Urteil des OLG Hamm vom 19.03.1998

OLG Hamm (wiederherstellung des früheren zustandes, reparatur, toleranzgrenze, reparaturkosten, abrechnung, eintritt des schadens, vertretbare sache, grenze, wiederherstellung, abzug)

Oberlandesgericht Hamm, 6 U 192/97
Datum:
19.03.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 192/97
Vorinstanz:
Landgericht Paderborn, 3 O 81/97
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. August 1997 verkündete
Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird
zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Beklagten verurteilt bleiben,
als Gesamtschuldner an die Klägerin 18.762,12 DM nebst 4 % Zinsen
seit dem 6.1.1997 zu zahlen; wegen des darüber hinausgehenden
Betrages ist das Urteil des Landgerichts wirkungslos.
Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Beklagten bis auf einen
Betrag von 100,00 DM, den die Klägerin zu den Gerichtskosten
beizutragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in
dieser Höhe Sicherheit leistet. Die Parteien können die Sicherheit durch
eine unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder
Genossenschaftsbank leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin verlangt auf Reparaturkostenbasis restlichen Ersatz des Schadens, der am
20.2.1996 an ihrem Lastzug, bestehend aus einer Zugmaschine vom Typ Mercedes
Benz und einem Anhänger vom Typ ... entstanden ist. Die Einstandspflicht der
Beklagten ist außer Streit. Der von der Klägerin beauftragte Schadensgutachter
ermittelte unter dem 22.2.1996 für die Zugmaschine folgende Werte (jeweils ohne
Mehrwertsteuer) und Daten:
2
Wiederbeschaffungswert
49.500,00
DM
3
Restwert
8.000,00
DM
Reparaturkosten
62.595,10
DM
Abzug Neu für Alt (NfA)
3.560,20
DM
Reparaturkosten nach Abzug NfA
59.034,90
DM
4
Wertminderung
nicht gegeben
Reparaturdauer
22-25 Arbeitstage
Wiederbeschaffungsdauer
24-26 Werktage.
5
6
Die Klägerin ließ die Zugmaschine bei der Firma ... reparieren, die ihr
unter dem
12.4.1996 netto
64.437,32 DM
in Rechnung stellte.
Diesen Betrag, gekürzt um Abschleppkosten von
450,00
DM,
insgesamt also
63.987,32 DM
7
hat die Klägerin ihrer Abrechnung zugrunde gelegt und hat
8
hiervon als Zahlung der Beklagten zu 1)
42.100,00
DM
abgezogen.
9
Den restlichen nach ihrer Berechnung verbleibenden
10
Fahrzeugschaden von
21.887,32
DM
11
hat die Klägerin mit der Klage geltend gemacht,
12
ferner Bergungskosten in Höhe von
1.035,00 DM
sowie eine restliche Unkostenpauschale von
100,00
DM,
insgesamt also
23.022,32 DM.
Das Landgericht ist dieser Berechnung gefolgt und hat lediglich als
Wertverbesserung
Neu für Alt
3.560,20 DM
sowie die restliche Unkostenpauschale von
100,00
DM
abgezogen, und hat durch das angefochtene
Urteil der Klägerin
19.362,12 DM
zuerkannt.
13
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, das Integritätsinteresse der Klägerin
rechtfertige eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis.
14
Mit der Berufung machen die Beklagten geltend, sie hätten nur den an Hand des
Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) errechneten
Fahrzeugschaden zu ersetzen; der Schadensersatzanspruch könne hier nicht an dem
Reparaturkostenaufwand ausgerichtet werden, weil dabei die von der Rechtsprechung
gezogene Toleranzgrenze von 130 % des Wiederbeschaffungswertes überschritten
werden; ohnehin könne eine Überschreitung der durch den
Wiederbeschaffungsaufwand gezogenen Wirtschaftlichkeitsgrenze durch Abrechnung
höherer Reparaturkosten im Rahmen des Toleranzbereichs nur bei privat genutzten
Pkw hingenommen werden, nicht aber - wie hier - bei gewerblichen Nutzfahrzeugen.
15
Sie wenden sich ferner gegen den Ansatz der vom Landgericht zugesprochenen
Bergungskosten.
16
Die Beklagten beantragen,
17
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
18
Die Klägerin läßt sich außer den vom Landgericht berücksichtigten Zahlungen der
Beklagten zu 1) weiter 600,00 DM als Zahlung auf die Bergungskosten anrechnen.
Unter Rücknahme der weitergehenden Klage beantragt sie,
19
1.
20
das landgerichtliche Urteil mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, daß die Beklagten
verurteilt bleiben, als Gesamtschuldner an sie 18.762,12 DM nebst 12 % Zinsen seit
dem 06.01.1997 zu zahlen;
21
2.
22
im übrigen die Berufung zurückzuweisen.
23
Sie hält an der Abrechnung auf Reparaturkostenbasis fest und verteidigt das
erstinstanzliche Urteil.
24
Entscheidungsgründe
25
Die Berufung ist nicht begründet.
26
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Fahrzeugschadens richtet sich nach den
Reparaturkosten, obwohl diese den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen.
27
1.1
28
Wer bei einem Verkehrsunfall einen Fahrzeugschaden erleidet, hat im Ausgangspunkt
gemäß § 249 Satz 1 BGB Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes
(Naturalrestitution). Gemäß § 249 Satz 2 BGB kann er die Schadensbehebung selbst in
die Hand nehmen und statt der Wiederherstellung des früheren Zustandes vom
Schädiger den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
29
Der Reparaturaufwand übersteigt oftmals nicht unerheblich den Wert, den das Fahrzeug
vor Eintritt des Schadens hatte. Die unter den Voraussetzungen des § 251 BGB
angeordnete Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf das Wertinteresse läuft
bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges in der Praxis weitgehend leer, weil nach
der Rechtsprechung des BGH als Wiederherstellung i.S.d. § 249 BGB nicht nur die
fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs anzusehen ist; vielmehr wird auch die
Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs als eine Form der Naturalrestitution
begriffen (vgl. BGHZ 66, 239 = NJW 76, 1396; BGHZ 92, 85 = NJW 84, 2282; BGHZ
115, 364 = VersR 92, 61 = NJW 92, 302; BGHZ 115, 375 = NJW 92, 305; NJW 92,
1618). Dabei bestimmt sich der i.S.d. § 249 BGB "erforderliche" Geldbetrag
grundsätzlich nach der wirtschaftlich günstigeren Alternative der Naturalrestitution; es
sind als Reparaturaufwand (Reparaturkosten zzgl. Minderwert) und
Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) miteinander zu
vergleichen.
30
Das Schrifttum ist der grundsätzlichen Einordnung der Ersatzbeschaffung als
alternativer Form der Wiederherstellung ganz überwiegend nur bei der - praktisch
verhältnismäßig seltenen - Beschädigung eines fabrikneuen Fahrzeugs gefolgt; nur
dann sei eine vertretbare Sache betroffen, die durch das Ersatzfahrzeug tatsächlich
substituiert werden könne (vgl. Medicus, JuS 73, 212; derselbe, in: Staudinger, BGB, 12.
Aufl. 1983, § 249 Rdn. 204; Palandt/Heinrichs § 251 Rdn. 3; Grunsky, in MK-BGB, § 251
Rdn. 4; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl. 1997, Anhang I Rdn. 28;
Reiff NZV 96, 425; Schiemann NZV 96, 5; dagegen dem BGH zustimmend Lipp, NZV
96, 7). Die Vertreter dieser Auffassung greifen bei unverhältnismäßig hohen
Reparaturkosten zur Begrenzung des Schadensersatzanspruchs auf § 251 BGB zurück.
31
Aber auch nach der Rechtsprechung des BGH gilt das Wirtschaftlichkeitspostulat,
wonach von den beiden Formen der Naturalrestitution grundsätzlich die wirtschaftlich
günstigere für die Bestimmung des i.S.d. § 249 BGB "erforderliche" Geldbetrages
32
maßgeblich ist, in strenger Form nur dann, wenn der Geschädigte auf eine fachgerechte
Reparatur verzichtet, also nur eine notdürftige Billigreparatur vornimmt oder das
Fahrzeug unrepariert veräußert. Dokumentiert er dagegen sein Interesse an der
Integrität seines vertrauten Fahrzeuges durch eine tatsächlich vorgenommene
fachgerechte Reparatur, so wird dieses Integritätsinteresse zu Lasten des Schädigers
geschützt, allerdings auch nicht uneingeschränkt: Der Geschädigte darf sich auch dann
noch zu Lasten des Schädigers zur Reparatur entschließen, wenn diese zwar teurer
(und damit im strengen Sinne bereits unwirtschaftlich) ist, aber beim Kostenvergleich die
Toleranzgrenze nicht überschritten wird; diese wird in der Praxis im Regelfall bei 130 %
des Wiederbeschaffungswertes - und zwar an dieser Stelle ohne Abzug des Restwertes
- gezogen (vgl. BGH NJW 92, 302 und 305 = VersR 92, 61 und 64 = r + s 92, 15 und 16).
Der Senat hat sich der Rechtsprechung des BGH angeschlossen (vgl. NZV 93, 433; r +
s 98, 64 = OLGR Hamm 98, 41), weil sie - wenn auch dogmatisch bedenklich -
praktikabel ist und wirtschaftlich im allgemeinen zu vernünftigen Ergebnissen führt. Es
darf freilich nicht verkannt werden, daß im Einzelfall - vor allem dadurch, daß der
Restwert bei der Berechnung der Toleranzgrenze außer Acht gelassen wird - die
Naturalrestitution durch Reparatur für den Geschädigten soviel teurer werden kann als
diejenige durch Wiederbeschaffung, daß das mit der in § 251 II 1 BGB getroffenen
gesetzlichen Wertung nur noch schwer in Einklang gebracht werden kann (vgl. das
Berechnungsbeispiel von: Schiemann, NZV 96, 1 unter V 1 a.E.). Auch im vorliegenden
Fall müssen die Beklagten zur Behebung des Fahrzeugschadens durch Reparatur etwa
50 % mehr aufwenden als bei Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs.
33
1.2
34
In den vom BGH entschiedenen veröffentlichten Fällen, die sich mit der Frage des
Abrechnungsmodus - speziell mit der bei 130 % gezogenen Toleranzgrenze - befassen,
ging es soweit ersichtlich jeweils um privat genutzte Personenkraftwagen. Das OLG
Düsseldorf hat die Toleranzgrenze an Stelle der Wirtschaftlichkeitsgrenze auch bei
einem Pkw als maßgeblich angesehen, der als Taxi gewerblich genutzt wurde (r + s 97,
286 = SB 97, 194). Bei einer Lkw-Zugmaschine ist die Abrechnung im Rahmen der 130
%-Toleranzgrenze vom LG Coburg akzeptiert worden (vgl. NJWE - VHR 97, 130).
35
Die Berufung macht demgegenüber geltend, die Rechtsprechung zur Abrechnung im
Rahmen der 130 %-Toleranzgrenze stelle streng genommen eine schon nicht mehr
gesetzeskonforme Privilegierung des Geschädigten da; sie müsse gerade deshalb
begrenzt bleiben und dürfe nicht auch noch auf gewerblich genutzte Gegenstände
ausgeweitet werden. Sie verweist dazu auf die schadensrechtliche Sonderbehandlung
der privaten Pkw-Nutzung: Dort kann der Nutzungsausfallschaden auch abstrakt
berechnet werden, nicht aber bei betrieblich genutzten Fahrzeugen. Eine
entsprechende Begrenzung der Schadensrechtlichen Privilegierung auf privatgenutzte
Pkw halten die Beklagten auch für erforderlich, wenn es beim Abrechnungsmodus um
die Frage geht, ob die Wirtschaftlichkeitsgrenze oder die Toleranzgrenze maßgeblich
ist.
36
Der Senat ist demgegenüber der Auffassung, daß das durch eine fachgerechte
Reparatur dokumentierte Integritätsinteresse des Geschädigten auch bei gewerblich
genutzten Kraftfahrzeugen - LKW ebenso wie Pkw - eine Abrechnung im
Toleranzbereich zuläßt. Wenn die Rechtsprechung in diesem Bereich Einschränkungen
der streng wirtschaftlichen Betrachtung hinnimmt, so will sie damit nicht das bloße
37
Affektionsinteresse des Eigentümers privilegieren, der "sein Fahrzeug lieb gewonnen
hat und deshalb auf seinen weitere Benutzung nicht verzichten möchte", wie es die
Beklagten in erster Instanz vorgetragen haben (vgl. auch Freundorfer, VersR 92, 132,
133: "eigentlich unsinnige emotionale Bindung"; Jordan VersR 78, 688, 691: "mit
Wehmut Abschied nehmen", "liebstes Spielzeug" usw.). Ein derartiges Verhältnis des
Eigentümers zu seinem Fahrzeug erschiene in der Tat bei einem Nutzfahrzeug
schwerer vorstellbar und noch weniger schützenswert als bei einem privat genutzten
Pkw. Der Grund für die erweiterte Zulassung der Abrechnung auf Reparaturkostenbasis
liegt vielmehr darin, daß die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs
sein gesetzlich geschütztes Interesse an der Wiederherstellung des vor dem
Schadensfall bestehenden "integren" Zustandes regelmäßig in stärkerem Maße zu
befriedigen vermag als eine Ersatzbeschaffung (vgl. BGH NJW 92, 302 m.w.N.). Diese
gesetzliche Wertung kommt - wenngleich der BGH die Ersatzbeschaffung auch als Form
der Restitution begreift und das Wirtschaftlichkeitspostulat nicht an § 251 BGB, sondern
am Begriff der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB ausrichtet - letztlich doch auch in dem
Vorrang der Restitution gemäß § 249 BGB gegenüber der Kompensation gemäß § 251
BGB zum Ausdruck.
Wenn im übrigen der BGH das Absehen vom strengen Wirtschaftlichkeitspostulat mit
dem Interesse des Geschädigten daran begründet, den ihm vertrauten und erprobten
Wagen wiederhergestellt zu wissen und sich nicht auf den Erwerb eines ihm fremden
und möglicherweise mit verborgenen Mängeln behafteten Gebrauchtwagens verweisen
zu lassen (VersR 72, 1024), so können diese Erwägungen durchaus auch auf
Firmeninhaber oder juristische Personen zutreffen, deren Fahrzeuge ausschließlich von
Angestellten gefahren werden. Die Mitbenutzung durch den Eigentümer ist also
(entgegen der Auffassung von Rischar, SP 97, 288) keine Voraussetzung für die teure
Reparatur, denn ihm kann - vor allem bei einem Fahrzeug, das wie hier mit erprobten
und bewährten Spezialaufbauten ausgerüstet ist - durchaus auch im betrieblichen
Interesse daran gelegen sein, gerade dieses Fahrzeug weiter einsetzen zu können.
38
Die Berufung will ferner das von ihr erstrebte strenge Festhalten am
Wirtschaftlichkeitspostulat bei Nutzfahrzeugen mit dem Hinweis begründen, daß privat
genutzte Pkw schadensrechtlich eine Sonderrolle spielen, wie es bei der Behandlung
der abstrakt berechneten Nutzungsentschädigung zum Ausdruck kommt; sie meint,
derartige Sonderregeln dürften nicht ohne weiteres dadurch ausgeweitet werden, daß
eine Abrechnung der Reparaturkosten im Toleranzebereich auch bei Nutzfahrzeugen
zugelassen werde. Dabei wird verkannt, daß die Zulassung dieser Abrechnungsweise
ihren Grund nicht in den Besonderheiten der privaten Pkw-Nutzung hat. Die
Erwägungen, mit denen die Rechtsprechung den eigenwirtschaftlichen Gebrauch eines
Pkw bei der abstrakt berechneten Nutzungsentschädigung privilegiert hat (vgl. dazu
BGHZ - GZS - 98, 212 = NJW 87, 50), sind für den Abrechnungsmodus - strenges
Wirtschaftlichkeitspostulat oder Toleranzbereich - nicht relevant.
39
Im Ergebnis kann also nach Auffassung des Senats auch bei Nutzfahrzeugen im
Rahmen des Toleranzbereichs Ersatz der Reparaturkosten verlangt werden, selbst
wenn sie die Wiederbeschaffungskosten übersteigen.
40
Da diese Frage - soweit ersichtlich - bisher höchstrichterlich nicht entschieden ist, für
ihre Klärung aber ein erhebliches praktisches Bedürfnis besteht, hat der Senat die
Revision zugelassen.
41
1.3
42
Die Klägerin durfte sich zu Lasten der Beklagten zu einer Reparatur entschließen, weil
die Reparaturkosten im Toleranzbereich lagen. Zumindest ließen die bei Erteilung des
Reparaturauftrags bekannten Daten diesen Entschluß zu.
43
1.3.1
44
Angesichts des Wiederbeschaffungswertes von
49.500,00 DM
lag die 130 %-Toleranzgrenze bei
64.350,00 DM.
Da eine Wertminderung nicht eingetreten ist, beschränkt sich die Frage
zunächst darauf, ob die Reparaturkosten in dieser Grenze bleiben.
Die Reparaturkosten betrugen nach dem von der Klägerin alsbald
eingeholten Schadensgutachten
62.595,10 DM
und lagen damit unter der Toleranzgrenze; ein Abzug Neu für Alt ist
dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
45
1.3.2
46
Die Reparaturkostenrechnung der Firma ...-Automobile vom 12.4.1996
schließt demgegenüber mit
64.437,32 DM
und liegt damit - sofern kein Abzug Neu für Alt berücksichtigt wird -
geringfügig oberhalb der Toleranzgrenze.
47
Das ist aber nicht entscheidend, denn wenn der Geschädigte sich auf der Basis der ihm
bekannten Daten zulässigerweise zu einer Reparatur entschlossen hat und sie - wie
hier - in einer Fachwerkstatt ausführen läßt, kann er auf der Basis der tatsächlich
entstandenen Kosten abrechnen. Ist die Reparatur billiger geworden, kann er auch nur
in dieser Höhe Ersatz verlangen; ist sie aber teurer geworden, steht im der höhere
Betrag zu. Das gilt auch dann, wenn durch die Verteuerung die 30 %-Grenze
überschritten ist, denn bei tatsächlich ausgeführter Reparatur trägt der Schädiger das
Prognose- und das Werkstattrisiko; war die Toleranzgrenze von 130 % nach dem Inhalt
des Schätzgutachtens nicht überschritten und stellt sich erst bei Durchführung der
Reparatur heraus, daß der Gutachter Schäden übersehen hat und daß die
Reparaturkosten jetzt doch über der Toleranzgrenze liegen, hat der Schädiger die
Mehrkosten zu tragen; er kann nicht etwa nunmehr den Schädiger auf die Abrechnung
nach Maßgabe des Wiederbeschaffungsaufwands verweisen (vgl. BGH NJW 92, 302 =
VersR 92, 61 = r + s 92, 15; Otting zfs 94, 154).
48
Vor diesem Hintergrund kommt es also nicht darauf an, ob die tatsächlich erforderlichen
Reparaturkosten möglicherweise sogar noch höher lagen. Die Klägerin hat
vorprozessual auch noch die Kosten einer weiteren Rechnung der Firma ...-Automobile
vom 28.5.1996 über 2.224,40 DM dem Unfall zugeordnet, wodurch sich die Spanne
zwischen Wiederbeschaffungswert und Reparaturkosten weiter vergrößert hätte, hat das
49
aber letztlich nicht weiterverfolgt. Wären diese Kosten dem Unfall zuzuordnen gewesen,
so hätten sie nicht willkürlich aus der Vergleichsberechnung herausgenommen werden
dürfen. Da der Schadensgutachter sie aber bei seiner Prognose nicht berücksichtigt hat,
kommt es hier auf diese Kosten nicht an.
1.3.3
50
Im übrigen durfte sich die Klägerin hier auch - unabhängig von der Zuweisung des
Prognoserisikos - deswegen zu Lasten der Beklagten zur Reparatur entschließen, weil
bei Festlegung der im Rahmen der Toleranzgrenze berücksichtigungsfähigen
Reparaturkosten zunächst der Abzug Neu für Alt vorzunehmen ist, wie es das
Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Denn dabei geht es ja im
eigentlichen Sinne nicht um Kosten, die für die Wiederherstellung des früheren
Zustandes aufgewandt werden, sondern um sowieso immer einmal wieder anfallende
Kosten für Verschleißteile, die bei der unfallbedingten Reparatur vorzeitig erneuert
werden, so daß der Eigentümer eine ohnehin in absehbarer Zeit fällig werdende
verschleißbedingte Reparatur erspart. Diese Kosten gehen nicht zu Lasten des
Schädigers und geben weder unter dem Gesichtspunkt, daß unsinnige Kosten
vermieden werden sollen, noch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit etwas her für
die Frage, wie weit sich der Geschädigte mit seiner Entschließung zur Reparatur von
der durch strenge Kalkulation gezogenen Wirtschaftlichkeitsgrenze hat, und wie weit er
das zu Lasten des Schädigers durfte.
51
1.3.4
52
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß der BGH die 130 %-Grenze als solche nicht
festgelegt hat; er hat lediglich den von den Instanzgerichten zugestandenen Zuschlag
von 30 % gebilligt und betont, daß diese Grenze nicht starr ist. So können z.B. erheblich
höhere Nebenkosten der Entschließung zur Reparatur auf Kosten des Schädigers
entgegenstehen, wenn beispielsweise Ersatzteile nicht schnell zu beschaffen sind und
mit einer langen Reparaturdauer und hohen Mietwagenkosten gerechnet werden muß,
während ein Ersatzfahrzeug schnell zu beschaffen wäre. Dann muß sich der
Geschädigte eventuell zu Ersatzbeschaffung entschließen, obwohl die 130 %-Grenze
nicht überschritten ist (vgl. BGH NJW 92, 302 u. 305 = r + s 92, 15 u. 16.). Andererseits
kann die Reparatur trotz Überschreitung der 130 %-Grenze erlaubt oder sogar geboten
sein, wenn im Falle der Ersatzbeschaffung sehr hohe Nebenkosten entstehen, z.B.
durch höhe Mietwagenkosten wegen langer Lieferfristen oder durch einen hohen
Einfuhrzoll (vgl. Senat r + s 94, 258 = NZV 95, 27).
53
Im vorliegenden Fall sind aber keine hohen Nebenkosten ersichtlich, die eine
Ausschöpfung der 130 %-Grenze verbieten würden. Der Schadensgutachter hat für die
Reparaturdauer 22 bis 25 Arbeitstage (also 5 Wochen) und eine
Wiederbeschaffungsdauer von 24 bis 26 Werktagen (also ca. 4 1/2 Wochen)
prognostiziert. Dieser Unterschied rechtfertigt es nicht, die Toleranzgrenze hier
wesentlich tiefer anzusetzen, zumal weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, wie
sich der geringe, dazu noch auf Schätzungen beruhende Unterschied
abrechnungsmäßig ausgewirkt hätte. Daran ändert sich auch nichts, wenn dann
tatsächlich die Reparatur länger gedauert hat und der Kläger versucht haben sollte, 44
Ausfalltage in die vorprozessuale Abrechnung einzubringen. Denn auch insoweit trägt
der Schädiger das Prognoserisiko.
54
2.
55
Zu den Bergungskosten gilt folgendes:
56
Die Klägerin macht hier
1.035,00
DM
geltend, und zwar 3 Stunden á 105,00 DM
Lkw mit Fahrer
315,00
DM
und 12 Stunden Umladen à 60,00 DM
720,00
DM
geltend.
57
Die Beklagten bestreiten nicht, daß diese Arbeiten ausgeführt und angemessen
bewertet worden sind; sie meinen lediglich, das sei nicht ersatzfähig. Diese Auffassung
trifft nicht zu. Erbringt der, Geschädigte zur Schadensbeseitigung eigene
Arbeitsleistungen, so ist deren Wert zu ersetzen, soweit sie nach der
Verkehrsanschauung einen Marktwert haben (vgl. BGH NJW 96, 922; Palandt/Heinrichs
Vor § 249 Rdn. 37). Das gilt ebenso, wenn der Geschädigte - wie hier - eigene
Arbeitnehmer zur Schadensbeseitigung einsetzt (vgl. BGHZ 131, 225). Die dieser
Beurteilung zugrundeliegende Rentabilitätsvermutung wird hier nicht dadurch
ausgeräumt, daß die Arbeiten teilweise nachts durchgeführt wurden, weil dieser Einsatz
den Arbeitskräften irgendwie gutgebracht werden mußte, sei es durch Abfeiern oder
durch Überstundenentlohnung. Zwar sind beim Einsatz eigener Kräfte nur die
Selbstkosten (also ohne Gewinnanteile) zu ersetzen. Angesichts des unbestrittenen
Sachvortrags der Klägerin ist aber davon auszugehen, daß sie auch nicht mehr als die
Selbstkosten verlangt.
58
Ihr standen also
1.035,00
DM
zu.
Es ist nunmehr unstreitig, daß die Beklagten
darauf
600,00
DM
gezahlt haben, so daß noch
435,00
DM
zu ersetzen sind.
59
Im Ergebnis erweist sich also die Abrechnung des Landgerichts als richtig bis auf die
600,00 DM, die abgezogen werden müssen, nachdem die Klägerin insoweit die Klage
zurückgenommen hat.
60
4.
61
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97 I, 708 Nr. 10, 711, 108,
546 I S. 2 Nr. 1 ZPO.
62
Verkündet am 19. März 1998
63
, Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
64