Urteil des OLG Hamm vom 25.08.2006

OLG Hamm: treu und glauben, garantie, verkäuferin, händler, fahrzeug, leistungsausschluss, abgabe, anzeigepflicht, reparaturkosten, fahrlässigkeit

Oberlandesgericht Hamm, 11 U 34/06
Datum:
25.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 34/06
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 6 O 374/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Januar 2006 verkündete
Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum in der Fassung des
Ergän-zungsurteils vom 6. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
1
A.
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Von der Darstellung des Sachverhalts wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO
abgesehen.
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B.
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Die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie und ihre Streithelferin die Abweisung
der Klage begehren, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die
Beklagte unter Klageabweisung im übrigen zur Zahlung von 7.676,68 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2005 verurteilt,
denn die Beklagte schuldet diesen Betrag aus einer Gebrauchtwagengarantie (§ 443 I
BGB) wegen des – in zweiter Instanz unstreitigen Motorschadens an dem von der
Klägerin bei der Beklagten gekauften gebrauchten Wohnmobils.
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I.
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Unstreitig ist die Klägerin mit Abschluss des Kaufvertrages und Ummeldung der
Garantie, die zugunsten des Vorbesitzers des Fahrzeuges begründet worden war, als
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Berechtigte in das Garantieversprechen eingetreten. Streitig ist in erster und zweiter
Instanz die Frage, ob Garantiegeber und damit passiv legitimiert die Beklagte oder
deren Streithelferin ist.
1.
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Das Landgericht hat die Beklagte als verpflichtet angesehen. Die hiergegen gerichteten
Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg, denn nach den Grundsätzen, die der
Bundesgerichtshof in seinem in NJW-RR 2003, 926 veröffentlichten Urteil aufgestellt
hat, ist auch nach Auffassung des Senats die Beklagte im Streitfall als Garantiegeberin
anzusehen.
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Dafür spricht zunächst bereits der schriftliche Kaufvertrag, den die Parteien am
30.08./08.09.2004 abgeschlossen haben und in dem als eine der Leistungen der
beklagten Verkäuferin auch der hier streitgegenständliche Garantiepass aufgeführt wird.
In diesem Garantiepass selbst heißt es dann auf der Innenseite im Anschluss an einen
Einkleber, der die Aufschrift " Ihr Fachhändler – X ..." trägt, ausdrücklich, der Händler
unterstreiche mit dieser Garantie die besondere Qualität des erworbenen Fahrzeuges
und habe die "H GmbH" mit der Abwicklung dieser Garantie beauftragt.
Dementsprechend enthält auf der folgenden Seite das mit der Überschrift
"Garantievereinbarungen" versehene Formular, in das Fahrzeug-, Käufer- und
Garantiedaten von der Beklagten eingetragen worden sind, folgende "Erklärungen von
Händler und Garantienehmer (Käufer)"
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"Mit der Abwicklung von garantiefähigen Schäden ist allein die H GmbH durch den
verkaufenden Händler/Garantiegeber beauftragt.
...."
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und ist vom Erstkäufer und von einem vertretungsberechtigten Mitarbeiter der Beklagten
unter Hinzufügung des Firmenstempels der Beklagten unterschrieben worden. In den
nachfolgenden Garantiebedingungen heißt es schließlich unter § 2 a:
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"Für das im Antragsformular aufgeführte Fahrzeug übernimmt
Verkäufer/Garantiegeber die Garantie für ... .Der Verkäufer/Garantiegeber hat die H
GmbH mit der gesamten Abwicklung der Garantie gegenüber dem
Käufer/Garantienehmer beauftragt."
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Damit ist aus Sicht des Senats unter Berücksichtigung des gesamten Erklärungsinhalts
nach Treu und Glauben eindeutig die Beklagte als Garantiegeberin anzusehen.
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2.
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Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die gegenüber der Streithelferin bestehenden
Obliegenheiten des Käufers eine andere Auffassung vertritt, steht dies der rechtlichen
Konstruktion – Streithelferin als Erfüllungsgehilfin – überhaupt nicht entgegen. Ebenso
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kann der Umstand, dass die Streithelferin eine Garantie akzeptieren oder binnen zwei
Wochen ablehnen kann, nicht dazu führen, die Streithelferin selbst als Garantiegeberin
anzusehen. Diese Bestimmung betrifft vielmehr das Innenverhältnis der Beklagten zur
Streithelferin, die danach berechtigt ist, den zwischen ihr und der Beklagten
notwendigen Dienst- oder Auftragsvertrag über die Abwicklung der Garantie scheitern
zu lassen – möglicherweise auch mit der Konsequenz einer auflösenden Bedingung für
das Garantieversprechen unter den Kaufvertragsparteien - .
II.
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Die Ansprüche der Klägerin aus der Garantie sind auch nicht nach § 4 I 2 in Verbindung
mit § 3 d der Garantiebedingungen wegen nicht rechtzeitiger Anzeige des Schadens
gegenüber der Streithelferin der Beklagten oder nach § 3 e der Garantiebedingungen
wegen fehlender Reparaturfreigabe durch die Streithelferin ausgeschlossen.
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1.
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Die sich nach § 4 I in Verbindung mit § 3d der Bedingungen ergebende Pflicht der
Klägerin, den Schaden binnen drei Tagen auch der H GmbH anzuzeigen ist nach § 305
c Absatz 1 BGB nicht Vertragsinhalt geworden, denn es handelt sich dabei nach den
Gesamtumständen um eine überraschende Regelung, die zudem auch nach § 307
Absatz 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteilung des Garantienehmers
unwirksam ist.
21
a)
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Angesichts des Umstandes, dass die Streithelferin lediglich Erfüllungsgehilfin der
Beklagten ist, erscheint es bereits ungewöhnlich, dass § 4 I der Garantiebedingungen
eine doppelte Anzeigepflicht – gegenüber der Verkäuferin und der Streithelferin
begründet. Ein Grund hierfür ist nicht ersichtlich, zumal nach § 4 II
Reparaturbemühungen der Verkäuferin ohnehin vorrangig sind. Hinzu kommt, dass die
Anzeigefrist von 3 Werktagen ungewöhnlich kurz ist, ohne dass dafür ein
schutzwürdiger Grund erkennbar wäre. Die Rechtsfolgen einer unterlassenen oder
verfristeten Anzeige sind zudem an anderer Stelle, nämlich unter § 3d geregelt, der in
seinem ersten Satz allerdings ganz andere Ausschlussgründe betrifft. Eine
Hervorhebung der Verweisung fehlt an beiden Stellen, obwohl sie angesichts der
weitreichenden Folge des vollständigen Anspruchsauschlusses erforderlich wäre.
Schließlich muss berücksichtigt werden, dass sich das Schriftformerfordernis aus einer
weiteren Bestimmung, nämlich § 2 a letzter Satz ergibt, auf den jeglicher Verweis fehlt.
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b)
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Zudem verstößt die Regelung auch gegen wesentliche Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung aus § 6 Absatz 3 VVG und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 BGB
unwirksam.
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Bei der im Streitfall vereinbarten Garantie handelt es sich um versicherungsähnliche
Leistungen. Die Anzeigepflichten des Garantienehmers entsprechen dabei
versicherungsvertraglichen Obliegenheiten. Hierzu bestimmt § 6 Abs. 3 VVG, dass eine
Verletzung solcher Obliegenheiten nur bei vorsätzlichem und – unter weiter
einschränkenden Voraussetzungen – bei grob fahrlässigem Verhalten des
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Versicherungsnehmers einen Leistungsausschluss rechtfertigt. Demgegenüber
bestimmen die Garantiebedingungen der Beklagten und ihrer Streithelferin einen
solchen Ausschluss selbst für den im Streitfall allenfalls in Betracht kommendenden Fall
einfacher Fahrlässigkeit und benachteiligen damit den Garantienehmer unangemessen.
2.
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Auch die fehlende Reparaturfreigabe durch die Streithelferin, § 3 e der
Garantiebedingungen, steht dem Klageanspruch nicht entgegen, denn die Berufung auf
diese Klausel ist im Streitfall rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.
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Die Beklagte und die Streithelferin hatten durch Vorstellung des Fahrzeuges bei der
Beklagten und durch die unstreitige Untersuchung des Fahrzeuges durch einen
Sachverständigen der Streithelferin alle Möglichkeiten, Feststellungen zum Schaden
und zum notwendigen Reparaturaufwand zu treffen. Unstreitig haben danach beide eine
Eintrittspflicht verneint. Weder die Beklagte noch ihre Streithelferin machen geltend, die
Reparaturkosten seien unangemessen. Bei dieser Sachlage wäre eine
Reparaturfreigabe reine Förmelei, wenn man nicht bereits in der Abgabe der Erklärung,
für den Schaden nicht eintreten zu wollen, konkludent die Erklärung sieht, die Klägerin
möge tun, was ihr beliebt.
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III.
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Zur Höhe werden mit der Berufung keine besonderen Angriffe geführt. Soweit die
Streithelferin erstinstanzlich Ausführungen zur Höhe gemacht hat, sind sie vom
Landgericht zutreffend berücksichtigt worden.
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IV.
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Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 I, 288 BGB und wird von der Berufung nicht
gesondert angegriffen.
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C.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101 I, 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision, 543 Abs. 2 ZPO, bestehen nicht.
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