Urteil des OLG Hamm vom 25.11.1998

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Oberlandesgericht Hamm, 33 U 17/98
Datum:
25.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
33. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
33 U 17/98
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 16 O 33/98
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. April 1998 verkündete
Urteil der 16. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Münster
teilweise abgeändert.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger zu 40 % und
der Beklagten zu 60 % auferlegt.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil beschwert die Beklagte in Höhe von weniger als 60.000,00
DM.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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I.
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Die im angefochtenen Urteil auf die Widerklage hin festgestellte
Freistellungsverpflichtung besteht nicht. Ihr steht die notarielle Vereinbarung der
Parteien vom 16.02.1978 entgegen, in welcher die Beklagte sich dazu verpflichtet hat,
im Innenverhältnis die in Abt. III des Grundbuchs von N Blatt ####1 eingetragenen
Belastungen allein zu tragen. Die Parteien haben damit eine anderweitige Bestimmung
i.S.v. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB getroffen, die der mit der Widerklage geltend gemachten
Ausgleichspflicht des Klägers entgegensteht.
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1.
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Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei der notariellen Vereinbarung um ein
Scheingeschäft i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB handelt, das nur dazu bestimmt war,
Pflichtteilsergänzungsansprüche der Geschwister der Beklagten gering zu halten, sind
nicht ersichtlich.
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Gegen ein solches Scheingeschäft spricht bereits der Umstand, daß schon aus
Rechtsgründen die getroffene Vereinbarung überhaupt nicht geeignet war, eine
Reduzierung solcher Pflichtteilsergänzungsansprüche herbeizuführen.
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Es bleibt zwar denkbar, daß die Parteien insoweit von irrigen rechtlichen Vorstellungen
ausgegangen sind. Mit der gebotenen Gewißheit läßt sich dies aber nicht feststellen.
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Die von der Beklagten insoweit vorgetragenen Indizien sind nicht aussagekräftig.
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Dem anwaltlichen Schreiben vom 19.03.81 ist nichts zu entnehmen, was für eine irrige
Vorstellung der Parteien sprechen könnte. Soweit dort für die Beklagte in deren
Auseinandersetzung mit ihren Geschwistern ausgeführt wurde, bei der Berechnung von
Pflichtteilsergänzungsansprüchen müsse dem Wert der Immobilie, welche die Beklagte
im Wege vorweggenommener Erbfolge von ihrem Vater erhalten hatte, der Betrag der in
dem Übergabevertrag übernommenen Darlehensverpflichtungen gegenübergestellt
werden, handelt es sich nicht um eine Argumentation, welche an die notarielle
Vereinbarung der Parteien vom 16.02.1978 anknüpft oder nur vor dem Hintergrund
dieser Vereinbarung verständlich wird, sondern um eine korrekte Darstellung der
Rechtslage, für welche die notarielle Vereinbarung ohne Bedeutung war.
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Auch dem geringen Wertansatz für die Beurkundung der
Schuldübernahmevereinbarung in der notariellen Kostenabrechnung vom 27.12.1978
kommt keine indizielle Wirkung bei. Zum einen erscheint es schwer vorstellbar, daß ein
Notar in Kenntnis der Absicht der Parteien ein auf die Schädigung Dritter angelegtes, zu
diesem Zweck aber ungeeignetes Scheingeschäft beurkundet und dabei die Parteien
nicht einmal auf die Unsinnigkeit ihres Vorhabens hinweist. Zum anderen ergibt sich
auch bei unterstellter Richtigkeit der Darstellung des Klägers, wonach die Urkunde
keine aktuelle Bedeutung haben, sondern nur dazu bestimmt sein sollte, ihn für den Fall
eines Scheiterns der Ehe gegen weitere Forderungen abzusichern, ein
nachvollziehbarer Grund für den geringen Wertansatz.
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Ein Scheingeschäft hat derjenige, der sich auf den Scheincharakter beruft, hier also die
Beklagte, zu beweisen. Dieser Beweis ist nicht geführt.
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2.
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Geht man deshalb von einem ernst gemeinten Geschäft aus, so spricht für die
Darstellung des Klägers, es habe sich um eine Vereinbarung gerade für den Fall des
Scheiterns der Ehe handeln sollen, mehr als für diejenige der Beklagten, wonach der
Fortbestand der Ehe Geschäftsgrundlage der Vereinbarung sein sollte.
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Aus der Sicht zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bestand angesichts der
ehelichen Aufgabenteilung während funktionierender Ehe überhaupt keine Aussicht,
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daß die einkommenslose Beklagte ihre Schuldübernahmeverpflichtung gegenüber dem
Kläger würde erfüllen können. Dieser hat seinen Freistellungsanspruch während der
Ehe auch nie geltend gemacht, sondern wie bei einer Alleinverdienerehe zu erwarten
die Hausbelastungen allein getragen.
Eine Motivation oder Interessenlage, welche eine nur für die Dauer der Ehe geltende
Vereinbarung nachvollziehbar erscheinen lassen könnte, erschließt sich nicht. Das vom
Kläger dargelegte Motiv für die Vereinbarung ist demgegenüber nachvollziehbar.
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Es erscheint im Hinblick hierauf zweifelhaft, ob die ansonsten bei sog. unbenannten
Zuwendungen unter Ehegatten naheliegende Annahme, daß der Fortbestand der Ehe
Geschäftsgrundlage für die Zuwendung sein soll, auch hier gerechtfertigt ist.
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Im Ergebnis kann dies aus folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:
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Nach ständiger BGH-Rechtsprechung (BGHZ 115, 132; 82, 227; 68, 299; 65, 321) sind
Zuwendungen, die Ehegatten während des gesetzlichen Güterstandes einander
gemacht haben, nach güterrechtlichen Bestimmungen auszugleichen. In der Regel führt
dies zu einem befriedigenden Ausgleich deshalb, weil solche Zuwendungen gem.
§ 1374 Abs. 2 BGB nicht dem Anfangsvermögen zuzurechnen sind, also eine effektive
Steigerung des Zugewinns des Empfängers zur Folge haben.
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Eines Rückgriffs auf allgemeine schuldrechtliche Regeln, insbesondere die Grundsätze
über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, bedarf es nur in den extremen
Ausnahmefällen, in denen die güterrechtlichen Vorschriften den Interessenkonflikt nicht
zu erfassen vermögen und das Ergebnis der güterrechtlichen Abwicklung schlechthin
unangemessen erscheint (BGHZ 115, 132, 138; FamRZ 1995, 1060, 1062).
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Soweit das Landgericht einen solchen Ausnahmefall mit der Erwägung angenommen
hat, es gehe um zukünftige, erst nach Beendigung des Güterstandes entstehende
Verpflichtungen, überzeugt dies nicht.
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Die von der Beklagten übernommenen Darlehensverpflichtungen waren bereits
entstanden. Die nach Beendigung des Güterstandes zu zahlenden Kreditraten waren
lediglich noch nicht fällig. Die von der Beklagten übernommene Darlehensverpflichtung
kann ohne weiteres stichtagsbezogen beziffert und als das Endvermögen mindernde
Position in Ansatz gebracht werden.
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Damit ist ein befriedigender Ausgleich erreicht. Ohne die Zuwendung wäre die
Darlehensbelastung anteilig beim Endvermögen beider Parteien als Abzugsposten zu
berücksichtigen. Wegen der Zuwendung ist sie allein als Abzugsposten beim
Endvermögen der Beklagten in Ansatz zu bringen, so daß sich in Höhe der Zuwendung
ihr Zugewinn mindert und derjenige des Klägers steigt.
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Der Senat folgt der landgerichtlichen Auffassung auch insoweit nicht, als es um
Darlehenszinsen für Zeiträume nach dem Ehezeitende geht, für die es keinen
güterrechtlichen Ausgleich gibt und an denen der Kläger sich ohne die notarielle
Vereinbarung hätte beteiligen müssen.
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Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, daß der Zuwendungsempfänger
wegen der Zuwendung je nach der Richtung, in welcher der Ausgleich sich vollzieht,
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entweder weniger an Zugewinnausgleich erhält, als er ohne die Zuwendung erhalten
hätte, oder daß er mehr an Zugewinn zahlen muß, als er ohne die Zuwendung hätte
zahlen müssen.
In beiden Fällen mindern sich seine liquiden Mittel, bei deren Anlage er ansonsten
Zinsen hätte erwirtschaften können. Auf seiten des Zuwendenden ergibt sich das
umgekehrte Ergebnis. Er erhält bzw. behält liquide Mittel, die er verzinslich anlegen
oder mit denen er verzinsliche Schulden tilgen kann.
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Im Hinblick hierauf läßt sich auch hinsichtlich der nachehelichen Zinsbelastung kein
schlechthin unangemessenes Ergebnis der güterrechtlichen Abwicklung feststellen.
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II.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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