Urteil des OLG Hamm vom 07.06.2010

OLG Hamm (natürliche person, vertragliche haftung, gutachten, zpo, person, sachverständiger, öffentlich, gesellschaft, bestellung, fachkunde)

Oberlandesgericht Hamm, 6 U 213/08
Datum:
07.06.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 213/08
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 12 O 303/08
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.10.2008 verkündete Urteil
der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a StPO)
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I.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
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Es kann dahinstehen, ob der Klägerin überhaupt ein Schadensersatzanspruch zusteht,
weil das im Vorprozess erstattete Gutachten unrichtig ist. Jedenfalls steht der Klägerin
ein solcher Anspruch nicht gegen die Beklagten T und C – weder individuell noch in
Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - zu.
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1.
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a) Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 839a BGB scheidet aus.
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§ 839a BGB setzt voraus, dass (1) ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, (2)
vorsätzlich oder grob fahrlässig, (3), ein unrichtiges Gutachten erstattet hat.
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Zweifelhaft ist schon, ob die Beklagten überhaupt gerichtlich bestellte Sachverständige
waren. Zwar hat das Landgericht Osnabrück im Berufungsverfahren des Vorprozess (2
S 362/05; Az. des AG Bersenbrück: 14 C 315/04) mit Beweisbeschluss vom 12.12.2005
(Bl. 157 der Beiakten Bd. I) zum Sachverständigen "das Diplom-Ingenieurbüro T und C,
N" bestimmt. Zum Sachverständigen kann allerdings grundsätzlich nur eine natürliche
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Person bestimmt werden, nicht ein Institut (Zöller-Greger ZPO 28. Aufl. § 402 Rdn. 6).
Das ergibt sich aus dem grundsätzlichen Verweis in § 402 ZPO auf die Anwendbarkeit
der Vorschriften über den Zeugenbeweis. Zeugen können auch nur natürliche Personen
sein.
Das kann aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn man den landgerichtlichen
Beweisbeschluss dahingehend auslegen wollte, dass die Herren T und C beide als
Sachverständige bestellt worden wären (was eher fern liegt), würde sich daraus für ihre
Haftung nichts ergeben, denn diese haben im Vorprozess kein Gutachten – weder ein
richtiges noch ein unrichtiges – erstattet. Vielmehr ist nach Erlass des oben genannten
landgerichtlichen Beweisbeschlusses der im Sachverständigenbüro der Beklagten
beschäftigte Sachverständige Dipl.-Ing. H2 mit Wissen und Billigung, bzw. im weiteren
Verlauf des Vorprozesses auch auf ausdrückliche Veranlassung, des Gerichts tätig
geworden. Er hat mit zwei Schreiben an das Landgericht vom 25.01.2006 den Eingang
der Akten bestätigt und einen Antrag auf Erhöhung des Stundensatzes gestellt (Bl. 163
und 165 Bd. I der Beiakten). Diesem Begehren hat die damalige Beklagte und jetzige
Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15.02.2006 zugestimmt (Bl. 169 Bd. I der
Beiakten). Das schriftliche Gutachten hat der Sachverständige H2 am 26.07.2006
erstattet und allein und persönlich gezeichnet. Er wurde auch vom Landgericht
namentlich mit der Erstattung eines Ergänzungsgutachtens am 02.10.2006 beauftragt
(Bl. 18 Bd. II der Beiakten). Dieses hat er – allein und persönlich unterzeichnend – unter
dem 09.02.2007 vorgelegt. Schließlich wurde er mit Verfügung vom 18.07.2007 (Bl. 38
Bd. II der Beiakten) zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Osnabrück
geladen und hat dort am 12.09.2007 sein mündliches Gutachten erstattet (Bl. 59 Bd. II
der Beiakten). Eine Mitwirkung der Beklagten an der Begutachtung im Vorprozess hat
somit in keiner Weise stattgefunden. Es ist noch nicht einmal bekannt, wie der
Begutachtungsauftrag bürointern an Dipl.-Ing. H2 gelangt ist. Als Sachverständiger ist
jedenfalls allein dieser tätig geworden.
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b) Dass der Sachverständige H2 seine Schreiben unter dem Briefkopf "T & C" vorgelegt
hat, ändert an dieser Bewertung nichts. Die dienst- oder arbeitsrechtliche bzw.
gesellschaftrechtliche Stellung des Sachverständigen hat nichts mit seiner
zivilprozessualen Stellung zu tun. Ein Sachverständiger mag Dienste oder
Arbeitsleistungen für einen Dienstherrn oder Arbeitgeber erbringen oder selbst
Gesellschafter einer Gesellschaft sein. Das ändert aber nichts daran, dass die
Regelungen der Zivilprozessordnung nur seine Bestellung zum Sachverständigen als
natürliche Person gestatten. Er hat auch seine Gutachten persönlich erstattet und
gezeichnet. Die Verwendung eines Firmenbriefkopfs durch den Sachverständigen ist
nicht geeignet, das Institut, eine Gesellschaft etc. – gesetzeswidrig - zum
Sachverständigen zu erheben.
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c) Die von der Klägerin beantragte "Rubrumsberichtigung" (statt "T und C" sollte der
"Dipl.-Ing. H als Beklagte geführt werden) schied aus, denn es liegt hier keine
offensichtliche Fehlbezeichnung vor, die auf diesem Wege korrigiert werden könnte. Es
ist nicht offensichtlich, dass wer "T & C" schreibt, "H meint. Da die Beklagten und auch
Dipl.- Ing. H2 einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite nicht zugestimmt haben, schied
auch dies (wenn man den Antrag auf Rubrumsberichtigung dahingehend auslegen
wollte) aus.
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d) Die Beklagten sind auch nicht etwa insoweit als Sachverständige im Vorprozess tätig
geworden, als sie zur Begutachtung, wer aus ihrem Büro als Sachverständiger in Frage
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käme, bestellt worden wären. Zum einen ist das keine Frage einer Begutachtung,
sondern der bloßen Sachverständigenauswahl im Sinne von § 404 ZPO, welche im
Vorfeld der eigentlichen Gutachtenerstattung liegt. Zum anderen steht einer solchen
Annahme auch die Formulierung der Beweisfragen im Beweisbeschluss des
Landgerichts Osnabrück entgegen.
2.
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Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 831 BGB scheidet ebenfalls aus.
Der vor dem Landgericht Osnabrück tätig gewordene Sachverständige war bei der
Gutachtenerstattung jedenfalls den Beklagten nicht weisungsunterworfen und
dementsprechend bereits nicht deren Verrichtungsgehilfe.
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3.
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Auch ein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB steht der Klägerin gegen die Beklagten
nicht zu. Es mag sein, dass die Beklagten bei der unklaren Fassung des
Beweisbeschlusses hinsichtlich der Person des Sachverständigen die Sache nicht
einfach an Dipl.-Ing. H2 hätten weiterleiten dürfen, sondern um Klarstellung hätten
ersuchen müssen. Es ergeben sich indes jedenfalls für die subjektiven
Voraussetzungen des § 826 BGB keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dass die
Begutachtung an Dipl.-Ing. H2 weitergegeben wurde, der nur für das Fachgebiet
"Straßenverkehrsunfälle" von der IHK öffentlich bestellt und vereidigt ist (hier ging es
vorliegend um einen Motorschaden), begründen solche nicht. Die öffentliche Bestellung
für ein Fachgebiet entfaltet zwar eine gewisse Vermutung für eine besondere
Fachkunde. Die fehlende öffentliche Bestellung begründet indes keine Vermutung für
fehlende Fachkunde. Dementsprechend wird die Vorschrift des § 404 Abs. 2 ZPO
(Vorrang des öffentlich bestellten Sachverständigen) gemeinhin als bloße
Ordnungsvorschrift ausgelegt (Zöller-Greger a.a.O. § 404 Rdn. 2). Dass die Beklagten
bewusst den Sachverständigenauftrag an Dipl.-Ing. H2 weitergegeben haben, um durch
die Begutachtung durch einen (vermeintlich) Sachunkundigen die Klägerin zu
schädigen, ist nicht ersichtlich.
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4.
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Schließlich scheidet auch eine vertragliche Haftung der Beklagten aus. Zwischen einem
bestellten Sachverständigen und den Verfahrensbeteiligten bestehen keine
vertraglichen Beziehungen (vgl. Palandt-Sprau BGB 69. Aufl. § 839a Rdn. 2). Die
rechtlichen Beziehungen zwischen dem Gericht und dem Sachverständigen sind
öffentlich-rechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur (BGH NJW 2003, 2825, 2826). An
dieser Rechtsnatur ändert sich nichts dadurch, dass entweder eine
Sachverständigenbestellung fehlerhaft vorgenommen wird, weil keine natürliche Person
zum Gutachter bestellt wird (s.o.), oder aber das Gericht (und auch die
Verfahrensbeteiligten) das Tätigwerden eines anderen als des ursprünglich bestellten
Sachverständigen hinnimmt bzw. (wie hier) im Verlauf des Verfahrens einem anderen
als dem ursprünglich benannten Sachverständigen die Begutachtung überträgt.
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II.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713, 544 ZPO, 26 Nr. 8
EGZPO.
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III.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.615,55 Euro festgesetzt.
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