Urteil des OLG Hamm vom 10.07.2001

OLG Hamm: firma, eintragung im handelsregister, gesellschafterversammlung, geschäftsführer, sitzverlegung, vertreter, zwischenverfügung, zustandekommen, stimmrecht, urkunde

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 81/01
Datum:
10.07.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 81/01
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 24 T 30/00
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung
aufgehoben.
Auf die Erstbeschwerde der Beteiligten zum 15. November 2000 wird
der Beschluß des Amtsgerichts vom 8. November 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das
Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf
5.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die mit Gesellschaftsvertrag vom 17.06.1994 gegründete Beteiligte, die ursprünglich
ihren Sitz in W2 hatte, wurde am 24.08.1994 unter HRB 3160 in das Handelsregister
des Amtsgerichts Gütersloh eingetragen. Gesellschafter waren zu diesem Zeitpunkt
ausweislich der zu den Registerakten gereichten Gesellschafterliste mit einem
Gesellschaftsanteil von je 100.000,00 DM eine Firma N GmbH in W2 und eine Firma C
mit Sitz in S.
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Mit notariellem Vertrag vom 16.04.1997 – UR.-Nr. 216/97 des Notars C T in W2 –
übertrug die N GmbH ihren Geschäftsanteil auf einen Herrn H, der gleichzeitig zum
neuen Geschäftsführer der Beteiligten bestellt wurde. Herr H nahm an der notariellen
Gesellschafterversammlung vom 16.04.1997 außerdem auch als Vertreter der zweiten
Gesellschafterin, der Firma C
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I BV teil. Die Eintragung des neuen Geschäftsführers in das Handelsregister erfolgte am
23.06.1998.
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In der Gesellschafterversammlung vom 19.01.1999 beschloß die Firma C, die sich
nunmehr als alleinige Gesellschafterin der Beteiligten bezeichnete, die Verlegung des
Sitzes von W nach F. Die Sitzverlegung wurde am 21.04.1999 in das Handelsregister
eingetragen, die Registerakten wurden nunmehr bei dem Amtsgericht Frankfurt unter
HRB 46991 geführt. Unter dem 01.07.1999 zeigte der Notar Dr. T zu O aus G die
Übertragung der Geschäftsanteile zu seiner UR-Nr. 255/99 vom gleichen Tag an. In der
daraufhin auf Verlangen des Registergerichtes zu den Registerakten gereichten
Gesellschafterliste vom 06.10.1999 wurde nunmehr als alleinige Gesellschafterin die
Firma O2.V. mit Sitz U 258, 2100 E (B), C2, genannt.
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Am 08.03.2000 fand eine Gesellschafterversammlung der Beteiligten statt, die ein Herr
X als vollmachtloser Vertreter für die O2.V. zur UR-Nr. 63/2000 des Notars H aus S
abhielt. In dieser Gesellschafterversammlung wurde beschlossen, den Sitz der
Gesellschaft von F nach S zu verlegen. Der Geschäftsführer H wurde als
Geschäftsführer abberufen. Der Kaufmann B X wurde zum Geschäftsführer der
Gesellschaft bestellt. Am 09.05.2000 genehmigte ein Herr S2 als Geschäftsführer der
Firma O2.V. die vorgenannten Erklärungen des Herrn X. Unter dem 17.05.2000
beantragte die Beteiligte bei dem Amtsgericht Frankfurt die Eintragung der
Sitzverlegung von F nach S. Das Amtsgericht Frankfurt leitete daraufhin die
Registerakten zur weiteren Veranlassung an das Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück
weiter, bei dem sie derzeit unter dem Aktenzeichen AR 82/00 geführt werden.
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Mit Verfügung vom 21.07.2000 wies das Registergericht daraufhin, daß weder aus der
Genehmigungserklärung noch aus sonstigen Unterlagen hervorgehe, daß Herr W
Vertretungsmacht hinsichtlich der Firma O2.V. hatte. Die Beteiligte reichte daraufhin
über den Notar eine beglaubigte Ablichtung des Handelsregisterauszug betreffend die
Firma O3.V. Belgium zu den Akten. Mit Verfügung vom 04.10.2000 wies das
Registergericht darauf hin, daß nach Aktenlage alleinige Gesellschafterin der Firma C
(Deutschland) GmbH die Firma C mit Sitz in B2, nicht aber die Firma O2.V. mit Sitz in B
sei. Es sei daher entweder die Übertragung der Geschäftsanteile oder aber die
Gesamtrechtsnachfolge in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nachzuweisen.
Außerdem sei nach § 39 GmbHG der Wechsel in der Geschäftsführung anzumelden.
Letzteres holte die Beteiligte unter dem 05.10.2000 nach. Außerdem legte sie die
Erklärung ihres Geschäftsführers vom 11.10.2000 vor, wonach er anzeigte, daß die
Firma O2.V. alleinige Gesellschafterin sei. Die Übertragung der Geschäftsanteile sei mit
Urkunde vom 01.07.1999 des Notars Dr. T zur O in G erfolgt. Der Erklärung war eine
Ablichtung der Urkunde des Notars Dr. T zur O sowie eine aktuelle Gesellschafterliste
beigefügt. Mit Verfügung vom 25.10.2000 teilte das Registergericht mit, daß eine
endgültige Überprüfung der formellen Gesellschafterstellung der Firma O2.V. noch nicht
möglich sei, vielmehr um weitere Mitteilung gebeten werde, von wann die überreichten
Vollmachten datierten. Außerdem wurde die Beteiligte zur Vorlage eines beglaubigten
Registerauszuges betreffend die Firma C aufgefordert, aus dem sich die
Vertretungsverhältnisse bezogen auf den Stichtag 01.07.1999 ergeben sollten.
Schließlich wies das Registergericht darauf hin, daß die Vollmacht der Firma O2.V.
durch einen weiteren "Managing Direktor namens Mr. I.A. T2" unterzeichnet sei und es
insoweit der Klarstellung bedürfe, was es hiermit für eine Bewandnis habe. Mit
Schreiben vom 30.10.2000 lehnte die Beschwerdeführerin über den
verfahrensbevollmächtigten Notar die Erledigung der Zwischenverfügung ab.
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Das Registergericht wies daraufhin mit Beschluß vom 08.11.2000 die Anmeldungen
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vom 17.05. und 05.10.2000 zurück. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt,
daß dem Gericht ohne Erledigung der Zwischenverfügung vom 25.10.2000 eine
Prüfung, ob die Firma O2.V. alleinige Gesellschafterin der Beteiligten sei, nicht möglich
sei. Eine solche Prüfung sei jedoch erforderlich, da das Registergericht jedenfalls bei
Satzungsänderungen und ähnlichen Beschlüssen das formell ordnungsgemäße
Zustandekommen derartiger Beschlüsse zu prüfen habe. Eine solche Prüfung verlange
aber auch den Nachweis, daß der beschlussfassenden Gesellschafterin die
Geschäftsanteile formell ordnungsgemäß übertragen worden seien.
Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte mit Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom 15.11.2000 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht
hat die Beschwerde durch Beschluß vom 01.02.2001 zurückgewiesen. Hiergegen
richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, die sie mit Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom 13.02.2000 beim Landgericht Bielefeld eingelegt hat.
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II.
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Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt.
In Verfahren betreffen die Eintragung der Abberufung eines Geschäftsführers als
deklaratorische Eintragung auf der Grundlage des § 39 GmbHG und der Änderung des
Firmensitzes als konstitutive Eintragung gemäß § 54 Abs. 3 GmbHG ist anmelde- und
beschwerdebefugt die betroffene Gesellschaft selbst, die durch ihren Geschäftsführer
gesetzlich vertreten wird.
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In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgericht auf
einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Das Rechtsmittel führt
zur Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen und zur Zurückweisung der
Sache an das Amtsgericht.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde ausgegangen.
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In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts, das sich die Rechtsauffassung
des Amtsgerichts zu eigen gemacht hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Nach § 39 GmbHG ist jede Änderung in der Person der Geschäftsführer zur Eintragung
in das Handelsregister anzumelden. Es handelt sich hier um eine deklaratorische
Eintragung im Handelsregister. Diese Eintragung dient der Kundbarmachung von
Tatsachen oder Rechtsverhältnissen, die unabhängig von der Eintragung in Wirklichkeit
bestehen. Hier ist es Aufgabe des Handelsregisters, die Eintragung unrichtiger oder
tatsächlich nicht bestehender Rechtsverhältnisse zu verhindern (vgl. KG Rechtspfleger
1997, 440). Die Prüfungspflicht des Registergerichts erstreckt sich in diesen Fällen auf
das ordnungsgemäße Zustandekommen des Gesellschafterbeschlusses, insbesondere
darauf, ob die beschlussfassende Person GmbH-Gesellschafter oder zur Ausübung des
Stimmrechts des Gesellschafters befugt ist (OLG Köln WM 1988, 1749; GmbHRdsch
1990, 82; BayObLG GmbHR 1992, 304, 305 f; Senat Beschluß vom 26.05.1998 15 W
49/98). Bei der Anmeldung betreffend die Sitzverlegung handelt es sich um eine
Änderung des Gesellschaftsvertrages im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, die
gemäß § 54 Abs. 3 GmbHG erst mit ihrer Eintragung ins Handelsregister wirksam wird,
also konstitutiv ist. Insoweit hat das Gericht die Pflicht, die Rechtswirksamkeit des
satzungsändernden Beschlusses zu prüfen (KG a.a.O.; Senat FG Prax 1996, 71, 72).
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Hiervon gehen die Vorinstanzen unter Bezug auf Lehre und Rechtsprechung in
zutreffender Weise aus.
Auf dieser Grundlage mußten die Tatsacheninstanzen in eine nähere Prüfung eintreten,
ob die Beschlüsse auf der Gesellschafterversammlung vom 08.03.2000, die Herr X als
vollmachtloser Vertreter der Firma O2.V. gefaßt hatte, wirksam waren. An dieser Prüfung
sahen sie sich jedoch gehindert, weil sie schon Zweifel an der
Alleingesellschafterstellung der Firma O2.V. hatten. Nach Auffassung der Vorinstanzen
sei ein lückenloser Nachweis der Wirksamkeit der formalen Gesellschafterstellung der
Firma O2.V. als Alleingesellschafterin zu fordern. Nur dann könne geprüft werden, ob
der Gesellschafterbeschluß vom 08.03.2000 ordnungsgemäß zustande gekommen sei.
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Diese Auffassung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Das Registergericht hat die Wirksamkeit der Geschäftsanteilsübertragung von der Firma
O.V. auf die Firma O2.V. nicht näher zu überprüfen. Für die Frage, ob die Firma O2.V.
berechtigt war, in der Gesellschafterversammlung vom 08.03.2000 das Stimmrecht
auszuüben, kommt es nur darauf an, ob die Firma im Verhältnis zur Gesellschaft als
Gesellschafterin anzusehen ist. In diesem Zusammenhang ist die Sondervorschrift des §
16 GmbHG zu beachten. Nach Absatz 1 der Vorschrift gilt im Falle der Veräußerung
eines Geschäftsanteils gegenüber der Gesellschaft nur derjenige als Erwerber, dessen
Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Diese
Vorschrift knüpft den Übergang der Gesellschafterstellung im Verhältnis zur Gesellschaft
an einen besonderen Gestaltungsakt der Anmeldung an. Erst mit der Anmeldung erlangt
der Erwerber gegenüber der Gesellschaft die Rechtsstellung als Gesellschafter.
Wesentlicher Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Gesellschaft vor den Folgen einer
Ungewißheit über die Wirksamkeit des Übertragungsvorgangs. Die gesetzliche
Vorschrift knüpft deshalb an die ordnungsgemäße Anmeldung eine gesetzliche Fiktion;
auf die Wirksamkeit der Übertragung kommt es nicht an (BGHZ 84, 47, 49; 112, 103,
113; GmbHR 1991, 311; Senat Beschluß vom 26.05.1998 – 15 W 49/98 -). Die
Gesellschaft darf also eine ordnungsgemäße Anmeldung, solange sie besteht, ohne
Rücksicht darauf als maßgeblich betrachten, ob sie die materielle Rechtslage richtig
wiedergibt. Daraus folgt, daß z.B. auch die Anfechtung einer Anteilsübertragung die
Wirksamkeit vorausgegangener Rechtsakte des angemeldeten Erwerbers, z.B. seiner
Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung, nicht beeinträchtigt (vgl. BGHZ
84,47,49). Hieran ist auch das Registergericht gebunden. Die Fiktion des § 16 GmbHG
hat insoweit materielle Wirkung.
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Für die Feststellung der Befugnis der Firma O2.V., in der Gesellschafterversammlung
vom 08.03.2000 das Stimmrecht als Gesellschafterin auszuüben, ist deshalb von
alleiniger Bedeutung, ob die Übertragungsvorgänge gegenüber der Gesellschaft
wirksam angemeldet worden sind.
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Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß von einer wirksamen Anmeldung des
Übertragungsvorganges von der Firma C auf die Firma O2.V. auszugehen ist. Zwar
liegen keine Schreiben bei den Gerichtsakten vor, die die Abtretung der
Geschäftsanteile der Gesellschaft anzeigen. Von einer ordnungsgemäßen Anmeldung
ist jedoch grundsätzlich ohne weiteres dann auszugehen, wenn die Gesellschaft den
Erwerber als neuen Gesellschafter anerkennt und behandelt (BGH GmbHR 1991, 311,
312). Hier hat die Beteiligte, vertreten durch ihren im Handelsregister eingetragenen
Geschäftsführer, mit Schreiben vom 11.10.1990 gegenüber dem Registergericht die
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Übertragung der Geschäftsanteile angezeigt. Beigefügt war der Übertragungsvertrag
vom 01.07.1999 des Notars Dr. T zur O (UR-Nr. 275/1999) nebst den dazu gehörenden
Vollmachten. Hieraus ergibt sich, daß die Gesellschaft den Erwerber als neuen
Gesellschafter anerkennt und behandelt. Es ist daher von einer ordnungsgemäßen
Anmeldung im Sinne des § 16 GmbHG auszugehen. Die Firma O2.V. ist somit als
alleinige Gesellschafterin der Beteiligten anzusehen.
Die von den Vorinszanzen zitierte Literatur und Rechtsprechung, inbesondere OLG Köln
Rpfleger 1990,170 stehen dieser Auffassung nicht entgegen, da sie sich nicht mit der
ordnungsgemäßen Anmeldung einer Geschäftsanteilsübertragung im Sinne des § 16
GmbHG befassen. Die Vorlagepflicht nach § 28 FGG greift nicht ein.
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Die Anmeldungen dürfen daher nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, es
bestünden Zweifel, ob die Firma O2.V. als Gesellschafterin der Beteiligten anzusehen
ist.
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Das die Entscheidungen beider Vorinstanzen somit sachlich nicht aufrechterhalten
werden können, hat der Senat die Sache zur erneuten Entscheidung über die
Anmeldungen der Beteiligten an das Amtsgericht zurückverwiesen.
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Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131
Abs. 2, 30 Abs. 1 und 2 KostO.
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