Urteil des OLG Hamm vom 19.01.2000
OLG Hamm: reparatur, entgangener gewinn, taxi, kollision, höchstgeschwindigkeit, fahren, wiederbeschaffungswert, gefährdung, firma, kurve
Oberlandesgericht Hamm, 13 U 141/99
Datum:
19.01.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 141/99
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 4 O 602/97
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 28. April 1999 ver-kündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird
zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird unter Zurück-weisung
dieses Rechtsmittels im übrigen das genannte Ur-teil teilweise
abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 6.948,49 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 15. August 1997 zu zahlen.
Von den Kosten des 1. Rechtzuges trägt der Kläger 78 % und die
Beklagte 22 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der
Kläger 95 % und die Beklagte 5 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger in Höhe von 9.470,34 DM und die Beklagte um
469,57 DM.
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Grund eines Verkehrsunfalls, der sich am 19.04.1997
um 00:10 Uhr auf der N-Straße in C ereignete, auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Der Zeuge O befuhr mit einem Mercedes-Taxi des Klägers die N-Straße in Fahrtrichtung
I-Straße und war im Begriff, den Pkw zu wenden, um in die Gegenrichtung zu fahren. Als
er sich - während des Wendevorganges - bereits auf der Gegenfahrbahn befand, stieß
er mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten und von dem Zeugen G geführten
VW-Bulli zusammen. Dieser befuhr - von hinten kommend - die N-Straße in gleicher
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Fahrtrichtung wie der Zeuge O. Zwischen den Parteien ist streitig, wo sich die Kollision
in Längsrichtung ereignete. Unstreitig war der Zeuge O aus einem auf der rechten Seite
(in Fahrtrichtung beider Fahrzeuge) gelegenen Taxenstand angefahren. An der
Unfallstelle beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h. Beide Fahrzeuge
wurden erheblich im vorderen Bereich beschädigt.
Der Kläger behauptet, der Zeuge O habe nach dem Ausfahren aus dem Taxistand rund
100 m zurückgelegt, bevor er mit der Einleitung des Wendevorgangs begonnen habe.
Die Kollision habe sich ereignet, als dieser den Wendevorgang nahezu abgeschlossen
hatte. Offensichtlich habe der Zeuge G die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 50 bis
70 % überschritten. Auch habe der Zeuge G auf Grund dieser überhöhten
Geschwindigkeit bereits in der Kurve die Kontrolle über den Bulli verloren. Schließlich
sei dem Zeugen noch vorzuwerfen, daß er anstelle nach rechts auszuweichen, auf die
Fahrtrichtung des Kläger-Pkws zugehalten habe. Der Kläger verlangt Schadensersatz
auf Reparaturkostenbasis. Hierzu behauptet er, daß er das Taxi repariert habe. Er habe
auch Anspruch auf Nutzungsausfall für 32 Tage, da er das Taxi vom 19.04. bis zum
21.05.1997 nicht habe nutzen können. es sei ein täglicher Gewinnausfall in Höhe von
120,00 DM entstanden.
4
Die Beklagte tritt dem Klägervorbringen entgegen:
5
Der Zeuge sei höchstens 50 km/h gefahren. Als dieser sich rund 35 m vor dem
Taxenstand befunden habe, sei der Zeuge O ohne zu blinken und unter sofortiger
Einleitung eines Wendevorganges auf die Fahrbahn gefahren. Die Beklagte erhebt des
weiteren Einwendungen gegen die Schadensberechnung. Der Kläger sei nicht
berechtigt auf Reparaturkostenbasis abzurechnen, da er das Taxi nicht ordnungsgemäß
habe reparieren lassen. Er könne daher allenfalls den Wiederbeschaffungswert
abzüglich Restwert beanspruchen. Dieser betrage netto lediglich 27.826,08 DM, so daß
sich der Wiederbeschaffungswert bei einem unstreitigen Restwert von 10.800,- DM nur
auf 17.026,08 DM belaufe.
6
Das Landgericht hat zum Unfallhergang Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung
der Zeugen O und S sowie durch Einholung eines schriftlichen Unfallrekonstruktions-
Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. T. Es hat die Beklagte zur Zahlung von
7.870,23 DM verurteilt und ist dabei von einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu
Lasten des Klägers ausgegangen. Das Landgericht ist von einer
berücksichtigungsfähigen Schadenshöhe in Höhe von 23.610,00 DM ausgegangen.
Insoweit habe der Kläger eine Reparatur des Taxis nicht nachgewiesen.
7
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die vom Landgericht
vorgenommene Haftungsverteilung sowie die Ausführungen zur Schadenshöhe angreift.
Dabei begehrt er jetzt nur noch 50 %-igen Ersatz seines unfallbedingten Schadens. Die
Beklagte hat unselbständige Anschlußberufung eingelegt, mit der sie eine Abänderung
des landgerichtlichen Urteils in Höhe von 1.411,30 DM begehrt. Insoweit sei das
Landgericht bei der Berechnung des Wiederbeschaffungswertes zu Unrecht vom im
Sachverständigengutachten M ausgewiesenen Bruttowert ausgegangen.
8
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
9
Der Senat hat über den Unfallhergang Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung
10
der Zeugen O, S und O2 sowie durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen
Dipl.-Ing. T.
Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den
Berichterstattervermerk Bezug genommen.
11
Entscheidungsgründe
12
Beide Berufungen sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die
Anschlußberufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg. Die Klage ist lediglich in Höhe von
6.948,49 DM zuzüglich Zinsen begründet.
13
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823 ff.
BGB, 3 Nr. 1 PflVG, lediglich in der vorbezeichneten Höhe zu. Der Verkehrsunfall vom
19.04.1997 ist überwiegend auf das schuldhafte Fehlverhalten des Zeugen O
zurückzuführen, so daß die Beklagte lediglich verpflichtet ist, dem Kläger 1/3 seines
durch den Unfall entstandenen Schadens zu ersetzen.
14
I.
15
1.)
16
Das Landgericht führt zutreffend aus, daß der Zeuge O gegen die sich aus § 9 Abs. 5
StVO ergebenden Sorgfaltspflichten verstoßen hat.
17
a)
18
Gemäß § 9 Abs. 5 StVO ist beim Wenden jegliche Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer auszuschließen; erforderlichenfalls besteht die Verpflichtung, sich
einweisen zu lassen (§ 9 Abs. 5 2. HS StVO). Daraus folgt, daß das Wenden nur an der
günstigsten Stelle und auf die schonendste Art vorzunehmen ist. Vor, an und hinter
unübersichtlichen Stellen und Kurven ist das Wenden zu unterlassen.
Erforderlichenfalls ist sogar ein Umweg zu fahren (vgl. Jagusch/Hentschel,
Straßenverkehrsrecht zu § 9 StVO, Rdnr. 50; OLGR Hamm 1992, 201; OLG Köln VRS
57, 401).
19
b)
20
Nach Auffassung des Senats ist nicht zweifelhaft, daß der Zeuge O gegen diese
Pflichten verstoßen hat. Dies gilt unabhängig von der Frage, wo sich die Kollision genau
ereignet hat (in Höhe des Taxenstandes oder in Höhe kurz vor der Verkehrsinsel).
21
In beiden Fällen befand sich der Zeuge O in einer Position, die als unübersichtlich zu
bezeichnen ist. Dies folgt aus der Tatsache, daß der Zeuge O wegen der vorgelagerten
Kurve den rückwärtigen Verkehr nur eingeschränkt überschauen konnte. Dies steht
nach dem Ergebnis der von dem Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme
fest. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T konnte der Zeuge O
den rückwärtigen Verkehr in beiden Fällen nur bis zu einer Entfernung von rd. 50 m
wahrnehmen. Dies wird auch aus den Lichtbildern gemäß Anlagen B 6 und B 7 des
Gutachten des Sachverständigen deutlich. Bei diesen Sichtmöglichkeiten konnte der
Zeuge O einen Wendevorgang nicht einleiten, bei welchem eine Gefährdung anderer
22
Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Dies gilt sowohl für Verkehrsteilnehmer, die
die zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h einhielten als auch für Verkehrsteilnehmer,
die mit überhöhter Geschwindigkeit fuhren. Der Zeuge O wäre daher gehalten gewesen,
seinen Wendevorgang, an einer anderen, übersichtlichen Stelle durchzuführen. Das
wäre ihm auch ohne weiteres zuzumuten gewesen. Er hätte lediglich einige Meter
weiter fahren müssen. An der beampelten Kreuzung N-Straße/I-Straße hätte er gefahr-
und problemlos wenden können.
2.)
23
Allerdings ist auch dem Fahrer des VW-Bulli, dem Zeugen G, ein schuldhaftes
unfallursächliches Verhalten anzulasten.
24
a)
25
Der Zeuge G hat gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen. Er hat die zulässige
Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 25 km/h überschritten. Dies steht auf Grund der
überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen T, denen
der Senat folgt, fest und wird von der Beklagten in der Berufungsinstanz auch nicht mehr
substantiiert angegriffen. Danach betrug die Ausgangsgeschwindigkeit des VW-Bulli 75
bis 85 Km/h. Zugunsten des Zeugen und der Beklagten geht der Senat von 75 Km/h
aus. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit war auch
unfallursächlich. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte der Zeuge G den
Unfall bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 50 km/h "problemlos"
vermeiden können. Der Zeuge G hätte noch nicht einmal auf den Wendevorgang des
Zeugen O reagieren müssen. Er hätte mit zulässigen 50 Km/h auf seiner Fahrspur
weiterfahren können. Zur Kollision wäre es gleichwohl nicht gekommen.
26
b)
27
Eine höhere Geschwindigkeit als die vom Sachverständigen als sicher festgestellten 75
km/h ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bewiesen. Insbesondere folgt
dies nicht aus dem Umstand, daß der Zeuge G nicht mehr dem Verlauf der Rechtskurve
gefolgt ist, sondern auf die Gegenfahrbahn geraten ist. In diesem Zusammenhang hat
der Sachverständige ausgeführt, daß die vor dem Taxenstand befindliche Rechtskurve
ohne weiteres mit 75 bis 85 km/h befahren werden kann, ohne daß ein Pkw aus der
Kurve getragen wird. Zum anderen hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt,
daß die vom VW-Bulli durchgeführte Fahrbewegung damit zu erklären ist, daß der
Zeuge G gezwungen war, die Vollbremsung in einer Rechtskurve durchzuführen. Im
übrigen haben die (unbeteiligten) Zeugen S und O übereinstimmend bekundet, daß
nach ihrer Einschätzung die Geschwindigkeit des VW-Bulli lediglich rund 65 bis 75 km/h
betragen habe.
28
c)
29
Dem Zeugen G kann darüber hinaus nicht vorgeworfen werden, entgegen § 1 Abs. 2
StVO verspätet und/oder fehlerhaft auf den Wendevorgang des Zeugen O reagiert zu
haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen reagierte der Zeuge G rund 2,5
bis 2,8 Sekunden und etwa 50 m vor dem Erreichen des späteren Kollisionsortes auf
den Fahrvorgang des Zeugen O. Im Hinblick auf die sich aus den Lichtbildern gemäß
Anlagen B 4 und B 5 zum Gutachten ergebenden Sichtverhältnisse war dem Zeugen G
30
eine frühere Reaktion nicht möglich. Dem Zeugen G kann auch nicht vorgeworfen
werden, daß er verpflichtet gewesen wäre, anstatt der vorgenommenen Vollbremsung,
eine leichte Angleichbremsung unter Beibehaltung seiner Fahrtrichtung durchzuführen.
Zum einen ist nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht sicher, daß die
Kollision so vermieden worden wäre. Zum anderen ist anerkannt, daß das Verhalten
eines Verkehrsteilnehmers, der sich innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden
muß, wie er auf eine Gefahrensituation reagiert, dann nicht als fehlerhaft behandelt
werden kann, wenn sich später die Art und Weise seiner Reaktion gegebenenfalls als
unzweckmäßig erweist (BGH VRS 33, 358).
3.
31
Die gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen
Verursachungs- und Verschuldensanteile, bei der nur unstreitige oder erwiesene
Umstände Berücksichtigung finden dürfen, führt nach Auffassung des Senats zu dem
Ergebnis, daß der Unfall primär auf das schuldhafte Verhalten des Zeugen O und die
dadurch erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Klägers zurückzuführen ist. Zwar
ist dem Zeugen G eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung anzulasten. Dem
Zeugen O oblag es jedoch, beim Wenden jegliche Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Dabei mußte der Zeuge O gerade auf dieser
Strecke und zu dieser Nachtzeit auch mit Geschwindigkeitsüberschreitungen anderer
Verkehrsteilnehmer rechnen. Demnach hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, von
gleichwertigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen auszugehen. Einen doppelt
so hohen Beitrag des Zeugen O und demnach eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu
Lasten des Klägers erscheinen dem Senat angemessen (vgl. dazu OLGR Hamm 1992,
201, OLG Düsseldorf VersR 1987, 909; OLG Düsseldorf VRS 64, 10).
32
II.
33
Nach dieser Haftungsverteilung kann der Kläger von der Beklagten 1/3 seines
unfallbedingten Schadens beanspruchen. Der unfallbedingte Schaden des Klägers
beträgt insgesamt 20.845,48 DM, so daß der Kläger 6.948,49 DM zu beanspruchen hat.
Dies entspricht einem Drittel des Wiederbeschaffungswertes (netto) abzüglich Restwert
(netto) zuzüglich Sachverständigenkosten und Kostenpauschale.
34
1.
35
Der Kläger ist nicht berechtigt, seinen Sachschaden auf Reparaturkostenbasis zu
berechnen.
36
a)
37
Dies würde zunächst die Durchführung einer ordnungsgemäßen Reparatur des Taxis
voraussetzen. Hiervon ist der Senat nicht überzeugt. Die Rechnung der Firma "B" vom
21.05.1997 ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, eine ordnungsgemäße
Reparatur des Taxis des Klägers nachzuweisen. Die Rechnung ist nicht aussagekräftig.
Sie enthält insbesondere keine Einzelheiten über die Art und das Ausmaß der
durchgeführten Reparatur. Dieser Umstand wäre selbst dann als ungewöhnlich zu
bezeichnen, wenn der Kläger mit der Firma B einen Festpreis verabredet hätte (wie in
der Rechnung ausgewiesen). Auch in diesem Falle wäre eine zumindest grobe
Umschreibung der durchgeführten Arbeiten angezeigt gewesen. Entsprechendes gilt für
38
die Bestätigung des Sachverständigenbüros M vom 18.06.1997. Auch dort ist lediglich
ausgeführt, daß das Fahrzeug "fachgerecht" instand gesetzt worden ist. Eine solche
Erklärung ist nicht geeignet, eine detaillierte Aufstellung über die durchgeführten
Reparaturarbeiten zu ersetzen.
b)
39
Darüber hinaus hat Kläger das für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis
erforderliche Integritätsinteresse nicht nachgewiesen.
40
aa)
41
Im Falle der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges stehen dem Ersatzberechtigten
grundsätzlich zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung. Er kann entweder das
beschädigte Fahrzeug reparieren lassen oder ein neues, gleichwertiges Ersatzfahrzeug
anschaffen. Grundsätzlich hat der Geschädigte die Ersatzmöglichkeit zu wählen, die
den geringeren Aufwand verursacht (BGH VersR 1992, 61). Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte jedoch auch die Reparatur wählen und
dafür Ersatz der dafür erforderlichen Kosten verlangen, wenn diese Kosten den
Wiederbeschaffungswert erreichen oder in Grenzen übersteigen, wobei ein Zuschlag
bis zu 30 % unschädlich ist. Diese Ausnahme ist dadurch gerechtfertigt, daß die
Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeuges sein Integritätsinteresse
regelmäßig im stärkeren Maße zu befriedigen vermag, als eine Ersatzbeschaffung (BGH
VersR 1992, 61, 62).
42
Dabei geht der wesentliche Inhalt des Integritätsinteresses dahin, den beschädigten
Wagen nach einer Reparatur behalten und zukünftig fahren zu können und nicht so
schnell auf den stets risikoreicheren Weg der Ersatzbeschaffung angewiesen zu sein
(OLGR Hamm, 1993, 255, Senatsurteil vom 26.04.1993; OLGR Saarbrücken 1998, 318,
jeweils m.w.N.).
43
bb)
44
Nach den Erklärungen des im Senatstermin persönlich angehörten Klägers kann der
Senat das Vorliegen eines Integritätsinteresses nicht feststellen. Der Kläger hat
unmittelbar nach dem Unfall (gemäß Vertragsurkunde der Firma M2, Blatt 240 ff. d. A.,
am 22.04.1997) ein Ersatztaxi bestellt. Das Ersatzfahrzeug ist am 16.05.1997
ausgeliefert worden und zum Einsatz gekommen. Demgegenüber ist das beim Unfall
beschädigte und nach Angaben des Klägers reparierte Taxi (siehe oben) nicht mehr in
seinem Unternehmen eingesetzt worden, sondern unmittelbar nach der Reparatur
veräußert worden. In einem solchen Fall ist dem Geschädigten die Abrechnung auf
Reparaturkostenbasis versagt.
45
Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, bei dem gewerblich
genutzten Taxi fänden diese Grundsätze keine Anwendung. Das erforderliche
Integritätsinteresse muß auch im Falle der Beschädigung eines gewerblich genutzten
Fahrzeuges - wie vorliegend - bestehen (BGH NJW 1999, 500; OLGR Hamm 1998,
229).
46
c)
47
Ausgehend von einem unstreitigen Nettowiederbeschaffungswert in Höhe von
27.826,09 DM und einem hiervon abzuziehenden ebenfalls unstreitigen Nettorestwert
von 9.391,31 DM (10.800,00 - 15 % MwSt. in Höhe von 1.408,69 DM) errechnet sich ein
ersatzfähiger Sachschaden in Höhe von 18.434,78 DM.
48
2.)
49
Diesem Betrag sind unstreitige Gutachterkosten in Höhe von 2.370,70 DM netto sowie
die Kostenpauschale von 40,00 DM hinzuzurechnen (insgesamt: 20.845,48 DM).
50
3.)
51
Mangels nachgewiesener Reparatur steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz eines
evtl. Minderwerts nicht zu.
52
4.)
53
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz von "Nutzungsausfall".
54
a)
55
Abstrakte Nutzungsausfallsentschädigung wird für ein ausschließlich gewerblich
genutztes Fahrzeug - wie vorliegend - nicht gewährt.
56
b)
57
Der Kläger begehrt auch nicht Ersatz von grundsätzlich ersatzfähigen Vorhaltekosten
oder unter bestimmten Umständen berücksichtigungsfähiger Mietwagenkosten.
Offensichtlich hat er ein Miettaxi nicht in Anspruch genommen.
58
c)
59
Ausweislich der Ausführungen in der Berufungsbegründung verlangt der Kläger
begrifflich Ersatz des entgangenen Gewinn gemäß §§ 249, 252 BGB. Der
entsprechende Vortrag des Klägers ist jedoch unsubstantiiert. Dies rügt die Beklagte zu
Recht. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger kommt mit der pauschalen
Behauptung eines Gewinnausfalles in Höhe von 120,00 DM kalendertäglich unter
Berufung auf das Zeugnis seines Steuerberaters seiner Darlegungslast nicht nach. Die
Vernehmung des Zeugen würde sich als unzulässige Ausforschung darstellen. Dem
Senat ist auch eine Schätzung gemäß §§ 252 Satz 2 BGB; 287 ZPO verwehrt. Der
Kläger trägt keine hinreichenden Schätzgrundlagen vor. Dazu hätte der Kläger z.B.
vortragen müssen, welchen Umsatz mit wie vielen Fahrzeugen und Fahrern bei
welchem Aufwand er in einem Jahr erzielt.
60
Dessen ungeachtet wäre entgangener Gewinn allenfalls für 16 Tage zu gewähren (14-
tägige Reparaturdauer gemäß Gutachten M zuzüglich 2 Tage für den 19. und
20.04.1997, Samstag und Sonntag). Der Kläger hat nicht dargelegt, warum die
Reparatur länger als vorgesehen gedauert haben soll. Es fehlt auch eine Erklärung
dazu, warum die Anfertigung des Gutachtens rund 2 Wochen beansprucht hat (vom
21.04. bis zum 05.05.1997).
61
4.)
62
Zinsen kann der Kläger in gesetzlicher Höhe erst ab Rechtshängigkeit (15.08.1997)
verlangen. Das an die "J Versicherung" gerichtete Mahnschreiben vom 12.05.1997 hat
nicht zu einem Verzug der Beklagten geführt. Der Kläger hat einen weitergehenden
Zinsschaden nicht dargelegt. Die überreichte Bescheinigung der Sparkasse C vom
18.01.2000 ist hierzu nicht geeignet. Aus der Bescheinigung geht nicht hervor, daß der
Kläger tatsächlich einen Kredit in Anspruch genommen hat. Aus der Bescheinigung
geht lediglich hervor, daß die Sparkasse C dem Kläger einen Kontokorrentkredit in
Höhe von 10.000,00 DM zur Verfügung gestellt hat.
63
III.
64
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 546 Abs. 2
ZPO.
65