Urteil des OLG Hamm vom 29.07.2010
OLG Hamm (sicherungsverwahrung, stgb, bundesrepublik deutschland, menschenrechte, unterbringung, auslegung, emrk, egmr, rechtsfrage, frist)
Oberlandesgericht Hamm, III-4 Ws 193/10
Datum:
29.07.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-4 Ws 193/10
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, III StVK 559/10
Tenor:
1.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2.
Die durch Urteil des Landgerichts Münster vom 20. Oktober 1983
angeordnete Unterbringung des Verurteilten in der
Sicherungsverwahrung ist erledigt.
3.
Der Untergebrachte ist in dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen,
wobei die Anordnung der Entlassung der Vollstreckungsbehörde obliegt.
4.
Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.
5.
Die Dauer der Führungsaufsicht beträgt fünf Jahre.
6.
Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und
Leitung des für seinen jeweiligen Wohnort zuständigen hauptamtlichen
Bewährungshelfers unterstellt.
7.
Dem Verurteilten wird die Weisung erteilt, bis zum Nachweis eines
festen Wohsitzes, mindestens jedoch für die ersten dreißig Tage nach
seiner Entlassung, sich täglich persönlich bei der für seinen jeweiligen
Aufenthaltsort zuständigen Polizeidienststelle zu melden.
8.
Die Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht und über die
Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Weisungen werden der
Justizvollzugsanstalt X übertragen.
9.
Die Erteilung der weiteren Weisungen wird der
Strafvollstreckungskammer übertragen.
10.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Betroffenen trägt die Landeskasse.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Landgericht Münster hat durch Urteil vom 20.10.1983 gegen den jetzt
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52 jährigen Verurteilten wegen Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren
verhängt. Zugleich hat es gegen den Betroffenen die Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung angeordnet. Diese wird seit dem 12.05.1988 und damit länger
als zehn Jahre vollzogen. Der Untergebrachte hat im Hinblick auf die seit dem 10. Mai
2010 endgültige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom
17.12.2009 (Az.: 19359/04) beantragt, die Unterbringung für erledigt zu erklären. Diesen
Antrag hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss
zurückgewiesen. Sie hat sich nicht in der Lage gesehen, die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs in das innerstaatliche Recht umzusetzen und sich im
Wesentlichen auf entsprechende Beschlüsse der Oberlandesgerichte Koblenz, Celle
und Stuttgart gestützt. Hiergegen wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen
Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat Verwerfung des Rechtsmittels
beantragt.
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II.
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Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg. Die Unterbringung war gemäß § 67 d Abs. 1
StGB a.F. für erledigt zu erklären, da der Betroffene sich länger als zehn Jahre in der
Sicherungsverwahrung befindet. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 6. Juli 2010
(4 Ws 157/10 OLG Hamm) zur Frage, welches Recht Anwendung findet, folgende
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Ausführungen gemacht:
"Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung war gemäß § 67 d Abs. 1 StGB
in der seit 1975 bis 1998 geltenden Fassung für erledigt zu erklären. Diese Norm
findet trotz der durch das Gesetz vom 26.01.1998 zur Bekämpfung von
Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, in Kraft getreten am
31.01.1998, erfolgten Änderung der Gesetzeslage Anwendung. Dies ergibt sich
aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom
17.12.2009 (Az.: 19359/04), nach der der im Jahre 1998 angeordnete rückwirkende
Wegfall der 10-Jahres-Frist für die erste Sicherungsverwahrung
menschenrechtswidrig ist. Diese Entscheidung ist seit dem 10. Mai 2010 endgültig.
Danach verstößt die Vollstreckung über den 10-Jahres-Zeitpunkt, der bei dem
Untergebrachten bereits seit fünf Jahren verstrichen ist, hinaus sowohl gegen Art. 5
EMRK als auch gegen Art. 7 EMRK. Denn zu dem Zeitpunkt, als der
Untergebrachte zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, galt noch die 10-
Jahres-Frist. Durch den im Jahre 1998 angeordneten Wegfall wurde gegen das
Rückwirkungsverbot verstoßen, da nach der nachvollziehbaren Wertung des
EGMR die Sicherungsverwahrung keine Maßregel, sondern eine "Strafe" im Sinne
des Art. 7 EMRK darstellt (vgl. EGMR, Entscheidung vom 17.12.2009, beckRS
2010, 01692 Rn.122 ff). Ferner beruht die weitere Vollziehung nicht mehr auf dem
ursprünglichen Urteil des Landgerichts
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Duisburg, da dieses nur eine Sicherungsverwahrung für die Dauer von
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10 Jahren angeordnet hatte, auch wenn dies sich nicht unmittelbar dem Tenor
entnehmen lässt. Somit lässt sich die weitere Freiheitsentziehung nicht mehr auf
eine Verurteilung "durch ein zuständiges Gericht" stützen, so dass sie nicht durch
Art. 5 Abs. 1 S. 2 a EMRK gerechtfertigt sein kann (EGMR aaO
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Rn 87 und 96).
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Zwar wirkt die Entscheidung des EGMR unmittelbar nur zwischen dem
Beschwerdeführer und der Bundesrepublik Deutschland; sie hat keine "erga
omnes"-Wirkung für alle Untergebrachten, die sich nach Ablauf der 10-Jahres-Frist
noch in der Unterbringung befinden. Dennoch müssen die Bundesrepublik und ihre
staatlichen Organe – somit auch die Vollstreckungsgerichte – als verpflichtet
angesehen werden zu verhindern, dass es in gleichgelagerten Fällen zu einer
entsprechenden Verletzung des EMRK kommt (vgl. Kinzig, NStZ 2010, 233, 238;
LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., Verfahren MRK
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RN 77 d). Der Gesetzgeber ist allerdings bislang nicht tätig geworden. Soweit es
den Äußerungen der Bundesjustizministerin zu entnehmen ist, soll die
Verantwortung auf die Gerichte abgeschoben werden.
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Der Senat sieht daher keinen Anlass, eine Entscheidung des Gesetzgebers zur
Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
abzuwarten, da solche offensichtlich nicht vorgesehen sind. Er legt daher die
Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte dahin aus, dass der Wegfall der 10-Jahres-Frist in
§ 67 d Abs. 1 a.F. keine Rückwirkung haben darf, so dass auf Straftaten, die vor
dem 31.01.1998 begangen wurden, die alte Norm Anwendung finden muss (so
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auch BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010, 4 StR 577/09 für den parallel gelagerten
Fall der nachträglichen Sicherungsverwahrung; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.
06. 2010, 3 Ws 485/10; LG Koblenz, Beschluss vom 19. Mai 2010, 7 StVK 139/10;
LG Marburg, Beschluss vom 17. Mai 2010, 7 StVK 220/10, LG Kassel, Beschluss
vom 15.06.2010, 34 StVK 162/10; sowie Grabenwarter in seinem Rechtsgutachten
für die Bundesregierung zu den Rechtsfolgen der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte S. 42 ff.).
Zwar handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht
um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2
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Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt. Doch
steht dies unter dem Vorbehalt: "wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist". Eine
derartige andere Bestimmung stellt hier Art. 7 Abs. 1 S. 2 MRK in seiner Auslegung
durch den Europäischen Gerichtshof dar (so BGH 4 StR 577/09 Rn. 15 bei juris).
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Bei der Menschenrechtskonvention handelt es sich um einen völkerrechtlichen
Vertrag, der durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert
worden ist. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht die MRK im Range
einfachen Bundesrechts. Deutsche Gerichte haben daher die Konvention wie
anderes Bundesrecht im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegungen zu
beachten und anzuwenden (vgl. BGH a.a.O. Rn. 16, BVerfGE 111, 307, 316;
Gollwitzer a.a.O. Einführung Rdnr. 39, 43 jeweils m.w.N.). Dabei ist nicht nur die
Menschenrechtskonvention selbst, sondern auch die Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sich in
ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt. Somit können
als "abweichende" gesetzliche Regelungen nicht allein ausdrückliche Regelungen
des Gesetzgebers, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Anwendbarkeit des zum
Entscheidungszeitpunkt geltenden Gesetzes anordnen, angesehen werden.
Vielmehr sind auch anderweitige Regelungen im Gesetzesrang, insbesondere
konventionsrechtliche Auslegungen durch den EGMR, erfasst.
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Die gegen eine solche Gesetzesauslegung geäußerten Bedenken der
Oberlandesgerichte Celle (Beschluss vom 25.05.2010, 2 Ws 169 u. 170/2010) und
Stuttgart (Beschluss vom 1. Juni 2010, 1 Ws 57/10) vermögen nicht zu überzeugen.
Sie verneinen die Möglichkeit einer solchen Auslegung, da sie gegen den
ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei der Änderung der Höchstfrist im Jahre
1998 verstoße. Dieser habe bewusst in § 1 a Abs. 3 EGStGB die uneingeschränkte
und damit rückwirkende Änderung des § 67 d StGB angeordnet. Allerdings ist
diese ausdrückliche Regelung – wie die Oberlandesgerichte in ihren Beschlüssen
selbst sehen – mit dem Gesetz über die Einführung der nachträglichen
Sicherungsverwahrung 2004 wieder gestrichen worden, so dass eine
Gesetzesauslegung, wie sie durch den Senat erfolgt, nicht dem derzeitigen
Gesetzeswortlaut widerspricht. Zuzugeben ist allerdings, dass sie dem Willen des
Gesetzgebers bei Erlass des Gesetzes nicht entspricht. Allerdings darf auf den
damaligen Willen des Gesetzgebers nicht abgestellt werden. Denn dieser ging
ersichtlich davon aus, dass ein Verstoß gegen Art. 7 EMRK durch seine getroffene
Regelung nicht vorliege. Zwischenzeitlich ist ein solcher Verstoß jedoch bindend
festgestellt. Damit haben sich die wesentlichen Grundlagen seit Erlass des
Gesetzes geändert. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber in
Kenntnis dieses Umstandes gleichwohl unter bewusstem Verstoß gegen die
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Konvention eine solche Regelung hätte treffen wollen. Daher kann der damalige
Wille des Gesetzgebers bei der heutigen Auslegung der Norm keine Rolle mehr
spielen.
Der hier vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB steht auch nicht die
Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004
(BVerfGE 109, 133 ff.) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der
Höchstdauer der erstmaligen Sicherungsverwahrung entgegen. Zwar hat das
Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, dass die Sicherungsverwahrung keine
Strafe darstelle und eine nachträgliche Änderung ihrer Höchstdauer nicht gegen
das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoße (BVerfGE
a.a.O., 167 ff.). Bei der Frage, ob entsprechend dem Gesetzesvorbehalt in § 2 Abs.
6 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung von der Maßgeblichkeit des
Rechts zum Zeitpunkt der Entscheidung auszunehmen ist, handelt es sich indes
um eine solche einfachen Rechts. Im Rahmen des einfachen Rechts steht es dem
Gesetzgeber frei, abweichend von dem Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB die Geltung
des Tatzeitrechts anzuordnen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 18).
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Eine andere Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflicht des Staates
hinsichtlich der Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch gefährliche
Straftäter ist nicht geboten. Der Staat hat insoweit einen weiten
Ermessensspielraum. Dass die vor Änderung der Gesetzeslage im Jahre 1998
bestehende Begrenzung der ersten Sicherungsverwahrung gegen Vorgaben des
Grundgesetzes verstoßen hat, ist bislang nie ernstlich vertreten worden (vgl. OLG
Frankfurt Beschluss vom 24. 06. 2010 S. 6)."
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An dieser Rechtsauffassung hält der Senat nach erneuter Überprüfung, wie bereits im
Beschluss vom 22. 7. 2010 (4 Ws 180/10) fest. Er sieht sich vor allem deshalb auch in
seiner Rechtsauffassung bestätigt, weil der Gesetzgeber deutlich zu erkennen gegeben
hat, dass er nicht beabsichtigt, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Umsetzung
des Urteils des Europäischeen Gerichtshofs nachzukommen. Vielmehr hat er, statt die
Rechtsfrage über die Beendigung der Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren zu
regeln, eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Weg gebracht, um
eine einheitliche Regelung durch die Gerichte, nicht jedoch durch ihn selbst, zu
ermöglichen. Es bleibt daher Aufgabe der Gerichte, eine menschenrechtskonforme
Auslegung der Gesetze herbeizuführen.
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Der Senat ist auch nicht verpflichtet, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.
Zum einen befindet sich die Änderung des § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG noch im
Gesetzgebungsverfahren. Eine Verkündung ist bislang nicht erfolgt. Selbst wenn das
Gesetz in Kraft getreten wäre, bestünde eine Vorlagepflicht des Senats nicht. Zwar
weicht der Senat mit seiner Entscheidung von Rechtsansichten der Oberlandesgerichte
Celle, Stuttgart, Koblenz und Nürnberg ab. Jedoch wird die Rechtsauffassung des
Senats gestützt von der Entscheidung des 4. Senats des Bundesgerichtshofs vom 12.
Mai 2010 (4 StR 577/09). In einem solchen Fall besteht eine Vorlagepflicht des Senats
nicht (vgl. KK-Hanich, 6. Aufl., 2008, § 121 GVG Rn. 26). Entgegen der Ansicht der
Generalstaatsanwaltschaft betrifft die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch die
hier zu entscheidende Rechtsfrage, auch wenn sie sich in der Sache mit der
nachträglichen Sicherungsverwahrung und nicht mit der Frage der Vollstreckung der
Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus befasst. Denn beiden Sachverhalten
liegt die gleiche Rechtsfrage zugrunde, nämlich, ob § 2 Abs. 6 StGB mit Blick auf die
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Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009
dahin auszulegen ist, dass die Entscheidung des Gerichtshofs eine "andere gesetzliche
Regelung" im Sinne dieser Norm darstellt. Dies allein ist die zu entscheidende
Rechtsfrage. Diese hat der Bundesgerichtshof entschieden. Entgegen der Ansicht der
Generalstaatsanwaltschaft bestehen derzeit auch keine divergierende Entscheidung
eines andereren Senats des Bundesgerichtshofs. Vor allem kann die
Generalstaatsanwaltschaft sich nicht auf die Entscheidung des 2. Strafsenats vom 12.
Mai 2010 (2 StR 171/10) stützen. Der 2. Senat hat sich in dieser Entscheidung in keiner
Weise mit der entsprechenden Rechtsfrage auseinander gesetzt. Er hat die Frage der
Entscheidung der Umsetzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht
angesprochen. Daraus, dass er dies nicht getan hat, kann nicht geschlossen werden,
dass er sie nicht umsetzen wollte. Näher liegt vielmehr die Überlegung, dass dem Senat
bei seiner Entscheidung am 12.05.2010 die erst am 11.05.2010 öffentlich gemachte
Bestandskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht bekannt war.
Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln ( 2 Ws 431/10) gibt dem Senat
keine Veranlassung von seiner Rechtsauffassung, die im Übrigen von den
Oberlandesgerichten Frankfurt in zwischenzeitlich sieben Beschlüssen (zu letzt 3 Ws
638/10), dem Oberlandesgericht Karlruhe (2 Ws 44/10 und 2 Ws 458/10) sowie dem
Oberlandesgericht Schleswig (1 OJs 2/10 und 1 OJs 3/10) geteilt wird, abzuweichen.
Letztlich sieht auch das Oberlandesgericht Köln in seiner Entscheidung, dass dem
Gesetzgeber nicht unterstellt werden darf, dass er sich bei Erlass des Gesetzes habe
konventionswidrig verhalten wollen. Es will ihm jedoch die Möglichkeit einräumen, die
Regel der Führungsaufsicht bis zu einer – auch nach Ansicht des OLG Köln dann zu
erfolgenden Entlassung der Betroffenen - zu ändern. Dies ist jedoch kein taugliches
Auslegungkriterium. Entweder stellen die Regeln der Menschenrechtskonvention eine
andere gesetzliche Regelung im Sinne des § 2 VI StGB dar oder nicht. Zudem könne
die etwaigen verschärften Weisungsmöglichkeiten auch nachträglich auf die jetzt
Entlassenen angewandt werden. Ein Zuwarten auf die gesetzlichen Regelungen
rechtfertigen keinen weiteren Vollzug, zumal der Gesetzgeber – wie Meldungen der
Presse zu entnehmen ist – auch im angestrebten Gesetz entgegen seinen vertraglichen
Verpflichtungen nicht die Frage des weiteren Vollzuges über die Zehnjahresfrist hinaus
–ebenso wie die Frage des Vollzuges der konventionswidrig angeordneten
nachträglichen Sicherungsverwahrung- regeln will. Ein solches Verhalten kann
ausschließlich dahin gedeutet werden, dass er davon ausgeht, dass die Gerichte diese
Frage im Sinne der Menschenrechtskonvention lösen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO analog, die Entscheidungen über die
Führungsaufsicht folgen aus §§ 68 a ff. StGB.
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Der Senat hat jedoch bereits selbst eine Weisung gem. 68b I Nr. 7 StGB erteilt, da sich
der Verurtelte nach Auskunft der JVA weigert, eine Entlassanschrift mitzuteilen. Die
Weisung ist daher erforderlich, um eine lückenlose Überwachung des möglicherweise
noch gefährlichen Untergebrachten zu gewährleisten.
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