Urteil des OLG Hamm vom 09.07.2009

OLG Hamm: abnahme, aufrechnung, mängelhaftung, unternehmer, montage, mangel, anwaltskosten, verzug, ausschluss, nachbesserung

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 46/09
Datum:
09.07.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 46/09
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 44 O 55/07
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.12.2008 verkündete Urteil
der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen - unter
Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.794,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
4.246,38 € seit dem 29.10.2006, aus 870,30 € seit dem 01.03.2007 und
aus 1.677,32 € seit dem 28.04.2007 sowie weitere 507,50 € nebst
Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 26.06.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs.2, 313a Abs.1 S.1 ZPO)
2
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
3
Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch auf
Restwerklohn in Höhe von insgesamt 6.794,00 € gem. § 631 Abs.1 BGB.
4
Zwischen den Parteien ist unstreitig unter Einbeziehung der VOB/B ein Werkvertrag
über die Errichtung eines Glasvorbaus für den Eingangsbereich des Bauvorhabens "L"
in H geschlossen worden.
5
Der Werklohnanspruch der Klägerin ist auch fällig. Dabei kann dahinstehen, ob und
gegebenenfalls wann eine Abnahme des Gewerks der Klägerin erfolgt ist. Die Fälligkeit
des Anspruchs ergibt sich nämlich daraus, dass zwischen den Parteien ein
Abrechnungsverhältnis besteht. Die Beklagte macht vorliegend nur noch einen
Schadensersatzanspruch wegen des behaupteten Mangels geltend und stellt diesen zur
Aufrechnung. Nacherfüllung wird unstreitig nicht verlangt. Der Nacherfüllungsanspruch
ist damit erloschen und der Vertrag in ein reines Abwicklungsverhältnis umgestaltet
worden. In diesen Fällen kann sich der Auftraggeber nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf eine etwa fehlende Abnahme als
Fälligkeitsvoraussetzung berufen (BGH NJW 1999, 3710, NJW 2002, 3019, BauR 2003,
88, BauR 2005, 582).
6
Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gem. §
13 Nr.7 Abs.3 VOB/B (nach Abnahme) oder gem. § 4 Nr.7 VOB/B (vor Abnahme) wegen
des mit dem Bauherrn vereinbarten Minderungsbetrages und der ihm erstatteten
Anwaltskosten erloschen.
7
Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist zunächst das Vorliegen eines der
Werkleistung der Klägerin zuzuordnenden Mangels. Dabei ist ein zum Schadensersatz
führender Mangel nicht nur bei Defekten im technischen Sinne zu bejahen, vielmehr
können auch optische Mängel zum Schadensersatz verpflichten, zumal wenn der
Auftraggeber ein spezielles Interesse an einem optisch einwandfreien Gewerk hat (OLG
Dresden, IBR 2000, 487 ff; OLG Stuttgart, BauR 1979, 432 ff).
8
Ein solcher optischer Mangel liegt nach den Ausführungen des Sachverständigen – dies
ist zwischen den Parteien letztlich unstreitig – vor. Die nach den Planungen
vorgesehene und vertraglich geschuldete Parallelität der von der Klägerin errichteten
äußeren Glasfassade zu der von einem Drittunternehmer montierten innenliegenden
sichtbaren Stahlkonstruktion ist nicht erreicht worden. Die Abstände zwischen den
inneren Stahlträgern und der verglasten Pfosten-Riegel-Konstruktion der Klägerin
differieren zum Teil erheblich. Diese Abweichungen sind im Innenbereich der
Eingangshalle erkennbar und führen zu einer wesentlichen optischen Beeinträchtigung
der auch repräsentativen Zwecken dienenden Eingangshalle.
9
Die Ursache für die optische Beeinträchtigung liegt nach dem Gutachten des
Sachverständigen Graul jedoch allein in der Montage der innenliegenden
Stahlkonstruktion. Die Stahlträger stünden nicht im Lot und liefen aus der Flucht. Dies
führe zu den hier sichtbaren erheblichen Maßabweichungen. Ein Ausführungsfehler der
Klägerin liege dagegen nicht vor. Der äußere Glasvorbau sei entsprechend den
Planzeichnungen errichtet worden und stehe korrekt auf dem darunter liegenden
Fundament. Eine Vermessung der äußeren Glasfassade habe nur geringfügige
Maßabweichungen gegenüber den Planungen ergeben, die alle innerhalb der
zulässigen Toleranzen nach der hier einschlägigen DIN 18202 lägen. Diese
Maßabweichungen seien auf die Länge der Seiten gesehen minimal und mit dem
bloßen Auge ohnehin nicht sichtbar. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen, der sein Gutachten im Termin klargestellt sowie
nachvollziehbar und plausibel erläutert hat. Danach sind die nur minimalen, innerhalb
der zulässigen Toleranzen liegenden Ungenauigkeiten bei der Errichtung der äußeren
Glasfassade nicht als Ausführungsfehler der Klägerin zu werten. Sie haben auch keine
Auswirkungen auf den optischen Gesamteindruck; bei einer plangenauen Montage der
10
Stahlträger wäre die Parallelität mit der äußeren Glasfassade vielmehr ohne weiteres
gegeben. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, dass im Hinblick auf die starren
Glasscheiben auch eine bessere Anpassung der äußeren Glasfassade an die
schiefstehenden innenliegenden Stahlträger nicht möglich gewesen wäre, so dass unter
diesem Gesichtspunkt ebenfalls kein zum Schadensersatz führender Ausführungsfehler
der Klägerin vorliegt.
Obwohl die Klägerin danach bei der Errichtung der äußeren Glasfassade die
anerkannten Regeln der Technik eingehalten hat, weist ihr Gewerk aber letztlich nicht
die vertraglich geschuldete Parallelität mit der innenliegenden Stahlkonstruktion auf.
Allein der Umstand, dass dies nicht auf einen eigenen Ausführungsfehler, sondern
ausschließlich auf die von einem Drittunternehmer fehlerhaft errichtete innenliegende
Stahlkonstruktion zurückzuführen ist, befreit die Klägerin nicht von ihrer Mängelhaftung.
Da ihr Gewerk bezogen auf die Parallelität der Konstruktionen von den innenliegenden
Stahlpfosten abhängig war, wird die Klägerin von der Mängelhaftung vielmehr nur dann
frei, wenn sie ihrer Bedenkenhinweispflicht nachgekommen ist. Der Auftragnehmer hat
nämlich Vorleistungen anderer Unternehmer daraufhin zu untersuchen, ob sie geeignet
sind, ein mängelfreies Werk entstehen zu lassen. Dabei erkennbare Fehler hat er
aufzudecken und die sich daraus ergebenden Bedenken dem Auftraggeber im
Einzelnen mitzuteilen (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3.Aufl., 6.Teil Rn.24
m.w.N.). Einen schriftlichen Bedenkenhinweis gem. § 4 Nr.3 VOB/B, der zum
Ausschluss der Mängelhaftung führen würde, hat die Klägerin unstreitig nicht erteilt. Ob
sie hier einen inhaltlich ausreichend klaren mündlichen Bedenkenhinweis gegenüber
der richtigen Person erteilt hat, ist zweifelhaft. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen.
11
Vorliegend ist nämlich weiter zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit einem
Schadensersatzanspruch "statt der Leistung" aufrechnet und keine Nacherfüllung mehr
verlangt. Die Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs setzt aber
grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer zuvor – unter Fristsetzung – zur
Mängelbeseitigung aufgefordert worden ist. Da die Klägerin die hier zunächst
erforderliche Nachbesserung der von dem Drittunternehmer montierten innenliegenden
Stahlkonstruktion nicht hätte vornehmen müssen (und dürfen), hätte die Beklagte eine
Aufforderung zur Mängelbeseitigung gegenüber der Klägerin mit dem Angebot
verbinden müssen, für eine ordnungsgemäße Vorleistung zu sorgen. Dies ist – unstreitig
– nicht geschehen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eine solche
Aufforderung entbehrlich war. So war – und ist – eine Mängelbeseitigung nach den
Ausführungen des Sachverständigen nicht unmöglich. Ferner gibt es keine
hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Klägerin – soweit dies erforderlich gewesen
wäre – ihre Mitwirkung an der Erstellung eines mängelfreien Werkes nach Herstellung
einer fachgerechten Stahlkonstruktion verweigert hätte. Ein Schadensersatzanspruch
gegen die Klägerin im Hinblick auf einen etwa unterlassenen Bedenkenhinweis
scheidet daher jedenfalls aus diesem Grund aus.
12
Neben ihrem Werklohnanspruch kann die Klägerin ferner Ersatz der geltend gemachten
vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie Verzugszinsen ab dem 01.03.2007 verlangen.
Ausweislich des vorgelegten vorgerichtlichen Schriftverkehrs bestand bereits vor
Rechtshängigkeit ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien. Verzug ist – wie
sich aus dem Anwaltsschreiben der Klägerin vom 06.03.2007 entnehmen lässt –
spätestens am 01.03.2007 eingetreten, nachdem die sonstigen Restarbeiten erledigt
waren und hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Mangels keine Nacherfüllung
mehr verlangt, sondern die Aufrechnung erklärt wurde.
13
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs.2 Nr.1, 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision
liegen nicht vor.
14