Urteil des OLG Hamm vom 25.10.1999

OLG Hamm: angina pectoris, billige entschädigung, contusio cerebri, schmerzensgeld, erwerbstätigkeit, firma, sicherungsabtretung, einkünfte, ausbildung, unfallfolgen

Oberlandesgericht Hamm, 13 U 1/98
Datum:
25.10.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Schlussurteil
Aktenzeichen:
13 U 1/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 21 O 85/96
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. November 1997
verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird
zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird, unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen, das genannte Urteil - soweit der Senat nicht
durch Teilurteil über das Festellungsbegehren bereits entschieden hat -
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten zu 1) und 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an
den Kläger - unter Einschluß der landgerichtlichen Verurteilung - ein
Schmerzensgeld von 55.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.
Februar 1996 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, an den Kläger 46.440,00 DM
nebst 4 % Zinsen von 21.040,00 DM seit dem 1.2.1996, von weiteren
1.840,00 DM seit dem 12.6.1996 und von weiteren 23.560,00 DM seit
dem 23.3.1999 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner an den
Kläger ab 1. März 1999 eine im voraus fällige monatliche Rente von
2.400,00 DM zu zahlen, und zwar bis zum 15. Dezember 2028.
Die Beklagten bleiben weiter verurteilt, als Gesamtschuldner an den
Kläger 1.289,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1996 zu
zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 27 % und die
Beklagten 73 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 20 %, die
Beklagten 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils
anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere
Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit auch durch die
unbefristete, unbedingte, selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder
Genossenschaftsbank zu leisten.
Das Urteil beschwert den Kläger in Höhe von 64.660,48 DM und die
Beklagten um 256.729,00 DM.
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am ... gegen ...
Uhr auf der BAB ..., Richtungsfahrbahn ..., in Höhe km ... ereignet hat, auf Zahlung
materiellen Schadensersatzes einschließlich seines Verdienstausfallschadens, einer
Verdienstausfallrente und eines Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung von deren
Ersatzpflicht für seine künftigen materiellen und immateriellen Unfallschäden in
Anspruch.
2
Der Senat hat durch rechtskräftiges Grund- und Teilurteil vom 02.09.1998, auf dessen
Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Klageansprüche zu Ziffer 1
a) der Berufungsbegründung des Klägers (materieller Schaden), 1 b)
(Verdienstausfallrente) sowie zu Ziffer 2) (Schmerzensgeld) dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt und festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, dem Kläger allen zukünftigen materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom ...
auf der Bundesautobahn BAB ..., sowie die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner
allen zukünftigen immateriellen Schaden des Klägers aus dem genannten Unfall zu
ersetzen, jeweils soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige
Dritte übergegangen sind.
3
In dem sich an das Urteil anschließenden Betragsverfahren ist unter den Parteien
unstreitig, daß der Kläger im Anschluß an seine Kraftfahrzeugschlosserlehre vor dem
Unfall wie folgt erwerbstätig gewesen ist:
4
Vom 11.11.1991 bis zum 14.02.1993 und vom 01.07.1993 bis zum 15.07.1993 war der
Kläger bei der Firma ... in Bremen als Lagermeister beschäftigt. Die im Jahr 1992
erzielten Einkünfte beliefen sich auf 39.394,53 DM brutto bzw. 25.383,93 DM netto.
Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom
18.11.1998 überreichte Ablichtung der Lohnsteuerkarte 1992 (Bl. 389 d.A.) verwiesen.
5
Der Kläger arbeitete vom 23.09. bis zum 19.11.1993 für die ... und vom 23.03. bis zum
21.04.1994 für die Firma ... und ist seitdem nicht wieder berufstätig geworden.
6
Der Kläger behauptet, der Zeuge ... hätte ihn ab Januar 1995 auf freiberuflicher Basis
als Hausmeister zu einem Bruttomonatsbetrag von 4.500,00 DM zuzüglich Fahrtkosten
beschäftigt.
7
Auf Grundlage dieser Verdienstmöglichkeit und unter Abzug der von September 1995
bis einschließlich Februar 1998 in Höhe von monatlich 2.032,00 DM und von März 1998
bis einschließlich August 1998 in Höhe von 2.100,00 DM bezogenen Sozialhilfe
beziffert der Kläger nach Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 19.03.1999 seinen
monatlichen Verdienstausfall für die Zeiträume von Januar bis August 1995 mit 2.773,09
DM, von September bis Dezember 1995 mit 741,09 DM, von Januar bis Dezember 1996
mit 807,35 DM, von Januar 1997 bis Februar 1998 mit 756,36 DM, von März 1998 bis
August 1998 mit 688,36 DM und ab September 1998 auf 2.788,36 DM. Wegen der
Einzelheiten der Berechnung des vom Kläger bis einschließlich Februar 1999 auf
insgesamt 67.798,88 DM bezifferten Verdienstausfallschadens wird auf die
Berufungsbegründung vom 12.2.1998 sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom
19.03.1999 Bezug genommen.
8
Der Kläger beantragt,
9
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
10
und - wie vom Klägervertreter im Senatstermin vom 25.10.1999 klargestellt -
11
über den vom Landgericht zuerkannten materiellen Schadensersatz von 1.289,00 DM
hinaus
12
1.)
13
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
14
a)
15
an ihn 67.798,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.02.1996 zu zahlen,
16
b)
17
an ihn, beginnend mit dem 01.03.1999 jeweils bis zum 03. eines jeden Monats im
voraus 2.788,36 DM Verdienstausfall zu zahlen,
18
2.)
19
die Beklagten zu 1) und 3) zu verurteilen, an ihn ein angemessenes
Gesamtschmerzensgeld zu zahlen, das 100.000,00 DM abzüglich geleisteter Beträge
und zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 01.02.1996 nicht unterschreiten sollte.
20
Die Beklagten beantragen,
21
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
22
und
23
abändernd die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
24
Die Beklagten bestreiten im Betragsverfahren unter Bezugnahme auf die unstreitig unter
dem 07.04.1998 klägerseits erfolgte Sicherungsabtretung der Klage zugrundeliegender
25
Ansprüche bis zur Höhe von 62.000,00 DM an die Stadtsparkasse Düsseldorf, die diese
der Beklagten zu 3) unter dem 24.04.1998 angezeigt hat, in dem betreffenden Umfang
die Aktivlegitimation des Klägers.
Ferner halten die Beklagten im Betragsverfahren ihr Bestreiten zur Höhe der vom Kläger
geltend gemachten Ansprüche insbesondere unter näherer Darlegung, daß aufgrund
der Unfallverletzungen des Klägers keine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit und
Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten sei und keine Möglichkeit für den Kläger
bestanden habe, freiberuflich als Hausmeister für den Zeugen ... tätig zu werden,
aufrecht.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze in erster und zweiter Instanz verwiesen.
27
Im Betragsverfahren hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
unfallchirurgischen Fachgutachtens des Sachverständigen ... und eines schriftlichen
internistisch-kardiologischen Zusatzgutachtens des Sachverständigen .... Ferner hat der
Senat den Kläger gemäß §141 ZPO erneut persönlich und die Sachverständigen ... und
... zur Erläuterung und Ergänzung ihrer schriftlichen Gutachten gehört.
28
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten vom
08.03.1999, (Bl. 407-447 d.A.) nebst Ergänzung vom 24.08.1999 (Bl. 544-547 d.A.) und
vom 23.02.1999 (Bl. 398-405 d.A.) sowie auf den im allseitigen Einverständnis
gefertigten Berichterstattervermerk in der Anlage zum Protokoll vom 25.10.1999 Bezug
genommen.
29
Entscheidungsgründe:
30
Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die
Berufung der Beklagten ist unbegründet.
31
I.
32
Ohne Erfolg wenden die Beklagten gegen den Grund der durch Grund- und Teilurteil
des Senats vom 02.09.1998 für gerechtfertigt erklärten Klageansprüche zu Ziffer 1) und
2) ein, der Kläger sei im Umfang der unter dem 07.04.1998 erfolgten
Sicherungsabtretung der Klage zugrundeliegender Ansprüche bis zur Höhe von
62.000,00 DM an die Stadtsparkasse Düsseldorf nicht mehr aktivlegitimiert.
33
Ist nämlich die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger Schadensersatz zu leisten,
durch Grundurteil festgestellt, so hat dies hinsichtlich des Anspruchsgrundes bindende
Wirkung mit der Folge, daß im Betragsverfahren aufgrund neuen Sachvortrags, der
bereits im Verfahren über den Grund hätte erfolgen können, nicht mehr geltend gemacht
werden kann, daß die Klageforderung auf einen Dritten übergegangen und damit die
Sachbefugnis entfallen sei (vgl. BGH, VersR 1968, 69 ff. und Zöller, 21. Aufl., §304 ZPO,
Rn. 24). Da es die Beklagten im Verfahren über den Grund versäumt haben, der
Sachlegitimation des Klägers die der Beklagten zu 3) unter dem 24.04.1998 von der
Zessionarin angezeigte Sicherungsabtretung entgegenzuhalten, ist dieser nunmehr im
Betragsverfahren erhobene Einwand aufgrund der Bindungswirkung des Grundurteils
unerheblich.
34
II.
35
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hält der Senat in Abweichung von der
landgerichtlichen Verurteilung ein Schmerzensgeld von insgesamt 80.000,00 DM für
angemessen und ausreichend (§287 Abs. 1 ZPO), so daß der Kläger von den Beklagten
zu 1) und 3) als Gesamtschuldnern gemäß §§823, 847 BGB, 3 Nr. 1 PflVG über
vorprozessual gezahlte 25.000,00 DM hinaus noch die Zahlung eines weiteren
Schmerzensgeldes in Höhe von 55.000,00 DM beanspruchen kann.
36
Das Schmerzensgeld soll gemäß §847 BGB die Verletzungen und deren Folgen
angemessen ausgleichen und dafür eine billige Entschädigung darstellen. Der
Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und
Annehmlichkeiten anstelle des durch die körperliche Schädigung Entgangenen leisten
zu können. Die Höhe des Schmerzensgeldes bemißt sich daher u.a. nach Art und
Schwere der Verletzungen, Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Zahl und
Schwere etwaiger Eingriffe, Dauer der Behandlung, beruflichen und persönlichen
Nachteilen sowie auch Art und Schwere etwaiger Dauerfolgen (BGHZ 18, 149).
37
Der am 15.12.1968 geborene Kläger erlitt durch den Unfall vom 26.12.1994 ein
Polytrauma, und zwar ein Schädel-Hirn-Trauma II. Grades mit Kopfplatzwunde, eine
schwere Verletzung des linken Auges, nämlich ein sog. peripheres Horner-Syndrom mit
Läsion des 3. postanglionären Neurons, ein stumpfes Thoraxtrauma mit Lungen- und
Herzkontusion und Hämatothorax beidseits, ein stumpfes Bauchtrauma mit
Leberverletzung des Schweregrades III. und Einblutung in das Dickdarmgekröse, eine
rechtsseitige Nierenkontusion mit Parenchymeinriß und retroperitonealem Hämatom,
einen komplexen Kniebinnenschaden rechts mit Ruptur des vorderen und hinteren
Kreuzbandes, Innenbandruptur und Riß der dorso-medialen Kapselschale des
Kniegelenkes sowie multiple Prellungen im Bereich des rechten Oberschenkels und
des Körperstammes.
38
Der Kläger wurde bis zum 23.01.1995 intensivmedizinisch und bis zum 09.02.1995
stationär versorgt. Noch am Unfalltag erfolgte eine Laparotomie im Ev. Krankenhaus ....
Nach Blutstillung und Stabilisierung der lebenswichtigen Funktionen wurde der Kläger
am 27.12.1994 intubiert und beatmet in das Chirurgische Zentrum des ... verlegt. Nach
Blutstillung und Tamponade der Leberruptur wurde eine weitere operative Revision der
Leberverletzung vorgenommen. Dem Kläger wurden zwei Brustkorb-Drainagen gelegt.
Aufgrund der gestörten Lungenfunktion nach Thoraxtrauma wurde eine
Langzeitbeatmung mit Anlegung einer Punktionstracheotomie am 01.01.1995
vorgenommen. Am 16.01.1995 konnte der Kläger vom Beatmungsgerät vollständig
entwöhnt werden.
39
Am 24.01.1995 erfolgten eine sekundäre Patellarsehnenplastik mit Trevirabandplastik-
Augmentation des gerissenen vorderen Kreuzbandes und die Reinsertion und Trevira-
Protektion des hinteren Kreuzbandes.
40
Wegen rezidivierender Blutergüsse wurde die rechte Niere am 03.04.1996
sonographisch gesteuert punktiert.
41
Zuletzt erfolgten im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthalts des Klägers vom
11.03.1998 bis zum 20.03.1998 zur Behandlung der Knieverletzung am 12.03.1998 eine
diagnostische Artroskopie mit Shaving synovoialer Zotten sowie die Entfernung einer
42
Exostose am rechten lateralen proximalen Oberschenkel.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß
der Kläger noch wie folgt durch den Unfall in seiner Gesundheit beeinträchtigt ist:
43
Nach Untersuchung des Klägers am 04.02.1999 hat der Sachverständige ... im Rahmen
seines - insoweit von den Parteien nicht angegriffenen - schriftlichen Gutachtens vom
08.03.1999 zuverlässig als objektivierbare Unfallfolgen eine traumatisch bedingte
Hirnleistungsschwäche mit vegetativ-vasomotorischen Beschwerden und Zeichen der
hirnorgangischen Wesensänderung nach Schädel-Hirn-Trauma II. Grades (Contusio
cerebri), ein traumatisches Horner-Syndrom links mit Enophthalmus und Störung der
Hell-Dunkel-Adaption des linken Auges, eine belastungsabhängige
Herzleistungsschwäche und Angina pectoris infolge Herzkontusion durch stumpfes
Thoraxtrauma mit Hämatothorax und Lungenkontusion, einen Funktionsverlust der
rechten Niere mit 25 %iger Einschränkung der globalen Nierenfunktion, eine
Muskelverschmächtigung und Kraftminderung der Oberschenkelmuskulatur rechts, eine
antero-mediale Instabilität des rechten Kniegelenkes infolge medialer Seitenband- und
vorderer Kreuzband-Insuffizienz, einen ausgeprägten Knorpelschaden III. Grades mit
Reiz-Synovitis und Verschleiß des Innenmeniskus, eine erhebliche
Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit funktioneller Beinverkürzung
von 3 cm und eine statisch bedingte Fehlhaltung des Beckens und der unteren
Lendenwirbelsäule mit muskulären Verspannungen der Rückstreckmuskulatur
festgestellt.
44
Nach den überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen ... und Dr. ... ist die
Angina pectoris als Folge der Herzkontusion mit Herzmuskelschädigung und als
Ursache der vom Kläger geklagten Luftnot bei geringer Belastung mit Brustenge und
brennendem Schmerz im Brustbein als den Kläger in besonderem Maße
beeinträchtigende Unfallfolge einzustufen.
45
Darüber hinaus hat der Sachverständige ... hervorgehoben, daß der Zustand des
verletzten rechten Kniegelenkes des Klägers eine baldige Operation zwecks
Beseitigung der Beugekontraktur und Stabilisierung des Kniegelenkes durch eine
erneute vordere Kreuzbandplastik mit Innenbandplastik erfordert und trotz einer solchen
Operation aufgrund der fortschreitenden Gonarthrose mit Knorpelverlust beim Kläger
innerhalb der nächsten 5 bis 10 Jahre vorzugsweise ein prothetischer
Kniegelenksersatz oder eine Versteifung des rechten Kniegelenkes durchgeführt
werden muß.
46
Schließlich hat der Sachverständige ... im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines
Gutachtens unter kritischer Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen
Einwendungen der Beklagten überzeugend begründet, daß der Kläger aufgrund der
unfallbedingten Verletzungen dauerhaft berufs- und arbeitsunfähig ist.
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Zwar sind - wie vom Sachverständigen eingeräumt - die von ihm festgestellten
Invaliditätsgrade von jeweils 30 % als Folge der Herzkontusion und der Knieverletzung
und von jeweils 10 % als Folge des Schädel-Hirn-Traumas und der durch das Horner-
Syndrom eingeschränkten Heil-Dunkel-Adaption des linken Auges einerseits und der
traumatischen Schädigung der rechten Niere andererseits nicht ohne weiteres in der
Addition einer MdE von 80 % gleichzustellen. Jedoch ist der Kläger - wie der
Sachverständige betont hat - aufgrund seiner Hirnschädigung und der weiteren
48
unfallbedingten gravierenden organischen und sonstigen - teilweise fortschreitenden -
körperlichen Schädigungen in seiner konkreten erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit
derart stark beeinträchtigt, daß er als Schwerbehinderter einzustufen und auf dem
Arbeitsmarkt bei realistischer Einschätzung nicht mehr vermittelbar ist.
Auf dieser Grundlage sowie unter Berücksichtigung der weiteren für die
Schmerzensgeldbemessung maßgeblichen Umstände und von der Rechtsprechung in
etwa vergleichbaren Fällen zugesprochener Beträge hält der Senat ein
Schmerzensgeld von insgesamt 80.000,00 DM für angemessen und ausreichend.
Angesichts der vom Kläger bewiesenen verletzungsbedingten Unfallfolgen ist der von
der Beklagten zu 3) regulierte Betrag von 25.000,00 DM deutlich zu niedrig.
Andererseits erscheinen auch unter Berücksichtigung der schweren organischen
Schädigungen des Klägers seine verletzungsbedingten Beeinträchtigungen nicht derart
nachhaltig und gravierend, daß bereits ein Schmerzensgeld in Höhe seiner
Mindestvorstellung von 100.000,00 DM gerechtfertigt wäre.
49
III.
50
Gemäß §§823, 842, 843, 249, 252 BGB, 7, 17, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVG kann der Kläger
von den Beklagten als Gesamtschuldnern für den Zeitraum von Januar 1995 bis
einschließlich Februar 1999 Ersatz seines Verdienstausfallschadens in Höhe von
46.440,00 DM und ab dem 1. März 1999 eine monatliche Verdienstausfallrente von
2.400,00 DM bis zum 15.12.2028 beanspruchen.
51
Die Höhe des unfallbedingten Verdienstausfallschadens schätzt der Senat für den
Zeitraum ab Januar 1995 auf Bruttolohnbasis gemäß §287 Abs. 1 ZPO auf monatlich
2.400,00 DM.
52
Ob ein Verletzter ohne den Schadensfall durch Verwertung seiner Arbeitskraft
bestimmte Einkünfte erzielt hätte, ist durch eine nach §§252 S. 2 BGB, 287 ZPO
anzustellende Prognose zu ermitteln, für die auf der Grundlage gesicherter
Anknüpfungstatsachen ein Wahrscheinlichkeitsurteil über den gewöhnlichen Lauf der
Dinge genügt. Maßgebend ist dabei die wahrscheinliche berufliche Entwicklung des
Geschädigten (vgl. Palandt-Heinrichs, 58. Aufl., §252 BGB, Rn. 5 m.w.N.).
53
1.
54
Unter diesen Voraussetzungen kann der Schätzung der Höhe des
Verdienstausfallschadens nicht zugrundegelegt werden, daß der Kläger - wie von ihm
behauptet - ab Januar 1995 auf Dauer als Hausmeister beim Zeugen ... freiberuflich mit
einem monatlichen Bruttoverdienst von 4.500,00 DM beschäftigt worden wäre.
55
Unabhängig vom Streit der Parteien darüber, ob und gegebenenfalls mit welchen
Verdienstmöglichkeiten der Kläger eine Hausmeistertätigkeit für den Zeugen ... hätte
aufnehmen können, erscheint völlig ungewiß, ob der Kläger für einen längeren Zeitraum
die betreffende Beschäftigung hätte ausüben können. Insoweit muß Berücksichtigung
finden, daß der Kläger auf freiberuflicher Basis jederzeit kündbar gewesen wäre und
aufgrund seiner vorangegangenen Beschäftigungsverhältnisse und seiner Ausbildung
offen ist, ob er überhaupt die Eignung besaß, die angebotene Hausmeisterstelle
langfristig ausfüllen zu können. So stand der Kläger nach Abschluß seiner
Kraftfahrzeugschlosserlehre nicht kontinuierlich in einem Erwerbsverhältnis und hat
56
lediglich vom 11.11.1991 bis zum 14.02.1993 und vom 01.07. bis zum 15.07.1993 bei
der Firma ... als Lagermeister, vom 23.09. bis zum 19.11.1993 für eine Objektschutzfirma
und vom 23.03. bis zum 21.04.1994 für eine Versandfirma in jeweils wechselnden
ausbildungsfremden Bereichen gearbeitet.
2.
57
Demgegenüber ist im Rahmen der gemäß §252 S. 2 BGB anzustellenden Prognose mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der Kläger ohne den Unfall
ab Januar 1995 einer seinen früheren Beschäftigungen vergleichbaren Erwerbstätigkeit
mit in etwa vergleichbarem Einkommen nachgegangen wäre.
58
Der Wahrscheinlichkeit einer solchen hypothetischen beruflichen Entwicklung des
Klägers steht nicht etwa der Umstand entgegen, daß der Kläger nach Abschluß seiner
Kraftfahrzeugschlosserlehre in ausbildungsfremden wechselnden
Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat und vor dem Unfall ca. 8 Monate lang
arbeitslos gewesen ist. Für die anzustellende Prognose hinsichtlich der
Verdienstmöglichkeiten sind nämlich nicht allein die im Unfallzeitpunkt bestehenden
Verhältnisse maßgeblich. Vielmehr kann im Hinblick auf die wahrscheinliche künftige
Entwicklung gerade bei einem noch jungen Menschen - wie dem zur Unfallzeit
26jährigen Kläger - ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte nicht angenommen
werden, daß er auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine
gewinnbringende - auch ausbildungs- bzw. berufsfremde - Erwerbstätigkeit nicht genutzt
hätte und ohne Einkünfte geblieben wäre (vgl. BGH, NJW 1997, 937).
59
Dementsprechend geht der Senat davon aus, daß der Kläger ab Januar 1995 monatlich
durchschnittlich einen seinen Einkünften aus früherer Erwerbstätigkeit in etwa
entsprechenden Verdienst erzielt hätte, wobei allerdings im Rahmen der Schätzung
durch gewisse Abschläge dem Umstand Rechnung zu tragen ist, daß der Kläger nach
seiner Ausbildung nicht kontinuierlich beschäftigt gewesen ist (vgl. dazu zuletzt BGH
DAR 99, 401 m.w.N.). Insofern erscheint der vom Kläger im Jahre 1992 durchgängig als
Lagermeister bei der Firma ... erzielte Bruttoverdienst als geeignete
Schätzungsgrundlage. Mit Rücksicht auf die aus der im übrigen nicht kontinuierlichen
Erwerbstätigkeit des Klägers folgenden Unwägbarkeiten hinsichtlich der Ermittlung des
vom Kläger auf Dauer erzielbaren Durchschnittseinkommens hält der Senat allerdings
einen Abschlag von 10 % vom Bruttoverdienst des Jahres 1992 für geboten.
60
Danach schätzt der Senat nach Maßgabe folgender Berechnung, daß der Kläger ab
Januar 1995 durchschnittlich einen monatlichen Bruttolohn von 2.400,00 DM
ausschließlich der Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag erzielt
hätte.
61
Ausweislich der Lohnsteuerkarte 1992 belief sich der Bruttojahresarbeitslohn des
Klägers auf 39.394,53 DM. Abzüglich der darauf anteilig mit 18,29 % entfallenden
Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung von 7.206,43 DM, die auch nach der sog.
Bruttolohnmethode im Wege des Vorteilsausgleichs abzuziehen sind (BGH VersR 95,
104, 105), verbleibt ein Bruttojahresarbeitslohn 32.188,10 DM. Nach Abzug des
Abschlages von 10 % verbleibt ein im Wege der Schätzung auf durchschnittlich
2.400,00 DM abzurundender Bruttomonatslohn.
62
3.
63
Die entsprechende Verdienstmöglichkeit ist dem Kläger unfallbedingt dauerhaft
genommen, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß der Kläger
aufgrund der erlittenen Unfallverletzungen dauerhaft berufs- und arbeitsunfähig ist. Zur
Begründung wird auf die betreffenden Darlegungen unter II. verwiesen.
64
4.
65
Demnach berechnet sich der Verdienstausfallschaden des Klägers für den Zeitraum ab
Januar 1995 bis einschließlich Februar 1999 unter Berücksichtigung der vom Kläger
bezogenen Sozialhilfe wie folgt:
66
Januar bis August 1995:
8 × 2.400,00DM =
19.200,00
DM
September 1995 bis Februar
1998:
30 × (2.400,00 DM - 2.032,00 DM = 368,00
DM) =
11.040,00
DM
März bis August 1998:
6 × (2.400,00 DM - 2.100,00 DM = 300,00
DM) =
1.800,00
DM
September 1998 bis Februar
1999:
6 × 2.400,00 DM =
14.400,00
DM
Summe:
46.440,00
DM.
67
5.
68
Die ab März 1999 von den Beklagten monatlich zu zahlende Verdienstausfallrente von
2.400,00 DM kann der Kläger lediglich bis zur Vollendung seines 60. Lebensjahres und
damit wie erkannt bis zum 15.12.2028 beanspruchen.
69
Zwar ist im Regelfall davon auszugehen, daß ein Arbeitnehmer voraussichtlich erst mit
Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Berufsleben ausscheidet (vgl. BGH, r + s
1995, 383 f.). Jedoch kann auch die Annahme eines schon früheren Ausscheidens aus
dem Berufsleben gerechtfertigt sein (vgl. OLG Hamm, r + s 1995, 256 ff.).
70
Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Im Hinblick auf die unstete nicht
kontinuierliche Arbeitsweise des Klägers vor dem Unfall mit wechselnden
ausbildungsfremden Tätigkeiten geht der Senat davon aus, daß der Kläger auch ohne
den Unfall bereits mit 60 Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden würde.
71
IV.
72
Der vom Kläger ferner von den Beklagten gemäß §§823, 7, 17, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVG
zu beanspruchende weitere materielle Schaden beläuft sich der Höhe nach unstreitig
auf 1.289,00 DM.
73
V.
74
Der dem Kläger zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§284, 286, 288, 291 BGB.
75
VI.
76
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546
Abs. 2 ZPO.
77