Urteil des OLG Hamm vom 04.08.2008
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Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 409/08
Datum:
04.08.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss OWi 409/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Recklinghausen, 29 OWi 56 Js 686/07 (67/07)
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe
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I.
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die §§
41 Abs. 2, 49 StVO, 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 125 € verurteilt und außerdem
ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Hiergegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt worden ist. Die
Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 349 Abs. 2
StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen.
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II.
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Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
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"....
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Am 28.01.2007 gegen 16.00 Uhr befuhr der Betroffene mit dem Pkw X, Fabrikat
Ford, die BAB 2 in I2. Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 80 km/h. Der
Betroffene überschritt diese Geschwindigkeit um 47 km/h, was durch die
Polizeibeamten Y und Z durch Nachfahren mit dem Polizeikraftfahrzeug X1
festgestellt wurde. Das Fahrzeug war ausweislich der Auskunft von Firma U vom 11.
10.2006 justiert worden. Auf den Inhalt des Schreibens im Einzelnen wird Bezug
genommen. Die Justierung war daher bis zum 11.10.2007 gültig.
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Die Messung erfolgte auf der BAB 2 Richtung Hannover zwischen dem Kilometer
450.500 und 449.500 durchgehend auf dem mittleren von 3 Fahrstreifen. Die
Messstrecke betrug ca. 1.000 m bei wachsendem Abstand zum vorausfahrenden
Fahrzeug der ca. 100 m betrug. Die gefahrene Geschwindigkeit der Polizeibeamten
lag etwa bei über 160 km/h. Die Beamten hatten während der gesamten Messung
Sichtkontakt zum gemessenen Fahrzeug, obwohl die Straße feucht war und auch
Dunkelheit herrschte. Bezüglich der Messstrecke orientierten sich die Beamten an
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den Leitpfosten, die sich neben den Fahrbahnen befanden und eine Länge von
jeweils 50 m aufweisen.
Die Beamten hatten bei Kilometer 453.700 erstmals Sichtkontakt zu dem
Betroffenen, der sehr schnell fuhr. Für die Annäherung an den Betroffenen
benötigten sie ca. 3 Kilometer um die Messung durchführen zu können. Es herrschte
sehr schlechte Sicht, so dass die Beamten kurz davor waren, die Verfolgung
abzubrechen, da die Witterungsverhältnisse sehr schlecht waren, Die
Scheibenwischer waren an und Gischt spritzte von der Fahrbahn hoch.
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......"
10
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die
Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat Rechtsfehler zu Lasten des
Betroffenen nicht ergeben, so dass das Rechtsmittel nach § 349 Abs. 2 StPO in
Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG entsprechend dem Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft zu verwerfen war.
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Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffende Stellungnahme der
Generalstaatsanwaltschaft vom 2. Juli 2008 Bezug und weist darüber hinaus auf
Folgendes hin:
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Bei der der Verurteilung zugrunde gelegten Messung der Geschwindigkeit durch
Nachfahren handelt es sich, was das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, nicht um ein
standardisiertes technisches Verfahren im Sinn der Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a.
OLG Hamm NZV 1995, 199; OLG Köln DAR 1994, 248; zum standardisierten
Messverfahren BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; siehe auch noch Burhoff (Hrsg.),
Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 1267 ff.). Das
bedeutet, dass dem tatrichterlichen Urteil die Grundlagen der Messung zu entnehmen
sein müssen. Nach den von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten
Anforderungen muss dem tatrichterlichen Urteil in diesen Fällen zu entnehmen sein, wie
lang die Messstrecke und wie groß der gleichbleibende Abstand zwischen dem
vorausfahrenden Betroffenen und dem nachfahrenden Messfahrzeug waren, außerdem
ob der verwendete Tachometer binnen Jahresfrist justiert/geeicht war und mit welchen
Geschwindigkeiten gefahren worden ist (vgl. u.a. BayObLG NZV 1994, 448; OLG Köln
DAR 1994, 248; NZV 1994, 77; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 19; OLG Hamm NZV
1995, 199; DAR 1998, 75; OLG Stuttgart VA 2005, 69). Diese Angaben enthält die
angefochtene Entscheidung. Sie enthält darüber hinaus auch die von der
obergerichtlichen Rechtsprechung für eine Messung zur Nachtzeit bzw. Dunkelheit
zusätzlich geforderten Angaben (vgl. dazu Burhoff, a.a.O., Rn. 1276 ff. mit weiteren
Nachweisen aus der Rechtsprechung). Es wird nämlich dargelegt, dass die die
Geschwindigkeitsmessung durchführenden Polizeibeamten sich hinsichtlich der
Messtrecke an den sogenannten Leitpfosten orientieren konnten und orientiert haben.
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Die gegenüber diesen ausreichenden Feststellungen erhobenen Einwände der
Rechtsbeschwerde greifen nicht durch:
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Soweit die Rechtsbeschwerde bemängelt, dass die Polizeibeamten keinen gleich
bleibenden Abstand eingehalten haben, sondern dieser sich nach den Angaben der
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Polizeibeamten teilweise vergrößert habe, übersieht die Rechtsbeschwerde, dass das
Amtsgericht daraus zutreffend den Schluss zieht, dass der Betroffene dann mit einer
noch höheren als der gemessenen Geschwindigkeit gefahren ist (Burhoff/Neidel/Grün,
Geschwindigkeits- und Abstandsmessung im Straßenverkehr, 2007, Teil 1 Rn. 513), so
dass er - worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist - durch die Annahme
eines konstanten Abstandes und einer darauf beruhenden konstanten Geschwindigkeit
nicht beschwert ist.
Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei der der Verurteilung
zugrunde liegenden Messung auch nicht deshalb um eine (unzulässige) Schätzung der
vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit, weil die Polizeibeamten nicht die von
dem Tachometer des von ihnen benutzten Polizeiwagens abgelesene Geschwindigkeit
von 160 km/h zugrunde gelegt haben, sondern wegen der besonderen Umstände,
insbesondere der Wetterverhältnisse, nur 150 km/h. Die Rechtsbeschwerde übersieht
insoweit, dass dies eine zugunsten des Betroffenen wirkende Annahme einer
geringeren Geschwindigkeit ist, die aber auf der abgelesenen und daher an sich
verwertbaren Geschwindigkeit von 160 km/h beruht. Unabhängig von der Frage, ob
dieser "Nachlass" überhaupt notwendig gewesen wäre, wird der Betroffene dadurch
nicht belastet.
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Da auch die Ausführungen des Amtsgerichts zu den festgesetzten Rechtsfolgen aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind, war die Rechtsbeschwerde mit der sich aus
§§ 473 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 OWiG ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.
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