber nicht bewiesen, daß dieses qualifizierte Mahnschreiben der
Beklagten zugegangen ist.
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a)
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Beweispflichtig ist der Versicherer und zwar nicht nur für die Absendung, sondern auch
für den Zugang des Mahnschreibens (BGH VersR 81, 921). Die Absendung beweist
dabei nicht - auch nicht prima facie - den Zugang des Schreibens (Prölss-Martin, VVG,
24. Aufl., §39 VVG Anm. 2 c m.w.N.). Es besteht auch keine Veranlassung, dem
Versicherer irgendwelche Beweiserleichterungen zukommen zu lassen. Denn er hat
selbst in der Hand, diese vorauszusehenden Beweisschwierigkeiten zu vermeiden,
indem er statt mit einfachem Brief das Mahnschreiben durch Einschreiben mit
Rückschein versendet.
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b)
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Die Klägerin hat hier keinen Beweis für den Zugang des Schreibens antreten können.
Zwar hat der Zeuge ... bestätigt, daß das Mahnschreiben vom 7.9.1989 mit einfacher
Post abgesandt und nicht zurückgekommen sei. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres
der Zugang des Schreibens. Zwar erreichen Postsendungen in der Regel ihrem
Empfänger und es ist auch sicherlich ungewöhnlich, daß gleich zwei Schreiben die
Beklagte - wie sie behauptet - nicht erreicht haben sollen. Daraus rechtfertigt sich aber
nicht die Überzeugung, daß bei einer solchen Behauptung zumindest das erste
Mahnschreiben zugegangen sein muß.
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Die Aussage des inzwischen verstorbenen Ehemanns der Klägerin spricht eher gegen
einen Zugang des Mahnschreibens. So hat der Zeuge, der sich unter anderem um alle
Versicherungsangelegenheiten gekümmert hat, bekundet, von dem Schreiben der
Klägerin vom 7.9.1989 keine Kenntnis erlangt zu haben. Der Senat hat keine
Veranlassung, diese Aussage als unglaubhaft anzusehen. Der Zeuge hat nämlich
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gerade nicht vorbehaltslos die Behauptungen seiner Ehefrau bestätigt, sondern
eingeräumt, vor dem Schreiben vom 8.11.1989 noch ein Mahnschreiben erhalten zu
haben. Möglicherweise war dies das Schreiben der Klägerin vom 5.10.1989, das
allerdings nicht die Voraussetzungen des §39 VVG erfüllt. Danach wäre nur das erste
Schreiben der Klägerin, nämlich das vom 7.9.1989 nicht angekommen. Nach alledem
verbleiben Zweifel, ob das qualifizierte Mahnschreiben tatsächlich zugegangen ist.
Diese Zweifel gehen zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die
Beschwer der Klägerin beträgt 6.791,42 DM.
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