Urteil des OLG Hamm vom 05.11.1999
OLG Hamm: arbeitsgemeinschaft, werkvertrag, bürgschaftsurkunde, anforderung, sicherheitsleistung, zwangsvollstreckung, bankbürgschaft, ergänzung, vollstreckbarkeit, ausführung
Oberlandesgericht Hamm, 25 U 64/99
Datum:
05.11.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 U 64/99
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 479/98
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. Februar 1999 verkündete
Vorbehalts-Urteil der 14. Zivilkammer des Land-gerichts Münster wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann Vollstreckungsmaßnahmen der Kläger ab-wenden
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 DM, falls nicht die
Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Beklagten wird gestattet, Sicherheit auch durch eine unbefristete,
unbedingte und selbstschuldnerische Bank-bürgschaft zu leisten.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.
Tatbestand:
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Die aus den vier Klägerinnen (im folgenden auch: Arbeitsgemeinschaft) bestehende
Arbeitsgemeinschaft beauftragte die T GmbH mit der Durchführung von Arbeiten bei
einem Bauvorhaben. In den dem Auftrag zugrunde liegenden Vertragsverhandlungen,
Verhandlungsprotokoll vom 29.08.1996, Bl. 11ff GA, verpflichtete sich die T GmbH, eine
Vertragserfüllungsbürgschaft über 77.800,-- DM zu stellen, während der vereinbarte
Einbehalt zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen durch eine Bürgschaft "nach
Muster der Arbeitsgemeinschaft" abgelöst werden können sollte, Bl. 16 GA.
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Die Vertragserfüllungsbürgschaft wurde wie folgt gestellt: Die T GmbH legte der
Beklagten das Bürgschaftserklärungsmuster, das sie von der Arbeitsgemeinschaft
erhalten hatte, vor. Die Beklagte unterzeichnete und sandte oder übergab der T GmbH
die unterzeichnete Bürgschaftserklärung, die wiederum von der T GmbH der
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Arbeitsgemeinschaft zugeleitet wurde. In der Bürgschaftsurkunde, Bl. 24 GA, übernahm
die Beklagte für die Erfüllung sämtlicher mit dem Auftrag seitens der T GmbH
übernommenen Verpflichtungen eine selbstschuldnerische Bürgschaft, verzichtete unter
anderem auf die Einrede des § 768 BGB und verpflichtete sich, auf erste schriftliche
Anforderung zu leisten.
Mit Schreiben vom 8.6.1998 nahm die Arbeitsgemeinschaft, vertreten durch die Klägerin
zu 1.), die Beklagte auf Zahlung der Bürgschaftssumme in Anspruch. Dazu legte sie ihre
Rechnung an die T GmbH vom 28.4.1998 vor, nach der sich wegen
Mangelbeseitigungskosten u.a. unter Verrechnung der Restwerklohnforderung der T
GmbH ein Anspruch der Arbeitsgemeinschaft von 248.365,-- DM ergab.
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Die Beklagte leistete darauf nicht.
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Die Klägerinnen haben deshalb im Urkundenprozeß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 77.800,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem
13.06.1998 Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde vom 18.12.1996
zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und Rechtsmissbrauch eingewandt. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern sei nicht
geschuldet gewesen.
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Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die
angefochtene Entscheidung verwiesen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und der Beklagten die Ausführung ihrer
Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Zur Begründung hat es im wesentlichen
ausgeführt, Rechtsmißbrauch liege nicht auf der Hand, da, auch wenn der Werkvertrag
eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht ausdrücklich vorsehe, eine Abänderung des
Vertrages durch die Parteien des Werkvertrages als möglich erscheine und
Einwendungen zum Bestand des verbürgten Anspruchs bei einer Bürgschaft auf erstes
Anfordern in den Rückforderungsprozess gehörten.
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Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
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Sie beantragt,
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in Abänderung des Vorbehaltsurteils die Klage abzuweisen und
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ihr Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung durch
Bankbürgschaft nachzulassen.
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die Arbeitsgemeinschaft beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Beide Parteien begründen ihre Auffassungen unter näherer Darlegung mit
Rechtsausführungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Klägerinnen steht der geltend gemachte Anspruch, wie das Landgericht mit Recht
erkannt hat, zu. Die Beklagte hat die Bürgschaft auf erstes Anfordern übernommen, die
Anforderung ist erfolgt und die Anforderung betrifft Ansprüche, die die Bürgschaft
sicherte.
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Die Beklagte wendet lediglich Rechtsmißbrauch ein, weil eine Bürgschaft auf erste
Anfordern von der T GmbH nicht geschuldet gewesen sei.
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Es erscheint schon fraglich, ob die Beklagte den Einwand, eine Bürgschaft auf erstes
Anfordern sei im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger nicht geschuldet, ihrer
Inanspruchnahme überhaupt entgegensetzen kann. Ihr Verhältnis zur
Arbeitsgemeinschaft, der Gläubigerin, richtet sich primär nach der eingegangenen
Verpflichtung dieser gegenüber, § 765 BGB. Bei dem Einwand, eine Bürgschaft auf
erstes Anfordern sei nach dem zwischen den Parteien des Werkvertrages nicht
geschuldet, handelt es sich indessen um einen Einwand der T GmbH, der Schuldnerin,
aus dem geschlossenen Werkvertrag. Auf ihr Recht, die dem Schuldner zustehenden
Einwendungen zu erheben, § 768 BGB, hat die Beklagte aber ausweislich der
Bürgschaftsurkunde verzichtet.
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Selbst wenn man annehmen wollte, der Einwand könne von der Beklagten erhoben
werden und mache im Falle seiner Berechtigung ihre Inanspruchnahme durch die
Arbeitsgemeinschaft rechtsmissbräuchlich, so müsste im übrigen offensichtlich sein,
daß die T GmbH keine Bürgschaft auf erstes Anfordern schuldete (BGH ZfBR 97, 38
und NJW 98, 2280), was nicht der Fall ist. Zu Recht hat bereits das Landgericht dazu
ausgeführt, daß, auch wenn im Werkvertrag eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht
ausdrücklich vorgesehen war, eine Ergänzung oder Änderung des Vertrages durch
formlose Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden kann. Sie liegt hier sogar nahe.
Denn der Umstand, daß die T-GmbH die von der Arbeitsgemeinschaft durch Vorlage
des Musters geforderte Bürgschaft beibrachte, legt die Annahme nahe, daß die T GmbH
mit den Bedingungen einverstanden war und damit zwischen den Parteien des
Werkvertrages über die Bedingungen der Bürgschaft Einigkeit bestand.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§
708 Ziff. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. II ZPO.
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