Urteil des OLG Hamm vom 12.10.2007
OLG Hamm: anspruch auf rechtliches gehör, höchstgeschwindigkeit, beweisantrag, fahrverbot, aufklärungspflicht, nichterfüllung, film, rüge, beweismittel, verfahrensmangel
Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss OWi 445/07
Datum:
12.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss OWi 445/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Bielefeld, 10 OWi 63 Js 541/07 – 306/07
Schlagworte:
Verfahrensrüge, Begründungsanforderungen
Normen:
StPO § 344 Abs. 2 S. 2, § 219; OWiG § 79 Abs. 3
Leitsätze:
1.
Nicht jedes Übergehen eines vor der Hauptverhandlung gestellten
Beweisantrages stellt zwangsläufig eine revisible Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
2.
Zu den Begründungsanforderungen einer Verfahrensrüge.
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Gründe
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I.
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Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen durch Urteil vom 10.05.2007 wegen
fahrlässiger Überschreitung der zulässigen, innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit von
30 km/h um (unter Abzug eines Toleranzwertes von 3 km/h) 34 km/h zu einer Geldbuße
von 100 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat unter
Gewährung der Frist nach § 25 Abs. 2a StVG verhängt.
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Gegen das Urteil hat der Beschwerdeführer form-und fristgerecht Rechtsbescherde
eingelegt. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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II.
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1. Die Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung des "richterlichen Gehörs" gerügt wird, ist
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unzulässig, da sie nicht den Begründungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO
i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG entspricht. Danach muss der Beschwerdeführer die den
Verfahrensmangel begründenden Tatsachen vollständig angeben. Die Verfahrensrügen
müssen ohne Bezugnahme und Verweisungen begründet werden, so dass das
Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein
Verfahrensfehler vorliegt, sofern das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (vgl.
Meyer-Goßner 50. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.w.N.).
Das ist hier nicht geschehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
bedeutet, dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu den gegen
ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen
und dass das Gericht seine Ausführungen zur Kenntnis nehmen und in seine
Erwägungen einbeziehen muss (vgl. Meyer-Goßner 50. Aufl. Einl Rdn. 23 m.w.N.).
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Diesbezüglich trägt der Beschwerdeführer lediglich vor, dass er vor der
Hauptverhandlung "ausweislich des Schriftsatzes vom 26.04.2007 die Beiziehung der
Lebensakte sowie die Beiziehung des maßgeblichen Filmes" beantragt habe und dass
"dieser Beweisbeschluss" übergangen worden sei. Den näheren Inhalt des in Bezug
genommenen Schriftsatzes teilt er hingegen nicht mit.
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Ein etwaiges gerichtliches Übergehen von Anträgen des Betroffenen (so legt der Senat
die ansonsten keinen Sinn ergebende Formulierung der Rechtsbeschwerde: "Dieser
Beweisbeschluss wurde übergangen" aus) im Zwischenverfahren stellt nicht
zwangsläufig eine revisible Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Die nähere
Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist den einzelnen Verfahrensordnungen
überlassen (BVerfG NJW 1987, 2067). So gelten für die Vorbereitung der
Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren gem. § 71 Abs. 1 OWiG u.a. die Vorschriften
über die Vorbereitung der Hauptverhandlung in Strafsachen (§§ 213 ff. StPO)
entsprechend.
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Nach § 219 StPO kann der Betroffene danach Beweisanträge stellen, die aber
bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Dass hier ein den Anforderungen des
§ 219 StPO genügender Beweisantrag vor der Hauptverhandlung gestellt wurde, lässt
sich dem Rechtsbeschwerdevorbringen nicht entnehmen. Ein solcher Beweisantrag
muss die Beweistatsachen und die Beweismittel angeben, ausserdem muss er auf eine
Benutzung des Beweismittels in der Hauptverhandlung abzielen (Meyer-Goßner 50.
Aufl. § 219 Rdn. 1). Eine für das Vorliegen eines Beweisantrages notwendige
Behauptung einer bestimmten Beweistatsache (vgl. Meyer-Goßner 50. Aufl. § 244 Rdn.
20) geht aus der Rechtsbeschwerdebegründung nicht hervor. Es wird nicht behauptet,
dass "sich aus den Negativen Fehlbilder" ergeben. Ausweislich der
Rechtsbeschwerdebegründung war indes lediglich eine "Beiziehung" beantragt worden.
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Insbesondere fehlt schließlich jeglicher Vortrag dazu, ob der entsprechende Antrag in
der Hauptverhandlung wiederholt wurde oder nicht und falls nicht, unter welchen
Umständen das nicht geschehen ist. Wäre er nicht wiederholt worden, so wäre darin
womöglich ein Verzicht auf die beantrage Beweiserhebung zu sehen, so dass das Urteil
auf einem etwaigen Verfahrensverstoß bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung nicht
beruhen kann (OLG Hamm NZV 1998, 425).
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Gleiches gilt auch für die beantragte "Einholung eines humanbiologischen
Sachverständigengutachtens".
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2. Sofern man die Ausführungen des Beschwerdeführers als eine Rüge der Verletzung
der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) auslegt, ist sie ebenfalls wegen
Nichterfüllung der Begründungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO bereits
unzulässig. Es fehlt jegliche Darstellung, warum sich das Gericht hätte gedrängt sehen
müssen, den Film auf "Fehlbilder" zu überprüfen.
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III.
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Sofern der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist die Rechtsbeschwerde
aus den umfassenden, zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung
offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Insbesondere ist die Verhängung
eines Fahrverbot nicht nur bei einer "groben und beharrlichen Pflichtverletzung",
sondern bereits nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 StVG bei einer groben "oder"
beharrlichen Pflichtverletzung möglich. Eine grobe Pflichtverletzung liegt hier aber, bei
der Überschreitung der zulässigen innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit um mehr als
Doppelte, vor, selbst wenn es sich um einen erstmaligen und fahrlässig begangenen
Verstoß handelt (vgl. OLG Köln NZV 1991, 203, 204).
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IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.
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