Urteil des OLG Hamm vom 18.03.2008
OLG Hamm: rüge, haft, revisionsgrund, ergänzung, vorführung, sperre, datum
Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss 82/08
Datum:
18.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss 82/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Bielefeld, 10 Cs 327/07
Schlagworte:
Anforderungen an Verfahrensrüge
Normen:
StPO § 344 Abs. 2 S. 2; StPO § 338 Nr. 5
Leitsätze:
Wird in der Revisionsbegründung im Rahmen einer Verfahrensrüge
verabsäumt, den Inhalt eines Schreibens, auf das Bezug genommen
wird, mitzuteilen, so ist dies im Hinblick auf § 344 Abs. 2 S. 2 StPO
unschädlich, wenn sich der Inhalt des Schreibens aus dem
angefochtenen Urteil ergibt, welches das Revisionsgericht aufgrund
einer zulässig erhobenen Sachrüge zur Kenntnis zu nehmen hat.
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts
Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
1
I.
2
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu
einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und eine Sperre für die Wiederteilung
einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte
fristgerecht "Rechtsmittel" eingelegt, welches er innerhalb der
Revisionsbegründungsfrist als Revision bezeichnete. Er rügt die Verletzung formellen
und materiellen Rechts.
3
II.
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Das – in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Urteil – war auf die
Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 338 Abs. 1 Nr. 5, 230 StPO hin aufzuheben.
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1. Die Rüge ist – entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft – den
Begründungsanforderungen der § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gemäß erhoben worden. Die
Revision trägt vor, dass der sich in Strafhaft in anderer Sache befindliche Angeklagte zu
dem ersten und dritten Hauptverhandlungstermin (21.05.2007 und 11.06.2007)
vorgeführt wurde und anwesend war, eine Vorführung zum zweiten
Hauptverhandlungstermin vom 31.05.2007 trotz Anordnung des Gerichts aber
unterblieben sei. Die Hauptverhansdlung an diesem Tage habe in seiner Abwesenheit
von 8.50 Uhr bis 9.00 Uhr stattgefunden. Es sei u.a. das Schreiben des Kreises Q vom
22.05.2007 Bl. 36 der Ermittlungsakte verlesen worden. Die Beweiserhebung sei im
weiteren Verlauf der Verhandlung nicht noch einmal wiederholt worden. Dass die
Revision den Inhalt des verlesenen Schreibens nicht mitteilt ist unschädlich. Der Inhalt
dieses Schreibens ergibt sich aus den Urteilsgründen. Diese sind bei – wie hier –
zulässig erhobener Sachrüge – da sie dann vom Revisionsgericht ohnehin zur Kenntnis
zu nehmen sind – zur Ergänzung einer Verfahrensrüge heranzuziehen (BGH Beschl. v.
20.07.1995 – 1 StR 338/95; OLG Köln NStZ-RR 1997, 336; vgl. auch: OLG Hamm NStZ-
RR 2001, 373). Unschädlich ist es vorliegend (was grundsätzlich zu verlangen wäre),
dass die Revision nichts zu den Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO vorgetragen
hat, da der in Haft befindliche Angeklagte nicht die Macht besitzt, aus freien Stücken der
Hauptverhandlung fernzubleiben (BGH NStZ 1993, 446), so dass eine Eigenmächtigkeit
hier auf jeden Fall ausscheidet.
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2. Die Rüge ist auch begründet, da der Angeklagte bei einem wesentlichen Teil der
Hauptverhandlung, nämlich einem Teil der Beweisaufnahme, nicht anwesend war.
Auch wenn es bei dem vorliegenden absoluten Revisionsgrund keiner Beruhensprüfung
bedarf, ist anzumerken, dass das Urteil auch auf diesem Rechtsfehler beruht, denn das
verlesene Schreiben wird im Urteil zur Widerlegung einer Einlassung des Angeklagten
herangezogen.
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