Urteil des OLG Hamm vom 10.10.2005

OLG Hamm: internationale zuständigkeit, negative feststellungsklage, unerlaubte handlung, restriktive auslegung, gerichtliche zuständigkeit, leistungsklage, eugh, gerichtsstand, geschädigter

Oberlandesgericht Hamm, 2 U 223/05
Datum:
10.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 223/05
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 3 O 257/03
Schlagworte:
Internationale Zuständigkeit
Normen:
Art. 5 Nr. 3 EUGVVO
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2. Februar 2005 verkündete
Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Für die Klage gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) ist die internationale
Zu-
ständigkeit der Deutschen Gerichte gem. Art. 5 Nr. 3 EUGWO gegeben.
Wegen der weiteren Verhandlung und Entscheidung auch über die
Kosten des
Berufungsverfahrens wird die Sache an das Landgericht Dortmund
zurück-
verwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1
I.
2
Die Beklagten zu 2) und 3) stellen Sockeltransformatoren her, die u. a. mit von der
3
Klägerin stammenden Sicherungen bestückt worden sind. Nachdem es bei mehreren
4
der von den Beklagten zu 2) und 3) weiterverkauften Transformatoren zu Schäden
5
gekommen war, äußerte die Beklagte zu 2) sich dahin, dass die Ursache hierfür in
6
den Sicherungen der Klägerin liege. Ob auch die Beklagte zu 3) der Klägerin gegen-
7
über diesen Standpunkt vertreten hat, ist zwischen den Parteien streitig.
8
Die Klägerin hat sodann mit Schriftsatz vom 29.11.2002 u.a. gegen die Beklagten zu
9
2) und 3) Klage beim Sozialgericht Dortmund mit dem angekündigten Antrag ein-
10
gereicht, festzustellen, dass den Beklagten keinerlei Schadensersatzansprüche
11
gegen sie zustünden. Zugleich hat die Klägerin Verweisung des Rechtstreits an das
12
Landgericht Dortmund beantragt.
13
Mit Beschluß vom 07.02.2003 hat das Sozialgericht den Rechtsstreit antragsgemäß
14
an das Landgericht Dortmund verwiesen, nachdem es u.a. den Beklagten zu 2) und
15
3) die Klageschrift in Abschrift per Post zugeleitet hatte.
16
Die Parteien streiten vorrangig über die internationale Zuständigkeit des Land-
17
gerichts Dortmund.
18
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien erster Instanz und der dort gestellten
19
Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
20
Das Landgericht hat durch am 02.02.2005 verkündetes Teil-Zwischen-Urteil die
21
Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung
22
hat es im wesentlichen ausgeführt, dass sich gem. Art. 2, 60 EuGWO (Verordnung Nr.
44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000)
23
die internationale Zuständigkeit hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) nach deren
24
jeweils in Frankreich gelegenem satzungsmäßigem Sitz bestimme. Entsprechend
25
seien vorliegend die französischen Gerichte für die gegen sie erhobene Klage inter-
26
national zuständig. Die Ausnahmeregelung des Art. 5 Nr. 3 EuGWO greife dagegen
27
nicht ein. Denn nach ihrem Sinn und Zweck gewähre diese Vorschrift nur dem
28
Geschädigten einer unerlaubten Handlung ein Wahlrecht für eine Klage vor dem
29
Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei oder einzutre-
30
ten drohe. Für die negative Feststellungsklage eines Schädigers sei dagegen Art. 5
31
Nr. 3 EuGWO nicht gedacht. Anderenfalls könne jeder Schädiger mit einer vorbeu-
32
gend erhobenen negativen Feststellungsklage die allgemeine Zuständigkeits-
33
regelung des Art. 2 EuGWO abändern und den Rechtsstreit in sein Land ziehen.
34
Derartige Vorteile zu Gunsten eines Schädigers seien aber nicht gewollt.
35
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Berufung.
36
Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz wei-
37
terhin geltend, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach
38
Art. 5 Nr. 3 EuGWO gegeben sei. Diese Vorschrift sei nicht restriktiv im Sinne des
39
Landgerichts auszulegen und komme sehr wohl unabhängig davon zum Tragen, ob
40
es sich um eine Leistungsklage oder - wie vorliegend - um eine negative Feststel-
41
lungsklage handele. Sinn und Zweck der Regelung sei es, eine geordnete und sach-
42
gerechte Prozessführung zu erreichen. Die Frage der Privilegierung eines etwaigen
43
Geschädigten spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Maßgeblich sei zudem
44
die Sachnähe zwischen dem Geschehen und dem angerufenen Gericht, die hierfür
45
die deutschen Gerichte im Hinblick auf die Produktion der streitgegenständlichen
46
Sicherungen in Deutschland ohne weiteres gegeben sei. Abgesehen davon habe die
47
Beklagte zu 2) ihr gegenüber eine Rufschädigung begangen, so daß sich die Klage
48
auch auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2) stütze, bei der sie - die Klä-
49
gerin - die Geschädigte sei. Außerdem sei jedenfalls hinsichtlich der Beklagten zu 2)
50
eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGWO begründet, da diese Beklagte ihr
51
gegenüber Ansprüche vertraglicher Natur geltend mache.
52
Die Klägerin beantragt,
53
1.
54
das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 02.02.2005 (Aktenzeichen:
55
3 0 257/03) aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Ent-
56
scheidung an das Landgericht Dortmund zurück zu verweisen,
57
2.
58
hilfsweise:
59
das Urteil des Landgerichts Dortmund aufzuheben und festzustellen, dass aus
60
oder im Zusammenhang mit
61
a.
62
den zwischen ihr und der Beklagten zu 1 ) geschlossenen Vereinbarungen
63
über den Verkauf von Sicherungen,
64
b.
65
den zur Ausführung dieser Vereinbarungen erfolgten Lieferungen dieser Si-
66
cherungen an die Beklagte zu 1 ) und ganz allgemein ihrem - der Klägerin -
67
Verhalten gegenüber den Beklagten zu 1 ) bis 4) für die Zeit zwischen dem
68
01.01.1996 und dem 30.11.2002,
69
c.
70
dem von der Beklagten zu 1 ) vorgenommenen Weiterverkauf dieser Sicherun-
71
gen an die Beklagten zu 2) und 3),
72
d.
73
und dem von den Beklagten zu 2) und 3) vorgenommenen Einbau dieser Si-
74
cherungen in eine Vielzahl von Transformatoren, die an die Beklagte zu 4) ge-
75
liefert wurden,
76
den Beklagten zu 2) und 3) keinerlei vertragliche, quasideliktische oder delik-
77
tische Ansprüche gegen sie, und insbesondere keine Ansprüche auf Gewähr-
78
leistung, Schadensersatz, Freistellung oder Rückgriff zustehen.
79
Die Beklagte zu 2) beantragt,
80
die Berufung zurückzuweisen.
81
Die Beklagte zu 3) beantragt,
82
die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Zwischen-Urteil des Landgerichts
83
Dortmund vom 2. Februar 2005 (Aktenzeichen: 3 0 257/03) zurückzuweisen.
84
Die Beklagten zu 2) und 3) verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung
85
und Vertiefung ihres jeweiligen erstinstanzlichen Vortrages.
86
Die Beklagte zu 2) verweist insbesondere darauf, dass im Lichte einer geordneten
87
und sachgerechten Prozessführung eine restriktive Auslegung des Art. 5 Nr. 3
88
EuGWO geboten sei. Das aber spreche gegen eine Wahlmöglichkeit des Schä-
89
digers für die negative Feststellungsklage. Denn dieser könne anderenfalls den
90
Rechtsstreit an seinen Sitz ziehen und so eine aktive Schadensersatzklage am Sitz
91
des Geschädigten verhindern. Im Falle einer Anwendung des Art. 5 Nr. 3 EuGWO
92
auf negative Feststellungsklagen würde es auch zu einem Wettlauf der Parteien
93
dahingehend kommen, wer von ihnen seine Klage früher einreiche. Ansprüche der
94
Klägerin aus unerlaubter Handlung stünden nicht, im Raum. Auch habe sie - die Be-
95
klagte zu 2) - sich niemals vertraglicher Ansprüche gegen die Klägerin berühmt, so
96
dass eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht etwa aus Art. 5 Nr. 1
97
EuGWO hergeleitet werden könne.
98
Auch die Beklagte zu 3) macht geltend, dass Sinn und Zweck der Ausnahme-
99
regelung des Art. 5 Nr. 3 EuGWO eine einschränkende Auslegung der Vorschrift
100
geböten. Zudem sei diese Regelung schon ihrem Wortlaut nach nicht auf negative
101
Feststellungsklagen anwendbar, da bei diesen Klagen gerade nicht vom Vorliegen
102
einer unerlaubten Handlung ausgegangen werde. Die Sachnähe stehe hier im Hin-
103
blick auf den Eintritt der Schadensfolgen in Frankreich der Zuständigkeit deutscher
104
Gerichte ebenfalls entgegen. Da zwischen ihr - der Beklagten zu 3) - und der Kläge-
105
rin keinerlei vertragliche Beziehungen bestünden, könne die Klägerin sich insoweit
106
auch nicht auf eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGWO berufen.
107
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ih-
108
nen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
109
II.
110
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem ausgeurteilten Umfang Erfolg.
111
1.
112
Der Senat ist vorliegend ausschließlich mit der Prüfung der internationalen Zustän-
113
digkeit der deutschen Gerichte befaßt. Denn das Landgericht hat in dem angefoch-
114
tenen Zwischenurteil gemäß § 280 ZPO allein über diese Frage entschieden.
115
2.
116
Das Landgericht hat auch in verfahrensrechtlich zulässiger Weise ein Teilurteil ledig
117
lich in Bezug auf die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) erlassen.
118
Bei sämtlichen vier Beklagten handelt es sich um einfache Streitgenossen, deren
119
prozessuale Verbundenheit nur aus der gleichzeitigen Klageerhebung gegen sie
120
durch die Klägerin resultiert. Bei derartiger einfacher Streitgenossenschaft ist für jede
121
einzelne beklagte Partei gesondert zu prüfen, ob die internationale Zuständigkeit des
122
angerufenen Gerichtes für sie gegeben ist. Keinesfalls kann etwa die Zuständigkeit
123
für einen Streitgenossen auch die Zuständigkeit für einen anderen mitverklagten
124
Streitgenossen begründen. Entsprechend bestehen auch keine Bedenken, über die
125
Frage der internationalen Zuständigkeit in einem Verfahren nach § 280 ZPO vorab -
126
wie vorliegend - durch Teilurteil nur gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) zu ent-
127
scheiden.
128
3.
129
Das Landgericht Dortmund ist für die von der Klägerin erhobene negative Feststel-
130
lungsklage in Bezug auf die Beklagten zu 2) und 3) international zuständig.
131
a)
132
Die internationale Zuständigkeit ergibt sich allerdings nicht aus Art. 5 Nr. 1 a
133
EuGWO. Das gilt sowohl gegenüber der Beklagten zu 2) als auch gegenüber der
134
Beklagten zu 3).
135
Art. 5 Nr. 1 EuGWO betrifft nur die Verfolgung und Negierung vertraglicher An-
136
sprüche. Zwar hat die Klägerin sich gegenüber der Beklagten zu 2) darauf berufen,
137
dass diese sich auch vertraglicher Ansprüche ihr - der Klägerin - gegenüber be-
138
rühme. Das kann jedoch schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht
139
festgestellt werden.
140
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die Beklagte zu
141
2) nach eigenen Angaben in Frankreich als Käuferin in einer Käuferkette eine sog.
142
"Action-Direct-Klage" gegen die Klägerin als Herstellerin eingeleitet habe, kommt den
143
einer solchen Klage zugrundeliegenden Ansprüchen nach französischem Recht zwar
144
quasivertraglicher Charakter zu. Das führt aber nicht dazu, dass für derartige Klagen
145
der Gerichtsstand des Vertrages nach Art. 5 Nr. 1 EuGWO begründet wäre. Dies
146
hat der EuGH u.a. bereits mit Urteil vom 17.06.1992 (Rs. C-26/91) unter Hinweis
147
darauf abgelehnt, dass es bei einer "Action-Direct-Klage" an der für Art. 5 Nr. 1
148
EuGWO erforderlichen freiwilligen Verpflichtung einer der beteiligten Parteien
149
gegenüber der anderen Partei fehle.
150
Soweit die Klägerin weiter geltend macht, dass die Beklagte zu 2) in dem ebenfalls
151
von ihr in Frankreich eingeleiteten Beweisverfahren schriftsätzlich wiederholt auf ver-
152
tragliche Haftungsgrundlagen bzw. die Verletzung von Auskunfts- und Beratungs-
153
pflichten verwiesen habe, rechtfertigen die dies bzgl. klägerischen Zitate lediglich die
154
Schlussfolgerung, dass die Beklagte zu 2) mit ihren Ausführungen Ansprüche im
155
Rahmen der"Action-Direct-Klage" darlegen, nicht aber, dass sie vertragliche An-
156
sprüche außerhalb dieses Rechtsinstituts verfolgen wollte. Der eigenen Darstellung
157
der Klägerin ist somit nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2) sich tatsächlich
158
auf das Bestehen eines Vertrages zwischen ihr und der Klägerin berufen habe. Glei-
159
ches gilt hinsichtlich der Beklagten zu 3).
160
Hinzu kommt, dass auch die Anträge der Klägerin nicht auf Feststellung des Nicht-
161
bestehens eines konkreten Vertrages gerichtet sind. Für eine negative Feststellungs-
162
klage im Sinne des Art. 5 Nr. 1 a EuGWO wäre aber die Angabe eines ganz be-
163
stimmten Vertragsverhältnisses erforderlich.
164
b)
165
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGWO.
166
Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem in Art. 2, 60 EuGWO geregelten all-
167
gemeinen Gerichtsstand des Wohn- bzw. Firmensitzes der beklagten Partei dar. Sie
168
eröffnet die Möglichkeit, im Falle einer unerlaubten Handlung eine Person vor dem
169
Gericht des Ortes zu verklagen, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist
170
oder einzutreten droht.
171
Vorliegend macht die Klägerin geltend, dass die Beklagten zu 2) und 3) ihr vorwer-
172
fen, durch einen Produktionsfehler bzw. die Lieferung defekter Sicherungen eine un-
173
erlaubte Handlung begangen zu haben. Zwar wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage
174
gegen diesen Vorwurf und begehrt die Feststellung, dass den Beklagten keine delik-
175
tischen Ansprüche ihr gegenüber zustehen, so dass sie das Bestehen einer uner-
176
laubten Handlung gerade negiert. Das steht nach Ansicht des Senates aber der An-
177
wendung der Art. 5 Nr. 3 EuGWO nicht entgegen (abweichend aber OLG München,
178
Urt. v. 25.10.2001 in OLG-Report 2002, 147f zu Art. 5 EuGVÜ). Vielmehr erfaßt
179
diese Vorschrift nicht nur die Leistungsklage oder vorbeugende Unterlassungsklage,
180
sondern auch die hier erhobene negative Feststellungsklage.
181
Dem Wortlaut der Regelung des Art. 5 Nr. 3 EuGWO läßt sich eine Ausgrenzung
182
der negativen Feststellungsklage nicht entnehmen. Dieser erwähnt zum einen An-
183
sprüche aus einer unerlaubten Handlung. Zum anderen stellt er daneben ausdrück-
184
lich den Fall, dass eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des Verfahrens bildet.
185
Dies aber kann sowohl für die Behauptung einer unerlaubten Handlung als auch für
186
deren Verneinung angenommen werden. So hat der EuGH für die Bestimmung des
187
Verfahrensgegenstandes bereits ausgesprochen, dass eine Gleichstellung von
188
Leistungs- und negativen Feststellungsklagen nicht aufgrund von
189
formalen Kriterien abgelehnt werden kann und zwei Verfahren sehr wohl den
190
gleichen Anspruch betreffen, wenn das eine auf Zahlung von Schadensersatz ge-
191
richtet ist und in dem anderen das Nichtbestehen dieses Anspruchs festgestellt wer-
192
den soll ( vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.1994, Rs. C-406/92 ). Denn beide haben dieselbe
193
- Grundlage. Nichts anderes kann für die Frage gelten, ob unter Art. 5 Nr. 3 EuGWO
194
neben Klagen auf Leistung von Schadensersatz auch solche auf Feststellung des
195
Nichtbestehens eines derartigen Anspruchs fallen.
196
Diese Auslegung findet ihre Entsprechung in dem Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1
EuGWO für vertragliche Ansprüche. So ist im Rahmen der Zuständigkeitsregelung
197
des Art. 5 Nr. 1 EuGWO allgemein anerkannt, dass diese gleichermaßen für die
198
positive Leistungs- als auch für die negative Feststellungsklage gilt (vgl. Zöller-
199
Geimer, ZPO, 25. Aufl., Art. 5 EuGWO Rdnr. 15). Dort aber findet sich eine der Regelung
des Art. 5 Nr. 3 EuGWO vergleichbare Formulierung. Denn die Zuständigkeit wird zum
einen für Ansprüche aus einem Vertrag und zum anderen für die Fälle begründet, in
denen ein Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildet.
200
Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregelung des Art. 5 Nr. 3 EuGWO rechfertigen
201
ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Die Vorschriften über die internationale
202
Zuständigkeit sollen eine geordnete und sachgerechte Prozessführung gewährleisten
203
und möglichst klar aufzeigen, vor welchem Gericht man klagen bzw, verklagt werden
204
kann. Daher ist die allgemeine Wohnsitzzuständigkeit als leicht zu händelnder
Anknüpfungspunkt gewählt worden, während die übrigen Zuständigkeitsvorschriften
205
Ausnahmecharakter haben (vgl. EuGH in NJW 1988, 3088 f. zur früheren EuGVÜ).
Daraus ergeben sich für die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 3 EuGWO auf negative
Feststellungsklagen jedoch keine Bedenken. Die internationale Zuständigkeit nach
dieser Vorschrift bestimmt sich nach dem Ort, an dem das schädigende Ereignis
eingetreten ist bzw. einzutreten droht.
206
Diese Bestimmung aber ist für die positive
207
Leistungsklage wie auch für die negative Feststellungsklage als deren Spiegelbild
jeweils auf exakt die gleiche Weise und mit identischem Ergebnis zu treffen.
208
Weiter ist bei Bejahung der Geltung des Art. 5 Nr. 3 EuGWO auch für negative
209
Feststellungsklagen die nach den Zuständigkeitsregeln der EuGWO gewünschte
210
Sachnähe gewährleistet. Schon durch die vorgesehene Bestimmung der Zuständig-
211
keit nach dem Ort des schädigenden Ereignisses ist sichergestellt, dass nur ein
212
solches sachnahes Gericht international zuständig ist. Das betrifft die positive
213
Leistungsklage wie auch die negative Feststellungsklage unterschiedslos.
214
Schließlich führt die vom Senat vertretene Auslegung nicht zu einer ungewollten Be-
215
günstigung eines Schädigers bzw. einer Benachteiligung eines Geschädigten. Denn
216
es ist zu bedenken, dass derjenige, der eine negative Feststellungsklage erhebt,
217
ebensowenig tatsächlicher Schädiger sein muss wie derjenige, der eine positive
218
Leistungsklage einlegt, zwingend tatsächlicher Geschädigter ist. Ein zu Unrecht mit
219
Vorwürfen Überzogener aber erscheint nicht weniger schutzwürdig als ein tatsächlich
220
Geschädigter. Zwar besteht faktisch die Möglichkeit, dass bei drohender Inanspruch-
221
nahme eines Schädigers dieser etwa durch schnelle Erhebung einer negativen Fest-
222
stellungsklage in einem Land mit extrem langen gerichtlichen Verfahrensdauern im
223
Hinblick auf die Regelung des Art. 27 EuGWO die Leistungsklage eines Geschä-
224
digten für geraume Zeit torpedieren kann. Das aber ist kein Problem der Auslegung
225
des Art. 5 Nr. 3 EuGWO. Denn eine solche
226
Vorgehensweise kann auch sonst nicht verhindert werden, wenn etwa die geschä-
227
digte Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand in einem Land mit üblicherweise langen
228
Verfahrensdauern hat, da die negative Feststellungsklage dann ohne weiteres in die-
229
sem allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei erhoben werden kann. Im
230
übrigen ist dem Wortlaut des Art. 5 Nr. 3 EuGWO schon nicht zu entnehmen, dass
231
gerade der Leistungskläger bevorzugt werden solle.
232
Nach alledem ist Art. 5 Nr. 3 EuGWO auf die vorliegend erhobene negative
233
Leistungsklage anwendbar.
234
Nach dieser Norm ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts
235
gegeben.
236
Als Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, gilt sowohl der Ort der
237
Handlung als auch derjenige des Erfolgseintrittes ( vgl. Zöller-Geimer, a.a.O., Art. 5
238
EuGWO Rdnr. 26). Hierbei kommt dem Kläger das Wahlrecht zwischen diesen
239
Orten zu. Vorliegend hat die Klägerin als zuständigkeitsbestimmend den Ort der
240
Handlung gewählt, der hier mit ihrer Produktionsstätte in M gleichzusetzen ist.
241
International zuständig ist damit das Landgericht Dortmund.
242
4. .
243
Soweit die Beklagte zu 3) im vorliegenden Verfahren u. a. auch das Bestehen eines
244
Rechtsschutzbedürfnisses verneint, ist der Senat mit dieser Streitfrage nicht befasst.
245
Das Landgericht hat - wie schon ausgeführt - in seinem Urteil lediglich über die inter-
246
nationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte entschieden. Nur diese ist Gegen-
247
stand der Berufungsentscheidung.
248
5.
249
Eine Aussetzung des Prozesses im Hinblick auf ein von der Beklagten zu 2) vor
250
einem Pariser Gericht eingeleitetes Verfahren gegen die Klägerin in Bezug auf die
251
fraglichen Schadensfälle kommt nicht in Betracht.
252
Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien ist als erstes Gericht das Sozialgericht
in Dortmund angerufen worden. Es hat aber nach Art. 27 EuGWO lediglich
253
das Gericht auszusetzen, das später angerufen worden ist. Dabei ist gemäß 30
254
EuGWO auf die Einreichung der Klageschrift bei Gericht abzustellen, wobei eine
Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts unschädlich ist.
255
Demgemäß war - wie geschehen - hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) abändernd
die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auszusprechen.
256
III.
257
Da der Senat ausschließlich über die Frage der internationalen Zuständigkeit befun-
258
den hat, ist das Verfahren im übrigen zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an
259
das Landgericht Dortmund zurück zu verweisen. Dieses hat auch über die Kosten
260
des Berufungsverfahrens zu befinden.
261
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff. 10 ZPO.
262
IV.
263
Der Senat hat die Revision zugelassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
264
Zu der für die Entscheidung maßgeblichen Frage der Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 3
265
EuGWO auf negative Feststellungsklagen liegt die bereits zitierte von der Senats-
266
meinung abweichende Entscheidung des OLG München vom 25.10.2001 vor. Eine
267
Entscheidung durch den Bundesgerichtshof zu der Streitfrage ist bislang ersichtlich
268
nicht ergangen. Die Zulassung der Revision erscheint daher im Hinblick auf die
269
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
270