Urteil des OLG Hamm vom 19.05.1999

OLG Hamm (abweisung der klage, treu und glauben, auszahlung, verjährung, verjährungsfrist, forderung, fälligkeit, konto, ehefrau, urkunde)

Oberlandesgericht Hamm, 31 U 207/98
Datum:
19.05.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
31. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 U 207/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 12 O 575/97
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivil-kammer des
Landgerichts Dortmund vom 11.08.1998 wird zu-rückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.
Entscheidungsgründe:
1
I.
2
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung des Sollsaldos aus dem
Kontokorrentkonto Nr. #1 in Höhe von 10.861,94 DM in Anspruch. Zwischen den
Parteien ist nicht streitig, daß die Klägerin zur Kündigung des Girovertrages berechtigt
war, ein Sollsaldo in der geltend gemachten Höhe bestand und sich der Beklagte mit
der Rückzahlung seit dem 25.10.1995 in Verzug befindet.
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Der Beklagte begehrt die Abweisung der Klage mit der Begründung, daß der Anspruch
der Klägerin durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus einem Sparbuch mit der Nr.
#2 bzw. mit ihm wegen der angeblichen Auszahlung des Sparbriefguthabens
zustehenden Schadensersatzansprüchen erloschen ist. Die Klägerin beruft sich
gegenüber dem Anspruch auf Auszahlung des Sparbriefguthabens auf Verjährung und
behauptet, die Auszahlung des Guthabens auf ein Konto der Ehefrau des Beklagten sei
auf seine Anweisung erfolgt.
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Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die
Berufung des Beklagten.
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II.
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Die Berufung hat keinen Erfolg.
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1.
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Aus dem Kontokorrentkonto verschuldet der Beklagte unstreitig den Klagebetrag nebst 5
% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank bzw. seit dem
01.01.1999 dem jeweiligen Basiszinssatz.
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2. Diese Forderung ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht durch Aufrechnung
erloschen. Die Forderung des Beklagten aus dem Sparbrief in Höhe von 26.000,00 DM
ist seit dem 17.11.1994 verjährt. Die Forderung aus dem Sparbrief und aus dem
Kontokorrent haben sich auch in unverjährter Zeit nicht aufrechenbar
gegenübergestanden, § 390 S. 2 BGB. Darüber hinaus stehen dem Beklagten keine
Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu, mit denen er die Aufrechnung
erklären könnte.
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a)
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Hinsichtlich des Sparbriefes ist - wie aus der Vorderseite der Urkunde ersichtlich -
vereinbart, daß der Anspruch verjährt, wenn der Sparbrief nicht binnen 6 Jahren nach
Eintritt der Fälligkeit vorgelegt wird. Die Fälligkeit war auf den 16.11.1988 festgelegt.
Innerhalb der folgenden 6 Jahre ist er nicht vorgelegt worden.
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Die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von schuldrechtlichen Ansprüchen
von 30, § 195 BGB auf 6 Jahre ist weder überraschend i.S.v. § 3 AGBG noch
benachteiligt diese Vertragsklausel den Beklagten unangemessen (§ 9 AGBG). Die
Verjährungsverkürzung ist also Inhalt des Vertrages geworden und auch nicht
unwirksam.
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Die Verkürzung der Verjährungsfrist ist weder objektiv ungewöhnlich noch subjektiv für
den Beklagten als Kunden des Klauselverwenders überraschend. Von der
Regelverjährungszeit von 30 Jahren für schuldrechtliche Ansprüche werden in
zahlreichen Fällen, so auch bei Sparbriefen, Ausnahmen gemacht. Auch das BGB sieht
in §§ 196 und 197 BGB schon Ausnahmen von der Regelverjährungszeit vor, so daß
schon von daher eine Verkürzung von Verjährungsfristen im Einzelfall nicht als
ungewöhnlich anzusehen ist. Die Verkürzung ist auch nach einem generellen durch
subjektive Umstände überlagerten Maßstab nicht als für den Beklagten überraschend
anzusehen. Die entsprechende Vertragsklausel ist zwar auf der Vorderseite des
Sparbriefes drucktechnisch nicht weiter hervorgehoben. Andererseits liegt dem
Sparbrief aber auch kein umfangreiches, verzweigtes Klauselwerk zugrunde. Vielmehr
sind die Regelungen über die Besonderheiten des Sparbriefes in 6 Punkten auf der
Vorderseite der Urkunde zusammengefaßt und leicht überschaubar und verständlich
formuliert. Es sind auch keine Umstände vorgetragen, warum gerade der Beklagte im
vorliegenden Fall Vorstellungen dahin entwickelt haben sollte, die Verjährungszeit sei
nicht abgekürzt und betrage wie regelmäßig 30 Jahre.
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Die Verkürzung der überlangen Verjährungsfrist von 30 Jahren benachteiligt den
Beklagten auch nicht unangemessen. Die in § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AGBG aufgezeigten
Regelbeispiele für eine unangemessene Benachteiligung sind nicht erfüllt. Das
Abweichen von der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB ist nicht mit den
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Grundgedanken dieser Regelung unvereinbar. Wie schon ein Blick auf die Vielzahl der
vom Gesetz selbst geschaffenen Ausnahmen zeigt, ist das Abweichen von der 30-
jährigen Frist eher die Regel als die Ausnahme, vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, § 195 Rdn.
1. Auch werden keine wesentlichen Rechte, die sich aus der Natur des Vertrages über
den Sparbrief, der im Gesetz keine ausdrückliche Regelung erfahren hat, eingeschränkt.
Es besteht vielmehr ein durchaus legitimes Interesse einer Bank daran, nach einem
Zeitraum von 6 Jahren gegenseitige Forderungen aus einem solchen Vertragsverhältnis
als erledigt betrachten zu können. Über diesen Zeitraum hinweg haben Banken als
Kaufleute die Pflicht, Belege über Buchungsvorgänge aufzubewahren, § 257 HGB. Es
besteht also für die Klägerin ein Interesse daran, nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist
die Einzelunterlagen über Geschäftsvorfälle zu vernichten, ohne noch im Einzelfall
prüfen zu müssen, ob der Geschäftsvorgang abgeschlossen ist oder nicht. Durch die
Regelung werden die Interessen des Anspruchsinhabers nicht entgegen Treu und
Glauben beeinträchtigt. Ihm verbleibt nach Eintritt der Fälligkeit mit 6 Jahren ein
ausreichend langer Zeitraum, um seinen dem Wesen des Sparbriefes als Rektapapier
entsprechend einfach geltend zu machenden Anspruch anzumelden.
b)
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In der Zeit ab Fälligkeit des Sparbriefes bis zur Verjährung des Anspruchs haben sich
dieser Anspruch und der Anspruch aus dem Kontokorrent nicht aufrechenbar
gegenübergestanden. Dem Vortrag der Parteien ist nicht zu entnehmen, daß der
eingeklagte Sollsaldo bereits vor dem 16.11.1994 also selbständiger
Kontokorrentposten bestanden hat.
17
c)
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Dem Beklagten stehen auch keine aufrechenbaren Schadensersatzansprüche aus dem
Sparbriefvertrag zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aus dem Sparbrief
verpflichtet war, den verbrieften Betrag zum Fälligkeitsstichtag auf das Girokonto des
Beklagten zu transferieren. Dagegen spricht schon die Natur des Rektapapiers und die
damit korrespondierende Regelung, daß die Einlösung des Sparbriefes nur gegen
Vorlage der Urkunde erfolgen sollte. Selbst wenn in diesem Zusammenhang eine
Pflichtverletzung der Klägerin zu sehen sein sollte, hat diese nicht zu einem Schaden
des Beklagten geführt bzw. ist ein solcher überwiegend auf ein Verhalten des Beklagten
selbst zurückzuführen. Entweder hat die Klägerin entsprechend ihrer Behauptung den
Sparbrief gemäß einer Weisung des Beklagten dem Konto seiner Ehefrau gutgebracht,
womit die Forderung des Beklagten durch Erfüllung erloschen wäre, oder die Klägerin
hat die Auszahlung auf das Konto der Ehefrau ohne Weisung des Beklagten
vorgenommen, womit der Anspruch bis zur Verjährung weiterbestanden hätte, da eine
Erfüllung nicht eingetreten wäre, oder die Klägerin hat überhaupt bis zum
Verjährungszeitpunkt keine Auszahlung vorgenommen. In den beiden zuletzt genannten
Fällen bestand aber für den Beklagten zu jeder Zeit die Möglichkeit, unter Vorlage des
Briefes die Auszahlung der Valuta zu verlangen, so daß der Eintritt der Verjährung auch
auf sein Versäumnis zurückzuführen ist. Bei der Abwägung etwaigen Mitverschuldens
an der Entstehung des Schadens liegt aber der Hauptvorwurf darin, daß der Beklagte
seinen Anspruch nicht geltend gemacht hat.
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d)
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Im übrigen gilt nach den AGB der Klägerin (Ziffer 4) ein Aufrechnungsverbot mit
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streitigen, nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen.
3.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 713, 546
Abs. 2 ZPO.
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