Urteil des OLG Hamm vom 17.12.2007

OLG Hamm: stillschweigend, schriftstück, protokollierung, urkunde, messung, vertretung, kenntnisnahme, akteneinsicht, fahrverbot, geschwindigkeitsüberschreitung

Oberlandesgericht Hamm, 4 Ss OWi 500/07
Datum:
17.12.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ss OWi 500/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Paderborn, 20 a OWi 361 Js 110/07 OWi (91/07) jug
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht
Paderborn zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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Gegen den Betroffenen ist durch das angefochtene Urteil wegen einer fahrlässig
begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 52 km/h außerorts eine Geldbuße von
197,50 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt worden.
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Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, zu der die
Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen hat:
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"Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft sowie
fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch in der Sache ist ihr ein
vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.
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Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Gericht habe die schriftliche
Zeugenerklärung des Messbeamten M bei der Urteilsfindung zugrunde gelegt,
obgleich diese weder verlesen worden sei, noch die Voraussetzungen des
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§ 77 a OWiG gegeben gewesen seien, ist diese Rüge in der gemäß § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO erforderlichen Form ausgeführt worden und auch in der Sache
begründet.
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Da nach den Urteilsgründen und dem Hauptverhandlungsprotokoll der
Messbeamte M nicht vernommen wurde, kommt nur eine Einführung seiner
Aussage in die Hauptverhandlung im Wege der vereinfachten Beweisaufnahme
gem. § 77 a Abs.1, ggf. so auch keine Verlesung erfolgt ist, gem. § 78
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OWiG in Betracht. Dieses würde grds. voraussetzen, dass zunächst mit
Zustimmung des Betroffenen das Gericht einen Beschluss über die Verlesung
getroffen hätte §§ 77 a Abs. 4 Satz 2 OWiG, 251 Abs. 4 Satz 1 StPO und
nachfolgend - so die Verlesung nicht erfolgt ist - mit erneuter Zustimmung des
Betroffenen gem. § 78 OWiG statt der Verlesung eine Bekanntgabe des
wesentlichen lnhaltes des Schriftstückes erfolgt wäre, wobei hier, da der
Betroffenen durch die Akteneinsicht seiner Verteidigerin bereits Kenntnis der
Erklärung hatte, es ausgereicht hätte, im Protokoll die erfolgte Gelegenheit zur
Kenntnisnahme zu vermerken (vgl. KK. OWiG 3. Aufl. Senge zu § 78 Rdnr. 2). Ob
die hier erfolgte Protokollierung, das Schriftstück (Bl. 5 d.A.) sei Gegenstand der
Hauptverhandlung gewesen, ausreicht, kann dahinstehen, da es in jedem Fall an
einem Gerichtsbeschluss und der erforderlichen (zweifachen) Zustimmung des
Betroffenen fehlt. Zwar kann die Zustimmung zu der Verlesung auch
stillschweigend erklärt werden, jedoch muss sich der Verfahrensbeteiligte der
Tragweite seines Schweigens bewusst sein, d.h. ihm muss klar sein, dass die
Urkunde in der Entscheidung verwertet werden soll (Göhler OWiG 14. Aufl. § 77a
Rdnr. 14 a ). Da sich hierfür weder aus den Urteilsgründen noch dem Protokoll der
Hauptverhandlung hinreichende Anhaltspunkte ergeben und mit der
Rechtsbeschwerde ausdrücklich ausgeführt worden ist, die Zustimmung sei weder
ausdrücklich noch konkludent erteilt worden, kann von einer stillschweigend
erteilten Zustimmung des Betroffenen - auch unter Berücksichtigung seiner
anwaltlichen Vertretung - nicht ausgegangen werden.
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Da nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf der rechtsfehlerhaft verwerteten
schriftlichen Erklärung des Zeugen M beruht, ist es allein aus diesem Grunde
bereits aufzuheben, so dass es auf die weiter erhobenen Rügen nicht ankommt.
Ohne die Erklärung des Messbeamten enthält das Urteil keine ausreichenden
Feststellungen zur Ordnungsgemäßheit der Messung."
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Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
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Das angefochtene Urteil war daher mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und
die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen.
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