Urteil des OLG Hamm vom 17.08.2006

OLG Hamm: gebühr, pflichtverteidiger, rücknahme, meinung, vertreter, beratung, form, anmerkung, fax, mehrbelastung

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 134/06
Datum:
17.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 134/06
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 51 KLs 21/05
Tenor:
Unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Hagen vom 23.
Februar 2006 werden die Rechtsanwalt U aus J aus der Staatskasse zu
zahlenden Gebühren und Auslagen auf 621,37 € (in Worten: sechs-
hunderteinundzwanzig € und siebenunddreißig Cent) festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
1
I.
2
Der inhaftierte Angeklagte, dem Rechtsanwalt U als Pflichtverteidiger beigeordnet war,
ist durch Urteil des Schwurgerichts vom 15. Juli 2005 wegen Totschlags und anderen
Delikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 hat die Nebenklägerin vertreten durch ihren Beistand
Revision eingelegt. Auch der Angeklagte hat - vertreten durch seinen Pflichtverteidiger -
mit Fax vom 22. Juli 2005 "fristwahrend" Revision eingelegt, diese aber nach einem am
25. Juli 2005 geführten Gespräch mit dem Pflichtverteidiger in der Justizvollzugsanstalt
Hagen mit Fax vom 26. Juli 2005 zurückgenommen. Auch die Revision der
Nebenklägerin ist inzwischen, ohne dass sie begründet worden ist, zurückgenommen
worden.
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Unter dem 19. Oktober 2005 hat Rechtsanwalt U unter anderem die Festsetzung einer
Zusatzgebühr gem. der Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG in Höhe von 505,00 € zuzüglich
anteiliger Umsatzsteuer beantragt. Zu diesem Antrag hat die Bezirksrevisorin beim
Landgericht Hagen dahingehend Stellung genommen, dass diese Gebühr nicht anfalle,
wenn das Rechtsmittel - wie im vorliegenden Fall - nicht begründet worden sei. Mit
Beschluss vom 18. Oktober 2005 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sodann
die vorgenannte Gebühr sowie teilweise Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder
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abgesetzt und auch der hiergegen gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 21.
Dezember 2005 nicht abgeholfen. Das Landgericht hat durch den angefochtenen
Beschluss (RVGreport 2006, 229 = AGS 2006, 233) dem Pflichtverteidiger die Gebühr
Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG gewährt.
Hiergegen richtet sich nunmehr noch das weitere Rechtsmittel der Staatskasse, das
vom Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts
dahingehend erweitert worden ist, dass dem Pflichtverteidiger auch die
Verfahrensgebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG nicht zustehe. Er habe sein Rechtsmittel
nicht begründet. Die Gebühr sei auch nicht durch die Rücknahme entstanden, da eine
vorhergehende Prüfungstätigkeit des Rechtsanwalts nur sinnvoll sei, wenn ein
schriftlich begründetes Urteil vorliege. Das sei aber nicht der Fall. Hinsichtlich der
Gebühr der Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG sei eine ausreichende Mitwirkung des
Pflichtverteidigers im Hinblick auf eine sachliche Förderung der Erledigung des
Verfahrens nicht festzustellen. Zudem erfordere das Entstehen der Gebühr, dass
konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt
worden wäre. Der Pflichtverteidiger ist dem entgegengetreten. Er ist der Auffassung,
dass für eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision nicht unbedingt das schriftlich
begründete tatrichterliche Urteil vorliegen müsse. Die Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG
setze im Übrigen nicht die Anberaumung eines Revisionshauptverhandlungstermins
voraus.
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II.
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Die Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG). Sie ist auch teilweise
begründet. Dem Pflichtverteidiger steht für seine Tätigkeit im Revisionsverfahren nur
eine Verfahrensgebühr Nr. 4130, 4141 VV RVG zu. Die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3
VV RVG ist vorliegend hingegen nicht entstanden.
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1.
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Die Gebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG ist - entgegen der Ansicht des Vertreters der
Staatskasse - entstanden.
9
Nach Nr. 4130 VV RVG in Verbindung mit der Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG erhält
der Rechtsanwalt im Revisionsverfahren die Verfahrensgebühr für das "Betreiben des
Geschäfts". Darunter fallen nach allgemeiner Meinung alle nach Erteilung des Auftrags
zur Verteidigung im Revisionsverfahren bis zum Abschluss der Revisionsinstanz vom
Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeiten (vgl. Burhoff in Burhoff (Hrsg.), RVG, Straf- und
Bußgeldsachen, Nr. 4130 Rn. 10 und der Katalog der von der Nr. 4130 VV RVG
erfassten Tätigkeiten in Rn. 11). Die Einlegung der Revision selbst gehört nach § 19 Nr.
10 RVG für den Verteidiger, der in dem vorhergehenden Rechtszug bereits tätig war,
nicht zum Abgeltungsbereich der Nr. 4130 VV RVG, sondern noch zu dem der
Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens des vorhergehenden Rechtszugs
(Burhoff, a.a.O.; Nr. 4130 Rn. 6; N.Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl., Rn. 6).
Die Rücknahme der Revision und die Prüfung der Erfolgsaussichten gehören hingegen
zum Abgeltungsbereich der Nr. 4130 VV RVG.
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Danach ist nach Auffassung des Senats vorliegend die Gebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG
entstanden. Der Pflichtverteidiger hat mit Schriftsatz vom 26. Juli 2005 das von ihm für
den ehemaligen Angeklagten eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen und damit eine
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vom Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr der Nr. 4130 VV RVG erfasste Tätigkeit
erbracht.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Tätigkeit, die der Pflichtverteidiger im
Revisionsverfahren erbracht habe, sei nicht notwendig gewesen. Zwar wird in
Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass völlig überflüssige und bedeutungslose
Prozesshandlungen, die offensichtlich ohne jeden sachlichen Grund vorgenommen
werden, nur um den Gebührentatbestand zu erfüllen, keinen Vergütungsanspruch
auslösen (sollen) (vgl. dazu Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17.
Aufl., § 48 Rn. 9; OLG Oldenburg JurBüro 1991, 540, 541; KG, Beschluss vom 13.
Februar 2006, 3 Ws 463/05, www.burhoff.de, für den Fall, dass der Verteidiger der
Revision der Staatsanwaltschaft - vor Abgabe der Revisionsbegründung - mit einem
Schriftsatz entgegentritt, in dem er allein darauf hinweist, die Urteilsgründe hielten
rechtlicher Nachprüfung stand und die Verwerfung des Rechtsmittels beantragt). Dieser
Auffassung ist auch der Vertreter der Staatskasse. Dabei übersieht er jedoch, dass
diese Auffassung nur für den Fall der "völlig überflüssigen und bedeutungslosen
Prozesshandlung" vertreten wird. Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen
werden. Der Pflichtverteidiger hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass mit
dem Angeklagten verabredet gewesen sei, gegen das Urteil des Schwurgerichts vom
15. Juli 2005 nur dann - fristwahrend - Revision einzulegen, wenn die Nebenklägerin
Revision einlegt. Das ist im Hinblick auf den Grundsatz der Waffengleichheit und
Fairness nicht zu beanstanden. Dann ist es aber auch nicht zu beanstanden, wenn der
Angeklagte nach Beratung durch seinen Pflichtverteidiger über die sich aus § 400 StPO
auf das Rechtsmittel der Nebenklägerin ergebenden Folgen diese Revision wieder
zurücknimmt, wobei an dieser Stelle dahinstehen kann, welche Auswirkungen das auf
die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG hat.
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Nach Auffassung des Senats ist es - entgegen der Ansicht des Vertreters der
Staatskasse - auch nicht Voraussetzung für den Gebührenanspruch nach Nr. 4130,
4131 VV RVG, wenn dieser durch die Rücknahme einer Revision entstanden sein soll,
dass dann das schriftlich begründete tatrichterliche Urteil bereits vorliegen müsse. Der
hiesige 4. Strafsenat hat bereits in seinem Beschluss vom 20. Januar 2006 (4 Ws
221/05, www.burhoff.de) darauf hingewiesen, dass das noch nicht einmal für die
Begründung der Revision durch den in der tatrichterlichen Hauptverhandlung
anwesenden Verteidiger der Fall sein müsse. Dem schließt sich der Senat an. Geht man
aber davon aus, muss der Verteidiger für die Rücknahme einer nicht begründeten
Revision erst recht das angefochtene Urteil nicht kennen. Das gilt insbesondere dann,
wenn - wie hier - das Rechtsmittel fristwahrend eingelegt worden ist und zudem noch
eine Beratung des Angeklagten über den Auswirkungsbereich des § 400 StPO
stattgefunden hat. Ob im Fall eines erkennbaren Missbrauchs etwas Anderes gilt, kann
dahinstehen, da ein solcher nach Auffassung des Senats auf keinen Fall vorliegt.
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2.
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Die vom Pflichtverteidiger geltend gemachte Gebühr Nr. 4130, 4141 VV RVG ist
hingegen nicht entstanden. Insoweit folgt der Senat im Ergebnis dem Vertreter der
Staatskasse.
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Nach 4141 VV RVG steht dem Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr zu, wenn - in
bestimmten in der Anmerkung 1 näher beschriebenen Fallgestaltungen - durch die
anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Sie entsteht bei
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Vorliegen der Voraussetzungen zusätzlich zu der jeweiligen (gerichtlichen)
Verfahrensgebühr. Nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff 3 VV RVG entsteht die Gebühr nach der
durch das RVG erfolgten Neuregelung nun auch dann, wenn sich das gerichtliche
Verfahren durch Rücknahme der Revision erledigt. Nach Nr. 4141 Anm. 2 VV RVG
entsteht die Zusatzgebühr jedoch nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens
gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht ersichtlich ist.
Sinn der Zusatzgebühr ist es, anwaltliche Tätigkeiten abzugelten, die zu einer
Vermeidung der Hauptverhandlung führen. Sie übernimmt den Grundgedanken der
Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO und erweitert ihn auf Verfahrenserledigungen, die
durch Revisionsrücknahmen eintreten. Die Regelung sollte intensive und
zeitaufwendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der
Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der
Hauptverhandlungsgebühr führten, gebührenrechtlich honorieren (vgl. BT-Drucks.
12/6962, S. 106). Der Gesetzgeber hat sich von ihr insbesondere einen
Entlastungseffekt für die Revisionsgerichte versprochen (vgl. Burhoff, a.a.O., Nr. 4141
VV Rn. 37; vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 228).
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a) Die Auslegung der neuen Vorschrift ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung
umstritten. Teilweise wird es als ausreichend angesehen, wenn der Verteidiger ohne
vorherige Revisionsbegründung allein die Erfolgsaussichten der Revision mit dem
Mandanten erörtert hat (s. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2005, 111-1
Ws 288/05, www.burhoff.de; so auch die Strafkammer im angefochtenen Beschluss).
Die wohl überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung verlangt hingegen, dass
zumindest eine Revisionsbegründung vorliegen müsse, da anderenfalls wegen
Unzulässigkeit der Revision schon deshalb eine Revisionshauptverhandlung
ausscheide (vgl. KG JurBüro 2005, 533 = AGS 2005, 434 m. Anm. Schneider AGS
2005, 435 = RVGreport 2005, 352; OLG Braunschweig RVGreport 2006, 228 = AGS
2006, 232; OLG Bamberg, Beschluss vom 22. März 2006, 1 Ws 142/06, www.burhoff.de;
ähnlich LG Duisburg RVGreport 2006, 230). Teilweise wird die Frage darüber hinaus
noch restriktiver gesehen, wenn davon ausgegangen wird, die Gebühr nach Nr. 4141
Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG entstehe nur dann, wenn nach Begründung der Revision
konkrete Anhaltspunkte für die Anberaumung einer Revisionshauptverhandlung
bestünden (vgl. KG, Beschluss vom 4. Mai 2006 - 4 Ws 57/06, www.burhoff.de; OLG
Zweibrücken AGS 2006, 74; OLG Hamm, Beschluss vom 28. März 2006, 1 Ws 203/06,
www.burhoff.de, allerdings ohne nähere Begründung und Beschluss vom 20. Juni 2006,
4 Ws 144/06, www.burhoff.de).
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In diesem Meinungsstreit schließt sich der Senat der (Mittel)Meinung an, wonach für das
Entstehen der Gebühr in der Regel zumindest die Revision begründet worden sein
muss (vgl. dazu insbesondere KG JurBüro 2005, 533 = AGS 2005, 434 mit Anmerkung
N.Schneider AGS 2005, 435 = RVGreport 2005, 352). Ist das nicht der Fall, ist von
vornherein kein Raum für eine "Vermeidung eines Hauptverhandlung", sondern muss
die Revision nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen werden.
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Weitere Voraussetzungen müssen aber - entgegen der Ansicht des Vertreters der
Staatskasse - für das Entstehen der Gebühr nicht gegeben sein. Insbesondere müssen
keine konkreten Anhaltspunkte für die Anberaumung einer Revisionshauptverhandlung,
wie etwa ein Antrag der Generalstaatsanwaltschaft oder der Bundesanwaltschaft,
vorliegen (so aber KG, Beschluss vom 4. Mai 2006, OLG Zweibrücken und der hiesige
1. und 4 Strafsenat, jeweils a.a.O.). Diese Auslegung widerspricht nach Auffassung des
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Senats zunächst dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 4141 VV RVG, der für das Entstehen
der Gebühr nach Anm. 1 Ziff. 3 die vorherigen Anberaumung der Hauptverhandlung
nicht verlangt. Die entgegenstehende Ansicht lässt sich auch nicht mit dem Sinn und
Zweck der Vorschrift begründen. Die vom Gesetzgeber gewollte Entlastung tritt auch
dann ein, wenn die Revision - nach Begründung - noch zurückgenommen wird. Dadurch
erübrigt sich ggf. für die staatsanwaltschaftlichen Behörden eine Stellungnahme zur
Revisionsbegründung (§ 349 Abs. 3 StPO) und für das Revisionsgericht eine
Entscheidung entweder in Form eines Beschlusses oder eines Urteils mit vorheriger
Prüfung des Revisionsvorbringens. Zudem wird übersehen, dass grundsätzlich auch
das Revisionsverfahren eine Entscheidung aufgrund einer Revisionshauptverhandlung
vorsieht. Dass die Praxis im Revisionsverfahren eine andere und die Entscheidung
aufgrund einer Hauptverhandlung eher die Ausnahme ist und deshalb das Entstehen
der Befriedungsgebühr im Revisionsverfahren möglicherweise an andere bzw. weitere
Voraussetzungen zu knüpfen ist, mag der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren bei
der Neuregelung der Nr. 4141 VV RVG und deren Ausdehnung auch auf das
Revisionsverfahren übersehen haben. Das rechtfertigt nach Auffassung des Senats
aber nicht, das Entstehen der Gebühr von zusätzlichen Voraussetzungen, wie der
konkreten Aussicht auf die Anberaumung eines Revisionshauptverhandlungstermins,
abhängig zu machen. Abgesehen davon, dass die Gebühr dann im Zweifel in der Praxis
kaum entstehen würde, was nicht Sinn und Zweck der Neuregelung sein kann, ist auch
im Revisionsverfahren die (theoretische) Möglichkeit der Entscheidung aufgrund einer
Revisionshauptverhandlung nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch fiskalische
Interessen rechtfertigen die einengende Auslegung nicht. Schließlich übersieht auch der
Senat nicht, dass die Erstreckung der Befriedungsgebühr des § 84 Abs. 2 BRAGO auch
auf den Fall der Rücknahme der Revision zu einer vom Gesetzgeber möglicherweise
übersehenen potenziellen Mehrbelastung bei den Tatgerichten führt, wenn vermehrt
allein aus Kostengründen von Verteidigern Revisionen eingelegt werden und damit die
Tatgerichte nicht von der Möglichkeit des § 267 Abs. 4 StPO Gebrauch machen können.
Es ist aber Aufgabe des Gesetzgebers, wenn solcher Missbrauch erkennbar wird, dem
durch eine Änderung bzw. Beschränkung der Nr. 4141 Anm. Ziff. 3 VV RVG zu
begegnen.
b) Auf dieser Grundlage ist vorliegend die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG nicht
entstanden, da der Verteidiger das Rechtsmittel nicht begründet hatte.
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Auch die übrigen im Zusammenhang mit der Revision und deren Rücknahme
entwickelten Tätigkeiten führen trotz der nicht erfolgten Begründung nicht
ausnahmsweise zum Entstehen der Gebühr. Zwar hat der Verteidiger in seiner
Stellungnahme darauf hingewiesen, dass er mit dem Mandanten über die
Erfolgsaussichten des Rechtsmittels der Nebenklägerin gesprochen habe. Das ist aber
eine von der Verfahrensgebühr Nr. 4130, 4131 VV RVG erfasste Tätigkeit und kein
darüber hinausgehender Beitrag auf Förderung der Erledigung des Verfahrens, der als
Mitwirkung i.S. der Nr. 4141 Anm. 2 VV RVG anzusehen wäre und dann ggf. den Ansatz
der Gebühr rechtfertigen würde. Dabei darf nämlich vorliegend nicht übersehen werden,
dass nicht nur der Pflichtverteidiger sein Rechtsmittel nicht begründet hatte, sondern
noch nicht einmal das schriftlich begründete Urteil des Landgerichts vorlag und zudem
auch die Revision der Nebenklägerin nicht begründet war. In solchen Fällen wird der
Verteidiger erklären müssen, wodurch er - nachdem er, auch wenn er (nur) fristwahrend
Revision eingelegt hatte, er zunächst offensichtlich von der Verletzung sachlichen
Rechts ausgegangen war - nun die Erkenntnis gewonnen hat, das Urteil sei doch frei
von Rechtsfehlern, obgleich er weder das Urteil in schriftlicher Form noch nicht
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vorliegen hatte (vgl. dazu für den Fall der Rücknahme nach Revisionsbegründung
Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats in 4 Ws 221/05) noch die Revision der
Nebenklägerin begründet worden war.
Der Senat weist abschließend darauf hin, dass er in Zukunft in den Fällen der
Rücknahme der Revision bei der Prüfung des Entstehens der Gebühr Nr. 4141 Anm. 1
Ziff. 3 VV RVG besonderes Gewicht auf die Frage der "Mitwirkung" des Rechtsanwalts
legen wird. Zwar muss diese grundsätzlich nicht erheblich sein, in den Fällen der Nr.
4141 Anm. 1 Ziff. 3 entsteht die Gebühr aber nach Auffassung des Senats in der Regel
zumindest dann nicht, wenn der Rechtsanwalt die nicht begründete Revision vor
Kenntnisnahme vom schriftlich begründeten Urteil zurückgenommen hat. Zumindest
wird der Verteidiger in diesen Fällen erklären müssen, warum er entgegen der in der
Revisionseinlegung liegenden Kundgabe, dass man von Rechtsfehlern ausgehe, nun
offenbar doch vom Gegenteil überzeugt ist, so dass die Revision zurückgenommen wird.
Wann darüber hinaus die Mitwirkung des Rechtsanwalts zu verneinen ist, ist eine Frage
des jeweiligen Einzelfalls.
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