Urteil des OLG Hamm vom 19.09.1989

OLG Hamm (vereinbarung, lasten, ergebnis, antragsteller, zpo, versorgung, auskunft, beschwerde, gegenleistung, vorteil)

Oberlandesgericht Hamm, 9 UF 240/89
Datum:
19.09.1989
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
9. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 UF 240/89
Vorinstanz:
Amtsgericht Münster, 42 F 97/83
Tenor:
Auf die Beschwerde der ... wird der Beschluß des Amtsgerichts -
Familiengericht - Münster vom 10.04.1989 unter Ziffer 2 des
Beschlußtenors abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Zu Lasten der für den Antragsteller unter der Nummer ... bei dem
Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen in
Düsseldorf bestehenden Anwartschaften werden auf dem
Versicherungskonto Nr. ... bei der für die Antragsgegnerin
Rentenanwartschaften in Höhe von 218,75 DM, bezogen auf die Ehezeit
vom 01.05.1968 bis zum 30.09.1979, begründet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter den beteiligten
Eheleuten gegeneinander aufgehoben; jedoch werden Gerichtskosten
soweit nicht erhoben.
Gründe:
1
Die Beschwerde ist zulässig (§ 621 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg.
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Nachdem das Amtsgericht (durch Ziff. 1 des insoweit nicht angefochtenen Beschlusses)
die notarielle Vereinbarung der Parteien vom 23. Januar 1984 familiengerichtlich
genehmigt hat, in der die Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs
verzichtet haben, soweit Anwartschaften oder Aussichten auf spätere Versorgung
betroffen sind, die von Oktober 1979 an entstanden sind, ist für die Berechnung des
Versorgungsausgleichs von einem Ende der Ehezeit am 30.09.1979 auszugehen, was
das Amtsgericht im Grundsatz auch nicht verkannt, aber hinsichtlich der von der
Antragsgegnerin erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften nicht beachtet hat.
3
Der Senat hat im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens von Amts wegen zu
prüfen, ob die Vereinbarung nichtig ist. Eine nichtige Vereinbarung wird nämlich trotz
familiengerichtlicher Genehmigung nicht wirksam (OLG Celle FamRZ 1981, 563). Die
Vereinbarung verstößt indessen gegen kein gesetzliches Verbot. § 1587 o Abs. 1 Satz 2
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BGB, wonach durch Vereinbarung Anwartschaftsrechte in eine gesetzliche
Rentenversicherung nicht begründet oder übertragen werden können, ist nicht verletzt.
Es handelt sich vorliegend nicht um eine Manipulation zu Lasten von Versicherungs-
oder Versorgungsträgern (vgl. AG Düsseldorf, NJW 1978, 647 m.w.N.). Die Parteien
haben vielmehr von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Versorgungsausgleich
durch Verkürzung der Ehezeit teilweise auszuschließen. Eine entsprechende (nicht eine
Absprache der Außerachtlassung bestimmter Versorgungsanrechte beinhaltende,
sondern im Ergebnis sämtliche Versorgungsanrechte der Parteien verringernde und
sich deshalb nicht zu Lasten Dritter auswirkende) Vereinbarung ist im Rahmen des §
1408 Abs. 2 zulässig und verstößt nicht gegen die auch insoweit beachtliche Schranke
des § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. AG Berlin-Charlottenburg, FamRZ 1983, 76, 77;
BGH FamRZ 1986, 890, 892; BGH FamRZ 1988, 153, 154). Als - allerdings
genehmigungsbedürftige - Scheidungsvereinbarung liegt sie ebenfalls im Rahmen der
Dispositionsbefugnis der Parteien (vgl. BGH NJW 1987, 1768, 1769; Palandt-
Diederichsen, BGB, 48. Aufl., § 1587 o Anm. 2).
Die erwähnte Vereinbarung verstößt auch nicht gegen § 138 BGB. Sie ist nämlich nicht
sittenwidrig, da sie keine Manipulation zu Lasten der Solidargemeinschaft der in der
gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten enthält (vgl. Palandt-Diederichsen,
a.a.O., § 1587 o Anm. 5) und auch nicht festgestellt werden kann, daß die Vereinbarung
dadurch zustandegekommen ist, daß etwa der Antragsteller als wirtschaftlich Stärkerer
die schwächere Lage der Antragsgegnerin bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt hätte.
Soweit sich nämlich durch die Verkürzung der Ehezeit im Ergebnis die zugunsten der
Antragsgegnerin zu begründenden Anwartschaften (insgesamt) verringern, stellt sich
das ausweislich der notariellen Vereinbarung im Ergebnis als Gegenleistung dafür da,
daß der Antragsteller seit Oktober 1979 ein Studium der Antragsgegnerin finanziert und
ihren sowie den Unterhalt der gemeinsamen Tochter allein getragen hat. Ein grobes
Mißverhältnis der beiderseitigen "Leistungen" kann nicht festgestellt werden.
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Gilt danach der 30.09.1979 als Ende der Ehezeit, durfte das Amtsgericht auch
hinsichtlich der von der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte erworbenen Rentenanwartschaften nicht von einer Ehezeit bis zum
30.04.1983 ausgehen und dementsprechend nicht die auf dieser Voraussetzung
beruhende Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 12.01.1987
heranziehen. Bei einer Ehezeit vom 01.05.1968 bis zum 30.09.1979 ist vielmehr
entsprechend der Auskunft der ... vom 30.05.1986 von ehezeitbezogenen
Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin von 168,40 DM auszugehen. Im Hinblick
auf die entsprechend höhere Differenz der beiderseitigen Rentenanwartschaften
erhöhen sich die für die Antragsgegnerin gemäß § 1587 b Abs. 2 zu begründenden
Anwartschaften um ((191,50 DM - 168,40 DM): 2 =) 11,55 DM auf (207,20 DM + 11,55
DM =) 218,75 DM.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 8 GKG, 93 a ZPO.
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