Urteil des OLG Hamm vom 01.12.2006
OLG Hamm: elterliche sorge, härte, hohes alter, aufschub, scheidungsverfahren, ehescheidung, hausrat, stufenklage, lebenserwartung, gesundheitszustand
Oberlandesgericht Hamm, 12 UF 168/06
Datum:
01.12.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
12. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 UF 168/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Ahaus, 10 F 76/04
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts -
Familiengericht - Ahaus vom 10.05.2006 (10 F 76/04) aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung im
Verbund mit den noch anhängigen Folgesachen sowie über die Kosten
des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht - Familiengericht - Ahaus
zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.467,00 €
festgesetzt.
Gründe:
1
Mit Antragsschrift vom 09.02.2004 leitete der Antragsteller das vorliegende
Scheidungsverfahren ein. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am
20.03.2004 zugestellt. Die Antragsgegnerin kündigte zunächst am 24.03.2004 ihre
Zustimmung zum Scheidungsantrag an und beantragte dann am 11.05.2004 ebenfalls
die Scheidung. Diesen Antrag hat sie in der letzten mündlichen Verhandlung nicht
gestellt.
2
Nachdem die letzte Auskunft in der Folgesache Versorgungsausgleich eingegangen
war, wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16.03.2005 anberaumt. Mit
Schriftsatz vom 01.03.2005 beantragte die Antragsgegnerin Terminsaufhebung, da eine
außergerichtliche Vereinbarung zum nachehelichen Ehegattenunterhalt sowie zum
Zugewinnausgleich angestrebt werde. Der dann auf den 08.06.2005 anberaumte
Termin wurde wegen des Auskunftsantrags der Antragsgegnerin in der neu als
Stufenklage anhangig gemachten Folgesache (Kindes- und) nachehelicher
Ehegattenunterhalt vom 12.05.2005 aufgehoben. Mit Schriftsatz vom 24.10.2005 machte
die Antragsgegnerin die Folgesache elterliche Sorge anhangig. Der auf den 30.11.2005
3
anberaumte Termin wurde wegen der neu als Stufenklage anhangig gemachten
Folgesache Zugewinnausgleich sowie dem hilfsweise gestellten Leistungsantrag in der
Folgesache nachehelicher Unterhalt vom 28.11.2005 und dem hilfsweise gestellten
Antrag auf eidesstattliche Versicherung in der Folgesache nachehelicher Unterhalt
aufgehoben. Mit Schriftsatz vom 10.03.2006 beantragte die Antragsgegnerin, erneut
Auskunftserteilung in der Folgesache (Kindes- und) nachehelicher Ehegattenunterhalt.
Mit Schriftsatz vom 26.04.2006 beantragte die Antragsgegnerin, in der Folgesache
Hausrat festzustellen, dass der Hausrat zwischen den Parteien endgültig aufgeteilt
worden ist und wechselseitig Hausratsteilungsansprüche nicht mehr bestehen.
Im Termin am 26.04.2006 wurde über die Ehesache und alle Folgesachen verhandelt.
4
Der Antragsteller hat u.a. beantragt,
5
die Folgesachen nachehelicher Ehegattenunterhalt und Zugewinnausgleich
abzutrennen.
6
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
7
den Abtrennungsantrag zurückzuweisen.
8
Durch Urteil vom 10.05.2006 hat das Amtsgericht — Familiengericht— Ahaus die Ehe
der Parteien geschieden, der Antragsgegnerin die elterliche Sorge für das gemeinsame
Kind der Parteien übertragen, den Versorgungsausgleich geregelt und die Verfahren
betreffend den nachehelichen Ehegattenunterhalt und Zugewinnausgleich abgetrennt.
9
Zur Begründung der Abtrennung der Folgesachen nachehelicher Ehegattenunterhalt
und Zugewinnausgleich hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die gleichzeitige
Entscheidung über diese Folgesachen den Scheidungsausspruch außergewöhnlich
verzögern würde und der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der
Folgesachen eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstelle Die
Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO seien erfüllt. Das Verfahren sei bereits
über zwei Jahre rechtshängig Die im einzelnen näher dargelegte Prozessführung der
Antragsgegnerin führe zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des
Scheidungsbegehrens des Antragstellers. Wenn es der Antragsgegnerin wirklich um die
Klärung der Folge-sachen gehe, habe sie inzwischen lange und ausreichend Zeit
gehabt, die jeweils unverzüglich erteilten Auskünfte zu prüfen und ggf. sachdienliche
Anträge zu stellen. Der Antragsteller habe derzeit keine Möglichkeit, das
Scheidungsverfahren weiter zu betreiben, weil die Antragsgegnerin die von ihr
betriebenen Stufenklagen nicht weiter durch konkrete Anträge betreibe. In den neuen
Anträgen sehe das Gericht eine reine Verzögerungstaktik, die der Antragsteller nach
einer mehr als zweijahrigen Verfahrensdauer nicht länger hinnehmen müsse.
10
Mit ihrer Berufung wendet sich die Antragsgegnerin in erster Linie gegen die
Abtrennung der Folgesachen und erstrebt eine Aufhebung und Zurückverweisung. Die
Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Abtrennung der Folgesachen sei zu Unrecht
vorgenommen worden. Die zu erwartende Verzögerung des Scheidungsausspruchs
durch eine Entscheidung über Folgesachen müsse außergewöhnlich sein.
Voraussetzung hierfür sei eine Verfahrensdauer, die erheblich über das Maß
hinausgehe, welches das ohnehin zeitaufwändigere Verbundverfahren auch in anderen
Folgesachen im Allgemeinen in Anspruch nehme. Die in der Praxis angenommene
11
durchschnittliche Dauer eines Verbundverfahrens von zwei Jahren stelle nur einen
Richtwert dar. Es bedürfe aber der Überprüfung nach der allgemeinen Situation bei dem
zuständigen Familiengericht und der Lage des konkreten Falles. Eine
außergewöhnliche Verzögerung sei nicht allein schon deshalb anzunehmen, weil das
Verfahren bereits zwei Jahre laufe. Es sei ohne Bedeutung für das Tatbestandsmerkmal
der Verfahrensverzögerung, ob die maßgebenden Gründe durch den Verfahrensablauf
bedingt einem oder beiden Ehegatten anzulasten seien. Dies spiele bei der Frage eine
Rolle, ob die Verzögerung eine unzumutbare Härte darstelle. Vorliegend sei schon
keine außergewöhnliche Verzögerung des Verfahrens anzunehmen. Hier sei zu
berücksichtigen, dass der Antragsteller mehrfach Fristverlängerungen beantragt habe
und in seinem Vortrag "gemauert" habe. Der Richtwert von zwei Jahren sei gerade
erreicht. Es fehle jedoch an der Überprüfung nach der allgemeinen Situation bei dem
zuständigen Familiengericht und der Lage des konkreten Falles. Es sei nicht
berücksichtigt worden, dass hier keine zeitaufwändige Beweisaufnahme in Rede stehe
und auch keine besonders komplizierte Rechtslage vorliege. Es sei weder vorgetragen
noch ersichtlich, aus welchem Grund die Antragsgegnerin "reine Verzögerungstaktik"
betreiben solle. Ein besonders hoher Titel über Trennungsunterhalt, der möglichst lange
zu erhalten sei, weil anschließend eine Verschlechterung anstehe, sei weder
vorgetragen noch ersichtlich. Durch die Scheidung werde sich im Hinblick auf den
Umstand, dass die Antragsgegnerin ein erst 6jähriges Kind betreue, nichts ändern. Im
Gegenteil begehre die Antragsgegnerin ja durch die Folgesachen Zahlung von
nachehelichem Unterhalt und Zugewinn, eine Verzögerung sei deshalb gar nicht in
ihrem Interesse.
Zudem müsse der Aufschub der Scheidung zu einer für den Antragsteller unzumutbaren
Härte führen. Die außergewöhnliche Verzögerung der Scheidung allein reiche schon
nach dem Gesetzeswortlaut nicht aus. Insofern sei eine Abwägung des Interesses des
Antragstellers an einer frühen Scheidung und des Interesses der Antragsgegnerin an
einer gleichzeitigen Regelung der abzutrennenden Folgesache erforderlich. Je
wichtiger die Folgeregelung für die Antragsgegnerin sei, desto gravierender müssten die
Umstände sein, die für den Antragsteller sprächen. Der Aufschub der Scheidung
bedeute für den Antragsteller auch keine unzumutbare Härte. Die Antragsgegnerin sei
nicht erwerbstätig und betreue das gemeinsame 6jährige Kind. Eine Regelung zum
nachehelichen Unterhalt und zum Zugewinnausgleich sei für sie deshalb sehr wichtig.
Das Familiengericht habe übersehen, dass der Antragsteller "gemauert" habe; er habe
immer erst nach vorangegangenem Vortrag der Antragsgegnerin seinen Vortrag
nachgebessert. Die Situation bei den Aktien und dem Bausparvertrag sei unklar
geblieben.
12
Die Antragsgegnerin beantragt,
13
das amtsgerichtliche Urteil vom 10.05.2006 aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen und die
Gerichtskosten niederzuschlagen.
14
Sie regt an, das Verfahren an eine andere Abteilung des Familiengerichts zu
verweisen.
15
Der Antragsteller beantragt,
16
die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom
17
10.05.2006 kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Antragsteller ist der Ansicht, das Amtsgericht habe zutreffend die Folgesachen
nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich abgetrennt. Das Verfahren sei zum
Zeitpunkt der Entscheidung seit über zwei Jahren rechtshängig gewesen. Die
Antragsgegnerin habe lange und ausreichend Zeit gehabt, die vom Antragsteller
ordnungsgemäß und vollständig erteilten Auskünfte zu prüfen und hiernach
sachdienliche Anträge zu stellen. Die Antragsgegnerin habe jedoch immer nur neue,
allein der Verzögerung dienende Anträge gestellt. Alle aufgetretenen Verzögerungen
seien allein und ausschließlich auf das Verhalten der Antragsgegnerin zurückzuführen.
Ohne die berechtigte und begründete Abtrennung wäre es zu weiterer
außergewöhnlicher Verzögerung zum Nachteil des Antragstellers gekommen, die
gleichermaßen eine unzumutbare Härte für diesen dargestellt hätte.
18
Die Behauptung der Antragsgegnerin, eine Regelung zum nachehelichen Unterhalt und
zum Zugewinnausgleich sei für sie sehr wichtig, verlange nicht. Der Trennungsunterhalt
sei durch notarielle Urkunde in Höhe von 2.349,12 DM (= 1.201,09 €) tituliert. Er sei in
all den Jahren pünktlich und regelmäßig gezahlt worden. Auch der nacheheliche
Unterhalt sei — sogar mit einem höheren Betrag — tituliert. Der Kindesunterhalt sei
durch Jugendamtsurkunde tituliert, er stand und stehe außer Streit. Es sei allein und
ausschließlich um nachehelichen Ehegattenunterhalt gegangen.
19
II.
20
Die Berufung ist zulässig.
21
Die Antragsgegnerin ist beschwert. Durch eine Ehescheidung vor einer
Folgesachenentscheidung werden beide Ehegatten beschwert; denn beide haben
Anspruch darauf nur geschieden zu werden, wenn gleichzeitig über die Folgesachen
entschieden wird (BGH, FamRZ 1979, S. 690; BGH, FamRZ 1986, S. 898 (899); Zöller-
Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 16).
22
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Berufung hauptsächlich dagegen, dass das
Amtsgericht die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich gern. §
628 S. 1 Nr. 4 ZPO abgetrennt und vorab über den Scheidungsantrag und die
Folgesachen Versorgungsausgleich und elterliche Sorge entschieden hat, und
beantragt lediglich das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das
Amtsgericht zurückzuweisen. Zwar wird gewöhnlich im Zivilprozess eine Berufung als
unzulässig angesehen, wenn der Berufungsführer ausschließlich beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Dies deshalb, weil
der Berufungsantrag im allgemeinen ein Sachantrag sein muss, aus dem sich ergibt,
welche Änderungen des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht erstrebt
werden. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn in einer Ehescheidungssache ein
Verstoß gegen die im prozessualen Familienrecht geltenden Verbundvorschriften gerügt
wird, da für die Partei, die eine Verbundregelung erstrebt, eine Beeinträchtigung ihrer
Rechtsstellung schon darin liegt, dass ihre Ehe ohne gleichzeitige Entscheidung über
die Folgesachen geschieden worden ist. Die Beseitigung dieser Beschwer kann durch
den Prozessantrag auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache
geschehen. (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, S. 1525). Richtet sich die Berufung
dagegen, dass die Ehe unter Verstoß gegen § 628 ZPO vor der Entscheidung über eine
Folgesache geschieden worden ist, so muss der Scheidungsausspruch angefochten
23
werden. Dies kann ein Ehegatte auch tun, wenn er sich nicht gegen die Scheidung als
solche wehren, sondern nur erreichen will, dass gleichzeitig mit dieser die Folgesachen
geregelt werden (BGH, FamRZ 1996, S. 1333; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 629a Rz.
3 a).
Die Berufung ist auch begründet.
24
Zur Überzeugung des Senats liegen im vorliegenden Verfahren die
Abtrennungsvoraussetzungen des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO nicht vor.
25
Gem. § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO kann das Gericht dem Scheidungsantrag vor der
Entscheidung über eine Folgesache stattgeben, soweit die gleichzeitige Entscheidung
über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde,
dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine
unzumutbare Härte darstellen würde.
26
Zwar wird man bei dem seit dem 20.03.2004 rechtshängigen Scheidungsverfahren von
einer außergewöhnlichen Verzögerung auszugehen haben. Außergewöhnlich ist eine
Verzögerung nur, wenn die normale Dauer eines Verbundverfahrens gleicher Art bei
dem zuständigen Familiengericht überschritten wird. Als Richtpunkt für die gewöhnliche
Dauer sind zwei Jahre anzunehmen. Dauert das Verfahren länger als zwei Jahre, so ist
dies außergewöhnlich (BGH, FamRZ 1986, S. 898 (899); OLG Hamm, FamRZ 1992, S.
1086 (1987); OLG Dresden, FamRZ 1998, S. 1527 (1528); OLG Zweibrücken, FamRZ
2002, S. 334 (335); Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 5). Die Dauer zählt von der
Rechtshängigkeit an (Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 5a m.w.N..).
27
Jedoch ist, auch wenn das Verfahren schon länger als zwei Jahre dauert, die Ehe nicht
vorab zu scheiden, wenn über die Folgesache demnächst entschieden werden kann
(Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 5a; OLG Stuttgart, FamRZ 1992, S. 320 (321)).
Unerheblich ist es, aus welchen Gründen eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses
eintritt, also ob sie auf dem verzögerlichen Verhalten einer Partei beruht (was aber bei
der Prüfung der unzumutbaren Härte von Bedeutung sein kann) oder in der Sphäre des
Gerichts liegt.
28
Der Aufschub der Ehescheidung muss daneben auch noch eine unzumutbare Härte
darstellen. Die außergewöhnliche Verzögerung bedeutet — für sich allein gesehen —
keine solche Härte (OLG Köln, FamRZ 1997, S. 1487; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998,
S. 1525 (1526); OLG Dresden, FamRZ 1998, S. 1526 (1527); Zöller-Philippi, ZPO, 25.
Aufl. § 628 Rz 6), sonst wäre der letzte Halbsatz des § 628 S. 1 Nr. 4 überflüssig (OLG
Hamm, FamRZ 1979, S. 163; OLG Schleswig, FamRZ 1989, S. 1106, Zöller-Philippi,
ZPO, 25. Aufl. § 628 Rz 6). Unzumutbar ist die Härte nur, wenn das Interesse des
Antragstellers an einer alsbaldigen Scheidung vorrangig vor dem Interesse ist, das der
andere Ehegatte daran hat, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die Folgesache
entschieden wird (OLG Hamm, FamRZ 1979, S. 163; OLG Köln, FamRZ 1997, S. 1487;
OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, S. 1525 (1526); Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628
Rz. 6) Schon aus dem Begriff der unzumutbaren Härte folgt, dass strenge Maßstäbe für
die ausnahmsweise Auflösung des Verfahrens- und Entscheidungsverbundes angelegt
werden müssen (OLG Köln, FamRZ 1997, S. 1487; OLG Bamberg, FamRZ 1988, S.
531).
29
Zugunsten des Ehegatten, der die Scheidung begehrt, ist dessen Wunsch zu
30
berücksichtigen, alsbald wieder zu heiraten, wenn dadurch ein Kind, das die Ehefrau
oder die Geliebte des Ehemannes erwartet, ehelich geboren wird (BGH, FamRZ 1986,
S. 898 (899); OLG Schleswig, MDR 2004, S. 514; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628
Rz. 7 m.w.N.). Wird kein Kind aus der neuen Verbindung erwartet, so ist die durch das
Scheidungsverfahren verzögerte Möglichkeit, wieder zu heiraten, keine unzumutbare
Härte (Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 7). Ist die Lebenserwartung des
Ehegatten, der nach der Scheidung wieder heiraten will, durch hohes Alter oder
schlechten Gesundheitszustand begrenzt, so kann ein Aufschub der Scheidung
unzumutbar hart sein (OLG Hamm, FamRZ 1980, S. 373; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl.,
§ 628 Rz. 7 m.w.N.)
Unzumutbar hart kann es auch sein, wenn die Wiederheirat eines Ehegatten
vorübergehend dadurch vereitelt wird, dass der Gegner Folgesachen verzögerlich
behandelt (OLG Schleswig, MDR 2004, S. 514; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz.
7), z.B. dass er ohne berechtigten Anlass Folgesachen später als nötig anhängig macht
(OLG Karlsruhe, FamRZ 1979, S. 725; OLG Karlsruhe, FamRZ 1979, S. 947; OLG
Frankfurt, NJW-RR 1988, S. 774). Muss ein Ehegatte, wenn die Ehe vorab nicht
geschieden wird, für die Trennungszeit erheblich mehr Unterhalt zahlen als nach der
Scheidung, so ist dies allein nicht unzumutbar hart. Eine verzögerliche Behandlung der
Folgesachen kann aber dann zu einer solchen Härte führen, wenn der Gegner aufgrund
Vergleichs mehr Unterhalt vom Antragsteller erhält, als ihm kraft Gesetzes zustände,
und wenn er die Folgesache verzögert, um möglichst lange die mit der Scheidung
wegfallende Unterhaltsrente zu beziehen. (Zäller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 7
m.w.N.)
31
Zugunsten des der Abtrennung einer Folgsache widersprechenden Ehegatten ist
insbesondere deren wirtschaftliche Bedeutung für diesen Ehegatten zu berücksichtigen.
Dies folgt aus Sinn und Zweck des Verbundes, der dem wirtschaftlich schwächeren
Ehegatten die Klärung der unterhaltsrechtlichen und vermögensrechtlichen Folgen
ermöglichen soll (Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 628 Rz. 9). Je wichtiger die Folgesache für
die aktuelle Lebenssituation des widersprechenden Ehegatten ist, desto strenger sind
die Voraussetzungen für ihre Abtrennung (OLG Hamm, FamRZ 1992, S. 1086 (1087);
OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, S. 1525 (1526); OLG Brandenburg, FamRZ 1996, S.
751). Wirkt sich die Regelung der Folgesache nicht auf diese Lebenssituation aus, wie
z.B. der Zugewinnausgleich bei Ehegatten mit ausreichendem Einkommen (BGH,
FamRZ 1986, S. 898 (899); OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, S. 1525 (1526)) oder der
Versorgungsausgleich bei erwerbsfähigen Ehegatten, so kann die Ehe eher vorab
geschieden werden als in den Fällen, in denen die Unterhaltsfrage ungeregelt bleibt
(OLG Brandenburg, FamRZ 1996, S. 751; OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, S. 1525
(1526); OLG Schleswig, MDR 2004, S. 514; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 8).
Die Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt sollte nur ausnahmsweise
abgetrennt werden (BGH, FamRZ 1986, S. 898 (899)), nämlich dann, wenn der
Unterhalt keine existentielle Bedeutung für den Berechtigten hat.
(Baumbach/Lauterbach-Albers, ZPO, 63. Aufl., § 628 Rz. 6) Dem Verbundgedanken
entspricht es, das Interesse des Ehegatten an wirtschaftlicher Sicherung hoch zu
bewerten (OLG Saarbrücken, FamRZ 1980, S. 282; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, S.
412).
32
Eine unzumutbare Härte im Sinne des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO liegt nach Auffassung des
Senats hier nicht vor.
33
Konkrete Gründe, warum er alsbald geschieden werden will, hat der Antragsteller nicht
vorgebracht. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsteller
eine neue Beziehung eingegangen ist und wieder neu heiraten will/nochmals Vater
wird. Auch in finanzieller Hinsicht sprechen keine Gründe für die von dem Antragsteller
begehrte vorzeitige Scheidung. Bei der nicht erwerbstätigen Antragsgegnerin ist ein
Interesse an der Klärung der vermögensrechtlichen Fragen im Rahmen des
Scheidungsverbunds jedoch grundsätzlich — trotz Anerkenntnis des Antragstellers
hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts in Höhe von 1.310,00 € monatlich - zu
bejahen.
34
Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass die Antragsgegnerin immer wieder
kurz vor einem durch das Amtsgericht anberaumten Termin neue Anträge gestellt und
Folgesachen - teilweise erst nach einjähriger (Sorge, Unterhalt), einemhalbjähriger
(Zugewinn) und zweijähriger (Hausrat) Verfahrensdauer - anhängig gemacht hat.
Insofern liegt der Schluss auf eine gewisse Verzögerungstaktik auf Seiten der
Antragsgegnerin nahe.
35
Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift führt dies — ohne Hinzutreten
weiterer Gründe für eine vorzeitige Ehescheidung auf Seiten des Antragstellers - jedoch
nicht zur Annahme einer unbilligen Härte.
36
Da die Voraussetzungen des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO nicht erfüllt waren, leidet das Urteil
an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Es war von daher aufzuheben und die
Sache nach den §§ 538 Abs. 2 Nr. 7, 562, 563 Abs. 1 ZPO an die Vorinstanz zur
Wiederherstellung des Verbundverfahrens mit den abgetrennten Folgesachen
zurückzuverweisen (vgl. BGH, FamRZ 1979, S. 690; OLG Koblenz, NJW-RR 1991, S. 5
(6); OLG Zweibrücken, FamRZ 1988, S. 1525; Zöller-Philippi, ZPO 25. Aufl., § 628 Rz.
14).
37
Eine Zurückverweisung an eine andere Familienabteilung des Amtsgerichts kam nicht
in Betracht, da eine dem § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechende Regelung für das
Berufungsverfahren nicht in § 538 Abs. 2 ZPO aufgenommen worden ist.
38
Das Amtsgericht hat auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges zu entscheiden.
Gem. § 704 Abs. 2 ZPO ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
39
Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für das
Berufungsverfahren folgt aus § 21 Abs. 1 S. 1 GKG.
40
Der Senat weist darauf hin, dass das Amtsgericht im Rahmen des nach Aufhebung und
Zurückverweisung nochmals zu entscheidenden Versorgungsausgleichs auch die
Betriebsrente des Antragstellers, deren Unverfallbarkeit zum 01.01.2006 eingetreten ist
(vgl. Auskunft vom 08.09.2004), zu ermitteln und in den Versorgungsausgleich mit
einzubeziehen haben wird.
41