Urteil des OLG Hamm vom 16.08.1985
OLG Hamm (vaterschaft, kenntnis, verjährung, kommentar, vertreter, erblasser, anerkennung, abstammung, beschwerde, antragsteller)
Oberlandesgericht Hamm, 10 W 80/85
Datum:
16.08.1985
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 W 80/85
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 11 O 179/85
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.09.1985 wird das
Landgericht angewiesen, von seinen Bedenken gegen die
Erfolgsaussichten der Klage Abstand zu nehmen. Die Entscheidung
ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
1
Die Antragstellerin ist die am 18.09.1981 geborene nicht eheliche Tochter des am
07.11.1981 tödlich verunglückten xxx (Erblasser). Auf die unter dem 23.02.1982
anhängig gemachte Klage stellte das zuständige Kreisgericht xxx mit Urteil vom
13.10.1983 die Vaterschaft des Erblassers fest.
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Die Antragsgegner sind die Kinder des Erblassers aus dessen geschiedener Ehe.
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Mit dem beim Landgericht Münster am 20.03.1985 eingegangenen Antrag bittet die
Antragstellerin um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Verfolgung ihrer
Erbersatzansprüche nach dem Erblasser und der zur selben Zeit tödlich
mitverunglückten Mutter des Erblassers.
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Das Landgericht hat das Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen und ausgeführt,
etwaige Erbersatzansprüche der Antragstellerin seien gem. § 1934 b Abs. 2 S. 2 BGB
verjährt. Der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin, das zuständige Jugendamt, habe
unmittelbar nach dem tödlichen Verkehrsunfall vom 07.11.1981 Kenntnis von dem
Erbfall erlangt. Das Amt habe darüber hinaus spätestens am 23.02.1982 mit Zustellung
des Antrages auf Feststellung der Vaterschaft beim Kreisgericht xxx Kenntnis der
Umstände gehabt, aus denen sich das Bestehen des Erbersatzanspruches ergebe. Die
Kenntnis der Abstammung und der Familienverhältnisse reichten nach dem eindeutigen
Wortlaut des Gesetzes aus, ohne daß die Vaterschaft zu diesem Zeitpunkt bereits
anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sein müsse.
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Die hiergegen eingelegte- Beschwerde der Antragsteller in ist begründet.
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Es erscheint bereits zweifelhaft, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, daß es zur
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Kenntnis von den Umständen, aus denen sich das Bestehen des Anspruchs ergibt,
ausreicht, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich die Abstammung und die
Familienverhältnisse ergeben (vgl. Palandt-Edenhofer, 44. Aufl., Anm. 1 c zu § 1934 a;
Soergel-Stein, 11. Aufl., Am. 17 zu § 1934 b; Odersky, Kommentar zum Nichtehelichen
Gesetz, 4. Aufl., § 1934 b Anm. V 3 c). Vielmehr dürfte viel dafür sprechen, daß für den
Verjährungsbeginn nicht die Kenntnis der natürlichen Vaterschaft oder der
Vermutungsvoraussetzungen nach § 1600 o Abs. 2 ausreicht, sondern stets nur auf die
Kenntnis der Anerkennung oder der rechtskräftigen Feststellung der nichtehelichen
Vaterschaft abzustellen ist (vgl. Münchener Kommentar - Leipold, § 1934 c Rdn. 44,
Staudinger - Werner, 12. Aufl. § 1934 b Randziff. 34).
Die Entscheidung dieser Streitfrage kann vorliegend jedoch dahinstehen, da der Lauf
der Verjährung des Erbersatzanspruches für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf
Feststellung der Vaterschaft des Erblassers gem. §§ 202, 205 BGB gehemmt war (vgl.
Odersky, a.a.O. § 1934 b, Anm. V 3 c). Vor Anerkennung oder rechtskräftiger
Feststellung der Vaterschaft kann der Erbersatzanspruch gem. § 1600 a S. 2 BGB nicht
geltend gemacht werden. Hiervon will § 1934 c Abs. 1 S. 2 BGB keine Ausnahme
machen, sondern nur den Kreis der erbersatzberechtigten nichtehelichen Kinder über §
1934 a BGB hinaus erweitern. Für die Geltendmachung des Erbersatzanspruches ist
jedoch auch in den Sonderfällen des § 1934 c Abs. 1 S. 2 vorausgesetzt, daß der
Verstorbene als Vater des nichtehelichen Kindes rechtskräftig festgestellt ist. Bis zur
gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft kommen lediglich Maßnahmen des
Nachlaßgerichtes nach § 1960 Abs. 1 S. 2 in Betracht (vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O. §
1934 c Anm. 2 c a. E.; Palandt/Diederichsen, a.a.O. § 1600 o Anm. 4). Vorliegend durfte
der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin zumindest den Ausgang des gerichtlichen
Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft des Erblassers abwarten. Bis zur Vorlage
des Statusurteils waren die Antragsgegner berechtigt gewesen, etwaige von der
Antragstellerin bereits geltend gemachte Erbersatzansprüche zu verweigern. Gem. §
202 Abs. 1 BGB war der Lauf der Verjährung des Erbersatzanspruches bis zur Vorlage
des Statusurteils für mehr als ein Jahr gehemmt. Das unter dem 20.03.1985 beim
zuständigen Landgericht Münster eingehende Prozeßkostenhilfegesuch der
Antragstellerin ist eindeutig in nicht verjährter Zeit eingegangen. Die Einrede der
Verjährung kann der Antragstellerin nicht entgegen gehalten werden.
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In welcher Höhe die Antragstellerin Erbersatzansprüche gegenüber den
Antragsgegnern im Wege der Prozeßkostenhilfe geltend machen kann, bleibt der
Entscheidung des Landgerichts vorbehalten.
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