Urteil des OLG Hamm vom 25.05.2010

OLG Hamm (stpo, zulassung, fortbildung, wiederholung, antrag, sicherung, aufklärung, beweisverwertungsverbot, beweiserhebung, interesse)

Oberlandesgericht Hamm, III-3 RBs 119/10
Datum:
25.05.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-3 RBs 119/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Bielefeld, 35 OWi 73 Js 234/10 (185/10)
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird als unbegründet
verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene
G r ü n d e :
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I.
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Durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wurde der Betroffene wegen fahrlässiger
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener
Ortschaften zu einer Geldbuße von 120,- Euro verurteilt.
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Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der
Rechtsbeschwerde.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist nur zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des
Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder das Urteil wegen
Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) aufzuheben.
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a) Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende materiell-rechtliche Überprüfung des
Urteils führt nicht zur Aufdeckung einer Rechtsfrage, die die Zulassung der
Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts gebietet. Eine Fortbildung des Rechts
kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig
und abstraktionsfähig sind. Sie besteht darin, Leitsätze aufzustellen und zu festigen, die
bei der Auslegung von Rechtssätzen und dem Ausfüllen von Gesetzeslücken zur
Anwendung kommen (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., 2009, § 80 Rn. 3). Diese
Voraussetzungen liegen nicht vor. Bei dem verwendeten Messverfahren Traffipax
"speedophot" handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Hamm OLG
Hamm VA 2004,175). Insoweit ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Frage
des erforderlichen Umfangs der tatsächlichen Feststellungen bei standardisierten
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Messverfahren hinreichend geklärt (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.08.2001, 2
Ss OWi 725/01, Verkehrsrecht Aktuell 2001, 168; OLG Hamm, Beschluss vom
24.03.2000, 2 Ss OWi 267/00, MDR 2000, 765; OLG Hamm, NStZ 1990, 546; BGHSt
39,291 = NJW 1993, 3081) . Darüber hinaus muss sich der Tatrichter nur dann von der
Zuverlässigkeit der Messungen überzeugen, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte
für Messfehler gegeben sind (vgl. OLG Hamm, NStZ 1990, 546, DAR 200,129) oder
geltend gemacht werden (OLG Dresden, VRR 2005, 315). Diese lagen aber nach den
Ausführungen der erkennenden Richterin nicht vor.
b) Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
scheidet vorliegend aus. Er wäre nur dann anzunehmen, wenn sonst schwer erträgliche
Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen würden, wobei es
darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die
Rechtsprechung insgesamt hat (vgl. Göhler, § 80 Rn. 4 m.w.Nachw.). Dies trifft etwa zu,
wenn entweder Verfahrensgrundsätze von elementarer Bedeutung verletzt sind oder
das Urteil mit Fehlern behaftet ist und entweder die Gefahr der Wiederholung besteht
oder der Fortbestand der Entscheidung zu krassen und augenfälligen, nicht mehr
hinnehmbaren Unterschieden in der Rechtsprechung führen würde (vgl.
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Göhler, § 80 Rn. 5, 6 und 8, jew. m.w.Nachw.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es ist
weder ein elementarer Verfahrensgrundsatz verletzt noch ist die angefochtene
Entscheidung mit Fehlern behaftet, die eine Wiederholung besorgen lassen oder zu
krassen, nicht mehr hinnehmbaren Unterschieden in der Rechtsanwendung führen
können.
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c) Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs.1 Nr. 2 OWiG) ist nicht
erhoben.
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d) Soweit der Betroffene die Verwertbarkeit der durchgeführten
Geschwindigkeitsmessung wegen einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage als Eingriff
in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung rügt, ist dieser mit der
Verfahrensrüge geltend zu machende Einwand nicht in zulässiger Weise ausgeführt
worden.
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Am Rande sei nur erwähnt, dass nach Auffassung des Senates das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt ist, wenn ein Betroffener bei der
Begehung eines Verkehrsverstoßes verdachtsabhängig gezielt fotografisch erfasst wird
(OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 2010, -3 RBs 46/10-; OLG Hamm Beschluss
vom 19.11.2009, -4 Ss OWi 880/09-; Beschluss vom 13.10.2009, -1 Ss Owi 780/09-).
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Wenn – wie hier – bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme nur dann Bildmaterial
erzeugt wird, wenn zuvor eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden ist
und damit der konkrete Verdacht einer Ordnungswidrigkeit besteht, ist Rechtsgrundlage
für die Herstellung von Bildaufnahmen § 100 h Abs. 1 Nr. 1 StPO iVm.
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§ 46 Abs. 1 OWiG ( vgl. auch OLG Bamberg NJW 2010, 100; OLG Stuttgart
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DAR 2010, 148) oder § 163 b StPO i.V.m. § 46 Abs.1 OWiG.
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Im Übrigen zöge eine fehlerhafte Beweiserhebung – eine solche unterstellt – nicht
zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot nach sich (vgl. Meyer-Goßner, StPO,
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52. Auflage, Einl. Rn. 55 m.w.N.; BVerfG NJW 2009, 3293 m.w.N.).Dies ist in den Fällen,
in denen keine ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht, anhand einer Betrachtung
der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BVerfG aaO).
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Danach ist nach Auffassung des Senats dem Interesse des Staates an der Aufklärung
und Ahndung massenhaft vorkommender Delikte, die u.U. erhebliche Gefahren für Leib
und Leben Dritter beinhalten und deren Nachweis auf andere Weise kaum möglich ist,
gegenüber dem Individualinteresse eines Betroffenen in Anbetracht der geringen
Schwere des Eingriffs in Form einer fotografischen Dokumentation der Vorrang zu
geben, so dass ein Verwertungsverbot zu verneinen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.
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