Urteil des OLG Hamm vom 29.05.2007

OLG Hamm: rüge, rechtseinheit, verfassungsrecht, auflage, gewährleistung, beweisverwertungsverbot, form, beweiswürdigung, datum, vorabentscheidungsverfahren

Oberlandesgericht Hamm, 4 Ss OWi 328/07
Datum:
29.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ss OWi 328/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Warstein, 1 OWi 110/06
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen, da es
nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur hier
allein zulässigen Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen
oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§
80 Abs. 1, 2, 4 Satz 3 OWiG).
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§§ 46
OWiG, 473 Abs. 1 StPO).
Zusatz:
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Da das Amtsgericht den Betroffenen zu einer Geldbuße von nicht mehr als 250 EUR
verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 Satz 2
OWiG nur zuzulassen, wenn die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts
oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist oder wenn das Urteil
wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.
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1. Soweit der Betroffene die Verletzung formellen Rechts rügt, ist die Rüge nicht in der
gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG erforderlichen Form
ausgeführt und damit unzulässig.
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2. Ein Verstoß gegen Beweisverwertungsverbote, gegen den sich auch die erhobene
formelle Rüge richtet, ist mit der Sachrüge geltend zu machen (Meyer-Goßner, StPO, 49
Aufl., § 261 Rdnr. 38). Die sowohl mit der formellen Rüge als auch mit der Rüge der
Verletzung materiellen Rechts angegriffene Beweiswürdigung und Beweisverwertung
des Amtsgerichts deckt indessen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf,
welche nach den vorgenannten Maßstäben die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung
des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebieten würden.
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3. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde nur dann zuzulassen, wenn
der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von
Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder
Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (OLG Hamm, VRS 56, 42). Eine
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Zulassung unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts kommt daher nur bei
entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und abstraktionsfähigen Rechtsfragen
in Betracht (Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 80 Rdnr. 1a, 3, 4). Hingegen ist bei einer
Fehlentscheidung, die sich nur im Einzelfall auswirkt, die Einheitlichkeit der
Rechtsprechung noch nicht gefährdet (Göhler, a.a.O., Rdnr. 5). Fehler des materiellen
Rechts, die hier allein in Betracht kommen, stellen jedoch wegen der unübersehbaren
Vielfalt der hier auftretenden Rechtsfragen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung
seltener in Frage (Göhler, a.a.O., Rdnr. 6).
a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, welche
Anforderungen an die Ermittlung der Überladung eines Kraftfahrzeuges zu stellen sind.
Insoweit ist anerkannt, dass dann, wenn im Einzelfall zureichende und naheliegende
Hinweise auf das Vorliegen von Messfehlern bestehen, sich der Tatrichter von der
Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Messergebnisse überzeugen und ggf. ein
Sachverständigengutachten einholen muss, um sich zu vergewissern, ob über
vorzunehmende Abschläge die möglicherweise aufgetretenen Fehlerquellen
ausgeglichen werden können und in welcher Höhe diese Abschläge dann konkret
vorzunehmen sind (OLG Hamm, Beschl. des 4. Senats v. 11.03.2004 – 4 Ss OWi 165/04
–; Beschl. v. 08.04.2004 4 Ss OWi 225/04 –; OLG Hamm, Beschl. des 3. Senats v.
01.06.2004 3 Ss OWi 43/04 ; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2000, 275; OLG Düsseldorf VRS
82, 233, 234; BayObLG, NZV 2001, 308, jeweils m.w.N.; Hentschel,
Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 34 StVZO Rdnr. 15).
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b) Anlass zu einer darüber hinausgehenden Fortbildung des Rechts bietet der
vorliegende Fall nicht.
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Das gilt auch für die Frage eines möglichen Beweisverwertungsverbotes bei Verstößen
gegen § 7 b Abs. 2 Nr. 2 EichO. Zwar hat in einem Fall das OLG Koblenz ein
Beweisverwertungsverbot angenommen (Beschl. vom 19.01.2005 – 1 Ss 349/05 –
veröffentlicht in juris). Dem dort entschiedenen Fall lag zu Grunde, dass bei der Wägung
eine
ungeeichte
Konstellation hat der Senat in diesem Verfahren jedoch nicht zu entscheiden, da der
Bußgeldrichter hier rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass die von den Polizeibeamten
verwendete Waage zum Messzeitpunkt geeicht war. Daher besteht keine Veranlassung,
von der Rechtsprechung eines anderen Oberlandesgerichts abzuweichen und die
Sache dem hiesigen Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern gemäß §
80a Abs. 3 OWiG zu übertragen.
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Einer weiteren obergerichtlichen Vertiefung zur Fortbildung des materiellen Rechts
bedarf es insoweit auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der
Rechtsbeschwerdebegründung nicht.
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c) Eine von dem Verteidiger des Betroffenen angeregte Vorlage der Sache gem. Artikel
234 EGVertrag an den Europäischen Gerichtshof kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das
Vorabentscheidungsverfahren dient der Gewährleistung der Rechtseinheit innerhalb der
Europäischen Union. Im Rahmen dieses Verfahrens entscheidet der Europäische
Gerichtshof auf Vorlage der innerstaatlichen Gerichte verbindlich über Fragen der
Auslegung und Gültigkeit von Gemeinschaftsrechtsbestimmungen (Wegner, in :
Callies/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Auflage 2007, Art.
234 EG-Vertrag Rdnr. 1, 2). Hier ist aber die Richtlinie des Rates der Europäischen
Gemeinschaft vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
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Mitgliedstaaten über nichtselbsttätige Waagen (90/384/EWG) in Verbindung mit der
Auslegung des § 7 b Abs. 2 Nr. 2 EichO nicht klärungsbedürftig. Denn es geht nicht um
Fehler der Waage, sondern um mögliche Fehlerquellen bei der Ermittlung des
Wiegeergebnisses zur Festlegung des tatsächlichen Gesamtgewichtes des LKW.
4. Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs des Betroffenen durch das angefochtene Urteil vor.
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