Urteil des OLG Hamm vom 31.07.2002

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Oberlandesgericht Hamm, 30 W 30/02
Datum:
31.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
30. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
30 W 30/02
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 2 O 21/02
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Streitwertbeschluss des Ein-
zelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 27. Mai
2002 abgeändert.
Der Streitwert wird
für die Zeit bis zum 21.12.2001 auf 50.000,00 DM (25.564,59 EUR),
für die Zeit danach auf 3.726,30 DM (1.905,27 EUR) festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Frage, welche Auswirkung die einseitige Erledigungserklärung auf den Streitwert
hat, wird in Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich beantwortet. Eine sog. "ganz
herrschende Meinung" gibt es entgegen der von dem Einzelrichter des Landgerichts in
seinem Nichtabhilfebeschluss vom 10. Juli 2002 wiedergegebenen Auffassung derzeit
wohl noch nicht, jedenfalls nicht dahingehend, dass nach Erledigungserklärung der
unveränderte Streitwert zugrunde zu legen ist; schon gar nicht lässt sie sich der
Kommentierung von Putzo in Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl 2002 § 91 Rn. 59-61
entnehmen.
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In neueren Entscheidungen hat, soweit ersichtlich, zuletzt das LG München (NJW-RR
2001, 429) die Ansicht vertreten, auch nach einseitiger Erledigungserklärung sei der
Streitwert nach dem vollen Wert der Klageforderung zu bemessen, weil das Gericht
weiterhin Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage zu prüfen habe
(ebenso: OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 1472; OLG München [28. ZS] NJW-RR
1996, 956; OLG Köln MDR 1995, 163; OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 114; OLG
Bamberg JurBüro 1992, 762; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 60. Aufl. 2002 Anh
3 Rn. 45).
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Eine vor allem praktikable Lösung, nach der ein Bruchteil, 50% - 80%, des bisherigen
Streitwertes maßgeblich sein soll, weil das (Feststellungs-)Interesse des Klägers nicht
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mehr seinem vollen Leistungsinteresse entspreche, sich aber auch nicht auf das
Kosteninteresse verkürze, das zudem eine rechnerisch komplizierte Ermittlung
erfordere, haben OLG München [11. ZS] JurBüro 1995, 644; OLG Köln JurBüro 1991,
832; OLG Bremen JurBüro 1971, 92; OLG Celle NJW 1970, 2113, Stein/Jonas/Bork
ZPO 21. Aufl. 1994 § 91a Rn. 47 und AK-ZPO/Röhl 1. Aufl. 1987, § 91a Rn. 49
favorisiert.
Demgegenüber bemisst der BGH (NJW-RR 1996, 1210; 1993, 765; BGHZ 106, 359,
366 = NJW 1989, 2885) - von Ausnahmen abgesehen, falls beim Ehrenschutz die
Rechtfertigung im Vordergrund steht (NJW 1982, 768) oder falls die Erledigterklärung
auf einer Aufrechnung des Klägers beruht (WM 1978, 737) - in ständiger
Rechtsprechung den Streitwert ab einseitiger Erledigungserklärung nach den bis dahin
entstandenen Gerichts- und Parteikosten. Dem sind mehrere Obergerichte gefolgt (OLG
Dresden NJW-RR 2001, 428; OLG Hamm [23. ZS] MDR 2000, 175 unter Aufgabe von
JurBüro 1973, 442; KG MDR 1999, 380; OLG Schleswig OLGR 1999, 79; OLG
Naumburg OLGR 1998, 32; OLG Hamm [13. FamS] NJW-RR 1995, 959; OLG München
[29. ZS] NJW 1995, 1086; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 761). In der
Kommentarliteratur vertreten diese Auffassung Musielak/Wolst ZPO 3. Aufl. 2002 § 91a
Rn. 47; Zöller/Herget ZPO 23. Aufl. 2002 § 3 Rn. 16; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 91a Rn.
48; MünchKomm/Lindacher ZPO 2. Aufl 2000 § 91a Rn. 90, 103. Diese Auffassung von
wird Putzo a.a.O. als wohl herrschende Meinung bezeichnet, so auch Protokoll des
Einzelrichters vom 18. März 2002, Bl. 37 d.A.
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Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Mit der einseitigen Erledigungserklärung
beschränkt der Kläger sein Klageziel auf ein entsprechendes Feststellungsbegehren,
das nach § 3 ZPO zu bewerten ist. Soweit - wie im vorliegenden Fall - kein besonderes,
weitergehendes Interesse des Klägers erkennbar ist, geht es ihm regelmäßig nur darum,
die Kostenlast abzuwehren (OLG Hamm [23. ZS] a.a.O.). Es kommt ihm regelmäßig
nicht auf die aus prozessrechtlichen Gründen verlangte Feststellung an, dass die
Hauptsache erledigt ist, sondern auf die damit verbundene Kostenentscheidung des
Urteils. Auch der Umstand, dass das Gericht bei einer nur einseitigen
Erledigungserklärung nach wie vor die ursprüngliche Zulässigkeit und Begründetheit
der Klage prüfen muss, rechtfertigt keinen höheren Streitwert, zumal auch bei
übereinstimmenden Erledigungserklärungen für die Kostenentscheidung nach § 91a
ZPO der bisherige Sach- und Streitstand maßgeblich ist, dessen Beurteilung eine
ähnliche Prüfung erfordert (OLG Dresden a.a.O.), wenn sie dort auch summarisch
erfolgen darf.
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Die Höhe der für den Streitwert ab Erledigungserklärung maßgeblichen, d.h. der bis
dahin entstandenen, Kosten lässt sich im Grundsatz mühelos der auf der Grundlage des
ursprünglichen Streitwertes von 50.000,00 DM erstellten Kostenberechnung der
Mahnabteilung des AG Hagen (Bl. 3 d.A.) entnehmen. Hinzuzurechnen sind lediglich
die entsprechenden Gebühren für die, nach ihrer Darstellung, am 12.05.2001, mithin
zum vollem Streitwert, beauftragen Rechtsanwälte der Beklagten und die Umsatzsteuer:
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Gerichtsgebühr § 11 Nr. 1100 GKG 327,50 DM
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RA-Gebühren
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§§ 43 I Nr. 11,II, 31 I Nr. 1 BRAGO 1.425,00 DM
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Auslagen § 26 BRAGO 40,00 DM
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1.465,00 DM
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+ 16% USt 234,40 DM
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1.699,40 DM
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1.
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1. 3.398,80 DM
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18
3.726,30 DM.
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Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§
25 Abs. 4 GKG).
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