Urteil des OLG Hamm vom 29.03.2000
OLG Hamm: fristlose kündigung, gesellschafter, geschäftsführer, firma, anstellungsverhältnis, erlöschen, dienstverhältnis, beendigung, meinung, anwendungsbereich
Oberlandesgericht Hamm, 8 U 156/99
Datum:
29.03.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 156/99
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 15 O 70/99
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 22. Juni 1999 ver-kündete
Urteil des Landgerichts Bochum wird zurückge-wie-sen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Beklagten liegt unter 60.000,00 DM.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
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Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, daß das
Dienstverhältnis des Klägers mit der Firma G mbH nicht durch die Kündigung des
Beklagten vom 18. Februar 1999 mit sofortiger Wirkung, sondern frühestens zum 31. Mai
1999 aufgelöst worden ist.
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1.
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Die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen beurteilen sich nach der am 01. Januar
1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung (InsO). Das Insolvenzverfahren ist im Januar
1999 beantragt worden. Nach Art. 104 EGInsO beurteilen sich auch die
Rechtsverhältnisse und Rechte, die vor dem 01. Januar 1999 begründet worden sind,
nach der Insolvenzordnung. Dementsprechend gelten die Bestimmungen der
Insolvenordnung auch für das mit Wirkung vom 01. Oktober 1976 begründete
Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Firma G mbH.
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Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Firma G mbH.
2.
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10. Februar 1999 und die mit Schreiben vom
18. Februar 1999 ausgesprochene Kündigung des Geschäftsführervertrages des
Klägers haben nicht dazu geführt, daß das Vertragsverhältnis vor dem 31. Mai 1999
aufgelöst worden ist.
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a)
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Der Auffassung des Beklagten, die Beendigung des Geschäftsführervertrages des
Klägers beurteile sich nach §§ 115, 116 InsO, kann nicht gefolgt werden. Die Kündigung
des Anstellungsverhältnisses des Klägers bei der Firma G mbH richtet sich nach § 113
InsO. Es gilt die Kündigungsfrist nach § 113 Abs. 1 S. 2 InsO, die drei Monate zum
Monatsende beträgt.
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Der Kläger ist zu 50 % als Gesellschafter an der Firma G mbH beteiligt. Sein
Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer bei der GmbH ist als Dienstverhältnis zu
werten, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, § 113 Abs. 1 S. 1 InsO. Unter
Geltung des § 22 KO war herrschende Auffassung, daß das Anstellungsverhältnis eines
GmbH-Geschäftsführers dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung unterfiel (vgl.
Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., § 22 Rn. 5). An dieser zu § 22 KO
vertretenen Meinung ist auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Rahmen der
Anwendung des § 113 InsO festzuhalten.
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Es ist nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung der §§ 113, 115 und 116
InsO die zu § 22 KO bestehende Streitfrage, ob § 22 KO auch auf das
Anstellungsverhältnis eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH oder GmbH &
Co. KG anwendbar ist, in der einen oder anderen Richtung hat entscheiden wollen (zu
dieser Streitfrage vgl. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 22, Rn. 5 a). Wie §§ 113, 115, 116
InsO zeigen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich differenziert zwischen der Kündigung
eines Dienstverhältnisses, dem Erlöschen von Aufträgen und dem Erlöschen von
Geschäftsbesorgungsverträgen. So geht auch die kommentierende Literatur (Irschlinger
in HK-InsO, § 113 Rn. 1 Müller in Smid, Insolvenzordnung, § 113 Rn. 3;
Kübler/Prütting/Moll, InsO, § 113 Rn. 29, vgl. auch FK-InsO/Eisenbeis, § 113 Rn. 14, 15;
Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 113 Rn. 37; Nerlich/Römermann/Hamacher,
§ 113 InsO, Rn. 41, 42) davon aus, daß § 113 InsO dem Regelungsgehalt des § 22 KO
entspricht.
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Der Senat hält an seiner zu § 22 KO entwickelten Rechtsprechung auch in Anwendung
des § 113 InsO fest, wonach der Insolvenzverwalter das Dienstverhältnis des
Gesellschafter-Geschäftsführers nur durch Kündigung nach § 113 InsO beenden kann
(zur Rechtsprechung zu § 22 KO vgl. Senat ZIP 1987, 121; 1992, 418 - Die eingelegte
Revision ist zurückgenommen worden. -) Die von dem Beklagten gegen diese
Auffassung vorgetragenen Gesichtspunkte entsprechen denjenigen, die in der
bisherigen Diskussion (vgl. Heilmann, ZIP 1908, 344; Timm, ZIP 1981, 10; derselbe, ZIP
1987, 69) vorgetragen wurden. Sie geben dem Senat keinen Grund zu einer anderen
Beurteilung. Dies gilt auch deshalb, weil sich in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes zu dieser Frage (vgl. BGH NJW 1980, 595) - soweit ersichtlich -
keine Änderung eingestellt hat. Der Bundesgerichtshof hat gegen die Stimmen der
Literatur die Auffassung vertreten, daß selbst bei dem Alleingesellschafter-
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Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG die Beendigung des
Vertragsverhältnisses nach § 22 KO zu beurteilen ist. Er hat ausdrücklich die analoge
Anwendung des § 23 KO abgelehnt, die auf anders geartete Rechtsverhältnisse
zugeschnitten sei; § 23 KO behandele das Erlöschen eines Auftragsverhältnisses oder
von Geschäftsbesorgungsverträgen.
Im Streitfall ist zudem noch zu berücksichtigen, daß der Kläger nicht
Alleingesellschafter-Geschäftsführer gewesen ist. Er war lediglich zu 50 % als
Gesellschafter an der GmbH beteiligt.
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b)
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Das Anstellungsverhältnis ist ebensowenig durch die ausgesprochene fristlose
Kündigung mit sofortiger Wirkung beendet worden. Insoweit kann dahinstehen, ob in
Fällen der vorliegenden Art, in denen der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist,
die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung unter leichteren Voraussetzungen
angenommen werden können als in anderen Fällen (so wohl BGH NJW 1980, 595,
596). Erforderlich ist jedenfalls, daß die Gründe, die eine fristlose Kündigung
rechtfertigen sollen, konkret vorgetragen werden. Der Vortrag des Beklagten entbehrt
jedoch einer substantiierten Darlegung solcher Umstände.
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3.
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Probleme gem. § 113 Abs. 2 InsO ergeben sich nicht, weil der Kläger kein Arbeitnehmer
war.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 546 ZPO. Die Zulassung der
Revision war nicht veranlaßt, da das Senatsurteil nicht von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofes abweicht und der Senat der Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung beimißt. Wie bereits dargelegt, ist nichts dafür ersichtlich, daß eine
Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 22 KO unter Geltung der
Bestimmungen der Insolvenzordnung, hier §§ 113, 115, 116 InsO, zu erwarten ist.
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