Urteil des OLG Hamm vom 26.07.2007

OLG Hamm: schutz von minderjährigen, örtliche zuständigkeit, ausländisches recht, bezirk, behandlung, anwendungsbereich, entstehungsgeschichte, konzentration, heimatrecht, datum

Oberlandesgericht Hamm, 15 Sbd 7/07
Datum:
26.07.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Sbd 7/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Gütersloh, 5 XVI 11/06
Tenor:
Das Amtsgericht Gütersloh ist das örtlich zuständige Amtsgericht.
G r ü n d e
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Der Beteiligte zu 1) ist mit der Beteiligten zu 2) verheiratet, der volljährige Beteiligte zu
3) ist der Sohn der Beteiligten zu 2) aus deren erster Ehe. Die Beteiligten zu 2) und 3)
sind rumänische Staatsangehörige. Der Beteiligte zu 1) beabsichtigt den Beteiligten zu
3) zu adoptieren. Ein entsprechender, notariell beurkundeter Antrag wurde durch die
Beteiligten beim Amtsgericht Gütersloh eingereicht. Dieses hat die Sache unter Hinweis
auf §§ 43b Abs.2 S.2 FGG, 5 AdWirkG an das Amtsgericht Hamm abgegeben, das eine
Übernahme abgelehnt hat.
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Der Senat ist gem. § 5 FGG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Amtsgerichts
berufen. Die Vorlage ist zulässig, weil zwischen den beteiligten Amtsgerichten Streit
darüber besteht, welches von ihnen zur Entscheidung über den Annahmeantrag ört-lich
zuständig ist.
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Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Gütersloh zu bestimmen.
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Nach der allgemeinen Vorschrift des § 43 b Abs. 2 S. 1 FGG ist in Angelegenheiten,
welche die Annahme eines Kindes betreffen, das Gericht örtlich zuständig, in dessen
Bezirk der Annehmende in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht worden ist,
seinen Wohnsitz hatte, hier mithin das für I zuständige Amtsgerichts Gütersloh.
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Kommen allerdings ausländische Sachvorschriften zur Anwendung, so richtet sich die
örtliche Zuständigkeit für die Annahme eines Kindes nach § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG in
Verbindung mit § 5 Abs. 1 und 2 des Adoptionswirkungsgesetzes vom 5.11.2001
(AdWirkG). Die darin vorgesehene Zuständigkeitskonzentration auf das Amtsgericht, in
dessen Bezirk das Oberlandesgerichts seinen Sitz hat, gilt aber nur dann, wenn auf die
Angelegenheit betreffend die Annahme des Kindes ausländische Sachvorschriften
Anwendung finden und der Anzunehmende zur Zeit der Annahme noch nicht volljährig
ist (§ 1 S.2 AdWirkG).
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Zutreffend gehen allerdings beide Amtsgerichte davon aus, dass im Sinne des § 43b
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Abs. 2 Satz 2 FGG "ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen". Zwar
richtet sich die Adoption nach deutschem Recht, da der Annehmende deutscher
Staatsangehöriger ist (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Für die Frage eines etwaigen
Zustimmungserfordernisses ist jedoch nach Art. 23 Satz 1 EGBGB zusätzlich auf das
Heimatrecht des (auch volljährigen) Kindes abzustellen, hier also auf rumänisches
Recht. Es ist unerheblich, ob nach dem von Art. 23 Satz 1 EGBGB berufenen aus-
ländischen Recht überhaupt Zustimmungen erforderlich sind; denn schon die Beant-
wortung dieser Frage setzt die Anwendung des ausländischen Rechts voraus (OLG
Köln FGPrax 2006, 211). Bei dieser Konstellation - Adoptionsstatut ist deutsches Recht,
aber über Art. 23 EGBGB ist zusätzlich ausländisches Recht berufen - greift § 43b Abs.
2 Satz 2 FGG grundsätzlich ein (Senat FamRZ 2006, 1463; BayObLG FGPrax 2005, 65;
OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1124; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 69; OLG Karlsruhe
FamRZ 2006, 1464; OLG Düsseldorf RNotZ 2006, 147; OLG Köln FGPrax 2006, 72; a.
A. OLG Schleswig FamRZ 2006, 1142).
Die Anwendung des § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG scheitert jedoch daran, dass § 5
AdWirkG, auf den § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG verweist, nicht gilt, wenn der Angenommene
zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 1 Satz 2 AdWirkG). Ist diese
Voraussetzung, wie hier, nicht erfüllt, so greift auch die in § 43b Abs. 2 Satz 2 FGG
angeordnete Verweisung nicht ein. Der Senat schließt sich insoweit den
Oberlandesgerichten München (FGPrax 2007, 127), Schleswig (FamRZ 2006, 1462)
und Stuttgart (FGPrax 2007, 26) an und nicht der gegenteiligen Auffassung des
Oberlandesgerichts Köln (FGPrax 2006, 211).
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Die Entscheidung hängt dabei letztlich davon ab, ob man § 43b Abs.2 S.2 FGG als
bloße Rechtsfolgenverweisung oder als Rechtsgrundverweisung ansieht, die letztlich
die materiellen Voraussetzungen des AdWirkG mitumfasst. Dabei sprechen für die
Annahme einer Rechtsgrundverweisung, also die Beschränkung der Zuständigkeits-
konzentration auf die Minderjährigenadoption, zunächst Entstehungsgeschichte und
Regelungszusammenhang der Verweisungsvorschrift. Sie wurde durch Gesetz vom
5.11.2001 (BGBl. I, 2950) zusammen mit dem Adoptionswirkungsgesetz und ande-ren
Gesetzen zum Schutz von Minderjährigen eingeführt. Das Adoptionswirkungsge-setz
enthält Regelungen für die inländische Behandlung von Auslandsadoptionen sowie für
Inlandsadoptionen, die auf der Grundlage ausländischer Sachvorschriften
ausgesprochen werden. Der Anwendungsbereich beider Fallgruppen, also des Adop-
tionswirkungsgesetzes insgesamt, beschränkt sich auf die Annahme von Kindern, die
das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
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Mit der Zuständigkeitskonzentration des § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG soll eine Bünde-
lung richterlicher Sachkompetenz bei der Anwendung ausländischer Adoptionsvor-
schriften erreicht werden (vgl. BTDrs. 14/6011 S.49). Mit der Verweisung in § 43b Abs. 2
Satz 2 FGG wird die in § 5 AdWirkG für die inländische Behandlung von Aus-
landsadoptionen geschaffene Zuständigkeitskonzentration auf Inlandsadoptionen
erstreckt, bei denen ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen. Das ist
einerseits sachgerecht und berücksichtigt andererseits, dass das Adoptionswir-
kungsgesetz in diesen Fällen ohnehin zu berücksichtigen ist. An eine Ausweitung der
Zuständigkeitskonzentration auf Erwachsenenadoptionen war aber nicht gedacht (vgl.
OLG Stuttgart a.a.O.). Dies ergibt sich auch aus der Regierungsbegründung zur
Einfügung des § 43b Abs.2 S.2 FGG durch das o.a. Gesetz (BTDrs. 14/6011 S.57). Dort
wird nämlich davon ausgegangen, dass in den von der Zuständigkeitskonzentration
erfassten Fällen, die Vorschriften des AdWirkG zu beachten seien.
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Es mag zwar sein, wie das Oberlandesgericht Köln meint (a.a.O.), dass eine umfas-
sende Zuständigkeit des Konzentrationsgerichts für sich genommen Sinn machen
würde. Eine solche Ausweitung war aber aus den o.a. Gründen vom Willen des Ge-
setzgebers nicht umfasst.
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Im Hinblick auf die Abweichung von der genannten Entscheidung des Oberlandesge-
richts Köln kommt eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht in Betracht, weil § 5
FGG im Gegensatz zu § 36 Abs. 3 ZPO eine Vorlage nicht vorsieht und die Voraus-
setzungen des § 28 Abs.2 FGG nicht vorliegen.
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