Urteil des OLG Hamm vom 29.08.2005
OLG Hamm: zahlungsmittel, münze, zustellung, fahrzeug, gerät, sorte, beschädigung, produktion, bezahlung, abnutzung
Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss OWi 576/05
Datum:
29.08.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss OWi 576/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Gelsenkirchen, 19 OWi 90 Js 285/05 (63/05)
Tenor:
1.
Der Beschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 19.07.2005 wird
aufgehoben.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
4.
Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Betroffenen zur Last (§ 46 Abs.
1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO).
Gründe:
1
I.
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 18. April 2005 wegen
fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 13 Abs. 1 und 2, 49 Abs. 1 Nr. 13 StVO in Verbindung
mit § 24 StVG zu einer Geldbuße von 5,00 € verurteilt. Zur Sache hat das Amtsgericht
folgendes festgestellt:
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"Der Betroffene parkte am 06.12.2004 in der Zeit zwischen 16.14 bis 16.18 Uhr mit
seinem Pkw, amtliches Kennzeichen H, in der Straße J gegenüber der dort befindlichen
Schule im Bereich eines Parkscheinautomaten. Der Betroffene hatte jedoch keinen
gültigen Parkschein von außen gut lesbar im Fahrzeug angebracht. Diesen hatte er an
dem Parkscheinautomaten nicht gelöst. Der Parkscheinautomat war zwar
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funktionsfähig, der Betroffene hatte jedoch lediglich ein 50-Cent-Stück sowie Bargeld in
Scheinen dabei. Da der Automat nur Hartgeld bzw. eine Geldkarte akzeptiert, die der
Betroffene nicht besitzt, warf der Betroffene sein 50-Cent-Stück hinein. Dieses fiel
jedoch wiederholt durch. Der Betroffene löste daraufhin keinen Parkschein, sondern
legte die Parkscheibe in das Auto hinein. Anschließend begab er sich zum Einkaufen.
Bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen und dem Betroffenen zumutbaren
Sorgfalt hätte dieser sein ordnungswidriges Verhalten erkennen und es unterlassen
können."
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Das Tatgeschehen hat das Amtsgericht als fahrlässigen Verstoß des Betroffenen gegen
§§ 13 Abs. 1 und 2, 49 Abs. 1 Nr. 13 StVO in Verbindung mit § 24 StVG beurteilt.
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Gegen dieses Urteil, das in Anwesenheit des Betroffenen verkündet worden war, hat der
Betroffene am 25. April 2005 Rechtsbeschwerde eingelegt und zugleich deren
Zulassung beantragt. Nach Zustellung des Urteils an ihn am 23. Mai 2005 hat der
Betroffene die Rechtsbeschwerde und den Zulassungsantrag am 22. Juni 2005 zu
Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts begründet.
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Durch Beschluss vom 19.07.2005 hat das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 18.04.2005 als
unzulässig verworfen, weil die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht
eingehalten worden sei. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf
Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 31. Juli 2005. Die Zustellung des Urteils
war unter dem 26. Juli 2005 verfügt worden; eine Zustellungsurkunde befindet sich nicht
bei den Akten.
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II.
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1.
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Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. § 346 Abs.
2 StPO ist zulässig und begründet. Insoweit handelt es sich um die Entscheidung der
Einzelrichterin des Senats, Richterin am Oberlandesgericht.
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Die Rechtsbeschwerde, deren Zulassung der Betroffene beantragt, ist rechtzeitig
eingelegt und begründet worden. Das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom
18.04.2005 ist in Anwesenheit des Betroffenen verkündet worden, so dass er unter dem
25.04.2005 hiergegen rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung
beantragt hat. Nach Zustellung des Urteils, die am 23.05.2005 ausweislich der
Postzustellungsurkunde an den Betroffenen erfolgt ist, hat dieser die Rechtsbeschwerde
am 22.06.2005 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Gelsenkirchen
begründet und zugleich die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Die Frist des §
345 Abs. 1 StPO ist daher gewahrt.
12
2.
13
Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Zulassung der
Rechtsbeschwerde kommt nicht nur bei Fehlentscheidungen in Betracht. Sie kann
ebenso geboten sein, wenn die angefochtene Entscheidung bestätigt wird (vgl. OLG
Hamm, MDR 78, 780; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdnr. 15 a). Die höchstrichterliche
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Entscheidung kann in einem solchen Falle vermöge ihres Gewichts sowohl der
Fortbildung des Rechts als auch der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dienen, auch
wenn der Rechtsfortbildungszweck nur "veranschaulichende" Funktion hat.
Vorliegend ist die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs.
1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) zu der mit der Rechtsmittelbegründung aufgeworfenen Frage
zuzulassen, ob ein Parkscheinautomat bereits dann als ein nicht funktionsfähiger im
Sinne von § 13 Abs. 1 S. 2 StVO zu beurteilen ist, wenn das Gerät eine Münze, die ein
gesetzlich zugelassenes Zahlungsmittel darstellt und ihrer Art nach (50-Cent-Stück)
geeignet ist, die Parkscheinerteilung auszulösen, nicht akzeptiert (Entscheidung der
Einzelrichterin des Senats Richterin am OLG).
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3.
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Die Rechtsbeschwerde ist zwar zulässig, in der Sache jedoch unbegründet
(Entscheidung des Senats).
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Zu Recht hat das Amtsgericht Gelsenkirchen den Betroffenen wegen fahrlässigen
Verstoßes gegen §§ 13 Abs. 1 und Abs. 2, 49 Nr. 13 StVO in Verbindung mit § 24 StVG
verurteilt.
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Die Parkuhr bzw. der Parkschein begründet als Verkehrseinrichtung (§ 43 Abs. 1 StVO)
nach herrschender Rechtsauffassung für die auf ihnen angegebenen Zeiten ein
eingeschränktes Halteverbot, das nach § 13 Abs. 1 StVO - abgesehen von der
Sonderregelung für das Ein- und Aussteigen und das Be- und Entladen in Abs. 3 - an
Parkuhren "nur während des Laufs der Uhr, an Parkscheinautomaten nur mit einem
Parkschein, der am oder im Fahrzeug von außen gut lesbar angebracht sein muss, und
nur für die Dauer der zulässigen Parkzeit" aufgehoben ist (vgl. BGH NJW 1983, 1071;
BVerwG NJW 1980, 850; Jagusch/Henschel Straßenverkehrsrecht 37. Aufl., Rdnr. 8 zu
§ 13 StVO; Cramer, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Bd. 1, § 13 StVO, Rdnr. 19).
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Da der Parkscheinautomat letztlich nur die Zusammenfassung mehrerer Parkuhren
darstellt (vgl. OLG Bremen NStZ-RR 1998, 59 m. w. N.) gelten für seinen Betrieb die
gleichen Grundsätze.
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Bereits aus der gesetzlichen Regelung, nach der bei Parkuhren das Laufen der Uhr, bei
Parkscheinautomaten der am oder im Fahrzeug von außen gut lesbar angebrachte
Parkschein für die Aufhebung des eingeschränkten Halteverbotes maßgeblich ist, folgt,
dass es bei funktionsbereiter Parkuhr bzw. funktionsbereitem Parkautomaten den
Betroffenen nicht entlasten kann, wenn er aus Gründen, die in seinem Risikobereich
liegen, den Lauf der Uhr oder die Erteilung des Parkscheins nicht bewirken kann.
Unerheblich ist daher, ob der Betroffene nicht über die entsprechende Menge oder Sorte
Kleingeldes verfügt oder das vorhandene Münzgeld infolge Abnutzung (vgl. AG Lahr
NJW 1985, 3090) Beschädigung oder Fehlprägung die Münzvorrichtung irritiert und
nicht auslöst. Dem Betroffenen obliegt es vielmehr, die entsprechende Funktion des
Geräts durch richtigen Münzeinwurf auszulösen, da anderenfalls das eingeschränkte
Halteverbot nicht aufgehoben wird. Den Betroffenen kann es insoweit auch nicht
entlasten, dass die - wie vorliegend festgestellt einzige - vorhandene Münze ein
gesetzlich vorgeschriebenes Zahlungsmittel darstellt, denn maßgeblich ist nicht die
Tatsache der Bezahlung, sondern der Auslösung des Mechanismus des Laufes der
Parkuhr bzw. des Erhalt des Parkscheins vom Parkautomaten. Dass die nicht
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akzeptierte Münze ein gesetzlichen Zahlungsmittel darstellt, hat keine relevante
Bedeutung, wie sich auch darin zeigt, dass etwa Kleinstmünzen (1, 2 oder 5-Cent-
Stücke), die ebenfalls gesetzliche Zahlungsmittel sind, regelmäßig nicht akzeptiert
werden und den Lauf der Uhr bzw. die Erteilung des Parkscheines nicht auszulösen
vermögen, so dass es bei dem eingeschränkten Halteverbot verbleibt. Der Betroffene ist
vielmehr gehalten, so viele Versuche mit verschiedenen Münzen zu tätigen bis der Lauf
der Parkuhr bzw. die Produktion des Parkscheins ausgelöst worden ist, soweit das
Gerät - wie vorliegend klar festgestellt worden ist - grundsätzlich funktionsfähig ist.
Derjenige, der nur nicht akzeptierte Münzen einwirft, steht demjenigen gleich, der keine
Münze einwirft.
Anders zu beurteilen ist indes der hier nicht vorliegende Fall eines Defektes der Parkuhr
bzw. des Parkscheinautomaten. Hier liegt die mangelnde Funktion nicht im
Risikobereich des Betroffenen. Die Rechtsprechung hat hierzu mehrfach obergerichtlich
entschieden (vgl. BGH NJW 1071; OLG Zweibrücken MZV 1991, 362, OLG Koblenz
MDR 1973, 521; OLG Düsseldorf Beschluss vom 06. November 1981, 5 SsOWi 576/71 -
472/81).
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Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen war mithin als unbegründet zu verwerfen.
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