Urteil des OLG Hamm vom 23.06.1999
OLG Hamm: eintritt des versicherungsfalls, grobe fahrlässigkeit, gesetzliche vermutung, anzeige, kündigung, versicherter, vollkaskoversicherung, fahrzeug, nummer, versicherer
Oberlandesgericht Hamm, 20 U 15/99
Datum:
23.06.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 15/99
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 206/98
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 09. November 1998
verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund einer vorläufigen Deckungszusage vom
24.10.1997 betreffend eine Vollkaskoversicherung auf Entschädigungsleistung für einen
Unfallschaden des versicherten Fahrzeugs Nissan 200 SX Turbo Sechzehn V,
Erstzulassung am 00.00.0000, in Anspruch.
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Er behauptet, am 26.10.1997 habe er mit dem versicherten Fahrzeug gegen 19.30 Uhr
auf der B ... im Raum K. einen Verkehrsunfall erlitten: Bei Dunkelheit und nasser
Fahrbahn sei das Fahrzeug in einer langgestreckten Linkskurve kurzzeitig auf den mit
Laub bedeckten Seitenstreifen geraten. Dabei sei das Heck des Wagens ausgebrochen
und habe die Leitplanke touchiert. Dadurch sei der Nissan ins Schleudern geraten und
auch mit der vorderen rechten Frontseite an die Leitplanke geschlagen.
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Der Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Er bestreitet, daß sich der behauptete
Unfall in versicherter Zeit ereignet hat. Außerdem beruft er sich auf Leistungsfreiheit
wegen Obliegenheitsverletzungen (verspätete Anzeige des Versicherungsfalls;
Aufklärungsobliegenheitsverletzungen). Schließlich bestreitet er mit näherer
Begründung auch die Höhe der Klageforderung.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die
hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Beklagte
ist ihm nicht gemäß §§ 1, 49 VVG; 12 Nr. 1 II lit. e AKB zur Entschädigung der geltend
gemachten Reparatur- und Sachverständigenkosten verpflichtet.
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Es kann offenbleiben, ob der Kläger den Beweis dafür erbringen kann, daß der
behauptete unstreitige Unfall sich in versicherter Zeit, d.h. nach Erhalt der vorläufigen
Deckungszusage des Beklagten (24.10.1997) und vor dem Wirksamwerden der
Kündigung vom 30.10.1997 ereignet hat. Der Beklagte ist jedenfalls wegen verspäteter
Anzeige des Versicherungsfalls leistungsfrei geworden (§§ 7 I Nr. 2 Abs. 1 und V Nr. 4
AKB; 6 Abs. 3 VVG).
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Unstreitig hat der Kläger den Unfall, der sich am 26.10.1997 ereignet haben soll, nicht -
wie § 7 I Nr. 2 S. 1 AKB vorschreibt - innerhalb einer Woche dem Beklagten schriftlich
angezeigt. Die mündliche und schriftliche Schadenanzeige durch die Rechtsanwälte I.
pp. erfolgte vielmehr erst am 12.12.1997. Das war objektiv verspätet.
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Allerdings hat der Kläger behauptet, er habe bereits am 28.10.1997 - also innerhalb der
Wochenfrist - bei der Agentur T. des Beklagten telefonisch den Unfall gemeldet. Man
habe ihm jedoch gesagt, er solle den Eingang der Police nebst Versicherungsnummer
abwarten; es sei noch nichts entschieden. Offensichtlich sei diese Information an die
Zentrale des Beklagten weitergeleitet worden, da mit Schreiben vom 30.10.1997 prompt
die Ablehnung der beantragten Vollkaskoversicherung nebst Kündigung der vorläufigen
Deckungszusage erfolgt sei.
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Träfe diese Sachdarstellung zu, hätte der Beklagte rechtzeitig in anderer Weise von
dem Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis erlangt, so daß er sich auf die Verspätung
der schriftlichen Schadensmeldung nicht berufen könnte (§ 33 Abs. 2 VVG). Den
insoweit erforderlichen Beweis hat der Kläger jedoch nicht erbringen können; der Senat
ist sogar davon überzeugt, daß die behauptete telefonische Schadensmeldung am
28.10.1997 gegenüber der in der Agentur T. tätigen Zeugin O. nicht erfolgt ist.
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Der vom Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 28.04.1999 benannte Zeuge M. S. hat die
Aussage verweigert. Dazu war er als Bruder des Klägers berechtigt. Die darüber hinaus
benannte Zeugin O. hat die Sachdarstellung des Klägers nicht bestätigt; sie hat
bekundet, daß sie - hätte der Kläger sie telefonisch über den Unfall informiert - dies
notiert und dem Kläger sodann ein Schadenformular zugesandt hätte. Dies erscheint
dem Senat plausibel und glaubhaft. Die Zeugin kannte den Kläger als Kunden des
Beklagten. Sie hat plausibel erklärt, die Tatsache, daß der Kläger seinerzeit einen
Versicherungsschein noch nicht erhalten hatte, hätte einer Schadenaufnahme nicht
entgegengestanden, weil beim Beklagten auch die Kaskoversicherung unter der
Nummer der Kfz-Haftpflichtversicherung laufe. Für die Vermutung des Klägers, eine
Schadenanzeige sei vom Beklagten bewußt unterdrückt worden, gibt es keinen
Anhaltspunkt.
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Die gesetzliche Vermutung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 3 S. 1 VVG)
hat der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. Nicht ohne Anlaß argwöhnt der Beklagte,
es sei dem Kläger bewußt darauf angekommen, durch seine verspätete Unfallmeldung
und seine unklaren Angaben zum Unfallort dem Versicherer jegliche zeitnahe
Recherchemöglichkeit zu nehmen. Selbst wenn zugunsten des Klägers Vorsatz verneint
würde, bliebe der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Zu Recht hat das Landgericht den
Kausalitätsgegenbeweis (§ 6 Abs. 3 S. 2 VVG) nicht als geführt angesehen: Nach den
unwiderlegten Angaben des Beklagten hätte dieser bei rechtzeitiger Unfallanzeige
Untersuchungen am Unfallort angestellt, um die Unfalldarstellung des Klägers zu
verifizieren oder zu widerlegen. Selbst wenn entsprechend der Behauptung des Klägers
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keine Schäden an den Leitplanken zurückgeblieben sein sollten, bedeute das nicht, daß
der Unfall überhaupt keine Spuren hinterlassen habe, die bei zeitnaher Beobachtung
hätten festgestellt und ausgewertet werden können. Dem hat die Berufung substantiiert
nichts entgegengesetzt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
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Die Beschwer des Klägers beträgt 15.357,33 DM.
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