Urteil des OLG Hamm vom 25.02.2010
OLG Hamm (auflösende bedingung, kläger, bedingung, wiederholungsgefahr, klausel, einwilligung, uwg, verhalten, zweifel, gesetz)
Oberlandesgericht Hamm, 4 U 189/09
Datum:
25.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 189/09
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 12 O 85/09
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 01. September 2009
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen -
des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Rechtsanwalt, der im Internet unter "Internetadresse" auf seine Kanzlei
hinweist. Zwischen ihm und dem Beklagten bestand und besteht keine
Geschäftsbeziehung. Am 14. Januar 2009 rief eine Mitarbeiterin des Beklagten beim
Kläger an und warb für Designleistungen des Beklagten. Der Kläger zeigte sich bei dem
Telefonat interessiert, so dass ihm am folgenden Tag eine EMail samt
Informationsbroschüre im PDF-Format übersandt wurde.
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Auf die Abmahnung des Klägers hin gab der Beklagte unter dem 22. Januar 2009
folgende Unterlassungserklärung ab:
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"Hiermit verpflichtet sich das Systemhaus H, Inh. T H, C gegenüber Herrn
Rechtsanwalt N in C,
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1. es künftig zu unterlassen, Werbe-Anrufe an die Kanzlei von Herrn y richten,
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2. unter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs für jeden Fall
der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung gemäß
Ziffer 1 eine angemessene Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 € an Herrn y
zahlen.
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Die Unterlassungserklärung wird unter der auflösenden Bedingung einer allgemein
verbindlichen, d. h. auf Gesetz oder höchstrichterlichen Rechtsprechung
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beruhenden Klärung des zu unterlassenden Verhaltens abgegeben."
Der Kläger beanstandete die Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 26. Januar
2009. Inakzeptabel sei die formulierte auflösende Bedingung am Ende der
Unterlassungserklärung. Warum eine "Klärung" des zu unterlassenden Verhaltens
durch Gesetz oder höchstrichterliche Rechtsprechung zum Wegfall der
Unterlassungserklärung führen solle, sei insbesondere für diejenigen Fälle nicht
nachvollziehbar, in denen eine solche "Klärung" den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch bestätigen oder erweitern sollte.
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Der Beklagte reagierte auf das Schreiben des Klägers nicht.
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Der Kläger hat gemeint, der Werbeanruf sei wettbewerbswidrig gewesen. Von einer
mutmaßlichen Einwilligung habe der Beklagte nicht ausgehen können. Der
Unterlassungsanspruch sei nicht nur nach dem UWG, sondern auch nach §§ 823, 1004
BGB gegeben. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen. Denn die
Unterlassungserklärung sei nicht ausreichend. Es fehle die Klarstellung, dass es nur um
den Fall einer eindeutigen Klärung des zu unterlassenden Verhaltens als rechtmäßig
gehe.
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Das Landgericht hat durch Urteil vom 1. September 2009 die Klage entsprechend dem
Antrag des Beklagten mangels Wiederholungsgefahr als unbegründet abgewiesen. Die
Wiederholungsgefahr sei durch die Unterlassungserklärung des Beklagten entfallen.
Eine auflösende Bedingung dürfe zwar in eine Unterlassungserklärung nur für den Fall
aufgenommen werden, dass das zu unterlassende Verhalten sich später als rechtmäßig
herausstellen sollte. In diesem Sinne sei die Unterwerfungserklärung des Beklagten
aber zu verstehen.
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Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 87 ff der Akten verwiesen.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
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Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages leugnet der Kläger
nach wie vor, dass die Wiederholungsgefahr entfallen sei. Nach dem Wortlaut der
Unterlassungserklärung habe jegliche Klärung als auflösende Bedingung wirken sollen.
Da der Beklagte auf sein Schreiben vom 26. Januar 2009 nicht reagiert habe, könne
nicht von einer planwidrigen Lücke ausgegangen werden, die einer ergänzenden
Auslegung zugänglich sei. Die vom Landgericht vorgenommene Ergänzung der
Erklärung "… als rechtmäßig …" könne sich weder auf den Wortlaut noch auf die
Begleitumstände stützen, zumal der Beklagte nicht bereit gewesen sei diese
erforderliche Beschränkung vorzunehmen. Hinzu komme, dass der Beklagte den
Unterlassungsanspruch auch dem Grunde nach in Abrede gestellt habe. Angesichts
dessen sei es jedenfalls möglich, dass die Verfolgung des Unterlassungsanspruchs im
Wiederholungsfalle erschwert werden sollte. Unklare Beschränkungen seien für den
Gläubiger jedoch unzumutbar. Folgeprozesse über die Frage des Eintritts der
auflösenden Bedingung seien vorprogrammiert. Gerade angesichts der Antwortpflicht
des Abgemahnten habe der Kläger die unterlassene Reaktion des Beklagten auf das
Schreiben vom 26. Januar 2009 als Weigerung verstehen müssen, die
Unterlassungserklärung im Hinblick auf die Bedingung zu konkretisieren. Damit seien
Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung erlaubt gewesen. Das Motiv
des Beklagten für die Weigerung, die Bedingung zu präzisieren, könne darin liegen, bei
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wiederholtem Verstoß die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe in Zweifel zu
ziehen mit dem Hinweis auf jegliche BGH-Rechtsprechung, welche zu einer weiteren
Klärung von Fragen im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen der vorliegenden
Art führe.
Der Kläger beantragt,
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Unter Abänderung des Urteils vom 01.09.2009 wird der Beklagte verurteilt, es bei
Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr per Telefon den Kläger auf die Möglichkeit
zum Abschluss von Verträgen über Designleistungen anzusprechen, ohne dass
der Kläger zuvor ausdrücklich oder konkludent in einen solchen Telefonanruf
eingewilligt hat.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages verneint der
Beklagte einen Anspruch des Klägers aus dem UWG, da es an einem
Wettbewerbsverhältnis fehle. Der Werbeanruf sei auch rechtmäßig erfolgt. Denn es
habe eine mutmaßliche Einwilligung des Klägers vorgelegen. Der Kläger habe sich bei
dem Telefonat auch durchaus interessiert gezeigt. Selbst wenn man aber von einem
rechtswidrigen Verhalten ausgehen wolle, fehle es an der erforderlichen
Wiederholungsgefahr. Die von ihm abgegebene Unterlassungserklärung sei
ausreichend und dahin auszulegen, dass die eindeutige Klärung nur in dem Sinne
eines rechtmäßigen Verhaltens zu verstehen sei. Er habe sich bei der Formulierung
weitergehend an die Formulierung des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung
"Künstlerabbildung in CD-Einlegeblatt" gehalten. Die Unterwerfungserklärung dahin
auszulegen, dass die Klärung des zu unterlassenden Verhaltens als rechtswidrig
gemeint sein könnte, sei abwegig. Eine Klärung in diesem Sinne könne nämlich gar
nicht stattfinden, weil es dann nichts gebe, was zu klären wäre. Da der Beklagte an dem
Verständnis seiner Erklärung keinerlei Zweifel gehabt habe, habe er sich auch nicht
veranlasst gesehen, auf das Schreiben des Klägers vom 26. Januar 2009 zu reagieren.
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Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
21
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat dessen
Verbotsbegehren zu Recht zurückgewiesen.
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Dem Kläger hat zwar zunächst ein Unterlassungsanspruch zugestanden. Denn es ist
unstreitig, dass dem Anruf des Beklagten keine Einwilligung des Klägers zugrunde lag
(sog. "Kaltanruf"). Der Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang auch vergeblich
auf eine mutmaßliche Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Ziff. 2 UWG. Denn eine solche
mutmaßliche Einwilligung kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass die
beworbene Leistung für den Gewerbebetrieb des Angerufenen nützlich ist.
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Auch wenn kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht, so ist der
Kläger aber hier nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit seinem Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt (Palandt BGB § 823 Rz. 132).
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Unerheblich ist auch das spätere Verhalten des Angerufenen. Die mutmaßliche
Einwilligung muss im Vorhinein gegeben sein. Wie der Kläger zu Recht darlegt, ist es
für den Angerufenen hilfreich, zunächst zum Schein auf den Anruf einzugehen, um so
die Identität des Anrufenden feststellen zu können.
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Die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB
erforderliche Wiederholungsgefahr ist hier aber durch die Unterwerfungserklärung des
Beklagten weggefallen.
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Die auflösende Bedingung einer Billigung des verbotenen Verhaltens durch eine
spätere Änderung von Gesetz oder BGH-Rechtsprechung ist als solche unschädlich
(Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kap. 8 Rz. 8;
Köhler/Bornkamm UWG § 12 Rz. 1.129).
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Der Kläger beanstandet in diesem Zusammenhang auch nur, dass die Klausel insoweit
unklar und deshalb für ihn nicht hinnehmbar sei, weil der Begriff der Klärung nicht
deutlich genug umrissen sei.
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Insoweit hat das Landgericht bereits zutreffend geurteilt, dass die Klausel nur so
verstanden werden kann, dass die Bedingung in einer nachträglichen Billigung des
verbotenen Verhaltens bestehen soll. Alles andere macht keinen Sinn. Die Klausel ist
auch verständlich, weil die Frage jedenfalls damals noch im Fluss war, wie weit der
Begriff der mutmaßlichen Einwilligung zu ziehen war. Insoweit handelt es sich auch
nicht um eine ergänzende Auslegung, bei der die dafür erforderliche Lückenhaftigkeit
der Klausel zweifelhaft sein mag. Es geht vielmehr um eine "normale" Auslegung, wie
die Klausel in ihrer gegenwärtigen Fassung zu verstehen ist.
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Danach soll eben nicht jegliche Klärung der Rechtslage den Bedingungseintritt
auslösen, wie der Kläger in seiner Berufungsbegründung mutmaßt (vgl. Bl. 103 d.A.),
sondern nur eine solche Klärung, durch die das verbotene Verhalten nunmehr gebilligt
wird.
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Dieses Verständnis der Klausel wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der
Beklagte dem Ergänzungsbegehren des Klägers nicht nachgekommen ist. Diese
weigerliche Haltung des Beklagten ist durchaus verständlich. Die Beanstandung der
fraglichen Klausel ist nur schwer nachzuvollziehen. Wenn der Beklagte später nicht auf
den Ergänzungswunsch des Klägers entsprechend der Klageschrift (Bl. 7 d.A.)
eingegangen ist, kann man dies durchaus nachvollziehen. Denn der Beklagte liefe unter
Umständen Gefahr, die Kosten zu tragen, wenn sich das Gericht auf den Standpunkt
stellte, dass erst durch diese Klauselergänzung die Wiederholungsgefahr entfallen sei.
Es ist nicht Pflicht des Schuldners, jedem Änderungswunsch des Gläubigers
nachzukommen. Entscheidend für die Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr ist
allein, ob die abgegebene Unterwerfungserklärung den Gläubiger hinreichend klaglos
stellt. Der Schuldner muss nicht jeden Verbesserungswunsch des Gläubigers erfüllen,
um so die Ernsthaftigkeit seines Unterlassungswillens zu dokumentieren.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
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