Urteil des OLG Hamm vom 25.02.2010

OLG Hamm (kläger, zug, verhalten, zpo, anleger, emissionsprospekt, inhalt, vorsätzlich, schädigung, vernehmung)

Oberlandesgericht Hamm, 28 U 77/09
Datum:
25.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
28. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 U 77/09
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 21 O 190/06
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 11. März 2009 verkündete
Urteil
der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass dem Kläger Zinsen erst ab dem 19. August 2006
zustehen.
Die Kosten des Rechtsstreits bis zum 3. April 2008 trägt der Beklagte
(früher:
Beklagter zu 3) als Gesamtschuldner neben den früheren Beklagten zu 1
und
2. Die danach entstandenen Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte
allein.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
1
I.
2
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im Wesentlichen darum, ob der
3
Kläger den Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Rahmen
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eines Kapitalanlagegeschäfts auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann.
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Der Beklagte (früher Beklagter zu 3) war Alleingeschäftsführer der G in I (früher Beklagte
zu 2; fortan G). Diese wiederum war Komplementärin der G2 in I (früher Beklagte. zu 1;
fortan: G2); der Beklagte war deren Kommanditist.
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Die Unternehmen des Beklagten vertrieben zunächst Kapitalanlagen der soge-
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nannten "H Gruppe", seit dem Jahr 2000 Kapitalanlagen bei der G3
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aus X (fortan: G3). Diese legte gesammeltes Anlagekapital im Blind-Pool-Verfahren an.
Der Beklagte zeichnete nach seinen Angaben selbst Ende 2000 eine Geldanlage in
namhafter Höhe bei der G3; die Einmalzahlung belief sich auf 3.457.000 DM nebst
Aufgeld; hinzu kamen beträchtliche Monatsraten. Der Beklagte behauptet dazu, die
Zahlungspflichten erfüllt zu haben.
9
. . .'
10
Um die Werber anhand eines einheitlichen Konzepts zu schulen, erarbeitete der
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Beklagte unter anderem ein - auf Papier und Audiokassette bzw. Audio-CD verbreitetes
- Mustergespräch, in dem er und ein weiterer Mitarbeiter dialogartig Situationen
darstellten, die im Gespräch mit Anlageinteressenten auftreten konnten. Der Werber
sollte dem Anleger insbesondere solche Fragen stellen, bei denen regelmäßig eine
zustimmende Antwort zu erwarten war. Der Beklagte leitete Seminare für Werber auf
höheren Hierarchiestufen, an denen zum Beispiel Mitarbeiter teilnahmen, die – wie die
Zeugen L und H2 - später ihrerseits Seminare für nachgeordnete Mitarbeiter leiteten.
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Die Tochter des 1940 geborenen Klägers, die Zeugin C, wollte im
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Rahmen einer Nebenbeschäftigung für den Beklagten tätig werden. Sie wies den
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Kläger auf die Möglichkeit einer Geldanlage bei der G3 hin.
15
Der Kläger, der früher als Bergmann arbeitete, war - nach Vorruhestand - seit
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Sommer 2000 verrentet. Er hatte keine Steuern zu entrichten. Der Kläger wurde nach
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telefonischer Anmeldung von den Werberinnen L und
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L2 in Begleitung seiner Tochter aufgesucht. L war Mitarbeiterin eines
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Unternehmens des Beklagten.
20
Der Kläger unterzeichnete am 11. Januar 2002 eine Beitrittserklärung als atypischer
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stiller Gesellschafter der G3. Er leistete eine Einmalanlage von 11.900 €.
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nebst 5% Aufgeld. Ferner wurden monatliche Raten von 100 € nebst 5% Aufgeld ab
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dem 15. Januar 2002 vereinbart. Wegen der Einzelheiten des Zeichnungsscheins
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wird auf GA 31 ff. Bezug genommen. Als "Wichtiger Hinweis" wurde u.a. mitgeteilt,
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dass es sich um eine Unternehmensbeteiligung handelt; ferner wurde auf eine etwaige
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Nachschusspflicht hingewiesen. Weiter heißt es, dass der aktuelle Emissionsprospekt
der G3 "sowie die ausführliche Risikobelehrung" Grundlage der Beitrittserklärung sei.
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Anfang Mai 2006 schrieb ein Anwalt den Kläger an und wies ihn auf die Risiken
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einer Beteiligung an der G3 hin. Der Kläger mandatierte daraufhin seine jetzigen
Prozessbevollmächtigten. Diese forderten die G2 durch
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Schreiben vom 15. März 2006 auf, die Anlage rückabzuwickeln.
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Bis Mai 2006 hatte der Kläger 15.425 € an. die G3 entrichtet und
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2.281,75 € als Entnahmen erhalten. Im Rahmen eines Vergleichs vom 25. April!
32
2. Mai 2006 zahlte die G3 weitere 5.000 € an den Kläger; vereinbart wurde,
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dass damit die Gesellschaftsbeteiligung des Klägers beendet und auseinandergesetzt
sei; Ansprüche gegen den Vertrieb waren ausgenommen. Wegen der Einzelheiten wird
auf GA 54 Bezug genommen.
34
Der Kläger hat mit der am 2. Juni 2006 eingegangenen und am 18. August 2006
zugestellten Klage im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Werberin L ihn durch
falsche Angaben bewogen habe, den Zeichnungsschein zu unterschreiben. Der Kläger
hat die G2 und ihre Komplementär-GmbH, die G sowie den Beklagten persönlich in
Anspruch genommen. Im
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Hinblick auf die persönliche Haftung des Beklagten hat der Kläger ausgeführt, dass der
Beklagte sich überwiegend ahnungsloser Vermittler bedient habe, selbst jedoch die
Unzulänglichkeit der Kapitalanlage gekannt habe.
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Das Landgericht hat im ersten Durchgang des erstinstanzlichen Verfahrens Beweis
erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen L, L2 und C. Es hat die G2, die G und den
Beklagten durch Urteil vom 31. August 2007 antragsgemäß verurteilt, an den Kläger
8.143,25 € zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung etwaiger Ansprüche des Klägers
aus seinem Zeichnunqsschein an der G3. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass
der Beklagte dem Kläger aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zum
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Schadensersatz verpflichtet ist. In der Sache. hat das Landgericht insoweit im
Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Verkaufsstrategie des Beklagten darauf
abzielte, die Anleger über die Art der Beteiligung und deren Risiken im Unklaren zu
lassen.
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Die G2 und G haben die von ihnen eingelegte Berufung nicht
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begründet. Über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Durch Urteil vom
3. April 2008 hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Berufungen der G2
und der G als unzulässig verworfen(4 U 147/07).
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Durch Urteil vom gleichen Tag hat der 4.Zivilsenat auf die vom Beklagten ein-
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gelegte und begründete Berufung das erstinstanzliche Urteil wegen Verstoßes gegen
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die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) aufgehoben und den Rechtsstreit zur
weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat der 4.
Zivilsenat im Wesentlichen ausgeführt: Das Landgericht habe zutreffend
Beratungsfehler in Gestalt mehrerer Fehlinformationen der Anleger feststellt (sichere
Renditeerwartung von 9 bis 10%, Kündigungsmöglichkeit nach fünf Jahren, keine
Information über die Nachschusspflicht und über das Beteiligungsrisiko). Die
Beratungsfehler führten jedenfalls zu einer Haftung der G2 und der G.
43
Der Beklagte hafte jedoch nur bei eigenem deliktischem Verhalten. Der Kläger habe die
Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft des Beklagten jedoch nicht hinreichend
dargelegt.
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Der Kläger hat im wiedereröffneten erstinstanzlichen Verfahren daraufhin unter
45
anderem vorgetragen, dass der Beklagte die Werber dahingehend geschult habe, nicht
auf den Prospektinhalt einzugehen. Das Landgericht hat im Einverständnis der Parteien
die in dem Parallelverfahren 21 0 154/06 - LG Dortmund – protokollierte Aussage des
Zeugen P vom 13. Februar 2009 (nunmehr 28 U 78/09 – OLG Hamm) verwertet.
46
Durch das nunmehr angefochtene Urteil hat das Landgericht den Beklagten erneut
verurteilt, an den Kläger 8.143,25 € Zug um Zug gegen Übertragung etwaiger
Ansprüche des Klägers aus seinem Zeichnungsschein zu zahlen. Ferner hat das
Landgericht festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das
Landgericht hat festgestellt, dass der Plan des Beklagten darauf gezielt habe, im
Gespräch mit den Anlageinteressenten Hinweise der Werber auf bestehende Risiken zu
vermeiden und von potenziell gefährlichen Punkten abzulenken. Die bewusste
Ablenkung der Kunden zeige, dass der Beklagte vorsätzlich gehandelt habe. Auf die
tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
47
Mit der Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, dass er nicht
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aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung hafte. Er führt an, dass ein
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bloßer Beratungsfehler zur Annahme einer sittenwidrigen Schädigung nicht ausreiche.
50
Eine solche sei auch der Aussage des Zeugen P nicht zu entnehmen. Im
51
Übrigen enthielten der Zeichnungsschein und der Emissionsprospekt deutliche
Hinweise auf die Risiken. Das Mustergespräch biete keine konkrete Anleitung. Die
Mitarbeiter seien auch anhand des Emissionsprospekts geschult worden. Die
Mitarbeiter seien verpflichtet gewesen, den Emissionsprospekt auszuhändigen. Die
Zeugin L habe sich in einer Vernehmung vom 26. Juni 2009 durch das
Oberlandesgericht Düsseldorf anders geäußert als bei dem Landgericht Dortmund. Das
Landgericht habe auch nicht festgestellt, dass er billigend in Kauf genommen habe, eine
Schädigung der Anleger durch die von ihm erarbeiteten Schulungsunterlagen
herbeizuführen.
52
Dem Kläger sei ein Mitverschulden anzulasten, denn die Zeugin L
53
habe ihm den Zeichnungsschein vorgelesen. Außerdem habe die G dem
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Kläger den Emissionsprospekt übersandt. Schließlich sei der Schaden sei nicht
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substanziiert berechnet. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung sei aufgrund des Vergleichs mit
der G nicht möglich.
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Außerdem sei der Anspruch verjährt. Eine Geldanlage in ein zur sicheren Vor-
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sorge ungeeignetes Objekt stelle einen Schaden dar. Der Kläger habe sich grob
fahrlässig verhalten, weil er den Zeichnungsschein nicht durchgelesen habe. Aus der
Beitrittserklärung habe er Kenntnis davon gehabt, dass es sich um eine atypische stille
Gesellschaftsbeteiligung mit Nachschusspflicht gehandelt habe. Auch wer der
deutschen Sprache nicht mächtig sei, sei verpflichtet, sich den Inhalt übersetzen oder
erklären zu lassen.
58
Der Beklagte beantragt,
59
das angefochtene Urteil des Landgerichts Dortmund abzuändern und die Klage
60
abzuweisen,
61
hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Dortmund zurückzuverweisen.
62
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
64
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
65
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands
66
wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll sowie den
Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 19. Januar 2010 betreffend die Anhörung
des Klägers und die ergänzende Vernehmung des Zeugen P Bezug genommen.
67
II.
68
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
69
1. Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten folgt aus
70
§ 826 BGB. Ein Vertreiber von Kapitalanlagen, der Anlageinteressenten vorsätzlich
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durch Falschangaben täuscht, indem er eine anleger- bzw. objektwidrige Empfehlung
abgibt oder abgeben lässt, und die Schädigung der Anleger zumindest billigend in
72
Kauf nimmt, ist diesen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum
Schadensersatz verpflichtet (BGHZ 175, 276, Tz. 29; BGH, Urteil vom 29. September
73
2009 - XI. ZR 179/07, WM 2009, 2210, Tz. 20).
Nach diesen Grundsätzen ist das Verhalten des Beklagten als sittenwidrig zu werten,
Der Gesichtspunkt der "mittelbaren Täterschaft" ist dabei nicht von Belang. Dem
Beklagten ist eigenes sittenwidriges Verhalten anzulasten, ohne dass es darauf
ankommt, ob die für ihn tätigen Anlageberater ihrerseits vorsätzlich handelten oder nicht.
74
a) Bereits im ersten Berufungsurteil in diesem Rechtsstreit hat der 4. Zivilsenat
75
des Oberlandesgerichts Hamm zutreffend darauf abgestellt, dass das Landgericht .
76
mit Recht Beratungsfehler in Gestalt mehrerer Fehlinformationen festgestellt hat (BU
8/9). Daran ist der erkennende Senat zwar nicht gebunden. Billigt das Berufungsgericht
in einem Urteil, mit dem es das erstinstanzliche Urteil - wie hier - wegen eines
Verfahrensfehlers aufhebt und die Sache zurückverweist, die materiell-rechtliche
Beurteilung des Sachverhalts durch die Vorinstanz, ist es an diese Beurteilung im
erneuten
77
Berufungsverfahren nicht in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2
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ZPO gebunden, denn das aufhebende Urteil beruht nur auf der Missbilligung des
Verfahrensfehlers (BGH, Beschluss vom 18. August 2005 - XII ZR 97/02, BGH Report
2005, 1552; HkZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 538 Rn. 21). Unbeschadet dessen ist den
Ausführungen des ersten Berufungsurteils zu den Beratungsfehlern insbesondere der
Werberin L in der Sache jedoch zuzustimmen; darauf wird Bezug genommen.
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b) Die Beratungsfehler beruhen darauf, dass die Anlageberater von dem Beklagten
geschult wurden, die Anleger fehlerhaft zu beraten. Maßgebliches Ziel der vom
Beklagten veranstalteten Schulungen war, wie der Zeuge P bekundet hat, eine
bewusste Verharmlosung der Risiken der Anlage. Risiken sollten möglichst gar nicht zur
Sprache gebracht werden; der Emissionsprospekt sollte erst später ausgehändigt
werden. Damit übereinstimmend hat auch der Kläger bereits in erster Instanz glaubhaft
erklärt. dass er den Emissionsprospekt erst nach Zeichnung der Kapitalanlage erhalten
hat (Seite 5/6 des Sitzungsprotokolls vom 213. Juli 2007). Aus der besonderen
Zielrichtung der Schulungen ergibt sich die Verwerflichkeit des Handelns und der
Zielsetzung des Beklagten.
80
aa) Es mag sein, dass das vom Beklagten entwickelte Mustergespräch keine
81
konkrete Anleitung bezogen auf die konkrete Anlage bietet. Die Sittenwidrigkeit der vom
Beklagten betriebenen Anlageberatungsgeschäfte ergibt aber nicht aus dem vom
Beklagten vorbereiteten Mustergespräch an sich, sondern aus der inhaltlichen
Zielsetzung des Beklagten, Risiken der Beteiligung im Beratungsgespräch mit den
Anlegern zu verharmlosen bzw. zu verschweigen.
82
Auf die vorgenannten Erwägungen hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf
83
in seinen Urteilen vom 7. August 2009 (15 U 107/08) und vom 9. November 2009 (9 U
91/09) abgestellt, ebenso das Oberlandesgericht Dresden durch Urteil vom 30. Juni
2009 (8 U 404/08) und das Oberlandesgericht Bamberg durch Urteil vom 8. Juli 2009 (8
U 73/08). Auch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26. Januar 2009 (21 U
84
3291/08) beruht auf einer vergleichbaren Sachverhaltsgestaltung.
bb) Eine erneute Vernehmung der Zeugin L ist nicht geboten. Zwar
85
/hat der Beklagte geltend gemacht, dass diese Zeugin im Rahmen einer
Zeugenvernehmung vom 26. Juni 2009 durch das Oberlandesgericht Düsseldorf in dem
Verfahren 15 U 107/08 teilweise anders ausgesagt habe als in ihrer erstinstanzlichen
Vernehmung durch das Landgericht Dortmund.
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(1) Zum Beleg hat der Beklagte Terminsnotizen seiner Verfahrensbevollmächtigen
vorgelegt. Der Inhalt dieser Notizen findet jedoch, wie im Senatstermin erörtert worden
ist, in den Gründen des vorgenannten Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf keine
Stütze. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat nach Vernehmung mehrerer Zeugen
festgestellt, dass die Verkaufsgespräche darauf angelegt waren, lediglich die Vorteile
der Gesellschaftsbeteiligung anzupreisen und etwaige Risiken nicht aufklären. Dabei
hat das Oberlandesgericht Düsseldorf sich unter anderem ausdrücklich auch auf die
Zeugin L gestützt (BU 6/7).
87
(2) Zudem ist der Vortrag des Beklagten in der Berufungsbegründung sowie im
88
in den Schriftsätzen vom 22. Januar und vom 18. Februar 2010 zur Aussage der
89
Zeugin L rechtlich nicht erheblich und gibt keinen Anlass an den Fest-
90
stellungen des angefochtenen Urteils zu zweifeln. Auch nach den Bekundungen, die der
Beklagte nunmehr der Zeugin L zuschreibt, war die Beratung des
91
Klägers fehlerhaft. Selbst wenn die Zeugin L nicht nur den Verkaufs-
92
prospekt, sondern auch den Emissionsprospekt übergeben haben will, ist dies
unzureichend. Denn die Zeugin L hatte mit dem Kläger nur ein Gespräch.
93
Der Emissionsprospekt muss dem Anlageinteressenten aber so rechtzeitig vor dem
Vertragsschluss übergeben werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen
werden kann (st. Rspr., siehe BGH, Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, juris,
Tz. 24 mwN), Zudem hat die Zeugin auch nach dem Beklagten behaupteten Inhalt ihrer
Aussage vor dem OLG Düsseldorf nicht in Abrede gestellt, den Kläger nicht über die
Gefahr des Totalverlustes und einer etwaigen Nachschusspflicht unterrichtet zu haben.
94
c) Das sittenwidrige Verhalten des Beklagten war ursächlich für die
Anlageentscheidung des Klägers. Eine Kapitalanlage bei der G3 wäre ohne das
sittenwidrige Verhalten des Beklagten unterblieben.
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aa) Dafür besteht eine auf die Lebenserfahrung gegründete Vermutung (st.
96
Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2009 - III ZR 302/98, Tz. 21; Beschluss
97
vom 9. April 2009 .; III ZR 89/08 - juris Rn. 8 m.w.N.). Diese gilt nicht nur für die
vertragliche sondern auch für die deliktische Haftung, denn im Hinblick auf das
Kausalitätserfordernis bestehen im Rahmen des § 826 BGB keine spezifischen
Anforderungen (MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 826 Rn. 7). Da sittenwidriges
98
Verhalten Verhalten über bloße Beratungsfehler hinaus geht, ist die
Kausalitätsvermutung hier umso mehr berechtigt.
bb) Dem steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass der Kläger sich nach
99
eigenen Angaben mit dem Hinweis der Zeugin L begnügte, dass
100
G3 in "Pleite-Firmen" investiert. Das erschüttert die Kausalitätsvermutung
101
nicht. Vielmehr ist dieser Gesichtspunkt aus Sicht jedenfalls eines unerfahrenen
Anlegers ambivalent; weil dies auch für eine besonders geschickte Anlagestrategie des
kapitalsuchenden Unternehmens sprechen kann.
102
d) Der Beklagte handelte vorsätzlich. Für den Vorsatz im Rahmen des § 826
103
BGB genügt ein "Eventualdolus". Dabei braucht der Täter nicht im Einzelnen zu wissen,
welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr
reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher
anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens
vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (BGHZ 160, 149, 156;
BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 -II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 unter III 2 b – "lnfomatec";
Staudinger/Oechsler, BGB [2009], § 826 Rn. 78 f.). Danach ist es unschädlich, dass der
Beklagte den Kläger und dessen persönliche Umstände nicht kannte. An einer
vorsätzlichen Handlungsweise der Beklagten besteht kein Zweifel. Das gibt sich daraus,
dass er die Schulungen und dementsprechend den Vertrieb so organisierte, dass das
Anlagerisiko verharmlost worden ist. Es liegt außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit,
dass dies nicht vorsätzlich, sondern nur leichtfertig geschehen ist.
104
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte nach seinen
105
Angaben selbst Anteile an der G3 gezeichnet hatte, und zwar in erheblichem
106
Umfang. Die Sittenwidrigkeit seines Verhaltens beruht darauf, dass er den Vertrieb
107
seines Unternehmens darauf anlegte, den Anlegern bewusst Risiken zu verharmlosen.
Es mag sein, dass er selbst - in Kenntnis der Risiken der Anlage - diese Risiken
bewusst einging und subjektiv an einen Erfolg der Anlage geglaubt hat. Das entbindet
ihn jedoch nicht davon, den Vertrieb durch sein Unternehmen so auszurichten, dass
auch die Informationsinteressen der Anleger gewahrt werden, damit diese eine
eigenverantwortliche Entscheidung treffen können. Die gezielte Desinformation der
Anlageinteressenten, die der Beklagte in seinem Strukturvertrieb anhand von
Schulungen umfassend umsetzte, zeigt einen jedenfalls bedingten Vorsatz des
Beklagten im Hinblick auf sein sittenwidriges Verhalten auf.
108
e) Der Inhalt der Pflicht des Beklagten zum Ersatz des Schadens bestimmt sich
109
nach den §§ 249 ff. BGB.
110
aa) Der Schaden des Anlegers besteht namentlich in seiner gezahlten Einlage
111
abzüglich der Entnahmen (BGHZ 162, 306; 309; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007- II
112
ZR 21/06, NJOZ 2008, 2440, Tz. 26). Im vorliegenden Fall ergibt sich eine verbleibende
Schadenssumme von 8.143,25 € (15.425 € Einmalanlage nebst Aufgeld und gezahlter
Raten, abzüglich erhaltener Entnahmen in Höhe von 2.281,75 € und weiterer 5.000 €,
die G3 später aufgrund des geschlossenen Vergleichs an den Kläger entrichtete).
bb) Der Beklagte meint, er sei, deshalb insgesamt nicht zum Schadenersatz
113
verpflichtet, weil der Kläger ihm aufgrund des Vergleichs mit der G3 keine Anteile
114
an der stillen Gesellschaft zurückgewähren könne. Dem ist nicht zu folgen; der
115
vorgenannte Vergleich ist unschädlich.
116
(1) Dass der Vergleich über die gezahlten 5.000 € hinaus Gesamtwirkung auch
117
für den Beklagten haben sollte (§ 423 BGB), zeigt der Beklagte nicht auf und ist auch
nicht ersichtlich. Vielmehr waren Ansprüche des Klägers gegen den Strukturvertrieb -
mithin gegen den Beklagten und seine Unternehmen – gerade nicht Gegenstand des
Vergleichs mit der G3.
118
(2) Überdies besteht in einer stillen Gesellschaft kein Gesellschaftsanteil, der
119
übertragen werden könnte. Mit der Schadensersatzrechtlichen Rückabwicklung des
Vertrags steht zugleich fest, dass der stille Gesellschafter keine weitergehenden
vertraglichen Rechte mehr gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts hat (BGH, Urteil
120
vom 18. April 2005 - II ZR 21/04, www.bundesgerichtshof.de). Auch ein
Auseinandersetzungsguthaben steht dem Anleger einer stillen Gesellschaft nicht zu
(BGH, Hinweisbeschluss vom 24. Oktober 2005 - II ZR 234/04, juris, Tz. 4). Ein
abtretbarer Abfindungsanspruch, der im Schadensersatzprozess Voraussetzung für eine
Zug-um-Zug Verurteilung ist, besteht daher nicht (BGH, Beschluss vom 19. Dezember
2005 – II ZR 234/04, juris; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Februar 2009 - 19 U
149/08 unter II 2 b; OLG Dresden, Urteil vom 30. Juni 2009 - 8 U 404/08, BU 34 f.).
121
cc) Der Beklagte meint, der Kläger müsse sich Steuervorteile in Abzug bringen
122
lassen. Das ist nicht richtig. Steuervorteile muss der Kläger sich schon deshalb nicht
anrechnen lassen, weil er ohnehin keine Steuern zu entrichten hat und deshalb keine
Steuervorteile entstehen. Es auch nicht ersichtlich, dass zu Gunsten des Klägers
zukünftig Steuervorteile entstehen werden.
123
f) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt (§§ 195, 199
124
BGB). Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm bereits im ersten
Berufungsurteil in dieser Sache abgestellt. Daran ist der Senat - wie ausgeführt – zwar
nicht gebunden; den Ausführungen des 4. Zivilsenats ist indes in der Sache
zuzustimmen; darauf wird Bezug genommen.
125
g) Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist dem Kläger Mitverschulden an
126
der Entstehung des Schadens anzulasten (§254 Abs.1 BGB).
127
aa) Der Beklagte will Mitverschulden daraus herleiten, dass der Kläger dem Inhalt
128
des Zeichnungsscheins keine hinreichende Aufmerksamkeit geschenkt habe.
129
Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Das sittenwidrige Verhalten des Beklagten erschließt
130
sich nicht aus dem Zeichnungsschein. Der Kläger hatte von daher keinen
131
Anlass, von der ihm befristet eröffneten Möglichkeit des Widerrufs der
Anlageentscheidung Gebrauch zu machen.
132
bb) Der Beklagte kann Mitverschulden auch nicht daraus herleiten, dass der
133
Kläger den Inhalt des Emissionsprospekts nicht beachtet hat. Der Kläger hat den
134
Emissionsprospekt nicht oder - wie ausgeführt - jedenfalls nicht rechtzeitig vor
Vertragsabschuss erhalten. In beiden Fällen liegt kein Mitverschulden vor. Für den
ersten Fall gilt, dass derjenige, der sich bereits entschieden hat, den Prospekt als
gelesen abheften und nicht mehr kritisch würdigen wird (OLG Hamm, Urteil vom 12.
Februar 2009 - 4 U 171/08, juris, unter II 9). Im zweiten Fall geht es zu Lasten des
Schädigers, wenn der Anleger den Inhalt des Emissionsprospekts nicht mehr näher
prüft.
135
2. Die vom Landgericht vorgenommene Einschränkung des Zahlungsanspruchs,
136
den Zahlbetrag nur Zug um Zug gegen Rückübertragung eines "etwaigen"
137
Anspruchs aus dem Zeichnungsschein gegen G3 zu entrichten, ist zwar
gegenstandslos. In einer stillen Gesellschaft besteht, wie oben ausgeführt, kein
Gesellschaftsanteil, der übertragen werden könnte. Gegen das ihm eingeräumte
Zurückbehaltungsrecht wendet sich die Berufung des Beklagten aber nicht. Das
Zurückbehaltungsrecht kann in zweiter Instanz auch nicht von Amts wegen in Wegfall
gebracht werden. Der Kläger hat insoweit keine (Anschluss-)Berufung eingelegt.
Zugunsten. des Beklagten ist demzufolge das Verschlechterungsverbot zu beachten
(vgl. BGHZ 159, 122; HkZPO/Wöstmann, aaO, §538 Rn. 21),so dass es bei der Zug-um-
Zug Verurteilung zu verbleiben hat. Allerdings ist die Zug-um-Zug-Verurteilung
unschädlich, weil das Landgericht nur auf "etwaige" Ansprüche des Klägers abgestellt
hat.
138
3. Der Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Der Kläger hat ein
139
Rechtschutzinteresse an der Feststellung einer unerlaubten Handlung, weil das
Vollstreckungsgericht keine materiell-rechtliche Prüfungskompetenz hat, die
Voraussetzungen des Vollstreckungsprivilegs des § 850f Abs. 2 ZPO festzustellen
(BGHZ 109, 275; 152, 166). Der Antrag ist auch in der Sache begründet. Wie ausgeführt,
steht dem Kläger gegen den Beklagten ein deliktischer Schadensersatzanspruch aus §
826 BGB zu.
140
4. Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB. Zinsen stehen dem Kläger ab dem
141
auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag zu, hier dem 19. August 2006. Soweit das
Landgericht auf den 19. August 1996 abgestellt hat, handelt es sich um einen
offensichtlichen Schreibfehler, den der Senat vom Amts wegen berichtigt hat (§319
ZPO).
142
5. Die Kostenentscheidung hat der Senat ebenfalls von Amts wegen korrigiert..
143
Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits insgesamt dem Beklagten auferlegt.
Freilich haben sich die früheren Beklagten zu 1 und 2 grundsätzlich ebenfalls an den
Kosten zu beteiligen(§ 100 Abs. 4 ZPO). Das gilt für diejenigen Kosten, die bis zum
ersten, am 3. April 2008 verkündeten Berufungsurteil entstanden sind. Danach waren
die G2 und die G (die früheren Beklagten zu 1 und 2) nicht mehr beteiligt, so dass der
Beklagte (früher: Beklagter zu 3) die weiteren Kosten allein tragen muss (§ 100 Abs. 3
ZPO).
144
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10,
145
§ 713 ZPO.
146
Die Revision ist nicht. zuzulassen (§ 543 ZPO). Die Rechtssache hat keine
147
grundsätzliche Bedeutung; die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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