Urteil des OLG Hamm vom 30.07.2001

OLG Hamm: kostenregelung, ausgleichung, gleichbehandlung, gebühr, unterlassen, ausgrenzung, datum, gegenüberstellung

Oberlandesgericht Hamm, 23 W 461/00
Datum:
30.07.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 W 461/00
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 5 O 134/98
Tenor:
Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses werden die von der
Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten anderweitig auf 770,20
DM nebst 4 % Zinsen von 613,70 DM seit dem 06. Oktober 1999 und
von weiteren 156,50 DM seit dem 17. Mai 2000 festgesetzt.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens nach
einem Gegenstandswert von 156,50 DM;
die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem
Gegenstandswert von 860,75 DM tragen der Kläger zu 82 % und die
Beklagte zu 18 %.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg, soweit sie hilfsweise die
Ausgleichung einer 10/10-Vergleichsgebühr zu ihren Gunsten beantragt. Mit ihrem in
erster Linie vorgetragenen Einwand, die im Ausgangsrechtsstreit angefallenen
Vergleichsgebühren unterfielen nicht der Kostenregelung der Parteien, sondern seien
gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben anzusehen, dringt sie
hingegen nicht durch.
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§ 98 Abs. 1 ZPO kommt nicht zur Anwendung, weil die Parteien etwas anderes
vereinbart haben (§ 98 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Diese anderweitige Regelung ergibt sich aus Ziffer 2 des Prozessvergleichs der
Parteien vom 23.09.1999. Danach sind die "Kosten des Rechtsstreits" zwischen dem
Kläger und der Beklagten zu quoteln. Eine solche Kostenregelung soll sich in aller
Regel auch auf die durch den Vergleichsabschluss verursachten Kosten erstrecken.
Dem steht die Unterscheidung in § 98 ZPO zwischen den Kosten des Vergleichs und
denen des Rechtsstreits nicht entgegen. Darin liegt keine sachliche Ausgrenzung der
vergleichsbedingten Aufwendungen von den Kosten des Rechtsstreits. Letztere
umfassen sämtliche unmittelbar prozessbezogenen Auslagen der Parteien, zu denen
auch die Kosten eines Prozessvergleichs zählen. Die Gegenüberstellung der Kosten
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des Rechtsstreits zu den Vergleichskosten erklärt sich allein dadurch, dass die
rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreitkosten von der Vermutung in Satz 1 dieser
Vorschrift ausgenommen sind (vgl. hierzu OLG Düsseldorf MDR 1999, 119; OLG
München MDR 1997, 787; OLG Hamburg JurBüro 1978, 1023 jeweils mwN; Zöller-
Herget, ZPO, 22. Aufl., §§ 103, 104, Rn 21:"Prozessvergleich" e)). Etwas anderes gilt
nur dann, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Parteien trotz der Verwendung
des Begriffs "Kosten des Rechtsstreits" die Vergleichskosten von der getroffenen
Kostenregelung einverständlich ausnehmen wollten (vgl. OLG Düsseldorf und OLG
München jeweils a.a.O.). Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr spricht
alles für eine übereinstimmend gewollte abschließende Kostenregelung in Ziffer 2 des
Vergleichs. Andernfalls hätte sich die gerichtliche Verfahrensgebühr in Hinblick auf die
durch das Gericht zu treffende Entscheidung über die Kosten des Vergleichs (§ 308
Abs. 2 ZPO) nicht gemäß Ziffer 1202 KV der Anlage 1 zu § 11 GKG von 2.145 DM auf
715 DM ermäßigt. Es ist daher auszuschließen, dass die Parteien im Rahmen der
Kostenregelung der Ziffer 2 die Vergleichskosten bewußt ausgelassen haben. Wäre
diese Vorstellung bei beiden vorhanden gewesen, hätte es nahegelegen, dies
ausdrücklich im Vergleichstext zu manifestieren. Mangels entsprechender Regelung
folgt daraus ein übereinstimmender Wille der Parteien, mit Ziffer 2 sämtliche Kosten
einschließlich der Vergleichskosten zu verteilen (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom
26.04.2001 in 23 W 108/01).
Es bleibt demnach beim Ansatz der Vergleichsgebühr (1.565,00 DM) zugunsten des
Klägers. Allerdings ist zusätzlich die nunmehr im Beschwerdeverfahren von der
Beklagten hilfsweise nachgemeldete Vergleichsgebühr zu berücksichtigen. Hierbei
handelt es sich nicht um einen Fall der Nachfestsetzung, sondern um eine Abänderung
des angefochtenen Beschlusses aufgrund der zulässigen Beschwerde der Beklagten.
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Die Gebühr des § 23 BRAGO war als sog. "Aktgebühr" mit Abschluss des
Prozessvergleichs der Parteien von beiden Prozessbevollmächtigten verdient und
gemäß der Kostenregelung der Ziffer 2 zwischen den Parteien auszugleichen. Bei
richtiger Verfahrensweise hätte die Rechtspflegerin daher nach Anmeldung der
Vergleichsgebühr durch den Kläger die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der gemäß §
242 BGB gebotenen Gleichbehandlung auf ihren insoweit ebenfalls berechtigten
Ausgleichungsanspruch hinweisen müssen. Dass die Beklagte in diesem Fall schon im
Festsetzungsverfahren die Ausgleichung der auf ihrer Seite ebenfalls angefallenen
erstattungsfähigen Vergleichsgebühr beantragt hätte, ist zu unterstellen. Das
Unterlassen eines solchen Hinweises stellt einen Verfahrensfehler des
Festsetzungsverfahrens im Sinne des § 539 ZPO dar. Dieser führt im vorliegenden Fall
jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Rechtspflegerin
des Landgerichts. Vielmehr ist eine abschließende Entscheidung des Senats geboten,
weil hierfür keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind.
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Im Ergebnis verkürzt sich damit der Erstattungsanspruch des Klägers um den auf den
Kläger entfallenden Quotenbetrag der Vergleichsgebühr der Beklagten von 704,25 DM (
= 45 % von 1.565,00 DM) auf den Betrag von 770,20 DM (festgesetzt: 1.474,45 DM ./.
704,25 DM). Der angefochtene Beschluss war dementsprechend abzuändern.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Wertfestsetzung trägt dem
Abänderungsinteresse der Beklagten Rechnung ( §§ 12 GKG, 3 ZPO).
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