Urteil des OLG Hamm vom 02.03.2005

OLG Hamm: wichtiger grund, abgabe, befragung, behandlung, eigenschaft, hausarzt, vertretung, persönlichkeit, wechsel, verfügung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 15 Sbd 2/05
02.03.2005
Oberlandesgericht Hamm
15. Zivilsenat
Beschluss
15 Sbd 2/05
Amtsgericht Dortmund, 40 XVII 4478 B
Das Amtsgericht Steinfurt ist derzeit nicht verpflichtet, die
Betreuungssache vom Amtsgericht Dortmund zu übernehmen.
G r ü n d e
Der Senat ist nach den §§ 65 a, 46 Abs. 1 und 2 FGG dazu berufen, darüber zu
entscheiden, ob ein wichtiger Grund zur Abgabe der Betreuungssache an das Amtsgericht
Steinfurt vorliegt. Die Vorlagevoraussetzungen sind gegeben. Eine Entscheidung des
Senats ist im Hinblick darauf veranlaßt, daß das Amtsgericht Steinfurt mit Verfügung vom
23.02.2005 seine Bereitschaft zur Übernahme der Sache versagt hat.
Bei der sachlichen Prüfung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur Abgabe im Sinne des §
46 Abs. 1 FGG vorliegt, ist zu erwägen, ob durch die Abgabe im konkreten Fall unter
vorrangiger Berücksichtigung des Wohls der Betroffenen ein Zustand geschaffen wird, der
eine zweckmäßigere, leichtere Führung der Betreuung ermöglicht (vgl. Keidel/Kayser, FG,
15. Aufl., § 65 a Rdnr. 3). Für die Abgabe einer Betreuungssache ist ergänzend § 65 a Abs.
1 S. 2 FGG zu berücksichtigen. Danach ist es in der Regel als wichtiger Grund für die
Abgabe anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt der Betroffenen geändert hat
und die Aufgaben des Betreuers im wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind.
Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles liegen die Voraussetzungen für
eine Abgabe des Verfahrens derzeit noch nicht vor. Zwar ist nach Einleitung des
vorliegenden Verfahrens ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts der Betroffenen
eingetreten, nachdem diese seit April 2004 im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung
in der oben genannten Einrichtung betreut wird. Für die Person der Betroffenen ist jedoch
derzeit konkret nichts zu veranlassen. Vielmehr geht es gegenwärtig lediglich um die
Prüfung, ob auf die Anregung des Sohnes J für die Betroffene von Amts wegen eine
Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge einzurichten ist. Nach dem
gegenwärtigen Verfahrensstand muß zur Vorbereitung dieser Entscheidung in tatsächlicher
Hinsicht festgestellt werden, ob die Betroffene geschäftsunfähig war, als sie am 20.07.2001
ihrem Sohn C eine erweiterte Vollmacht nunmehr auch zur Vertretung in ihren
Vermögensangelegenheiten erteilt hat. Dies folgt aus der das Amtsgericht bindenden
Entscheidung des Landgerichts vom 12.11.2004, durch das der die Anordnung einer
Betreuung ablehnende Beschluß des Amtsgerichts vom 14.04.2004 aufgehoben und die
Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen
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worden ist. Die nach den Gründen der Entscheidung des Landgerichts erforderliche, auf
den genannten Zeitpunkt zurückbezogene Sachverhaltsaufklärung (§ 12 FGG) hat einen
engeren örtlichen Bezug zu den früheren Lebensverhältnissen der Betroffenen in E. Denn
nähere tatsächliche Feststellungen zu der Beweisfrage können nur getroffen werden
aufgrund einer eingehenden Befragung von Auskunftspersonen, die sich in dem fraglichen
Zeitraum in ihrer beruflichen Eigenschaft mit der Persönlichkeit der Betroffenen befaßt
haben. Nach dem Beschluß des Landgerichts vom 12.11.2004 kommen insoweit etwa der
seinerzeitige Hausarzt der Betroffenen Dr. L, die Sozialarbeiterin Frau Y sowie die
amtierende Richterin in Betracht, die die Betroffene am 20.07.2001 persönlich angehört hat.
Erst auf der Grundlage der Angaben dieser Auskunftspersonen wird einem zu bestellenden
psychiatrischen Sachverständigen, dem tunlichst bereits bei der Befragung der
Auskunftspersonen Gelegenheit zur Stellung eigener geeigneter Fragen zu geben sein
wird, eine fundierte Einschätzung möglich sein, ob und welche Erkrankung bei der
Betroffenen in dem fraglichen Zeitraum bestanden hat und ob infolge dieser Erkrankung
ihre Fähigkeit zur freien Willensbestimmung ausgeschlossen war.
Die vorgenannten tatsächlichen Ermittlungen können deshalb sachgerechter durch das
Amtsgericht Dortmund geführt werden. Dies schließt eine spätere Abgabe einer ggf.
angeordneten Betreuung nicht aus, die jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht
veranlaßt ist.