Urteil des OLG Hamm vom 25.02.1999

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Oberlandesgericht Hamm, 4 Ss 106/99
Datum:
25.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ss 106/99
Vorinstanz:
Amtsgericht Münster, 19 a Ls 50 Js 555/98
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere Abtei-lung des Amtsgerichts -
Jugendschöffengericht - Münster zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Münster hat den Angeklagten wegen
"gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Kokain in 10 Fällen" zu einer Jugendstrafe von
zwei Jahren vier Monaten verurteilt, "die unter Nr. #####/####- StA Münster - zu Nr. 4
und 5 asservierten Betäubungsmittel" eingezogen und den Verfall von 615,- DM
angeordnet.
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Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Urteil verwiesen.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit den näher ausgeführten Rügen
der Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Das angefochtene Urteil unterliegt bereits aufgrund der Sachrüge der Aufhebung, weil
es die Grundlagen der zu einer Verurteilung des Angeklagten erforderlichen
Feststellungen nicht erkennen läßt und so dem Senat nicht die Möglichkeit eröffnet ist
zu überprüfen, ob das Jugendschöffengericht die dem Angeklagten zur Last gelegten
Straftaten materiell-rechtlich fehlerfrei festgestellt hat.
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Nach den Urteilsgründen hat das Jugendschöffengericht die in dem Urteil im einzelnen
beschriebenen 10 Fälle des gewerbsmäßigen Kokainhandels "aufgrund des
glaubhaften Geständnisses des Angeklagten" festgestellt. Eine weitere Mitteilung von
Feststellungsgrundlagen und deren Würdigung ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Das
ist ein hier durchgreifender Darstellungsmangel.
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Wie durch den von der Revision zutreffend mitgeteilten Inhalt der Niederschrift über die
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Hauptverhandlung belegt wird, ist eine eigene Erklärung des Angeklagten zu den ihm
vorgeworfenen Taten im Termin nicht abgegeben worden. Vielmehr hat sein Verteidiger
erklärt: "Der Angeklagte räumt die Vorwürfe aus der Anklage ein. Weiter will er keine
Angaben machen."
Abgesehen von der Frage, ob eine solche Erklärung des Verteidigers überhaupt als
"Geständnis" des Angeklagten bewertet werden kann, weil nicht sicher ist, daß der
Angeklagte die Erklärungen seines Verteidigers als seine eigene Einlassung gelten
lassen wollte, (vgl. hierzu z.B. KK-Tolksdorf, StPO, 4. Aufl., § 243 Rdnr. 45 m.w.N.), kann
der Senat nicht erkennen, aufgrund welcher Beweismittel oder Umstände sich das
Jugendschöffengericht von der Glaubhaftigkeit des "Geständnisses" überzeugt hat.
Ausweislich der Urteilsgründe sind außer der genannten Erklärung keine weiteren
Erkenntnisquellen herangezogen worden. Ebensowenig ist zu erkennen, auf welchem
Wege das Jugendschöffengericht im Rahmen der Beurteilung der "Schwere der Schuld"
die dort wiedergegebenen Feststellungen zur Struktur der Gruppe von "Mitgliedern", die
Kokain verkaufen, getroffen hat und aus welchen Gründen der Angeklagte diese
Umstände des gewerbsmäßigen Kokainhandels gekannt haben soll. Bereits aufgrund
dieses aufgezeigten Darstellungsmangels muß das angefochtene Urteil aufgehoben
werden, ohne daß es eines näheren Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß Zweifel
über das Alter des Angeklagten zu dessen Gunsten zu lösen sind (vgl. BGHSt 5, 366;
Brunner, JGG, 10. Aufl., § 1 Rdnr. 11; Eisenberg, JGG, 7. Aufl., § 1 Rdnr. 11). Die bisher
getroffenen Feststellungen zum Alter des Angeklagten zur Tatzeit dürften insoweit noch
nicht ausreichen, ihn als Heranwachsenden zu behandeln. Nach dem Inhalt des im
übrigen nicht nachprüfbar mitgeteilten rechtsmedizinischen Gutachtens ist der Schluß
von den Erkenntnissen zur Zeit der Gutachtenerstattung auf die Beurteilung des Alters
des Angeklagten zur Tatzeit durch nichts gedeckt. Die Sache wäre in nichtöffentlicher
Sitzung zu verhandeln, wenn der Angeklagte noch als Jugendlicher behandelt werden
müßte (§ 48 Abs. 1 JGG). Die Frage des Alters des Angeklagten dürfte auch für die
Strafrahmenbeschränkung nach § 18 Abs. 1 JGG zu beachten sein.
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Nach alledem war das angefochtene Urteil insgesamt mit den zugrundeliegenden
Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts -
Jugendschöffengericht - zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
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