Urteil des OLG Hamm vom 23.10.2008

OLG Hamm: schlüssiges verhalten, widerklage, verantwortlichkeit, abnahme, pumpe, gerät, aufrechnung, unternehmer, werk, verzug

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 62/08
Datum:
23.10.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 62/08
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 O 181/05
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels – das am 11.3.2008 verkündete Urteil des
Landgerichts Essen teilweise abgeändert.
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 16.8.2005
(05-2051538-1-0 sowie 05-2051538-2-8) wird in Höhe weiterer 3.645,00
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 22.7.2005 aufrechterhalten.
Im übrigen bleibt der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage bleibt bestehen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben zu 84 % die
Klägerin und zu 16 % die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 82 % der Klägerin und
zu 18 % den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
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Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
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1.
4
Die Vergütung i. H. v. 3.465,00 € für die Installation und Überlassung von
Trocknungsgeräten im Tiefgeschoss nach dem Wasserschaden Ende März 2004 hat
das Landgericht der Klägerin zu Unrecht versagt.
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a)
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Der Anspruch auf sie ergibt sich aus einem gemischten Werk- und Mietvertrag gemäß
§§ 631 Abs. 1, 535 Abs. 2 BGB, der zwischen den Parteien unter der Bedingung
zustandegekommen ist, dass eine Verantwortlichkeit der Klägerin für die
vorangegangene Überschwemmung nicht feststellbar sein würde. Von einem solchen
bedingten Vertrag ist bei einer Aufforderung zu mangel- oder schadensbeseitigenden
Maßnahmen durch den Bauherrn zumindest dann auszugehen, wenn der Unternehmer
ein Vergütungsverlangen für den Fall seines Nichtvertretenmüssens ausdrücklich
ankündigt und der Bauherr die Maßnahmen daraufhin widerspruchslos in Anspruch
nimmt (vgl. OLG Karlsruhe BauR 2003, 1241). Eine derartige Ankündigung ist hier in
dem Faxschreiben der Klägerin vom 5.4.2004 erfolgt, welches neben dem Architekten
und dem Ingenieurbüro auch an die Beklagten persönlich gerichtet war; den Zugang
haben sie nicht bestritten. Da sie in der Folgezeit die Trocknungsgeräte weiter in ihrem
Haus in Betrieb gehalten und dem Schreiben vom 5.4.2004 auch nicht widersprochen
haben, haben sie selbst durch schlüssiges Verhalten – ohne dass es auf die fehlende
Vertretungsmacht ihres Architekten ankommt – das bedingte Vertragsangebot der
Klägerin angenommen. Die Vergütungspflicht für den Fall, dass die Klägerin die
Überschwemmung nicht zu vertreten hat, stellen sie denn in ihrer Berufungserwiderung
auch nicht in Abrede.
7
b)
8
Entgegen dem Landgericht ist eine Einstandspflicht der Klägerin indes tatsächlich nicht
festzustellen.
9
Dass die Überschwemmung durch einen Ausfall der von ihr installierten Tauchpumpe
ausgelöst worden ist, hat sie zwar nicht bestritten, sondern im Gegenteil in ihrem o. g.
Faxschreiben selbst eingeräumt und auch später keine Alternativursache benannt,
obwohl ihr ja die gesamte Wasserinstallation des Hauses bekannt ist.
10
Die bloße Tatsache, dass ein elektrisches Gerät mehrere Monate nach Lieferung bzw.
Abnahme einmalig nicht arbeitet, lässt jedoch nicht auf einen bei Abnahme
vorliegenden oder auch nur "bereits angelegten" Defekt schließen. Um so mehr gilt das,
wenn, wie hier, das Gerät sich anschließend durch erneutes Einschalten wieder
einwandfrei in Betrieb setzen lässt und danach über einen erheblichen Zeitraum
störungsfrei weiterläuft. Dies vermag der Senat auch ohne Hinzuziehung eines
elektrotechnischen Sachverständigen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung zu
beurteilen. Die Möglichkeit einer konkreten technischen Aufklärung der Ausfallursache
besteht aufgrund der inzwischen vergangenen Zeit und zumindest ca. zweijährigen
weiteren Benutzung der Pumpe ebenfalls nicht mehr.
11
Diese Umstände müssen zu Lasten der für einen im Abnahmezeitpunkt bestehenden
Mangel beweisbelasteten Beklagten gehen. Eine entsprechende Anwendung der bei
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Verbraucherkaufverträgen geltenden Beweislastumkehr für Mängel, die sich innerhalb
der ersten 6 Monate nach Gefahrübergang zeigen (§ 476 n. F. BGB), kommt nicht in
Betracht. Zum einen wird eine Übertragung der Vorschrift auf das Werkvertragsrecht in
Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, nirgends befürwortet; ihr
Anwendungsbereich wird im Gegenteil schon innerhalb des Kaufrechts restriktiv
ausgelegt (vgl. Palandt/Weidenkaff, 67. Aufl., Rn. 3 a. E. zu § 476; Münchner
Kommentar/Lorenz, BGB, 5. Aufl., Rn. 6 zu § 476; Staudinger/Matusche-Beckmann,
BGB, 2004, Rn. 7 zu § 476). Zum anderen ist wie gesagt nicht nur unaufklärbar wann,
sondern auch ob überhaupt ein Defekt der Pumpe vorlag; über die letztere Ungewissheit
würde selbst § 476 n. F. BGB nicht hinweghelfen.
Schließlich ist entgegen der im Termin geäußerten Auffassung der Beklagten auch nicht
schon der Umstand, dass die Pumpe nicht während des gesamten
Gewährleistungszeitraumes störungsfrei funktioniert hat, als solcher als Sachmangel
i. S. d. § 633 Abs. 2 BGB zu werten. Eine solche Mangeldefinition wäre mit dem Gesetz
bzw. der hier geltenden VOB/B, die beide nun einmal auf die Beschaffenheit im
Abnahmezeitpunkt (= Gefahrübergang gemäß § 644 BGB, vgl. Palandt/Sprau, 67. Aufl.,
Rn. 3 zu § 633) abstellen, nicht vereinbar und kommt deshalb auch bei hochwertigen
Produkten bzw. Werkbestandteilen nicht in Betracht.
13
c)
14
Der Vergütungsanspruch ist nicht durch die am Ende des Senatstermins erklärte
Hilfsaufrechnung der Kläger mit einem entgegengesetzten Schadensersatzanspruch (zu
ihm i. ü. näher unten 2.) erloschen, da diese Hilfsaufrechnung prozessual nicht zum
Zuge kommt und daher auch materiell-rechtlich als nicht erfolgt gilt (vgl.
Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl., Rn. 18 zu § 145; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl.,
Rn. 15 zu § 145; Münchner Kommentar/Wagner, ZPO, 3. Aufl., Rn. 26 zu § 145).
15
Die nachträgliche Hilfsaufrechnung des Schadensersatzanspruches – auch – gegen
den Vergütungsanspruch für die Trocknungsgeräte verbunden mit der Umwandlung
eines gleich hohen Anteils des Widerklageantrages (3.645,00 €) in einen
Hilfswiderklageantrag war nämlich letztlich wegen des Widerspruchs der Klägerin nicht
zuzulassen. Diese Antragsumstellung würde zwar keinen Bedenken im Hinblick auf §
533 ZPO begegnen, weil eine Erweiterung des entscheidungsrelevanten
Tatsachenstoffes nicht stattfände und es auch sachdienlich gewesen wäre, eine
wechselseitige Verurteilung zu Geldzahlungen, die aller Wahrscheinlichkeit
nachträglich doch wieder durch eine Aufrechnung aufgelöst worden wäre, zu
vermeiden. Bei der teilweisen Herabstufung der Widerklage zu einer Hilfswiderklage
handelt es sich jedoch in der Sache um eine Teilrücknahme derselben, welche nach
mündlicher Verhandlung gegen den Willen des Gegners nicht mehr zulässig ist (§ 269
Abs. 1 ZPO).
16
d)
17
Der Zinsanspruch ist gemäß § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 S. 2 gerechtfertigt. Ein vor
Rechtshängigkeit eingetretener Verzug ist nicht dargetan.
18
2.
19
Nicht zu beanstanden ist das landgerichtliche Urteil dagegen, soweit es den unstreitigen
20
Restwerklohnanspruch aus dem Hauptauftrag gemäß § 631 Abs. 1 BGB i. H. v. 4.608,88
€ als durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2,
Nr. 7 Abs. 1 VOB/B (2000) i. H. v. 16.000,00 € erloschen abgewiesen und den
verbleibenden Schadensersatzanspruch auf die Widerklage hin zugesprochen hat.
a)
21
Das Werk der Klägerin war mit einem Mangel dergestalt behaftet, dass in der Dusche
des sog. Elternbades der Anschluss zwischen Ablaufgehäuse und Aufstockelement
nicht die notwendige Dichtigkeit hatte. Diese von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. L
schon in erster Instanz festgestellte Undichtigkeit ist von der Klägerin als solche nicht
angegriffen und von dem Sachverständigen auch noch einmal im Termin überzeugend
erläutert worden.
22
Soweit die Klägerin behauptet, nicht sie, sondern die nach ihr tätig gewordene
Natursteinlegerfirma habe die Undichtigkeit herbeigeführt, indem sie den Dichtungsring
z. B. durch Einwirkung auf das Aufstockelement aus seiner ursprünglich korrekten
Position verschoben habe, hat der Sachverständige einen solchen Vorgang zwar als
möglich bezeichnet. Das würde aber an der gewährleistungsrechtlichen
Verantwortlichkeit der Klägerin nichts ändern, weil sie gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B für die
objektive Mangelfreiheit ihres Gewerkes im Zeitpunkt der Abnahme, die vorliegend erst
nach Vollendung des Natursteinbodens erfolgt ist, einstehen muss.
23
b)
24
Da eine weitere Aufklärung, ob die Klägerin oder der Natursteinleger die Undichtigkeit
des Ringes herbeigeführt hat, nicht mehr möglich ist, hat die Klägerin auch den ihr
obliegenden Nachweis, dass sie den Mangel nicht i. S. d. § 13 Nr. 7 VOB/B verschuldet
hat (vgl. Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 16. Aufl., Rn. 7 zu § 13 Nr. 7 VOB/B), nicht
geführt.
25
c)
26
Aufgrund des von ihr zu vertretenden Mangels haftet die Klägerin auch für die
Verursachung des Wasserschadens an der darunterliegenden Deckenkonstruktion.
27
Dafür bedarf es nicht einer Klärung der Frage, ob auch noch an anderen Stellen als dem
Übergang zwischen Ablaufgehäuse und Aufstockelement Undichtigkeiten vorhanden
sind, die ebenfalls für die Verursachung des Wasserschadens in Betracht kommen.
Selbst wenn sich solche weiteren Undichtigkeiten als vorhanden herausstellen würden,
wäre nämlich nach der nachvollziehbaren Aussage des Sachverständigen heute nicht
mehr feststellbar, durch welche der dann mehreren Undichtigkeiten das Wasser
seinerzeit tatsächlich in die Erdgeschossdecke gelangt ist. In dieser Situation aber ist
die deliktsrechtliche Vorschrift des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB, die bei mehreren jeweils
möglicherweise ursächlichen Schädigungsbeteiligten eine Haftung eines jeden von
ihnen begründet, auch im Vertragsrecht anzuwenden (vgl. BGH NJW 2001, 2538;
Palandt/Sprau Rn. 13 zu § 830). Beteiligte in diesem Sinne ist die Klägerin, weil es
hierfür genügt, dass die von ihr zu verantwortende Undichtigkeit abstrakt zur
Herbeiführung eines Schadens wie des vorliegend eingetretenen geeignet war
(rechtswidrige Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen, vgl. BGH NJW 1989,
2943).
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Auch wegen eines möglichen Mitverschuldens bedarf es nicht der Aufklärung möglicher
weiterer Undichtigkeitsstellen, weil die für diese verantwortlichen anderen Unternehmer
im Verhältnis zur Klägerin nicht Erfüllungsgehilfen der Beklagten wären, ihr
Verschulden den Beklagten daher nicht zugerechnet würde. Vielmehr würde eine
gesamtschuldnerische Haftung bestehen.
29
Wegen der unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegebenen Relevanz weiterer
Undichtigkeitsstellen liegt in der Weigerung der Beklagten, eine Aufklärung in dieser
Richtung zu ermöglichen, auch keine Beweisvereitelung.
30
d)
31
Soweit es sich bei den von den Beklagten geltend gemachten Aufwendungen um
solche zur Beseitigung der Undichtigkeit selbst, d. h. des Mangels und nicht des
Folgeschadens, handelt, was nach den Ausführungen des Sachverständigen einen
Teilbetrag von 2.900,00 € (nebst Mehrwertsteuer und anteiliger Regiekosten) betrifft,
hätte es gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B zwar grundsätzlich zunächst einer befristeten
Mängelbeseitigungsaufforderung an die Klägerin bedurft, um anschließend zu einem
Ersatzanspruch in Geld übergehen zu können. Eine solche war bzw. ist jedoch im
vorliegenden Fall entbehrlich, weil die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für den Mangel
während des gesamten Rechtsstreits, insbesondere auch noch nach Vorliegen des
erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens bis hin zur Berufungsinstanz (vgl. S. 6
vorletzter Absatz der Berufungsbegründung), ernsthaft von sich gewiesen hat.
32
e)
33
Die vom Sachverständigen ermittelte und vom Landgericht zuerkannte Schadenshöhe
von 16.000,00 € ist vom Senat ohne weitere Aufklärung zugrundezulegen.
34
Nachdem der Sachverständige die Schadensbeseitigungskosten auf diese, den
ursprünglich geltend gemachten Betrag übersteigende Summe beziffert hat, haben sich
die Beklagten seine Schadensermittlung zu eigen gemacht und die Widerklage
entsprechend erhöht. Dies war unabhängig davon, ob sich der Sachverständige mit
seinem Vorgehen im Rahmen des Beweisbeschlusses gehalten hat oder nicht,
zulässig. Dass die Klägerin ihrerseits mit Schriftsatz vom 11.1.2008 ausdrücklich auf
Fragen und Einwendungen zu dem Gutachten – "Rechtsausführungen jedoch
vorbehalten" – verzichtet hat, lässt zumindest naheliegend erscheinen, dass sie damit
ihr Bestreiten der ursprünglich bezifferten Schadensaufwendungen fallengelassen hat,
so dass sie mit ihm nunmehr gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen wäre. Selbst
wenn man dies jedoch nicht annähme, wäre sie aber zumindest mit Einwendungen
gegen das Gutachten gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, was in der Sache zu
demselben Ergebnis führt, nämlich dass das Ergebnis des Gutachtens für den Senat
bindend ist.
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Offensichtlich unrichtige Feststellungen, die einer solchen Bindungswirkung
möglicherweise entgegenstehen könnten, enthält das Gutachten ebenfalls nicht. So
können beispielsweise die zunächst sehr hoch erscheinenden Kosten für Demontage,
Einlagerung und Remontage der Duschtrennwand (Pos. 1: 600,00 € netto) mit der sehr
aufwendigen Konstruktion dieser Trennwand aus mehreren gebogenen Glaselementen
mit entsprechenden Wand-, Bodenabdichtungen und Scharnieren zumindest erklärbar
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sein. Gerade der fachkundigen Klägerin wäre es in einem solchen Punkt zuzumuten
gewesen, durch konkrete Darlegung eines wesentlich niedrigeren Arbeitsaufwandes
schon im Rahmen der erstinstanzlich eingeräumten Frist Anhaltspunkte für einen
Überprüfungsbedarf darzulegen.
Was die von der Klägerin ebenfalls gerügten Regiekosten anbetrifft, so bewegen sich
diese gleichfalls in dem dem Senat aus Erfahrung geläufigen Rahmen von ca. 15 % der
eigentlichen Baukosten; die Rechtsfrage, ob Regiekosten überhaupt erstattungsfähig
sind, ist bei einer anspruchsvollen Bauaufgabe wie der hier vorliegenden zu bejahen.
37
f)
38
Der Zinsanspruch auf die Widerklageforderung ist gemäß § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 S.
2 BGB gerechtfertigt.
39
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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