Urteil des OLG Hamm vom 03.03.2004
OLG Hamm: teilweise abweisung der klage, abstrakter schaden, entschädigung, lebenshaltung, miete, körperschaft, satzung, brk, beschädigung, verkehrsunfall
Oberlandesgericht Hamm, 13 U 162/03
Datum:
03.03.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 162/03
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 292/02
Schlagworte:
Der Ausfall eines Behördenfahrzeugs kann nicht im Wege abstrakter
Nutzungsentschädigung, sondern nur unter Nachweis der konkreten
Vermögenseinbuße abgerechnet werden.
Normen:
§ 249 BGB
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.06.2003 verkündete Urteil
der
14. Zivil-kammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 20.000,00 EUR.
Entscheidungsgründe:
1
I.
2
Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz des ihm bei einem Verkehrsunfall vom
01.03.2002 entstandenen Schadens. Der Kläger war Halter und Eigentümer des bei
dem Unfall beschädigten Krankentransportwagens (KTW) der Marke Volkswagen mit
dem amtlichen Kennzeichen 0000000000, mit dem der Zeuge T zusammen mit seiner
als Begleitperson für eine zu transportierende Person fungierenden Ehefrau auf der
Bundesautobahn A 0 zwischen N und C in Fahrtrichtung C unterwegs war. Gegen 15.00
Uhr kam es im Bereich der Gemeinde H auf dieser Autobahn zu einem Unfall, bei dem
der PKW des Klägers auf den PKW des Beklagten zu 1), der bei dem Beklagten zu 2)
haftpflichtversichert ist, auffuhr.
3
Der Kläger hat erstinstanzlich Reparaturkosten, Gutachterkosten, Abschleppkosten,
Taxikosten u.a. sowie Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 01.03. bis
4
23.05.2002 geltend gemacht. Nachdem der Kläger mit seiner Klage ursprünglich
Zahlung von 42.236,86 EUR verlangt hatte, haben die Parteien, nachdem die Beklagten
einen Teil dieses Betrages gezahlt hatten, den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise
für erledigt erklärt. Dementsprechend hat der Kläger nur noch die Bezahlung eines
Betrages in Höhe von 24.107,98 EUR beantragt.
5
Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug
genommen.
6
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 19.786,53
EUR verurteilt, die Klage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung, die der Kläger
für 84 Tage und mit 49,60 EUR pro Tag, also insgesamt in Höhe von 4.166,40 EUR
begehrt, allerdings abgewiesen. Die Teilabweisung wegen der
Nutzungsausfallentschädigung hat das Landgericht damit begründet, dass eine solche
bei gewerblich genutzten Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht in Betracht komme. Bei
vorübergehendem Ausfall gewerblich genutzter Kraftfahrzeuge könne der Geschädigte
regelmäßig nur seinen entgangenen Gewinn oder Vorhaltekosten für ein
Reservefahrzeug oder Aufwendungen für Miete eines Ersatzfahrzeuges ersetzt
verlangen. Soche Schäden bzw. Kosten seien dem Kläger jedoch nicht entstanden.
7
Mit der Berufung wendet sich der Kläger allein gegen die teilweise Abweisung der
Klage hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung. Zwischen den Parteien besteht
kein Streit mehr darüber, dass die Beklagten dem Kläger 100 % des ihm entstandenen
Schadens zu ersetzen haben. Der Kläger rügt, das Landgericht habe nicht darauf
hingewiesen, dass es von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers ausgehe, obwohl
sich bereits aus der klägerischen Bezeichnung im Klagerubrum ergebe, dass der Kläger
eine "Körperschaft des öffentlichen Rechts" sei, was sich auch aus § 1 des BRK-
Gesetzes ergebe. Dementsprechend sei der Kläger - was in materiellrechtlicher Hinsicht
gerügt werde - gerade nicht gewerblich, sondern nur gemeinnützig tätig. Dies ergebe
sich auch aus § 48 der Satzung des Klägers, in dem es u.a. heißt:
8
"Das C Rote Kreuz verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und
mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der
Abgabenordnung. Das C Rote Kreuz ist selbstlos tätig, es verfolgt in erster Linie
eigenwirtschaftliche Zwecke."
9
Da der Kläger nicht gewerblich tätig sei, greife auch die Rechtsprechung des OLG
Hamm (NJW-RR 2001, 165) und des BGH (BGHZ 198, 212 ff) nicht, wonach
grundsätzlich bei erwerbswirtschaftlichem, produktiven Einsatz gewerblicher Fahrzeuge
kein abstrakter Schaden als Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden
könne. Außerdem habe sich der Ausfall des KTW auf seinen Betrieb unstreitig weder
gewinnmindernd noch kostensteigernd ausgewirkt. Wegen der Dauer des Ausfalls
verweist der Kläger auf die Reparaturbestätigung der Fa. L vom 23.05.2002 (Bl. 41 d.A.).
Der Tagessatz in Höhe von 49,60 EUR entspreche der Angabe für den hier in Rede
stehenden VW T 4 in der Tabelle von Sanden/Danner.
10
Der Kläger beantragt,
11
die Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster
vom 25.06.2003 als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere 4.166,40 EUR nebst
12
5 % Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 04.07.2002 zu
zahlen.
13
Die Beklagten beantragen,
14
die Berufung zurückzuweisen.
15
Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17
II.
18
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
19
Der Kläger hat gegen die Beklgten keinen Anspruch auf Zahlung einer
Nutzungsausfallentschädigung gemmäß § 249 BGB.
20
Mit Blick auf die Nutzungsentschädigung bei Kraftfahrzeugen sind drei Gruppen zu
unterscheiden, und zwar gewerblich genutzte PKW, privat genutzte PKW und
Behördenfahrzeuge. Nachdem der Kläger seine Satzung vorgelegt hat (Bl. 306 ff d.A.;
21
§ 48), dürfte endgültig feststehen, dass er nicht gewerblich tätig ist, so dass hier
22
von einem Behördenfahrzeug auszugehen ist. Das ergibt sich auch schon aus der
Rechtsstellung des Klägers als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 1 BRK-
Gesetz (Bl. 309 d.a.9). Die Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalls stellt sich für die drei
Fahrzeuggruppen und insbesondere für die Behördenfahrzeuge wie folgt dar:
23
Beim Ausfall eines
privat genutzten PKW
folgenden Voraussetzungen eine abstrakte Nutzungsentschädigung zu:
24
dem Geschädigten muss ein "fühlbarer Schaden" entstanden sein,
der Geschädigte müsste während der Ausfallzeit zur Nutzung des Fahrzeuges
willens und fähig gewesen sein.
25
Beim Ausfall eines
gewerblich genutzten Fahrzeuges
dem entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges
oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges. In dieser Fallgruppe ist streitig, ob der
Geschädigte Nutzungsentschädigung verlangen kann, wenn sich der Ausfall wegen
besonderer Anstrengungen des Geschädigten weder gewinnmindernd noch
kostensteigernd ausgewirkt hat. Nach der früheren Rechtsprechung des BGH (BGHZ
70, S. 203; NJW 1985, S. 2471) und einem Teil der Literatur (Becker/Böhme/Biela,
Kaftverkehr - Haftpflichtschäden, 22. Aufl., Rz. D 75; Geigel-Rixecker, Der
Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 3, Rz. 94) soll in dieser Ausnahmekonstellation eine
26
abstrakte Nutzungsausfallentschädigung möglich sein. Demgegenüber lehnt ein Teil
der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, VersR 1995, S. 1321; OLG Schleswig, VersR
1996, S. 866; OLG Köln VersR 1997, S. 506; OLG Hamm, 9. Senat, NJW RR 2001, S.
165 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) und die überwiegende Literatur
(Palandt - Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rz. 24a; Wussow - Karczewski,
Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 41, Rz 44; Greger Haftpflichtrecht des
Straßenverkehrs, 3. Aufl, Anh. I, Rz 129) eine abstrakte Entschädigung gänzlich ab.
Diese Auffassung wird mit der Entscheidung des Großen Senats des BGH vom
09.07.1986 (BGHZ 98, S. 212 ff) begründet. Dort sind der erwerbswirtschaftliche
produktive Einsatz gewerblicher Fahrzeuge mit der Möglichkeit konkreter Ausweisung
des Ausfalls und der eigenwirtschaftliche Einsatz privater Kraftfahrzeuge, die sich nicht
in einem Gewinnentgang niederschlagen, einander gegenübergestellt; zugleich wird die
abstrakte Entschädigung nur für letztere wegen
ihrer zentralen Bedeutung für die eigenen - private - Lebenshaltung begründet. Nach
dieser Ansicht kann ein vorübergehender Ausfall gewerblicher Fahrzeuge regelmäßig
nur nach dem entgangenen Gewinnn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines
Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges bemessen werden.
27
Ebenfalls streitig wird in der Rechtsprechung und Literatur die Frage diskutiert, ob
28
beim Ausfall eines
Behördenfahrzeuges
entschädigung besteht.
29
Der BGH hat noch in seiner Entscheidung vom 26.03.1985 (NJW 1985, S. 2471) vor
Erlaß der Entscheidung des Großen Senats (BGHZ 98, 212) ausgeführt, dass eine
Entschädigung für Nutzungsausfall nicht nur für private Fahrzeuge gewährt wird.
Vielmehr komme eine solche Entschädigung für zeitweise entzogene Gebrauchsvorteile
durchaus auch nach der Beschädigung von gewerblich genutzten Fahrzeugen,
Behördenfahrzeugen oder Fahrzeugen gemeinnütziger Einrichtungen in Betracht, falls
sich deren Gebrauchsentbehrung nicht unmittelbar in einer Minderung des
Gewerbeertrages (entweder in entgangenen Einnahmen oder über die mit der
Ersatzbeschaffung verbundenen Unkosten) niederschlägt. Liegt aber kein konkret
bezifferbarer Verdienstentgang vor, so ist es dem Geschädigten grundsätzlich nicht
verwehrt, anstelle des Verdienstentganges eine Nutzungsentschädigung zu verlangen,
wenn dessen Voraussetzungen im Übrigen vorliegen. Bei diesen Voraussetzungen
handelt es sich um das Vorliegen eines fühlbaren wirtschaftlichen Nachteils sowie des
Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit. Diese Ansicht wird auch nach der
Entscheidung des BGH vom 09.07.1986 nur noch von dem OLG München (NZV 1990,
S. 348 ff) sowie teilweise in der Literatur (Becker/Böhme/Biela a.a.O.; Geigel-Rixecker
a.a.O.) vertreten.
30
In der Literatur wird jedoch überwiegend - ebenfalls mit Hinweis auf die Entscheidung
des großen Senats für Zivilsachen vom 09.07.1986 (BGHZ 98, S. 212 ff) - vertreten,
dass eine abstrakte Nutzungsentschädigung für Behördenfahrzeuge nicht (mehr)
möglich sei (Wussow-Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, a.a.O., Rz. 43; Palandt -
Heinrichs, a.a.O. Rz. 24; Greger a.a.O.). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom
09.07.1986 dargestellt, dass die abstrakte Nutzungsentschädigung im BGB nur
ausnahmsweise zugelassen sei (§§ 288, 290, 849 BGB). Aus diesem Grunde legte er
auch Wert auf die Feststellung, dass in Anlehnung an den Grundgedanken, der der
Rechtsprechung der KFZ-Nutzungsentschädigung zugrunde liege, eine Ergänzung der
31
Regelungen des BGB zur abstrakten Nutzungsentschädigung auf Sachen beschränkt
bleiben müsse, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung
typischerweise angewiesen sei (BGH a.a.O. S. 222). Der BGH hat darauf abgestellt,
dass die Sache für die eigene Lebenshaltung so von Bedeutung sein müsse, dass sich
der Funktionsverlust im Vermögen des Betroffenen niederschlage; der Ersatz für
Verluste des eigenen Gebrauchs müsse grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in
denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche
32
auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirke.
33
Legt man diese Grundsätze des BGH zugrunde, kann es für Behördenfahrzeuge
34
nicht die Möglichkeit der abstrakten Nutzungsentschädigung geben. Denn die
35
vom BGH dargestellten Auswirkungen treten in dieser Form letztlich nur bei
Privatpersonen auf.
36
Dieser Ansicht tritt der Senat bei. Für sie spricht außerdem, dass sie im Einklang mit den
Grundgedanken des Schadensersatzrechts steht, wonach ein Schaden definiert
37
ist mit einer konkreten Vermögenseinbuße; diese Vermögenseinbuße wiederum wird
anhand der Differenzhypothese mittels des Vergleichs der Vermögenslage vor und nach
dem Schadensereignis ermittelt. Eine abstrakte Nutzungsentschädigung kann
38
bei dem Ausfall von Behördenfahrzeugen nicht an die Stelle einer konkreten
Schadensbemessung treten.
39
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
40
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711,
41
713 ZPO.
42