Urteil des OLG Hamm vom 18.08.1998
OLG Hamm (anpassung, vertrag, partei, trennung, zeitpunkt, zpo, urkunde, schweigen, notar, umstände)
Oberlandesgericht Hamm, 13 UF 65/98
Datum:
18.08.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 UF 65/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Münster, 43 F 79/97
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts -
Familiengericht - Münster vom 15.1.1998 (43 F 79/97) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin Unterhaltsrückstand in
Höhe von mehr als 39.614,36 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.7.1997
sowie laufenden Unterhalt seit dem 1.1.1998 über den anerkannten
Betrag hinaus geltend macht.
Die Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte
zu 1/3.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist begründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von mehr als 60.000 DM Unterhalt pro
Halbjahr aus dem notariell beurkundeten Vertrag vom 14.3.1990.
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Ein höherer Anspruch käme zur Zeit lediglich in Betracht, wenn die Vereinbarung in IV
des Vertrages so auszulegen wäre, daß die Anpassung des Unterhalts an die
Entwicklung des Lebenshaltungsindexes des Statistischen Bundesamtes ab
Vertragsschluß, also ab dem 14.3.1990, und nicht erst ab der Trennung bzw ein Jahr
danach zu erfolgen hätte.
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So ist der Vertrag jedoch gemäß §§ 133, 157 BGB nicht auszulegen. Seinem Wortlaut
nach regelt der schriftliche Vertrag diese Frage nicht. Er hält lediglich fest, daß eine
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Wertsicherung erfolgen soll, was auch noch bei einer Anpassung ab dem Zeitpunkt der
Trennung der Fall ist, und er bestimmt, daß der Anspruch auf Anpassung erst geltend
gemacht werden kann, wenn der Lebenshaltungsindex um mindestens 2 % vom Index
zur Zeit des Vertragsschlusses abweicht. Mit dieser Bestimmung regelt der Wortlaut
nicht die Höhe der Anpassung sondern legt lediglich eine Hürde als zusätzliches
Erfordernis für die Anpassung fest.
Bei der Auslegung des formbedürftigen Vertrages sind neben dem Wortlaut auch
Umstände außerhalb der Urkunde zu berücksichtigen (BGHZ 74, 346, 349).
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Dabei trägt die Partei, die aus einer Vertragsurkunde eine für sie günstige Rechtsfolge
herleiten will, die Beweislast für die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände
(BGHZ 9, 109, 111).
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Die Klägerin hat ihre Behauptung, beim Termin vor dem Notar sei zwischen den
Parteien klar gewesen, daß die Anpassung ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses
erfolgen solle, nicht bewiesen. Der als Zeuge vernommene Notar ... hat vielmehr
ausgesagt, der Beklagte habe vor der Unterzeichnung des Vertrages erklärt, die
Anpassung solle erst ab dem Zeitpunkt der Trennung bzw ein Jahr danach gelten, wozu
die Klägerin geschwiegen habe. Die Klägerin ist somit beweisfällig geblieben. Die
Vertragsauslegung hat zu Lasten der Klägerin damit unter Zugrundelegung des
Umstandes zu erfolgen, daß die Klägerin auf die entsprechende Erklärung des
Beklagten nicht reagiert und diese damit letztlich akzeptiert hat.
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Dabei ist der Vertrag so auszulegen, daß die Anpassung erst ab einem Jahr nach der
Trennung greifen solle. Das Schweigen der Klägerin kann insoweit aus Sicht eines
objektiven Erklärungsempfängers nicht anders verstanden werden. Der Grundsatz, daß
Schweigen im Rechtsverkehr nicht als Zustimmung aufgefaßt werden kann, gilt nur für
die Frage, ob die Partei sich überhaupt binden will. Dies war jedoch eindeutig der Fall,
wie die Klägerin durch ihre Unterschrift unter den notariellen Vertrag bekundet hat. Bei
der Frage, ob eine Partei einer von der Gegenseite vorgeschlagenen und für diese
günstige Einzelregelung zustimmt, ist dagegen davon auszugehen, daß eine
Vertragspartei davon ausgehen kann, daß die Gegenseite ein fehlendes Einverständnis
zum Ausdruck bringt. Ist eine Partei mit einer Einzelbestimmung, die die Gegenseite
vorschlägt, nicht einverstanden, muß sie dies bei Vertragsschluß deutlich machen, was
die Klägerin versäumt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Verkündet am 18.8.1998
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Martin, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des
Oberlandesgerichts
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