Urteil des OLG Hamm vom 08.02.2007
OLG Hamm: rufnummer, rüge, täuschung, eintrag, gebühr, zugang, stadt, internet, betrug, bereicherungsabsicht
Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss 548/06
Datum:
08.02.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss 548/06
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 14 Ns 8 Js 255/01
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des
Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Angeklagten sind vom Amtsgericht vom Vorwurf des Betruges frei gesprochen
worden. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die Angeklagten
wegen eines Betruges im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von acht
Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Hiergegen richten sich nun noch die Revisionen der Angeklagten, mit denen die
Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft
hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu
verwerfen.
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II.
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Das Rechtsmittel ist zulässig und hat schon mit der formellen Rüge Erfolg. Die mit der
Sachrüge angesprochenen Fragen können daher letztlich dahinstehen.
5
1.
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Die übereinstimmende formelle Rüge der Angeklagten, mit der geltend gemacht wird,
das Landgericht habe § 261 StPO dadurch verletzt, dass es rechtsfehlerhaft versäumt
habe, verlesene schriftliche Erklärungen der Angeklagten aus dem erstinstanzlichen
Verfahren zu würdigen, hat Erfolg.
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a) Der Revisionsvortrag genügt insoweit den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO, so dass die Verfahrensrügen zulässig erhoben sind.
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b) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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Im Berufungsverfahren haben sich die Angeklagten nicht zur Sache eingelassen. Nur in
der Hauptverhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht hatten sie in den Akten
befindliche schriftliche Erklärungen abgegeben, in denen sie den Tatvorwurf bestritten
und angaben, dass die Anzeigen und Bandtexte nicht dazu gedient hätten, Kunden zu
täuschen. In den Erklärungen wird unter Bezugnahme auf Erfahrungen mit den
Straßenverkehrsämtern dargelegt, weshalb die Geschäftsidee der Angeklagten auch
ohne die Erweckung eines Irrtums für Kunden nutzbringend und so erfolgreich sein
konnte: Insbesondere hätten präzise Vorabinformationen empfindliche Wartezeiten und
zunächst nutzlose Besuche des Straßenverkehrsamtes verhindern können, zumal
telefonische Informationen der Ämter oftmals erst spät oder nicht zu erreichen gewesen
seien. Das Landgericht hat diese schriftlichen Erklärungen verlesen und damit zum
Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Überdies hat es das frühere Urteil
verlesen, das sich mit diesen Einlassungen auseinandersetzte.
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Eine solche, zunächst als reine Sachrüge und wegen der Bezugnahme auf
Aktenbestandteile als unzulässig anmutende Rüge ist als besondere Form der
Verfahrensrüge zulässig (vgl. BGH StV 1988, 138 f. m. zust. Anm. Schlothauer; 1989,
423 f.; 1990, 485; 1991, 548; 549; 1993, 459; 2002, 12; 2003, 318 f.; siehe auch OLG
Zweibrücken StV 1994, 545, 546; OLG Karlsruhe StV 1999, 139 ff. m.w.N.; 2000, 658;
erläuternd Widmaier/Widmaier, Münchner Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 9 Rn.
126, 128, 137; krit. aber letztlich nicht verwerfend Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 261
Rn. 38a). Dies gilt hier jedenfalls deshalb, weil vorliegend Relativierungen der vom
Landgericht eingeführten früheren Einlassungen in der Hauptverhandlung durch die
Angeklagten selbst angesichts ihres Schweigens in der Hauptverhandlung
ausgeschlossen sind, so dass keine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung
erforderlich ist.
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Begründet ist diese Rüge dann, wenn das Gericht das verlesene Schriftstück und
seinen Inhalt – hier die früheren Einlassungen – außer Acht gelassen hat, obwohl sich
nach den Umständen und der gesamten Beweislage die Notwendigkeit der
ausdrücklichen Auseinandersetzung unmittelbar aufdrängte (vgl. Widmaier/Widmaier,
a.a.O. § 9 Rn. 128), also ohne diese keine hinreichend vollständige Erörterung zu
verzeichnen ist (vgl. BGH StV 1988, 138 f.; 1990, 485; 1993, 459; OLG Karlsruhe StV
1999, 139, 140). Dabei können gerade auch ungenügende oder fehlende Erörterungen
zu Einlassungen des Angeklagten Rechtsfehler bei der gerichtlichen Beweiswürdigung
darstellen (vgl. etwa BGH StV 1983, 8; Widmaier/Widmaier, a.a.O., § 9 Rn. 137; vgl.
auch Meyer-Goßner/Appl, Urteile in Strafsachen, 27. Aufl., Rn. 359, wonach alle
Äußerungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind).
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Die Angeklagten rügen die nicht erfolgte Berücksichtigung bezüglich der bestreitenden
Erklärungen der Angeklagten, in denen diese erläutern, warum die Anzeige- und
Bandtexte so und nicht anders geschaltet wurden. Das Gericht hat – wie die Revisionen
zutreffend vortragen – diese nicht ausdrücklich in den Gründen erörtert, vielmehr selbst
nach dem allgemeinen Pauschalverweis auf die in die Hauptverhandlung eingeführten
Beweismittel festgehalten, es lägen ihm keine Angaben der Angeklagten zur Sache vor.
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Das Vorgehen des Landgerichts ist rechtsfehlerhaft und verletzt § 261 StPO. Die
Verlesung und Verwertung der früheren schriftlichen Aussage der Angeklagten war
zulässig (zur Befugnis zur Verlesung vgl. BGHSt 39, 305, 306; OLG Zweibrücken StV
1986, 290 f.). Erfolgt eine Verlesung seitens des Gerichts, muss das ursprünglich von
den Angeklagten zu ihrer Verteidigung Vorgebrachte auch Erörterung finden (vgl. auch
Meyer-Goßner/Appl, a.a.O., Rn. 359) Die Entscheidungsgründe müssen sich mit dem
Verteidigungsvorbringen des Angeklagten auseinandersetzen. Dies ergibt sich hier im
Besonderen daraus, dass das Landgericht zum einen eine lediglich konkludente
Miterklärung und eine gezielte Textabfassung zur Täuschung indiziell begründet
annehmen will. Gegen diese sprechen aber die von den Angeklagten näher dargelegten
und mehr als nur plausiblen Gründe für eine täuschungslos erfolgreiche Geschäftsidee
und für die Abfassung der Anzeigen in erheblichem Maße. Zum anderen hat das Gericht
beim Schluss auf den Tatvorsatz und die Bereicherungsabsicht ausdrücklich allein auf
die "geschickte Platzierung" der Anzeigen abgestellt, für die gerade in den früheren
Einlassungen naheliegende Erklärungen unterbreitet werden, die diese tragende
Erwägung in erheblichem Maße in Frage stellen, weil die Eintragungen schlicht dem
Geschäftsgegenstand entsprachen und es an Alternativen mangelte. Auch wenn keine
aktuellen Einlassungen gegeben wurden, lagen dem Landgericht so doch entlastende
Angaben vor, die von den Angeklagten herrührten. Diese betrafen die wesentlichen
Tatfragen und stellten diese in ein ganz anderes Licht, als das Landgericht sie gestellt
wissen wollte und gestellt hat. Die verlesenen Ausführungen blieben trotz des
Schweigens verfahrensrelevantes Verteidigungsvorbringen. Dabei wäre auch zum
Gewicht dieser Verteidigungsausführungen zu bedenken gewesen, dass die J GmbH ihr
Geschäft nach den Feststellungen auch ohne die seitens des Gerichts angenommene
Täuschung noch bis immerhin Ende 2005 weiter betreiben konnte, ohne dass eine
Veränderung des Geschäftsgegenstandes festgestellt geworden wäre.
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Die sich hier aufdrängende Erörterung der Erklärungen wäre auch ohne Konflikt mit dem
Gebot, das Schweigen der Angeklagten zu respektieren, möglich gewesen, da es nur
um eine Berücksichtigung zugunsten der Angeklagten geht: Die früheren Aussagen, die
nahe liegende andere Sachverhalte zur konkludenten Erklärung und zu den subjektiven
Tatvoraussetzungen unterbreiten, hätten als Prüfsteine für eine objektiv hinreichend
überzeugungstaugliche Beweiswürdigung genommen werden sollen und müssen.
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Ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler ist nicht auszuschließen: Es
erscheint möglich, dass sich das Landgericht bei einer näheren Erwägung und
Erörterung nicht von der konkludenten Täuschung, vom Tatvorsatz und von der
Bereicherungsabsicht überzeugt hätte.
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2.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf die mit der Sachrüge
gemachten Ausführungen auf Folgendes hin:
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a) Nach Auffassung des Senats geht das Landgericht auf der Grundlage der derzeit
getroffenen Feststellungen zutreffend davon aus, dass eine Täuschungshandlung der
Angeklagten im Sinn von § 263 StGB anzunehmen ist. Zu Recht hat das Landgericht in
dem Zusammenhang auf die Grundsätze der so. Insertionsentscheidung des BGH
abgestellt (BGHSt 47, 1 = NJW 2001, 2187).
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Zum Tatgeschehen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
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"Die Angeklagten, die einen gemeinsamen Kfz-Zulassungsdienst betrieben,
gründeten von Januar bis Februar 2001 in K die J GmbH, deren
Unternehmensgegenstand die Erteilung telefonischer Auskünfte zu Kfz-
Formalitäten, Zulassungs- und Führerscheinangelegenheiten sowie allgemeine
Informationen zu Straßenverkehrsämtern war. Hierzu hatten die Angeklagten bereits
im Herbst 2000 über die F GmbH die 0190-Rufnummer 0190 ###2 angemietet. Über
die F GmbH wurden für die Angeklagten auch die erforderlichen Bandansagetexte
aufgenommen. Die Angeklagten veranlassten unter der Bezeichnung
"Straßenverkehrs/Info z. Kfz Zulassungsstelle, Führerschein u. Kfz Formalitäten"
bzw. "Straßenverkehrs/Info-Zentrale für Kfz Zulassungsstelle, Führerschein u. Kfz
Formalitäten" in zahlreichen deutschen Städten Einträge in die Telefonbücher sowie
in Telefondatenbanken im Internet, wobei der Eintrag jeweils eine Rufnummer des
jeweiligen Ortsnetzes angab. Für Anrufe dieser Rufnummern schalteten die
Angeklagten folgenden Bandansagetext:
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"Sehr geehrter Mitbürger!
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Unter der Ihnen gleich mitgeteilten Service-Hotline, die speziell für ihre Anfragen
eingerichtet wurde, erhalten Sie sämtliche Informationen zu den Führerschein- und
Kfz-Formalitäten an ihrem Straßenverkehrsamt.
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Weiterhin erhalten sie die Öffnungszeit sowie die Anschrift und haben die
Möglichkeit, persönlich mit einem unserer freundlichen Sachbearbeiter ihr Anliegen
zu besprechen. Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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Bitte wählen Sie folgende Rufnummer: 0-1-9-0-#-#-#-2. Ich wiederhole: 0-1-9-0-#-#-
#-2.
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Wir möchten Sie schon jetzt darauf aufmerksam machen, dass die Gebühr mit DM
3,63 pro Minute abgerechnet wird.
26
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.
27
Auf Wiederhören".
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Ab Januar 2002 modifizierten die Angeklagten den Bandansagetext wie folgt:
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"Wir möchten Sie schon jetzt darauf aufmerksam machen, dass lediglich 1,86 € pro
Minute in Abzug gebracht werden.
30
Oder besuchen Sie uns doch im Internet unter www..###.de."
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Wurde die angemietete Rufnummer 0190 ###2 angewählt, schalteten die
Angeklagten folgenden Bandansagetext:
32
"Guten Tag!
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Sie sind mit der Informationszentrale für Kfz-Formalitäten und Kfz-
Zulassungsangelegenheiten verbunden.
34
Bevor Sie alle Informationen zu sämtlichen Kfz-Formalitäten erhalten oder zu einem
unserer Sachbearbeiter durchgestellt werden, möchten wir Sie darauf aufmerksam
machen, dass die Gebühr DM 3,63 DM pro Minute beträgt.
35
Wählen Sie bitte aus den nun folgenden Menüpunkten: …"
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Es folgten insgesamt zehn Wahloptionen, die jeweils den Zugang zu bestimmten
Fragenkreisen rund um die Kfz-Zulassung eröffneten. Die zehnte und letzte Option
gewährte den Zugang zu einem Sachbearbeitergespräch. Bei der Anwahl der ersten
neun Menüoptionen konnten im Ansagetext angekündigte Informationen zu
einzelnen Komplexen aus dem Arbeitsbereich des Straßenverkehrsamtes abgehört
werden.
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In der Folgezeit wurde der bei der Anwahl der 0190-Nummer abzuhörende
Bandansagetext von den Angeklagten wie folgt geändert und ergänzt, indem der
folgende Text dem Menü vorgeschaltet wurde:
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"Guten Tag und herzlich willkommen bei der Informationszentrale für Kfz-
Formalitäten, Führerscheinangelegenheiten sowie sämtlichen Infos rund um Ihre
Kfz-Zulassungsstelle.
39
Bevor wir Ihnen sämtliche Informationen liefern oder Sie zu einem unserer
Sachbearbeiter durchgestellt werden, möchten wir Sie darauf aufmerksam machen,
dass die Gebühr mit 3,63 pro Minute von der J GmbH berechnet wird. Für weitere
Infos zum Anbieter drücken Sie jetzt die 1".
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Die Ansagetexte und die durchgeführten Veränderungen wurden durch die
Angeklagten in Zusammenarbeit mit der Mitarbeiterin des Straßenverkehrsamtes N
erstellt, die hierfür von Januar 2001 bis Oktober 2001 eine genehmigte
Nebentätigkeit bei der J GmbH wahrnahm. Als Telefonisten beschäftigten die
Angeklagten den für die Arbeit angelernten Computertechniker und Zeugen H, für
den von N ein Ordner mit ca. 30 Seiten Informationen aus dem Tätigkeitsspektrum
der Straßenverkehrsbehörden erstellt worden war. Zum Teil wurden Anfragen unter
dem Menüpunkt "0" auch von einem der Angeklagten oder von N beantwortet. Der
Zeuge H hatte die Aufgabe, drei bis viermal jedes Jahr jedes einzelne
Straßenverkehrsamt anzurufen, um dort neueste Informationen zum Beispiel zu den
Öffnungszeiten zu erfragen.
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Die veranlassten Einträge in die örtlichen Telefonbücher und in
Telefondatenbanken riefen bei zahlreichen Personen den Eindruck hervor, dass es
sich bei der angegebenen örtlichen Telefonnummer um die Nummer des örtlichen
Straßenverkehrsamtes handelte, zumal die Rufnummer der Angeklagten auch bei
der Eingabe von Suchbegriffen wie "Straßenverkehrsamt" oder "Führerschein"
angezeigt wurde. Auch Mitarbeiter der Telefonauskünfte verwiesen auf Nachfrage
nach der Rufnummer des örtlichen Straßenverkehrsamtes mitunter auf die jeweilige
örtliche Rufnummer der J GmbH. Zahlreiche Anrufer wählten die Nummer 0190-
###2 in der Überzeugung, mit dem örtlichen Straßenverkehrsamt verbunden zu
sein. Es kam in der Folgezeit zu zahlreichen Beschwerden von Anrufern, die
geglaubt hatten, mit dem Straßenverkehrsamt bzw. einer Informationsstelle
desselben verbunden gewesen zu sein und die mit dem Straßenverkehrsamt eine
konkrete Frage hatten erörtern oder regeln wollen. Den Angeklagten war dabei
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bekannt gewesen, dass viele Straßenverkehrsämter in den jeweiligen örtlichen
Telefonbüchern nur schwer, insbesondere sehr häufig nicht unter der Rubrik
Straßenverkehrsamt zu finden waren. Die Angeklagten hatten die Ansagetext
bewusst so konzipiert, dass bei vielen Anrufern der Eindruck entstand und sodann
aufrechterhalten wurde, mit dem jeweiligen örtlichen Straßenverkehrsamt
verbunden zu sein. Die Angeklagten handelten, um die erheblichen, anteilig an sie
weitergeleiteten Telefongebühren zu erlangen, was sie nicht bzw. allenfalls in weit
geringerem Umfang hätten erreichen können, wenn sie darauf hingewiesen hätten,
dass es sich um einen privaten Auskunfts- / Informationsdienst handelte.
Das Landgericht führt insgesamt 21 Fälle auf, in denen nach seiner Überzeugung
ein Betrug gegenüber dem jeweiligen Anrufer/der jeweiligen Anruferin begangen
worden ist, wobei einmal nur von einem versuchten Betrug ausgegangen wird (). In
drei Fällen waren die mitgeteilten Informationen falsch (Fälle 7, 15 und 18). In einem
Fall konnte keine Antwort gegeben werden (Fall 17).
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Innerhalb des Tatzeitraums von Januar 2001 bis Februar 2002 ergaben sich für die
0190-Rufnummer Gebühren in Höhe von insgesamt 760.989,00 €. In der Folgezeit
wurden auf dem Zivilrechtsweg Verfahren gegen die J GmbH durchgeführt. Das LG
Bochum verurteilte die J GmbH am 25. Juni 2002 in deren Rechtsstreit gegen die
DSW (Deutscher Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V.) zur
Unterlassung einer Werbung in Telefonbüchern oder sonstigen
Telefonverzeichnissen, die nicht durch Angabe der eigenen Firma deutlich darauf
hinweise, dass der Anschlussinhaber nicht die amtliche Kfz-Zulassungsstelle bzw.
das kommunale Straßenverkehrsamt sei. In weiteren Verfahren wurden 2003
Vergleiche geschlossen, in denen sich die J GmbH verpflichtete, ihre
Verzeichniseinträge nicht mehr unter der Verwendung des Wortes Stadt und/oder
bzw. Straßenverkehrsamt zu unterhalten, soweit keine unmissverständlichen
Hinweise zum gewerblichen Dienst erfolgten. In der Folgezeit änderten die
Angeklagten den Eintrag im Telefonbuch. In dem Telefonbuch für die Stadt C
2004/05 (Nr. #1) findet sich in der entsprechenden Rubrik folgender Eintrag:
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"Straßenverkehrsauskunft ###5
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J GmbH Infoservice Kfz Zulassungs- und Führerscheinangelegenheiten"
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Mit Beschluss des AG Bochum vom 28. Dezember 2005 (80 IN ###/05) wurde über
das Vermögen der J GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das
Insolvenzverfahren eröffnet."
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Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Annahme einer Täuschungshandlung
durch das Landgericht nicht rechtfehlerhaft. Die entscheidende Parallele zur
Insertionsrechtsprechung des BGH besteht in der "planvollen Missverständlichkeit", die
auch den vorliegenden Fall kennzeichnet. Die Wertungen hinsichtlich der
Täuschungshandlung sind zudem konkret für die unterbreitete Situation und für den hier
anzunehmenden Adressatenkreis vorzunehmen. Dieser zeichnet sich durch seine
unspezifische Durchmischung aus: Es geht weder um besonders belastete noch um
besonders aufmerksame Bürger, vielmehr ist der durchschnittlich gebildete und
durchschnittlich geschäftserfahrene Bürger als Adressat zu betrachten, der anruft, weil
er eine zeitnahe Information wünscht. Dieser Bürger hört sodann eine bloß telefonische
Information. Er muss diese angesichts seines typisch konkreten Anliegens- und
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Informationsinteresses zügig verarbeiten. Dies spricht dafür, dem Bürger hier nicht
abzuverlangen, die für ihn aus der 0190-Rufnummer erwachsenden Zweifel
dahingehend zu prüfen, ob die entgeltliche Nummer tatsächlich die Verbindung mit dem
örtlichen Straßenverkehrsamt herbeiführen wird.
Grundsätzlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen
Vermögensschaden angenommen hat. Allerdings können in dem Zusammenhang die
vom Landgericht nicht ausgewerteten Erklärungen der Angeklagten Bedeutung
erlangen. Damit wird sich das Landgericht in der neuen Hauptverhandlung noch weiter
auseinandersetzen müssen.
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b) Nach Auffassung des Senats könnte ein Vermögensschaden auch damit begründet
werden, dass die Anrufenden infolge der Täuschung gerade ein entgeltliches Angebot
im Gegensatz zu frei verfügbaren Angeboten der örtlichen Straßenverkehrsämter in
Anspruch nahmen. Die Verfügbarkeit der mittelbar "verdeckten" unentgeltlichen
Angebote könnte die Gegenleistung der J GmbH objektiv entwerten.
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Insoweit ist aber zu betonen, dass diese Erwägung wohl nur dann greifen könnte, wenn
und soweit örtlich tatsächlich gleichermaßen erreichbare öffentlich-rechtliche
Infoservices angeboten werden und dies festgestellt wird, was bislang nicht der Fall ist.
Mehr noch scheint jedenfalls bei Ablauf der behördlichen Geschäftszeiten ein Bereich
existent, in dem die "Entwertung durch den Vergleich mit dem kostenlosen Angebot" per
se ausscheidet (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. 12. 2006, 5 StR 181/06 = HRRS 2007 Nr.
1 ["Fall Hoyzer"]).
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c) Der Senat weist schließlich darauf hin, dass das Landgericht bislang keine näheren
Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten getroffen hat,
sondern lediglich deren Unbestraftheit festgestellt hat. Eine Aufklärungsrüge ist zwar
dahingehend nicht erhoben. Das Revisionsgericht kann jedoch auf der Grundlage der
derzeitigen Feststellungen nicht überprüfen, ob persönliche Umstände und Verhältnisse
der Angeklagten (mit)ausschlaggebend gegen die Annahme eines besonders schweren
Falles gesprochen hätten. Vielmehr ist schon durch das angefochtene Urteil erwiesen,
dass das Landgericht selbst gar keine – weiterhin gebotene (vgl. BGH NStZ 1984, 413;
wistra 2001, 303 f.; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 263 Rn. 129) – ausreichende
Gesamtwürdigung über den besonders schweren Fall angestellt haben kann, da diese
eine Einbeziehung aller wesentlichen Gesichtspunkte einschließlich der
Täterpersönlichkeit in die Gesamtwürdigung voraussetzt (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., §
263 Rn. 129). Es liegt mithin infolge der nicht auf ausreichender Tatsachengrundlage
vorgenommenen Gesamtwürdigung ggf. auch hier ein Rechtsfehler vor.
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