Urteil des OLG Hamm vom 19.09.2006
OLG Hamm: geschäftsführender gesellschafter, kaufvertrag, vertragsschluss, eigentumswohnung, beratungsvertrag, erwerb, täuschung, eigennutzung, belastung, rechtshängigkeit
Oberlandesgericht Hamm, 34 U 49/06
Datum:
19.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
34. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
34 U 49/06
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 16 O 230/04
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des
Landgerichts Essen vom 26. Januar 2006 wird zurückgewiesen, mit der
Maßgabe, dass die vom Landgericht ausgeurteilte Verzinsung in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2005
entfällt und insoweit die Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten als
Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen sich durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus diesem Urteil
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger
Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 €.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
I.
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Die Beklagte zu 1) kauft Altwohnbestände auf, nimmt an ihnen
Renovierungsmaßnahmen vor und verkauft sie nach Aufteilung in Wohnungseigentum
weiter.
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Die Parteien streiten über das Bestehen von Schadensersatzansprüchen, die der Kläger
im Zusammenhang mit dem Erwerb einer solchen Eigentumswohnung geltend macht.
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Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 17.10.2000 von der Beklagten zu 1),
deren Komplementär der Beklagte zu 2) ist, die seinerzeit nicht vermietete
Eigentumswohnung O-str. xx, 4. OG links, Nr. 278 des Aufteilungsplans, zu einem
Kaufpreis von 186.930 DM = 95.575,79 €.
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In § 5 des not. Vertrages heißt es:
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"Dem Käufer ist bekannt, dass der Vertragsgegenstand vermietet ist."
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Der Kaufvertrag wurde vollzogen.
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Zugleich schlossen der Kläger und eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 1), die
H GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter ebenfalls der Beklagte zu 2) ist,
einen Vertrag über die Einziehung und Verwendung von Mieteinnahmen (Mietpool),
wonach die Beklagte zu 1) als Verwalterin tätig werden, die Miete dieser und anderer
Wohnung vereinnahmen, eine Instandhaltungsrücklage bilden, die Maßnahmen zur
Instandhaltung treffen sowie die Hausgelder bezahlen und die verbleibenden
Gesamtmieteinnahmen sodann nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen an die
Poolmitglieder auszahlen sollte.
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Die Finanzierung des Wohnungskaufs erfolgte neben Eigenkapital iHv. 11.930,00 DM
über zwei Bausparverträge und ein Vorfinanzierungsdarlehen mit der C, zu deren
Absicherung eine Grundschuld in Höhe der Gesamtdarlehenssumme von 175.000,00
DM bestellt wurde (Bl. 56) und zu dessen Auszahlungsvoraussetzung der Beitritt zu
einem Mietpool gemacht wurde, der nur mit Zustimmung der Bausparkasse gekündigt
werden kann.
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Diesen Vertragsabschlüssen waren Beratungsgespräche des Klägers mit Mitarbeitern
der Beklagten zu 1) vorangegangen, im Rahmen derer diese auch das gewählte
Finanzierungsmodell vorgeschlagen, beworben und vermittelt haben. Tenor der
Beratungsgespräche war im Wesentlichen, dass es sich bei dem Erwerb der Immobilie
um eine wertbildende Form der Altersvorsorge handele. Dem Kläger wurden
verschiedene Unterlagen übergeben, u.a. eine Musterrentabilitätsberechnung
hinsichtlich der Belastung sowie sog. Besuchsaufträge vom 16.10.2001, aus denen sich
ein Refinanzierungsanteil von 603,00 DM monatlich aus Mieteinnahmen entnehmen
lässt.
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Unstreitig entwickelte sich insbesondere der Mietpool bereits ab dem Erwerbsjahr
negativ. Der Kläger erbrachte deshalb gem. entsprechender Beschlüsse der
Mietpoolversammlung folgende Nachzahlungen:
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2001 DM 524,16 € 268,00
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2002 € 301,50
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2003 € 723,60
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Außerdem wurde ab Mai 2003 die Ausschüttung aus dem Mietpool um 1,00 Euro/qm =
67,00 Euro gekürzt.
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Die Vermietung der Wohnung gelang erst für einen Zeitraum vom 01.12.2004 bis
28.02.2006.
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Der Kläger vertrat in erster Instanz die Auffassung, dass zwischen den Parteien neben
dem Kaufvertrag auch ein Beratungsvertrag bzgl. des Finanzierungsgeschäfts
zustandegekommen sei. Er hat hierzu behauptet, beides sei gemeinsam in einem Paket
vertrieben worden. Die sich aus diesem Beratungsvertrag ergebenden Vertragspflichten
habe die Beklagte zu 1) durch ihre Mitarbeiter verletzt, denn das Objekt weise mit
Rücksicht auf die Restnutzungsdauer, die der Kläger ausgehend vom Baujahr 1969-71
und einer rentablen Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren mit noch 49-51 Jahren (bei
Vertragsschluss) errechnet hat, sowie im Hinblick auf die lange Darlehensfinanzierung
eine mangelnde Rentabilität auf.
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Außerdem nehme die Ankaufsberechnung nur eine punktuelle Betrachtung vor und
berücksichtige nicht die Kostensteigerung.
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Ferner sei der Kaufpreis in Anbetracht des Ertragswerts der Wohnung überhöht und die
in der Vertriebsinformation angegebenen Beträge zu den Mieteinnahmen und
Kostenpauschalen seien unzutreffend.
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Es sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass es zu bereits absehbaren
Nachzahlungen auf Unterdeckungen des Mietpools und der Instandhaltungsrücklage
kommen könne. In diesem Zusammenhang seien die Nebenkosten zu niedrig und
unseriös angesetzt worden.
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Der Vertrieb als Altersvorsorgemodell für den bei Vertragsschluss 54 Jahre alten Kläger
sei zudem in Anbetracht der Länge der Finanzierungsdauer grob fehlerhaft.
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Entgegen der Angaben in der Vertriebsinformation erfahre die Wohnung in Wirklichkeit
auch keine Wertsteigerung, sondern verliere vielmehr an Wert.
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Auch ergäben sich anstatt steigender Mieteinnahmen, die ihm als garantiert suggeriert
worden seien, tatsächlich sinkende.
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All das sei der Beklagten zu 1) bereits bei den Beratungsgesprächen bekannt gewesen,
dem Kläger aber nicht offenbart worden.
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Gleiches gelte für die Eigenarten der Bausparfinanzierung, die Länge des
Finanzierungsmodells und die Höhe der (Gesamt-) Belastungen.
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Ferner habe die Beklagte den Kläger zur Kündigung einer kapitalbildenden
Lebensversicherung bei der H gedrängt und das Kündigungsschreiben für ihn
aufgesetzt.
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Außerdem habe die Beklagte den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die vertriebene
Wohnung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vermietet gewesen sei, was
zudem im Widerspruch zu § 5 des not. Vertrages stehe. Diesen Widerspruch nahm der
Kläger zum Anlass, mit Schriftsatz vom 05.08.2005 den Kaufvertrag wegen arglistiger
Täuschung anzufechten.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn zu Händen eines von
dem Kläger zu beauftragenden Notars 112.436,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug-um-
Zug gegen Abgabe folgender notarieller Erklärung des Klägers vor dem
beauftragten Notar:
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"Ich bin eingetragener Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts
Neumünster von Neumünster Blatt ####1 eingetragenen Wohnungseigentums,
bestehend aus einem 83/10.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück im
Rechtssinn, G1, Flur X C, Flurstück xx verbunden mit dem Sondereigentum an der
Wohnung mit der Nr. 278 des Aufteilungsplans im Gebäude O-Straße.
31
Ich verpflichte mich hiermit, das vorbezeichnete Wohneigentumsrecht auf die I &
Do. KG, vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter L und an diesen
persönlich zu übetragen, frei von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs
eingetragenen Grundschuld der C AG in Höhe von 175.000,00 DM.
32
Ich erteile hierzu der I & Do. KG und Herrn L persönlich die Vollmacht, in meinem
Namen unter Befreiung der Beschränkung des § 181 BGB, die Auflassung zu
erklären.
33
Ich erteile mein Einverständnis mit einer Weisung der I & Do. KG und des Herrn L
an den unterzeichnenden Notar, den eingehenden Zahlungsbetrag zur Ablösung
der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der C
AG zu verwenden.
34
Ich bewillige die Eintragung der I & Do. KG und des Herrn L als Eigentümer unter
der aufschiebenden Bedingung, dass Zahlungseingang in Höhe des durch die
Klage geforderten Betrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf dem Konto des unterzeichnenden Notars
erfolgt und ein etwaig überschießender Betrag an mich auszukehren ist."
35
2. festzustellen, dass die Beklagten dem Kläger auch jeden weiteren ab
01.01.2004 entstandenen und entstehenden Schaden, der im Zusammenhang mit
dem Erwerb des im Antrag zu 1.) bezeichneten Grundbesitzes steht, zu ersetzen
haben.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestritten einen Vertrieb der Wohnung im Paket mit der Bausparfinanzierung und
behaupteten, diese sei nur eine von mehreren Finanzierungsmöglichkeiten gewesen.
Gleiches gelte für den Beitritt zum Mietpool, der dem Kläger freigestellt gewesen sei.
Außerdem habe der Kläger gem. § 2 Nr. 3 des Mietpollvertrages kündigen können, was
er jedoch – unstreitig – nicht getan hat.
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Im Übrigen bestritten sie das Vorliegen der klägerseits behaupteten Beratungsfehler,
weil die behaupteten Beratungspflichten entweder (so) nicht bestanden hätten oder aber
erfüllt worden seien.
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Insbesondere sei die Mietpoolkalkulation nicht zu niedrig ausgefallen, denn die negative
Entwicklung sei für sie nicht vorhersehbar gewesen. Diese sei nicht auf Umstände, die
im Objekt begründet liegen, zurückzuführen, sondern vielmehr auf den allgemeinen
Rückgang am Mietmarkt, der auch zu einem erhöhten Leerstand im vorliegenden Objekt
geführt habe. Bei der Aufstellung der Kalkulation sei sie, die Beklagte, vom Mietspiegel
der Stadt O und ihren eigenen Erfahrungen in diesem Markt ausgegangen, sowie von
ihr seitens der Voreigentümerin HMM zugesicherten Mieteinnahmen iHv. 332.759,65
DM (nur für die Wohnungen).
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Der Leerstand der streitgegenständlichen Wohnung zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses sei zufällig gewesen und habe sich jederzeit ändern können. Die
Klausel in § 5 des not. Vertrages habe lediglich dazu dienen sollen, den Kläger vor der
Fehlerwartung eines alsbald möglichen Selbstbezuges zu schützen. Ein etwaiges
Anfechtungsrecht sei zudem verfristet, weil der Kläger – was unstreitig ist – kurz nach
der Unterzeichnung des Kaufvertrages die Wohnung besichtigt habe und mithin dann
Kenntnis vom Leerstand hatte.
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Bezüglich der Geeignetheit des Objekts als Altersvorsorge sei auch zu berücksichtigen,
dass der Kläger beabsichtigt habe, im Rentenalter selbst die Wohnung zu beziehen.
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Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen
M2, M und I2 (Sohn des Klägers) vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es
im Wesentlichen ausgeführt, dass es der Beklagten oblegen habe, den Kläger darüber
aufzuklären, dass die verkaufte Wohnung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht
vermietet war. Dieser Umstand sei von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für den
Kläger gewesen, denn durch den Vermietungsstand werde eine Aussage über die
Renatbilität der Wohnung getroffen.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren auf Klageabweisung
gerichteten Sachantrag unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen
Vortrags weiter verfolgen.
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Sie rügen insbesondere, dass das Landgericht zu Unrecht angenommen habe, der
Kläger habe vor Vertragsschluss keine Kenntnis vom Leerstand der Wohnung gehabt.
Die Vernehmung des Zeugen M2 habe ergeben, dass ein Bekannter des Klägers die
Wohnung vorher besichtigt habe. Daraus folge die Kenntnis des Klägers vom Leerstand.
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Im Übrigen stelle der Leerstand aber für den Kläger auch keinen Nachteil dar. Im
Gegenteil sei die Wohnung während des Leerstandes wenigstens nicht abgewohnt
worden, was im Hinblick auf eine mögliche spätere Eigennutzung nur von Vorteil sein
könne. Der Vermietungsstand sei für den Kläger bei Vertragsschluss auch keineswegs
wesentlich gewesen, da das (totale) Ausfallrisiko ja durch den Mietpool abgesichert
gewesen sei.
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Die Beklagten meinen zudem, dass infolge der unstreitigen Besichtigung der
leerstehenden Wohnung durch den Kläger kurz nach Vertragsschluss und die
anschließende Untätigkeit Verwirkung eingetreten sei.
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Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und
Vertiefung seines bisherigen Vortrags.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug
genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Terminsniederschriften.
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II.
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Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet, denn das Landgericht hat im
Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz bejaht.
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Ein solcher folgt hier aus den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, die gem.
Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB Anwendung finden.
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Zwischen den Parteien ist neben den rein kaufvertraglichen Anspruchsbeziehungen
auch ein selbständiger Beratungsvertrag zustande gekommen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 99, 638; NJW 01, 2021; NJW 03, 1811;
NJW 04, 64) kommt zwischen den Kaufvertragsparteien dann ein Beratungsvertrag iSv.
§ 675 BGB zustande, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen
dem Käufer, entweder auf Befragen oder durch Vorlage eines Berechnungsbeispiels
über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs, das der Herbeiführung des
Geschäftsabschlusses dienen soll, einen ausdrücklichen Rat erteilt.
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Die von der Beklagten zu 1) für den Kläger erstellten "Besuchsaufträge" und die
Musterrentabilitätsberechnung erfüllen diese Anforderungen.
55
Sie belegen, dass dem Vertragsabschluss Vertragsverhandlungen vorausgingen, in
denen eine auf den Kläger zugeschnittene "Einnahmen- und Ausgaben-" Rechnung
unter Berücksichtigung der Finanzierungszinsen, der Sparleistung für das Bausparen,
der Verwaltungskosten und der Mieteinnahmen sowie der vermögenswirksamen
Leistungen erstellt wurde. Der Besuchsauftrag weist dabei einen Eigenaufwand vor
Steuern von 612,00 DM aus und entspricht damit der ebenfalls überreichten
Musterrentabilitätsberechnung, die auch einen Eigenaufwand vor Steuern von 612,00
DM ausweist. Der in dem Besuchsauftrag ermittelte Aufwand des Klägers diente diesem
offensichtlich als wesentliche Entscheidungshilfe für den Kaufvertragsabschluss.
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Dass die in Erscheinung getretenen Mitarbeiter der Beklagten zu 1) für diese aufgetreten
sind, wird von den Beklagten nicht bestritten. Die Vollmacht zur Beratung ergibt sich aus
der Vertriebsstruktur (vgl. BGHZ 156, 371, 375; BGH NJW 03, 1811, 1812).
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Aus dem Beratungsvertragsverhältnis war die Beklagte zu 1) verpflichtet, dem Kläger
und seiner Ehefrau richtige und vollständige Informationen über die tatsächlichen
Umstände zu geben, die für den Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind oder
sein können.
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Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte zu 1) verstoßen, indem sie dem Kläger
verschwiegen hat, dass die ihm zum Kauf angebotene Wohnung zum Zeitpunkt der
Vertragsverhandlungen und des Vertragsschlusses nicht vermietet war und sogar
gegenteilig in § 5 Abs. 6 des notariellen Kaufvertrages vom 17.10.2000 wahrheitswidrig
beurkunden ließ, dass die Wohnung vermietet sei. Letzteres berechtigt den Kläger zwar
nicht (mehr) zur Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123
BGB, wobei dahinstehen kann, ob hierin überhaupt ein Anfechtungsgrund gesehen
59
werden kann. Denn jedenfalls ist eine Anfechtung gemäß § 124 BGB verfristet, da der
Kläger unstreitig schon kurze Zeit nach der Beurkundung durch eine Besichtigung der
Wohnung von deren Leerstand und damit von einer etwaigen Täuschung Kenntnis
erlangt hat und seitdem mehr als ein Jahr vergangen ist.
Der Leerstand der Wohnung war jedoch von der Beklagten zu 1) im Rahmen des
Beratungsvertragsverhältnisses ungefragt mitzuteilen, denn hierbei handelt es sich um
eine tatsächliche Information, die für die Kaufentscheidung des Klägers offensichtlich
von wesentlicher Bedeutung war.
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Soweit die Beklagten mit der Berufung vorbringen, aus der erstinstanzlichen
Vernehmung des Zeugen M2 ergebe sich, dass der Kläger vor Vertragsschluss
Kenntnis vom Leerstand gehabt habe und es mithin keiner weiteren Aufklärung bedurft
habe, dringen sie hiermit nicht durch. Die Aussage des Zeugen M2 ist diesbezüglich
nämlich nicht ergiebig, denn dieser konnte sich nicht erinnern, ob ein Bekannter des
Klägers sich die konkrete Wohnung oder nur das Umfeld angeschaut hatte. Die
Besichtigung nur des Umfeldes der Wohnung ist aber nicht ausreichend, um eine
Kenntnis über den Vermietungsstand zu begründen. Den für die ihnen günstige
Behauptung beweispflichtigen Beklagten ist daher der Beweis durch diese Aussage
nicht gelungen.
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Der Vermietungsstand einer zu Anlagezwecken erworbenen Eigentumswohnung ist
grundsätzlich für den Erwerber von wesentlicher Bedeutung, denn in der Regel bemisst
sich danach der anfängliche Ertrag der Wohnung. Eine nicht vermietete Mietwohnung
erbringt regelmäßig keinen Ertrag, produziert andererseits aber Kosten und stellt daher
meist eine ungeeignete Kapitalanlageform für den durchschnittlichen Anleger dar.
Neben der Frage der aktuellen monatlichen Einnahmen aus der Wohnung gibt aber der
aktuelle Vermietungsstand auch rudimentäre Auskunft über die Werthaltigkeit der
Eigentumswohnung, denn eine über den Zeitraum der Kaufvertragsverhandlungen nicht
vermietete Wohnung kann Anlass zu der Besorgnis geben, dass sie auch langfristig
nicht rentierlich vermietet werden kann – sei es wegen der allgemein ungünstigen
Platzierung der Wohnung am Mietmarkt aufgrund äußerer Faktoren (z.B. Lage,
überdurchschnittlicher Bevölkerungsrückgang in der Gemeinde etc.) oder wegen des
Zustandes der Wohnung bzw. der Wohnanlage selbst. Ein über mehrere Monate oder –
wie hier – gar mehrere Jahre andauernder Leerstand der Wohnung beeinflusst daher
durchaus den Ertragswert und mithin den Verkehrswert der Wohnung, der bei
Kapitalanlegern von besonderem Interesse ist.
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Der Senat verkennt nicht, dass die streitgegenständliche Wohnung vorliegend im
Rahmen eines Mietpools verwaltet und vermarktet wird und mithin die tatsächlich
erzielte Miete für die konkrete Wohnung für den Kläger gerade nicht den tatsächlichen
Ertrag darstellt. Dieser besteht vielmehr in der Ausschüttung aus dem Mietpool, die
vorliegend – wegen des weitgehenden Totalausfalls der Mieteinnahmen bei der
Wohnung – höher als der tatsächliche Ertrag der konkreten Wohnung liegt. Jedoch ist
der nachhaltig erzielbare Rohertrag im Rahmen der Wertermittlung nicht die einzige
Komponente, sondern vielmehr spielt hierbei auch der Substanzwert eine Rolle, der von
der Teilnahme am Mietpool unbeeinflusst ist.
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Zudem ist jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass – wie auch die Beklagten stets
betonen – die Teilnahme am Mietpool unter der Voraussetzung der Zustimmung der C
AG gem. § 3.2 des Mietpoolvertrages vom 17.10.2000 kündbar ist und ggfls. der
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konkrete Ertrag der Wohnung wieder maßgeblich wäre. Zum anderen ist jedoch auch für
solche Kapitalanleger, die eine Wohnung erwerben wollen, die dauerhaft am Mietpool
partizipiert, deren mittel- bis langfristiger Leerstand von Bedeutung. Es erscheint
nämlich naheliegend, dass im Falle der Mitteilung des andauernden Leerstandes der
Erwerber, hier also der Kläger, die Gründe hierfür hinterfragt hätte und die Werthaltigkeit
des Mietpools einer kritischen Würdigung unterzogen hätte. Der Verkauf einer langfristig
leerstehenden Wohnung und deren Vermittlung in den Mietpool stellt zunächst einmal
eine Belastung für den Mietpool mit der zwangsläufigen Folge einer Reduzierung der
Mietpoolausschüttung dar. Zwar ist ein Leerstand von Wohnungen des Mietpools
während der Dauer der Teilnahme immer als typisches Risiko zu gewärtigen, die
Vermittlung von bereits anfänglich leerstehenden Wohnungen in den Mietpool stellt
allerdings eine besondere Belastung für den Mietpool dar, weil sich das Risiko bereits
verwirklicht hat. Selbst ein unerfahrener Kapitalanleger hätte dies erkannt und ggfls.
sein Engagement überdacht, weshalb die Aufklärung über den Leerstand zu den
Beratungspflichten der Beklagten zu 1) gehörte.
Soweit dies wie ausgeführt bei einem Unterlassen der hier gebotenen Aufklärung über
den Leerstand gilt, so gilt es erst recht für den Fall der hier vorliegenden Täuschung
durch aktives Tun in Form der Angabe im notariellen Kaufvertrag, wonach die Wohnung
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vermietet gewesen sei.
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Durch die mangelhafte Beratung der Beklagten zu 1) hat der Kläger auch einen
Schaden erlitten. Der Mietpool hat sich von Anfang an defizitär entwickelt.
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Ausgehend von den jeweils vom Mietpool an den Kläger ausgekehrten Beträgen
abzüglich der erbrachten Nachzahlungen ergibt sich eine durchschnittliche monatliche
Rendite pro Quadratmeter im Jahr 2000 von 8,25 DM, im Jahr 2001 von 7,60 DM, im
Jahr 2002 von 3,85 Euro und im Jahr 2003 von 2,65 Euro.
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Die dem Kläger in Musterberechnung und Besuchsauftrag mitgeteilte Rendite von 8,25
DM/ m² (4,22 €/m²) erzielte dieser tatsächlich mithin nur im Jahr 2000. In den Jahren
2001 bis 2003 bedingte eine ständige Unterdeckung des Mietpoolkontos, die auch zum
Jahresende 2004 nicht behoben war, eine fortschreitende Herabsenkung der Rendite
infolge ständiger Nachzahlungen, sowie der Verringerung der Mietpoolausschüttung um
1,00 €/qm ab Mai 2003. Angesichts dessen hat der Senat keine Zweifel, dass der
Mietpool objektiv in die Verlustzone geraten ist.
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Nachzahlungen, Kürzung der Mietpoolausschüttung seit Mai 2003 und die offensichtlich
einhergehende Einbuße im am Ertragswert orientierten Verkehrswert der Immobilie
stellen den Schaden des Klägers dar.
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Es besteht auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Beratungspflichtverletzung und
Kaufvertragsabschluss. Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche
Aufklärungspflichten verletzt, ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der
Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also
den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Tatsachenangaben
den Vertrag so wie geschehen geschlossen hätte (vgl. BGH NJW 1998, 302, 302).
Diesen Beweis haben die Beklagten nicht geführt. Sie haben insbesondere weder
bewiesen, dass die Motivation des Klägers zum Erwerb der Wohnung zu einem
erheblichen Teil in einer beabsichtigten Eigennutzung bestanden hat, noch dass bei
einer unterstellten Absicht dieser Art die Werthaltigkeit der Wohnung für die
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Kaufentscheidung ohne Belang gewesen wäre. Der Kläger hat noch in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat eine beabsichtigte Eigennutzung verneint. Die Aussagen
der in erster Instanz vernommenen Zeugen waren insoweit nicht ergiebig, denn der
Zeuge M hat nur bekundet, dass der Kläger "vorhatte, eventuell nach Norddeutschland
zu ziehen" während die Zeugin M2 erinnerte, "dass er äußerte, im Alter selber nach O
ziehen zu wollen." Diese Angaben, deren Gehalt mehr im Etwaigen und Unbestimmten
blieben, erbringen nicht den Beweis, dass die Kaufmotivation des Klägers zu einem
beträchtlichen Teil auf einer beabsichtigten Eigennutzung beruhte. Allenfalls lässt sich
ihnen entnehmen, dass eine solche in entfernter Zukunft nicht ausgeschlossen war.
Nach alledem hat das Landgericht dem Grunde nach daher zu Recht einen
Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung bejaht, wobei sich die Haftung des
Beklagten zu 2) aus §§ 161 I, II, 128, 1 HGB ergibt.
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Als Rechtsfolge kann der Kläger verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn
er den streitgegenständlichen Kaufvertrag und den zur Finanzierung des Kaufpreises
geschlossenen Darlehensvertrag nicht abgeschlossen hätte, § 249 I BGB.
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In diesem Fall wäre er nicht Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung
geworden; ferner hätte er das Darlehen nicht aufgenommen und das erworbene
Eigentum nicht mit einer Grundschuld belastet. Der Kläger kann mithin Ersatz
desjenigen Schadens verlangen, der sich aus dem eingesetzten Eigenkapital, den
erbrachten Nachzahlungen zum Mietpool, den Zinszahlungen auf das Vorausdarlehen
sowie der Darlehensvaluta abzüglich der erzielten Mieteinnahmen in der vom
Landgericht zutreffend ausgeurteilten Höhe zusammensetzt, Zug-um-Zug gegen
Rückübertragung der Eigentumswohnung.
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Das landgerichtliche Urteil wurde jedoch insoweit abgeändert, als dort eine Verzinsung
des Zahlbetrages ausgeurteilt wurde. Die Verpflichtung des Schuldners, eine
Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen (§ 291 BGB), setzt die
Fälligkeit der Schuld voraus. Diese ist insoweit nicht eingetreten, als den Beklagten ein
Zurückbehaltungsrecht zusteht und sie dieserhalb nur zur Zahlung Zug-um-Zug
verurteilt worden sind. Das Zurückbehaltungsrecht begründet eine verzögerliche
Einrede mit der Wirkung, dass die Forderung noch nicht fällig i. S. des § 291 Satz 1
Halbsatz 2 BGB ist. Einer Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes bedurfte es
vorliegend nicht, weil der Kläger dem Gegenrecht der Beklagten bereits durch Stellung
des Zug-um-Zug-Antrages Rechnung getragen hat (BGH NJW 73, 1234).
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Das Landgericht hat jedoch zu Recht die Feststellung der Schadensersatzpflicht der
Beklagten für weitergehende Schäden ausgesprochen. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO
erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Kläger zu einer
abschließenden Bezifferung des entstandenen Schadens derzeit nicht in der Lage ist.
Ob einzelne Positionen derzeit bereits bezifferbar sind, ist für die Zulässigkeit des
Feststellungsantrags im Übrigen unerheblich und beseitigt die Zulässigkeit der
Feststellungsklage insoweit nicht (Musielak/Foerste, 4. Aufl., § 256, Rn. 14).
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In der Sache ist das Feststellungsbegehren nach den Rechtgrundsätzen der positiven
Vertragsverletzung begründet, denn der Kläger kann von den Beklagten auch
weitergehende, ihm entstandene und auf das Beratungsverschulden zurückzuführende
Schäden ersetzt verlangen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs.
2 ZPO nicht gegeben sind. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung
zu, eine Entscheidung des Revisionsgerichts in dieser Sache ist zur Fortbildung des
Rechts oder für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht erforderlich.
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